Solidarität mit den kämpfenden Eisenbahnern!

Die Konzerntöchter Deutsche Bahn Rallion und Fernverkehr haben gegen die Gewerkschaft der Lokführer beim Arbeitsgericht Nürnberg ein Streikverbot im Güterverkehr und im Personenfernverkehr durchgesetzt. Das Gericht begründet seinen Urteil mit “den immensen wirtschaftlichen Schäden" eines Streiks.Sobald Arbeiter erste Signale eines organisierten Widerstandes aussenden, bröckelt die Fassade der Neutralität der Justiz im Klassenkampf.

Mehdorn vs. Lokführer

Die Justiz entpuppt sich als Büttel der herrschenden Klasse. Die Richter gehen nicht so weit, das Grundrecht auf Streik für nichtig zu erklären. Sie relativieren es nur bis zur Unkenntlichkeit. Arbeitsrechtlich erscheint es unhaltbar. Dieses und die Urteile in Vehemnitz (Verbot von Streiks im Nahverkehr) sowie in Düsseldorf (Verbot von Streiks in Nordrhein-Westfalen) wird von den nächsten Instanzen sehr wahrscheinlich aufgehoben. Die Gerichtsentscheidungen sind mit deutschem Verfassungsrecht und mit internationalen Arbeitsrechtsstandards offenkundig unvereinbar.

Eines hat die Bahn dennoch erreicht: Sie hat Zeit gewonnen. Zeit ist in Arbeitskämpfen mehr Wert als es sich viele vorstellen. Die Aussetzung von Streiks zugunsten langwieriger Schlichtungsverfahren legt das Schicksal der betroffenen Kolleginnen und Kollegen in die Hände von erfahrenen Funktionären und von "Experten". Die direkte Aktion der Betroffenen wird ausgesetzt. Die Betroffenen werden zu schlecht informierten Zuschauern in ihren eigenen Angelegenheiten, weil sie über die hinter verschlossenen Türen geführten verhandlungen schlecht oder gar nicht informiert werden. Ihre wirkliche Stärke, die Ausübung von wirtschaftlichem Druck, verkommt zur Drohgebärde. Die ist nur so glaubhaft, wie die Kampfentschlossenheit der beteiligten Gewerkschaftsführer. Die läßt aller Erfahrung nach zu wünschen übrig. Der Druck auf die GdL durch die von der herrschenden Klasse kontrollierten Massenmedien kann so voll zum Tragen kommen. Besonders in Streiks wie dem der Eisenbahner gibt es immer eine breite propagandistische Front gegen die Gewerkschaftsbasis.

Es ist bezeichnend, daß die bürgerlichen Zeitungen versuchen, die restliche Bevölkerung gegen die Bahnarbeiter aufzuhetzen. Sie schüren Ängste, daß die Lokführer mit ihren "unverschämten Forderungen" den Urlaub vieler Deutscher gefährden könnten. Als ob die Umverteilung von unten nach oben, die die herrschende Klasse seit Jahren betreibt, nicht viel mehr Lohnabhängige und Arbeitslose daran hindert zu reisen als ein paar Streiktage!

Die Forderungen der GdL sind nicht so unverschämt, wie Mehdorn und die meisten bürgerlichen Medien uns Glauben machen wollen: Auch bei einer Lohnerhöhung um 31% liegt das Bruttoeinstiegsgehalt eines Lokführers (2500,--€) immer noch unter dem Nettogehalt von 2700,--€ seiner französischen Kollegen! Eine Zugbegleiterin erhielte nur 2180,--€ brutto. Das Lohniveau der deutschen Bahner liegt bei nur 63% des spanischen Niveaus. Nirgendwo in Westeuropa werden Lokführer so schlecht bezahlt wie in der BRD. Mit der Durchsetzung dieses Lohnniveaus haben Mehdorn & Co. unter aktiver Mithiolfe von Gewerkschaftern wie dem Transnet-Vorsitzenden Hansen die Deutsche Bahn "börsenreif" gemacht und die beabsichtigte Privatisierung vorbereitet. Wegen diese "Erfolge" hat sich der Aufsichtsrat der Bahn 2006 eine Erhöhung seiner Bezüge um 62,5 % genehmigt. Das hält Mehdorn und die Transnet-Führung nicht davon ab, gemeinsam die "überzogenen" Forderungen der GdL zu kritisieren, die sich von der Transnet-Führung nicht länger ausverkaufen lassen wollen und jetzt um einen eigenen Tarifvertrag kämpfen.

Aber dieser von den Herrschenden aufgebaute Druck ist ein Luftballon, der zerplatzen kann. Dafür braucht man nur eins, nämlich eine Nadel. Diese Nadel ist die Solidarität mit den Streikenden und der Zusammenhalt der LokomotivführerInnen und des Fahrpersonals selbst.

Streiks ohne ökonomische Auswirkungen gibt es nicht. Streiks sind Kraftproben. Wer wirksame Kampfmaßnahmen unterbinden will, will die Arbeiterklasse zu einer Klasse von ohnmächtigen Bittstellern machen. Dies hinzunehmen hieße zu akzeptieren, daß die Lage sich immer mehr verschlechtert.

Wir alle haben in den letzten Jahren schon die Auswirkungen einer solchen Politik kenngelernt. Der Verzicht auf eine wirksame Interessenpolitik durch die klammheimliche Koalition sozialdemokratischer und christdemokratischer Gewerkschaftsfunktionäre im DGB hat zu einer stetigen Verschlechterung der Lage der arbeitenden Bevölkerung geführt. Bei der Bahn hat sich das Einkommenniveau allein 2005/2006 um 10% verschlechtert, die Schichteinteilungen werden immer unzumutbarer; auf die individuelle Lage des Fahrpersonals wird keine Rücksicht genommen. Der Service hat sich für die Bahnkunden noch mehr verschlechtert. Geld fließt bei Mehdorn nur in Prestigeobjekte.

Keinen Klassenkampf hat man bisher ohne Solidarität gewonnen. Der Streik der GDL-Mitglieder ist ein Teil der künftigen Arbeitskämpfe aller anderen abhängig Beschäftigten. Die Streikverbote sind ein Angriff auf uns alle! Jetzt gilt es, Solidarität zu zeigen!

Von Suphi Toprak (Marxistische Initiative, München)