Der türkische Nationalismus in Deutschland.

Suphi Toprak

Der türkische Nationalismus in Deutschland wird aus den innertürkischen und den Verhältnissen in der deutschen Gesellschaft genährt. Der mitgebrachte türkische Nationalismus in Deutschland richtet sich aggressiv gegen die Kurden und Linken in der Türkei. Zugleich tritt er als eine Reaktion auf den deutschen Chauvinismus hervor. Diese Gleichzeitigkeit ist seine Achillesferse. Der türkische Nationalismus ist einerseits die Weiterführung der offiziellen chauvinistischen Staatspolitik der Türkei in Deutschland, der in Deutschland jedoch kein Status gesellschaftlicher Dominanz entspricht, sondern im Gegenteil ist die türkische Bevölkerung hier in Deutschland Opfer des deutschen Chauvinismus.

Türkischer Chauvinismus in der Türkei

Der türkische Staat hat in den letzten 27 Jahren die Unterdrückung der progressiven und sozialistischen Kräfte in der Türkei mit allen Mitteln durchgezogen. 1980 haben die Militärs nach ihrem Putsch über hundert Hinrichtungen vorgenommen, 600.000 politische Gefangene gemacht und mit systematischer Folter die vorher existierenden linken Strukturen völlig zerstört. In die dadurch entstandenen Lücken sind türkisch-islamisch geprägte Gruppen in der Gesellschaft gestoßen. Der Staat tat alles, damit diese reaktionäre Gruppen stärker werden konnten. Insofern sind die islamischen und faschistischen Bewegungen in der Türkei die Produkte des Kemalismus. Der Kemalismus als offizielle Staatsideologie hat diese beiden reaktionären Bewegungen gegen die Linke unterstützt. Faschismus, Islamismus und Kemalismus vertreten nicht die gleichen Ideologien. Jede dieser Ideologien hat ihre eigene Systematik und repräsentiert verschiedene Bewegungen. Sie vertreten verschiedene Ausrichtungen des bürgerlichen Systems - jeweils auf einer anderen Grundlage hinsichtlich der Klassenzusammensetzung. Was sie unter allen Umständen verbindet, ist die Feindschaft gegen Kommunismus und ein unabhängiges Kurdistan.

Mitte der 80-er Jahre stieg der Stern der kurdischen Bewegung der PKK hoch. Seit der Gründung der türkischen Republik gab es viele kurdischen Aufstände, die jeweils sehr brutal unterdrückt worden sind. Das hatte zur Folge, daß die Kurdenproblematik in der Türkei immer aktuell geblieben ist. Der Putsch von 1980, die danach erstarkten reaktionären Bewegungen, die Hetze gegen die kurdische Bewegung, die Stärke des Stalinismus in der Türkei, der Neoliberalismus und der Zusammenbruch des Ostblocks sind die Hauptgründe, warum es in der Türkei heute nur sehr schwache linke Strukturen gibt.

Die nationale Frage ist in der Türkei ungelöst. So wird zum Beispiel die armenische Frage verdrängt und Geschichtsfälschung betrieben. Der Völkermord an den Armeniern wird geleugnet Die Täter werden als Opfer dargestellt und umgekehrt. Der armenische Journalist Hrant Dink war das letzte Opfer des türkischen Faschismus. Die faschistische Bande, die für den Mord an Hrant Dink verantwortlich ist, wurde vom türkischen Geheimdienst kontrolliert.

Die Türkei ist ein Vielvölkerstaat. Der Zusammenhalt der Völker sollte durch kemalistischen Zwang gesichert werden. Die Geschichte wurde umgeschrieben und sterilisiert. Das Grundgesetz der Türkei spricht von nur "einem Volk" in der Türkei.

Die Gesellschaft wurde vom Kemalismus in Geiselhaft genommen. In der Vergangenheit wurden wirtschaftliche Schwäche und die Krisen auch dadurch überwunden, daß man das Türkentum stärker betont hatte. Je tiefer die Krisen waren, desto stärker wurde der türkische Nationalismus betont und als Waffe gegen jede Opposition eingesetzt.

Türkischer Nationalismus in Deutschland

Der türkische Nationalismus steht in Deutschland auf der anderen Grundlage als in der Türkei. Der türkische Nationalismus in seiner barbarischsten Form als Faschismus stellt dort eine tödliche Gefahr für die Gewerkschaften und linke Strukturen dar. Auch die Justiz wird unter dem Einfluß des türkischen Faschismus barbarisiert. Der türkische Faschismus in Deutschland ist jedoch keine tödliche Gefahr für die Arbeiterklasse und linke Strukturen. Weil der türkische Faschismus in der deutschen Gesellschaft nur Randerscheinung bleiben kann, bleibt er auf die außerparlamentarische Gewalt in Form sporadischer Angriffe auf kurdische und linke Strukturen in Deutschland beschränkt.

Die türkische Bevölkerung in Deutschland ist eine Immigrantengruppe und so ist sie auch ein Opfer des deutschen Chauvinismus. Der deutsche Kapitalismus ist (jedenfalls in relativ ruhigen Zeiten) nach "innertürkischen" Auseinandersetzungen auch bereit, diejenigen Teile der Immigranten abzuschieben, die für die deutsche Wirtschaft untauglich scheinen.

Die deutsche Alltagspolitik gegenüber den Migranten drängt diese dazu, ihre Reihen zu schließen und sich nicht auseinanderdividieren zu lassen. Der Kampf um gleiche Rechte für alle in Deutschland eröffnet die Möglichkeit eines gemeinsamen Kampfes aller Migrantengruppen. Der klassenbewußte Teil der Arbeiterklasse in Deutschland muß darauf drängen, dass sich die größten migrantischen Gruppen nicht gegeneinander hetzen lassen und so die Arbeiterklasse in Deutschland insgesamt geschwächt wird. Er muß auch darauf drängen, daß die Türken in Deutschland das Selbstbestimmungsrecht der Kurden in der Türkei wie in Deutschland akzeptieren.

Die Akzeptanz des Selbstbestimmungsrechts der Kurden und Kurdinnen sollte daher die Grundlage für so eine Einigung sein. Jede andere Einigung ist die Weiterführung der Unterdrückung der Kurdinnen und Kurden in der Türkei. Es ist auch heuchlerisch, wenn die Partei "Die.Linke" die kurdische Seite in der Türkei dazu aufruft, die Waffen niederzulegen und an die Türkei lediglich appelliert, einen Waffenstillstand auszurufen. Die angegriffene und unterdrückte Seite ist die kurdische Seite, die sich zu Recht verteidigt. Ein Frieden muß mehr sein als eine Kapitulation.

Die Angriffe seitens der türkischen Faschisten auf kurdische Einrichtungen haben einige Punkte deutlich gemacht: