Fusion mit der Linkspartei.PDS? Nein, Danke!

Neoliberal in Taten, selbst sozialreformerisch nur in Worten.

Viele WASG-Mitglieder bangen beim Gedanken an die Fusion mit der Linkspartei.PDS um die Glaubwürdigkeit ihrer politischen Praxis. Welcher aktive Gewerkschafter ist nicht schon auf die Vorreiterrrolle der Berliner Linkspartei.PDS in Sachen gewerkschafts- und arbeitnehmerfeindlicher Politik angesprochen worden? Welcher Wahlkämpfer der WASG nicht auf die beabsichtigte Fusion mit der neoliberalen Berliner PDS? Welchem Mitglied der WASG bereitet das Verhältnis zwischen der Linkspartei.PDS und ihrem Berliner Landesverband nicht zumindest Unbehagen?

Viele WASG-Mitglieder haben sich deshalb frustriert aus der WASG zurückgezogen, andere zahlen keinen Beitrag mehr. Die meisten der Noch-Mitglieder wollen dennoch mit der Linkspartei.PDS zusammengehen. Einige wenige von ihnen vertrauen auf den Wahrheitsgehalt der Verspechungen Klaus Ernsts, Oskar Lafontaines und anderer, daß mit dieser Fusion eine starke neue Linke entsteht. Die Mehrzahl der Fusionsbefürworter hofft auf einen Wandel der Linkspartei.PDS - und sei es nur durch die auf Westlandesverbände der künftigen Linken gestützte Hoffnung auf Veränderung innerparteilicher Mehrheitsverhältnisse.

Hoffnungen ersetzen weder eine Analyse der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse, in denen wir uns bewegen, noch ersparen sie die Analyse auch nur des Objekts der Fusionsbegierde. Last but not least verschweigen die ideologischen Gründungsväter der WASG, weshalb sie 2004 eine Parteigründung neben und in Konkurrenz zur PDS betrieben haben und welche inhaltlichen Gründe sie seit 2005 antreiben, nunmehr die Fusion mit der ehemaligen Konkurrenzpartei als "top down"-Projekt zu betreiben.

Aber nicht nur die Riege der Gewerkschaftsfunktionäre und deren Ideologen in der WASG-Führung sind gefragt, sondern auch die linkeren Kräfte in der WASG. Sie alle sind der linken Öffentlichkeit politische Erklärungen schuldig. Die WASG-Linke muß darüberhinaus Stellung beziehen, ob sie die Fusion mit der Linkspartei.PDS für sinnvoll hält oder nicht. Keines der für die Beteiligung an der geplanten Fusion ins Feld geführten Argumente hält aus marxistischer Sicht einer Prüfung stand:

Wie beurteilt man eine Partei?

Die Außendarstellung

Man kann bei ihr, frei nach Luther, auf die Mäuler ihrer führenden Politiker schauen.

Danach ergibt sich ein sehr widersprüchliches Bild der Linkspartei.PDS. Der Führungskern der Bundespartei und ihre Bundestagsfraktion geben sich sozialreformerisch. Sie positionieren sich links von der Sozialdemokratie, kritisieren die herrschende neoliberale Politik und präsentieren sich als Kraft des Friedens. Selbst Sarah Wagenknecht als Repräsentantin der Kommunistischen Plattform und Heroine der Ostidentität wird geduldet, als Kronzeugin für die Aufrechterhaltung von Illusionen in den sozialistischen Charakter der Partei, gewissermaßen als Symbol der Bewahrung eines Sozialismus der Herzen.

In den neuen Ländern geben die Kommunal- und Landespolitiker zugleich das Stück der pragmatisch-ideologiefreien linken, aber im Kapitalismus angekommenen Volkspartei, mit Vereinen aller Art verbunden, soziokulturell und personell fest in der ostdeutschen Gesellschaft verankert. Zugleich ist ihr Führungspersonal in den neuen Ländern überzeugt, die beste Interessenvertretung aller Klassen der Nachwendegesellschaft der neuen Länder zu sein - daher auch jederzeit bereit, bis hin zu lokalen Bündnissen mit der CDU die Nationale Front alter Tage wiederzubeleben. Sie sieht sich zugleich als Avantgarde des Verteidigungskampfes der neuen Osteliten gegen die westlichen Eroberer, als Verteidigerin der Würde der Ostdeutschen gegen die ignorante Westelite.

