Streik im bayerischen Oberland

Wertpapier- und Sicherheitstechnikhersteller Giesecke & Devrient will Werk am Tegernsee schließen

aus der jungen Welt von Nick Brauns - 10.11.2005

 

Die Welle von Streiks gegen Betriebsschließungen in Bayern reisst nicht ab. Nach Infineon in München und AEG in Nürnberg steht seit Montag abend die Belegschaft des Technologiekonzerns Giesecke & Devrient (G&D) in Louisenthal im Vollstreik. Die Unternehmensführung plant zum 31. Oktober 2006 die Schließung des Werkes am Tegernsee und die Verlagerung eines Teils der ID-Kartenproduktion ins slowakische Nitra. Davon sind nach Gewerkschaftsangaben 240 Arbeitsplätze betroffen.

Nachdem die Geschäftsleitung nach vier eintägigen Warnstreiks nicht bereit war, über einen Sozialplan und einen Ergänzungstarifvertrag zu verhandeln, stimmten vergangene Woche 90,5 Prozent der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter in der Urabstimmung für den Streik. "Wir wollen, dass unser Werk erhalten bleibt. Wir verlangen im Fall der Aufrechterhaltung des Schließungsbeschlusses andere Arbeitsplätze für alle oder hohe Abfindungen als Überlebensration fuer Hartz I bis IV", erklärt die Streikleitung. Der Betriebsrat wollte bei Verhandlungen mit der Geschäftsführung mindestens das Ergebnis des Infineon-Sozialtarifvertrags erreichen. Doch Giesecke & Devrient boten trotz Rekordgewinnen lediglich Abfindungen, die um das Eineinhalbfache darunter liegen, berichtet ver.di-Sprecherin Sabine Pustet.

"Wir wollen nicht die Abzocker unterstützen", beschimpfte der G&D-Personalleiter die Belegschaft auf einer Betriebsversammlung. Es sollten kein Präzedenzfall fuer die Zukunft bei G&D geschaffen werden, lehnte die Geschäftsführung des weltweit tätigen Konzerns die Forderung des Betriebsrats ab. Eine Betriebsschließung dürfe nicht Gegenstand eines Tarifvertrags sein, erklärte auch der Anwalt des Unternehmens.

Solidarität zeigten Infineon-Arbeiter, die nach einem einwöchigen Streik einen Sozialtarifvertrag im von der Schließung bedrohten Chip-Werk München-Neuperlach erkämpfen konnten. Eine 15köpfige Delegation fuhr zum Tegernsee, um den G&D-Kollegen "Nachhilfe in verschärfter Diskussion mit Streikbrechern" zu geben.

Neben Führungskräften werden vor allem Leiharbeiter der Zeitarbeitsfirma Nextime als Streikbrecher eingesetzt. Betriebsrat und Gewerkschaft haben dagegen eine einstweilige Verfuegung beantragt. Illegalerweise würden die befristeten Kraefte mit Kündigungsdrohungen unter Druck gesetzt. "Da herrscht die pure Angst. Die Chefs sind bei jedem Schichtwechsel vor Ort", berichtet Streikleiter Weber. Trotz der Streikbrecher sei die Produktion durch den Ausstand weitgehend lahmgelegt. Die in der Produktion unerfahrenen Chefs hätten bereits eine Maschine beschädigt.

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