Auszug aus der Plattform der Kommunistischen Partei Deutschlands(Opposition), beschlossen auf deren 3. Reichskonferenz im Dezember 1930

C. Revolutionäre Übergangslosungen

101. FRAGE:

Können die Millionen des Proletariats und der Werktätigen zum Kampf um die Diktatur allein durch Tageslosungen und Propaganda der Endlosungen geführt werden?

ANTWORT: Nein. Es bedarf dazu noch der Propaganda solcher Losungen, die noch nicht kommunistische Endlosungen sind, aber den Rahmen des bürgerlichen Staates und der kapitalistischen Wirtschaftsordnung bereits überschreiten, die also geeignet sind, den Tageskampf zunächst geistig mit dem Kampf um die Macht zu verbinden und sodann, in Zeiten revolutionärer Krisen, ihn tatsächlich in den Machtkampf überzuleiten.

102. FRAGE:

Was sind Übergangslosungen in der Periode der Tageskämpfe?

ANTWORT: Losungen, die der Massenpropaganda und Agitation dienen.

103. FRAGE:

Wann verwandeln sie sich in Aktionslosungen?

ANTWORT: In der Periode des Kampfes um die Macht.

104. FRAGE:

Wie verhalten sich die revolutionären Übergangslosungen zu den Endlosungen?

ANTWORT: Die revolutionären Übergangslosungen werden verwirklicht im Kampf um die Macht. Der Kampf um ihre Verwirklichung führt zur Zermürbung der bürgerlichen Macht im Staat und in der Wirtschaft und zur revolutionären Vereinigung und Schulung der proletarischen Kräfte. Dieser Kampf mündet aus in die tatsächliche Eroberung der Macht. Nach Eroberung der Macht wird von den revolutionären Übergangslosungen weiter gegangen zur Verwirklichung der Endlosungen.

105. FRAGE:

Wie werden revolutionäre Übergangslosungen propagiert?

ANTWORT: Sie müssen an die konkrete Lage des Klassenkampfes anknüpfen und aus Ihr heraus entwickelt und näher bestimmt werden. Von der konkreten Lage hängt auch ab, welche bestimmte revolutionäre Übergangslosung jeweils in den Vordergrund gerückt wird.

106. FRAGE:

Welche allgemeinen revolutionären Übergangslosungen ergeben sich als die wichtigsten für Deutschland?

ANTWORT: 1. Die Losung der Arbeiterräte. 2. Die Losung der Soldatenräte. 3. Die Losung der Arbeiterkontrolle der Produktion.

107. FRAGE:

Welche propagandistische Bedeutung hat die Losung der politischen Arbeiterräte?

ANTWORT: Sie hat die Bedeutung einer konkreten revolutionären Propaganda gegen den bürgerlich-demokratischen wie gegen den faschistischen Staatsapparat, sowie für die einzige Kampforganisation, die alle Werktätigen ohne Unterschied umfaßt. Um die Reife der revolutionären Entwicklung wiederzuspiegeln, müssen die politischen Arbeiterräte aus der revolutionären Situation heraus gewählt und jeweils mit dem Fortschreiten des revolutionären Bewußtseins der Arbeiter erneuert werden.

108. FRAGE:

Wie und Wann können die politischen Arbeiterräte geschaffen werden?

ANTWORT: Nur in Zeiten revolutionären Aufschwungs. Ihre Bildung leitet den Kampf um die Macht ein. Sie sind die Organe des Kampfes um die Macht.

Die Arbeiterräte können sich nur halten, wenn sie den Kampf der Arbeiterklasse um die Macht organisieren und durchführen. Tun sie das nicht, so werden sie von der Bourgeoisie niedergeschlagen. Die Verankerung der Räte in der bürgerlichen Verfassung bedeutet ihren Verzicht au[ den Kampf um die Macht und daher ihre Selbstvernichtung.

109. FRAGE:

Können Betriebsräte die politischen Arbeiterräte ersetzen?

ANTWORT: Nein. Die Betriebsräte sind spezielle Organe der Arbeiter der einzelnen Betriebe mit beschränkten Funktionen. In revolutionären Zeiten sind sie Organe zur Durchführung der Kontrolle der Produktion. Die politischen Arbeiterräte sind die alles umfassenden politischen Organe der revolutionären Arbeiterklasse zum Kampf um die Macht.

110. FRAGE:

Wie können politische Arbeiterräte entstehen?

ANTWORT: Sie können bei Übergang der Tageskämpfe in den Machtkampf durch Erneuerung und Erweiterung aus wirklichen Einheitsfrontorganen entstehen.

111. FRAGE:

Welche Funktionen üben die politischen Arbeiterräte nach Übernahme der Macht aus?

ANTWORT: Sie verwandeln sich in die Organe der proletarischen Staatsmacht, der Räterepublik.

112. FRAGE:

Welche Bedeutung hat die Losung der Soldatenräte?

ANTWORT: Die Soldatenräte dienen der Untergrabung des Kommandoapparates bürgerlicher Heere und der Sammlung und Führung der revolutionären Kräfte im bürgerlichen Heer.

113. FRAGE:

Welche Bedeutung hat die Losung der Arbeiterkontrolle der Produktion?

ANTWORT: 1. In der Periode der Tageskämpfe ist sie eine Propagandalosung, die geeignet ist, allen vom Monopolkapital ausgebeuteten Klassen in konkreter Form den Weg zur revolutionären Überwindung der Trustherrschaft zu zeigen, indem sie dem Gedanken der Leitung der Wirtschaft durch die kapitalistischen und bürgerlichen Staatsorgane den Gedanken der Wirtschaftsleitung ausschließlich durch die Werktätigen und ihre revolutionären Klassenorgane gegenüberstellt.