Dieses personelle und ideologische Konglomerat einander logisch ausschließender politischer Optionen kann nur durch einen prekären Eiertanz nichtssagender Formelkompromisse oberflächlich zusammengehalten werden. Wie immer auch das jeweilige innerparteiliche Kräfteverhältnis aussieht, das die Art der Formelkompromisse bestimmt - faule Formelkompromisse gehören zum Wesen dieser Partei. Programme und Strategiepapiere dürfen keine Inhalte klären, sondern müssen jeder Gruppe der Anhängerschaft die weiter andauernde Identifikation mit der Partei ermöglichen. Das gilt für die Linkspartei.PDS wie für die WASG oder jede andere Wahlpartei bzw. politische Sammlungsbewegung - jedenfalls in ruhigen Zeiten. Die bisherigen Programme und Strategiepapiere der Ideologen der Linkspartei.PDS bis hin zu ihrem Chemnitzer Programm sind daher ideologische Selbstbedienungsläden. Mit ein bißchen Phantasie läßt sich in sie alles hineininterpretieren, was man hinterher rausinterpretieren möchte. Das eifrige Studium der programmatischen Ergüsse der PDS-Ideologen allein ist deshalb bei der Einschätzung der Partei wenig zielführend.

Der ideologische Wirrwarr erzwingt weitergehende Überlegungen:

Gemeinsame Handlungsperspektiven der Protagonisten dieses ideologischen Wirrwarrs, außerhalb des parlamentarischen Routinebetriebs, sind unmöglich. Dazu müßten sich die Mitglieder über ihre Ziele und die Mittel zu ihrer Durchsetzung verständigt haben. Dann jedoch gäbe es den Wirrwarr nicht. Wo die Einheit trotz sichtbarer prinzipieller Differenzen gewahrt wird, ist dies nur um den Preis des Verzichts einer Seite auf eine ihren theoretischen Grundsätzen entsprechende Praxis möglich. Es überrascht danach nicht, daß Michael Brie in einem seiner Positionspapiere davon sprach, daß es seit Beginn der 90-er Jahre einen stillschweigenden Konsens darüber gab, daß die Kommunistische Plattform dem Reformflügel der PDS die praktische Außendarstellung der Partei überließ - und sich diesem Konsens entsprechend mit gelegentlichen Erfolgen bei der Ausformulierung der jeweils aktuellen Formelkompromisse begnügte. Die von Mitgliedern der Linkspartei.PDS- und der WASG getragene Antikapitalistische Linke hat sich genau demselben virtuellen Mummenschanz verschrieben. Sie freut sich über etwas linkere Formulierungen hier und da und läßt ansonsten die rechten Vorstände unbehelligt. Die Opposition ihrer Majestäten läßt grüßen.

Struktur und Funktionsweise

Die Führungskunst der Führung einer solchen Partei kann nach innen nicht darin bestehen, politische Inhalte zu klären oder Handlungsperspektiven zu weisen. Sie muß im Gegenteil klärende inhaltliche Debatten um jeden Preis zu verhindern. Einander ausschließende politische Optionen lassen sich nur durch die Verhinderung einer demokratischen und offenen Debatte dauerhaft beisammen halten. Der unumgängliche demokratische Rahmen muß heutzutage natürlich gewahrt werden. Aber die Mitgliedschaft muß durch Termindruck bei Diskussionen, durch die Hegemonie Hauptamtlicher bei Delegiertenwahlen, durch die Führung von Scheindebatten, die Manipulation von Rednerlisten bei schließlich doch unvermeidlichen Debatten daran gehindert werden, inhaltlich fruchtbare Auseinandersetzungen zu führen. Kritische und klassenkämpferische Minderheiten, die den ideologischen Sumpf trockenlegen wollen, müssen dabei immer einem übermächtigen Apparat gegenüberstehen, demoralisiert und aus der Partei gedrängt werden.

Die Linkspartei.PDS hat es zumindest im Osten noch nicht ein einziges Mal zu einem aufgrund ihrer Praxis und Organisation relevanten Ansatz einer solchen Minderheitsströmung gebracht. Die Kommunistische Plattform war immer nur eine virtuelle Opposition ohne politische Praxis und das Marxistische Forum ein reiner Debattierklub. Die Linke Opposition blieb a priori in einem schwachen Ansatz stecken, der Geraer Dialog entwickelte kein klares Profil. Inzwischen ist die Herrschaft des Apparats in den ostdeutschen Landesverbänden absolut. Hauptamtliche, Parlamentarier und ihre Angestellten beherrschen die Partei nach Belieben.

