Das Pogrom von Mügeln: Wieder ein Einzelfall ?

Über den Faschismus

Suphi Toprak

Im sächsischen Mügeln wurden mehrere Inder von deutschen Jugendlichen zusammengeschlagen und durch die Stadt gejagt. Die Bevölkerung schaute zu oder weg.

Rassismus wird gewöhnlich totgeschwiegen. Er fällt den Medien der bürgerlichen Gesellschaft erst dann auf, wenn es zu solchen Gewalt taten kommt. Dann werden vor den Kameras immer die gleichen inhaltslosen Reden gehalten. Erst wird abgestritten, was offenkundig ist, dass es ein rassistsisches pogrom gab. Nachdem diese demonstration des politischen Dummenfangs nicht verfangen hat, wird in Empörung gemacht und/oder der Rassismus wird wahlweise als eine untypische Randerscheinung, als regionales Ostphänomen und Jugendwahn abgetan. Jedes Mal tun die Redner überrascht, empfehlen mehr Sozialarbeit, um die irregeleiteten rassistischen Schäfchen wieder in den Schoß der bürgerlichen Gesellschaft zu holen. Der Kreis der unwissenden Rechtsextremismusexperten und erstaunten Politiker beginnt und endet vor den Kameras. Kein Wort fällt dabei dazu, daß die Krise der bürgerlichen Gesellschaft dazu führt, daß in ihrer Mitte immer wieder Rassisten und Faschisten ausgebrütet werden.

Es fehlt selbst eine Stimme, die laut sagt: "Leute, so was passiert öfter hier im Lande . Deshalb dürfen wir dieses Pogrom nicht als Einzelfall und schon gar nicht als unbegreiflichen Ausbruch des Irrationalismus abtun.

Dass rassistische Jugendliche sich als präfaschistische Banden formieren können und Migranten, Ausländer, Linken und Beginderte angreifen, fällt nicht vom Himmel. Es ist das Ergebnis einer bestimmten Politik. Was ist diese Politik? Was verbindet diese Banden mit der offiziellen bürgerlichen Politik ?

Die Hoffnungslosigkeit ihrer sozialen Lage, die fehlende Zukunftsperspektive und der dumpfe Hass, gegen alles, was anders ist und als bedrohliche Konkurrenz empfunden wird, treiben die Rassisten und Faschisten an. Woher kommen die Hoffnungslosigkeit und der Hass? Sie sind die giftigen Blüten des Versagens des Kapitalismus. Der Kapitalismus ist nicht mehr in der Lage, die existentiellen Bedürfnisse der Lohnabhängigen und der Jugendlichen zu befriedigen. Arbeitslosigkeit, Krieg, Armut werden zum Alltag.

Die Ideologie des Kapitalismus ist der Nationalismus. Der Nationalismus ist ein Kind der bürgerlichen Revolution. In der Phase des kapitalistischen Niedergangs wird er zum Instrument der äußeren und inneren Aggression. Dieser Nationalismus tritt heutzutage in vielen Formen auf. Bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland trat er in liebenswürdig-patriotischem Gewand auf, wenngleich die Liebe zum Fußball mit der Liebe zur deutschen Fußballnationalmannschaft und der Liebe zu Deutschland verschwamm. Der Jubel der politischen Rechten über den neu erwachten Patriotismus kam nicht von ungefähr: Die Identifikation mit der Nation hilft ihr, die soziale Unzufriedenheit und die Wut über die Resultate des Klassenkampfs von oben auf Ausländer, Minderheiten und diejenigen zu lenken, die den Klassenkampf von oben den Klassenkampf von unten entgegensetzen wollen. An diesem Nationalismus verdienten nicht nur die Verkäufer der Fahnen, sondern es profitierte auch die rechte Politik.

Das nationale “Wir sind was”-Gefühl zieht zugleich eine Trennlinie zwischen “Wir” und “nicht-Wir”, den Anderen und den Fremden. Diese Trennlinie ist aber auf keinen Fall so fest, wie sich das manche wünschen. Es ist die unterste und zugleich irrationalste Weise, ein Gefühl der Einheit herzustellen. Weil der Nationalismus so tut, als gäbe es zwischen Unterdrückern und Unterdrückten und zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten eine Einheit, weil er sich nur an oberflächlichem Schein orientiert, muß er immer wieder an Gefühle appellieren und scheut er jede Rationalität.