2. Die Losung der Arbeiterkontrolle der Produktion ist so der revolutionäre Gegenpol zu der reformistischen Losung der Wirtschaftsdemokratie, der paritätischen "Kontrolle" der kapitalistischen Wirtschaft durch Organe des bürgerlichen Staates und der Gewerkschaften, wobei die bürgerlichen Organe immer das Übergewicht haben.

3. Die wichtigsten konkreten Anknüpfungspunkte für die Propaganda der Arbeiterkontrolle der Produktion sind: Betriebsstillegungen, durch die Monopole verursachte Teuerung, Wirtschaftskrisen, vor allem aber die Unlänglichkeit des Gewerkschaftskampfes. Die Agitation für die Arbeiterkontrolle kann besonders wirksam gemacht werden dadurch, daß die Arbeiter und Angestellten in den Betrieben, und insbesondere die Betriebsräte alle Tatsachen auswerten, die die ausbeuterische Praxis des Monopolkapitals beleuchten. "Die Entlarvung der Kapitalisten ist der erste Schritt zu ihrer Beseitigung" (Lenin).

4. Die Losung der Arbeiterkontrolle der Produktion ist aufs engste verknüpft mit der Losung der Räte und dem Kampf um die Macht. Die Verwirklichung dieser Losung ist der erste Schritt zur Expropriation der Kapitalisten.

5. Die Arbeiterkontrolle der Produktion wird verwirklicht in der Periode des Kampfes um die Macht. Sie bedeutet dann den Kampf um die Leitung in den einzelnen Betrieben und ihre tatsächliche Übernahme durch die Belegschaft.

6. Nach Eroberung der Macht macht die Arbeiterkontrolle der Produktion der zentralisierten Leitung der Produktion durch die Wirtschaftsorgane des Rätestaates Platz, die die Enteignung der Kapitalisten voraussetzt.

Die Arbeiterkontrolle der Produktion, d.h. das Ringen der Arbeiter in jedem Betrieb um die Leitung, ist ein notwendiges vorbereitendes Glied des Kampfes um die Macht auf wirtschaftlichem Gebiet.

D. Die Arbeiter und Bauernregierung

114. FRAGE:

Was ist die Arbeiter- und Bauernregierung?

ANTWORT: Die Arbeiter- und Bauernregierung ist das Ergebnis des Kampfes um die Macht, des siegreichen proletarischen Aufstandes. Sie ist die Diktatur des Proletariats in ihrem Anfangsstadium.

Die proletarische Staatsmacht kann sich nicht stützen auf Organe des bürgerlichen Staates. Sie kann nur entstehen und wirken, gestützt auf Klassenorgane des Proletariats, vor allem der Räte. Sie bedarf der Führung durch die Kommunistische Partei, die die Regierung nur übernehmen kann, wenn sie vorher die Mehrheit der Arbeiter für ihre Ziele und Grundsätze gewonnen hat. Sie setzt die Niederschlagung der Gewaltmittel des bürgerlichen Staates voraus und vollendet die Zertrümmerung des bürgerlichen Staatsapparates. Die proletarische Staatsmacht bedarf dieser Voraussetzung, um sofort diktatorische Maßregeln gegen die Bourgeoisie durchzuführen, die ihr allein das Vertrauen und die Unterstützung der werktätigen Klassen sichern können.

Die proletarische Staatsmacht bedarf zu ihrer Errichtung der bewaffneten Arbeiterschaft. Keine proletarische Staatsmacht ohne bewaffnete Arbeiter.

Der Versuch, eine Räteregierung vor dem siegreichen Aufstand zu bilden, muß unbedingt zur Niederlage führen. Entweder führt dieser Versuch zum Putschismus oder zur Diskreditierung der Räte und der Kommunistischen Partei, weil eine solche Regierung gegenüber dem noch intakten bürgerlichen Staatsapparat machtlos ist. Die lokale oder gebietsweise Übernahme der Macht durch die Räte ist nur dann richtig, wenn sie in unmittelbarer Verbindung steht mit der allgemeinen Übernahme der Macht und wenn die Voraussetzungen für die Machtübernahme im nationalen Umfang vollständig ausgereift sind.

Die Diktatur des Proletariats ist dann voll ausgebildet, wenn alle Reste bürgerlich-parlamentarischer Einrichtungen vollständig vernichtet sind, wenn die Kommunistische Partei sich das politische Monopol erkämpft hat. Das Anfangstadium der Diktatur kann dagegen noch zeitweilige Reste des bürgerlichen Parlamentarismus einschließen (in Rußland 1917 die Konstituante). Es kann ebenfalls zeitweilige Bündnisse mit revolutionären Parteisplittern einschließen, die sich im Kampf um die Macht auf die Seite der Räte geschlagen haben. Die Arbeiter- und Bauernregierung ist keine Übergangslosung. Sie wird nicht im Laufe des Kampfes um die Macht verwirklicht. Ihre Verwirklichung ist der Abschluß des Kampfes um die Macht. Die Arbeiter und Bauernregierung ist weder eine parlamentarische Koalitionsregierung, noch ein bloßes Synonym oder Pseudonym der proletarischen Diktatur, Sie ist ein bestimmtes Stadium der proletarischen Diktatur, nämlich ihr Anfangsstadium.