Auszug

aus dem Protokoll des 4. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale

 

BUCHARIN: Im Namen der russischen Delegation habe ich folgende Erklärung abzugeben:

"Angesichts dessen, daß der Streit darüber, welche Formulierung den Übergangsforderungen gegeben werden soll und in welchem Teile des Programms sie untergebracht werden sollen, vollkommen unrichtig den Anschein eines prinzipiellen Gegensatzes erweckt hat, bestätigt die russische Delegation einstimmig, daß die Aufstellung der Übergangsforderungen in den Programmen der nationalen Sektionen und Ihre allgemeinen Formulierung und theoretische Begründung in dem allgemeinen Teil des Programms nicht als Opportunismus aufgefaßt werden können.

Vertretung der russischen Delegation:

Lenin, Trotzki, Sinowjew, Radek, Bucharin."

VORSITZENDER: Mit dem Gegenstand hat sich das Präsidium eingehend befaßt und einen Antrag ausgearbeitet. Zu diesem erhält Gen. Sinowjew das Wort.

SINOWJEW: Ich werde diesen Antrag einfach verlesen. Er wird, wie uns mitgeteilt wird, auch von einer Anzahl Delegationen unterstützt, die schon die. Möglichkeit hatten, sich mit ihm bekannt Zu machen. In erster Linie von der deutschen, der russischen, tschechoslowakischen, polnischen, bulgarischen und noch einer Anzahl anderer.

Der Antrag lautet:

1. Alle Programmentwürfe werden der Exekutive der Kommunistischen Internationale oder einer von ihr bestimmten Kommission zum Zwecke des Studiums und detaillierter Bearbeitung überwiesen. Die Exekutive der Kommunistischen Internationale ist verpflichtet, in kürzester Frist alle Programmentwürfe, die bei ihr einlaufen, zu publizieren.

2. Der Kongreß bestätigt, daß die nationalen Sektionen der Kommunistischen Internationale, die noch keine nationalen Programme besitzen, verpflichtet sind, sofort an ihre Ausarbeitung zu gehen, um spätestens 3 Monate vor dem 5. Kongreß

sie der Exekutive zu unterbreiten zwecks Bestätigung durch den nächsten Kongreß.

3. In den Programmen der nationalen Sektionen muß die Notwendigkeit des Kampfes für die Übergangsforderungen mit aller Klarheit und Entschiedenheit begründet werden, wobei die entsprechenden Vorbehalte über die Abhängigkeit dieser Forderungen von den konkreten Bedingungen der Zeit und des Ortes gemacht werden müssen.

4. Die theoretische Grundlage für alle Übergangs- und Teilforderungen muß bestimmt gegeben werden in dem allgemeinen Programm, wobei der 4. Kongreß gleichermaßen entschieden die Bestrebungen verurteilt, die Einführung der Übergangsforderungen in das Programm als Opportunismus darzustellen, wie auch alle Versuche, die grundlegenden revolutionären Aufgaben durch Teilforderungen zu vertuschen oder zu ersetzen.

5. In dem allgemeinen Programm müssen klar die grundlegenden historischen Typen der Übergangsforderungen der nationalen Sektionen dargestellt werden, gemäß den grundlegenden Unterschieden in der ökonomischen und politischen Struktur der verschiedenen Länder, wie z. B. England einerseits, Indiens andererseits usw.

VORSITZENDER: Das Präsidium ist der Meinung, daß dieser Antrag ohne Diskussion angenommen werden kann. Aber trotzdem halten wir dafür, daß die Delegationen, obwohl sich die meisten schon für den Antrag ausgesprochen haben, noch einmal

Gelegenheit bekommen, Stellung zu nehmen. Ich unterbreche daher die Sitzung auf 20 Minuten. (Pause)

Ich mache auf folgendes aufmerksam. Soweit ich informiert bin sind alle Sektionen grundsätzlich mit dem Vorschlag des Präsidiums einverstanden. Die italienische Delegation hat aber erklärt, daß sie, obwohl auch sie grundsätzlich mit unserem Vorschlage einverstanden sei, die Absicht habe, eine Erklärung abzugeben. Nun bin ich informiert, daß für den Fall, daß die italienische Sektion eine Erklärung abgibt, auch andere Sektionen Erklärungen abgeben werden. Ich wende mich deshalb an die italienische Sektion mit der Bitte, auf ihre Erklärung zu verzichten.