Warum braucht der Kapitalismus dieses “Wir-Gefühl”.?

Der Kapitalismus ist trotz seiner weltweit arbeitsteilig organisierten Wirtschaft auf der politischen Ebene ein Konklomerat national organisierter Staaten. Die von ihm Beherrschten sollen sich nicht über die Grenzen hinweg verbünden, sonden sich mit ihrer nationalen Volksgemeinschaft identifizieren. Deutsche Soldaten und Polizisten, die im Ausland im Einsatz sind, sollen davon überzeugt sein, höhere Ideen und die höhere Kultur zu repräsentieren - egal, wie wenig sie womöglich selbst mit Kultur zu tun haben.

Der Klassenwiderspruch wird aus der Perspektive des Nationalismus geleugnet oder verlagert auf den Gegensatz zum fremden Kapital (bei den Nazis war es das "jüdische Kapital"). Bürgerliche Professoren haben viel Zeit damit verbracht zu "beweisen", dass es eine Arbeiterklasse gar nicht gibt. Nationen seien alles, Gruppeninteressen haben ihnen untergeordnet zu werden. Dementsprechend, weil wir ja angeblich alle in einem Boot sitzen, sollen wir den Standort Deutschland nicht gefährden.Die Standortlogik ist eine Falle für die Arbeiter. Die Kapitalisten agieren längst international. Das ist ein Indiz dafür, dass die Arbeiterklasse einiges nachholen muss. Wir setzen dem Nationalismus deshalb den Internationalismus entgegen. Statt in einem verlogenen Nationalgefühl zu schwelgen und in ideologischen Wolkenkuckucksheimen eine Geborgenheit zu suchen, die uns der reale Kapitalismus verweigert, setzen wir auf Klassenkampf, auf die Solidarität der gegen Unterdrückung und Ausbeutung Kämpfenden - unabhängig von deren nationaler Herkunft oder zweitrangigen Unterschieden.

Rassismus und Gewalt

Da, wo die kapitalistische Welt noch in Ordnung erscheint, wo sich Arbeiter und Angestellte als Bürger fühlen, denen es gut geht, wo sich diese Bürger sicher fühlen, präsentiert sich der alltägliche Rassismus und Nationalismus in Deutschland meistens gewaltfrei - wenn man von der strukturellen Gewalt der rassistischen Ausländergesetzgebung, der faktischen Abschaffung des Asylrechts und der selektiven Immigrationspolitik und der widerwärtigen Schikanierung nationaler Minderheiten durch Staatsapparat und Repressionsorgane einmal absieht.

Da, wo Dauerarbeitslosigkeit, Strukturkrise und Elend dumpfe Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Wut, Enttäuschung von Hoffnungen auf Veränderung durch die Linke, zu einer Fusion von Rassismus und faschistischem Gedankengut führen,. wo der Aberglaube herrscht, dass Ausländer den Deutschen die Arbeitsplätze wegnehmen, fällt die nationale Demagogie rechter bürgerlichen Politiker, dass die Ausländer sich nicht integrieren wollen, mit unfairen Dumpinglöhnen Konkurrenten oder gar potentielle Gewalttäter sind, auf fruchtbaren Boden. Dort dürfen sich die aggressiven faschistischen Banden und der von ihnen mobiliisierte rassistische Mob als Vollstrecker des Volkswillens fühlen - auch, wenn sich das gutbürgerliche Volk - noch - von ihnen distanziert.

Antifaschistische Politik kann nur erfolgreich sein, wo die Linke das Rückgrat hat, offen ihre sozialistischen Ziele zu propagieren, wo sie die Kraft zu knallharter Opposition gegen den maroden Kapitalismus aufbringt und die "Gemeinsamkeit der Demokraten" als hohles Geschwätz von Leuten denunziert, die alles so lassen wollen, wie es ist und sich an die Illusion klammern, man könne das Wirtschaftswunder der sechziger Jahre zurückholen. Antfaschistische Politik kann aber auch nur dann erfolgreich sein, wenn ein gemeinsamer Kampf der Antifaschisten und der Sozialisten mit den Benachteiligten und Opfern der kapitalistischen Krise organisiert wird. Dann wird es auch gelingen, die Kraft aufzubringen, den rassistischen Mob und die faschistischen Banden in die Schranken zu verweisen.