Dem ideologischen Wirrwarr und dem konzeptionellen Chaos des Programms entspricht also eine vergleichsweise einfache organisatorische Struktur: Einer vereinzelten, unstrukturierten und von unten handlungsunfähigen Mitgliederbasis steht ein vergleichsweise monolithischer und die Partei beherrschender Apparat gegenüber. Das Bindemittel zwischen Basis und Parteiapparat ist ein ideologischer Selbstbedienungsladen. Sein Angebot besteht aus vielfältigen, oft sogar einander ausschließenden reformerischen und strategischen Konzepten, die durch ihre strikte Praxislosigkeit die Identifikation aller Teile der Basis mit der Partei ermöglichen.

Die Praxis

Auf deutlich sicheren Füßen steht, wer eine Partei zunächst nach ihrer Praxis beurteilt, ihr also nach einem Ratschlag Lenins auf die Hände schaut:

Die Linkspartei.PDS ist danach eine staatstragende Partei. Ihre Führung ist auf Bundesebene und in den Ostländern (aber nicht nur im Osten), sowie in den Städten und Gemeinden im Kapitalismus angekommen. Das war für die Kader, die die Transformation von der SED in die PDS überlebten, nicht allzu schwierig. Ein tief verinnerlichter Etatismus, verbunden mit einer elitaristischen Verachtung gegenüber der realen Arbeiterklasse, war bereits den meisten SED-Kadern eigen. Etwas anderes als Stellvertreterpolitik oder Substitutionalismus war und ist ihnen unbekannt.

Hinzu kam ein bürokratischer Realismus, ohne den kein Apparatschik überleben kann: die grundsätzliche Unterwerfung unter die gegebenen Machtverhältnisse. Diese werden als der natürliche Rahmen politischer Praxis akzeptiert. Das eigene Versagen, den Untergang ihrer vormaligen Macht abzuwenden, die gleichzeitig unterschiedslose Anbetung jeder Macht wie die Ehrfurcht vor dem Sieger im Systemwettbewerb zwischen bürokratischem Staatssozialismus und demokratisch-imperialistischen Kapitalismus hat die PDS-Führer tatsächlich in ihrer großen Mehrheit zur Überzeugung gebracht, daß der Kapitalismus das grundsätzlich bessere System ist. Besser, aber nicht perfekt. Dieses System sozialer und deshalb besser, weil reibungsloser zu verwalten als die bürgerlichen Parteien - darin sehen sie ihre Aufgabe und Berufung. Nichts kann sie von der Überzeugung abbringen, die besten Verwalter des Kapitalismus zu sein.

In den Gemeinden der neuen Länder, dort, wo sie starke Positionen in den Kommunalparlamenten hat, kann sich die Linkspartei.PDS nach wie vor auf das stillschweigende Einverständnis ehemaliger SED-Mitglieder stützen, die nach wie vor das Gros des Verwaltungspersonals stellen.

Gemeinsam mit ihnen müht sie sich im Rahmen der vorhandenen, "von oben" zugeteilten knappen Mittel, den kapitalistischen Mangel sozial gerecht zu verwalten. Es gilt ihnen immer, das allerschlimmste abzuwenden. Irgendein Spielraum, dessen beabsichtigte Ausnutzung zur Rechtfertigung der Beteiligung an der Exekution kapitalistischer Sachzwänge dienen muß, findet sich immer. Privatisierungen, schlechtere Arbeitsbedingungen, Schulschließungen, Arbeitszeitverlängerungen, Entlassungen - alles, um noch Schlimmeres zu verhüten. Weil antikapitalistische Fundamentalopposition aus dieser Sicht immer kurz- und mittelfristig aussichtslos und damit auch sinnlos ist, unterscheidet sich PDS-Kommunalpolitik in den neuen Ländern nicht wesentlich von sozialdemokratischer in Nordrhein-Westfalen oder von CSU-Kommunalpolitik in Bayern.

Es gibt zu ihr aus der gutmenschlichen reformerischen Sicht keine Alternative. Aus Reformismus wird daher die Politik des kleineren Übels. Bei zunehmenden Krisensymptomen des Kapitalismus werden aus dem kleinen immer größere Übel, immer im Namen der Verhütung noch schlimmerer Katastrophen. Und irgendwann sind unsere Reformer vom Rest der neoliberalen politischen Klasse nahezu ununterscheidbar.

Auf Länderebene findet die Logik dieser Politik ihren Höhepunkt. Die mit ihr verbundene ideologische Kapitulation vor kapitalistischen Mythen feiert Triumphe: Einerseits wird die reale kapitalistische Klasse mit Steuergeschenken, Fördergeldern und Subventionen überhäuft - angeblich um Arbeitsplätze zu schaffen. Andererseits werden Arbeitsbedingungen verschlechtert, öffentliche Dienstleistungen abgebaut und verteuert, um so so die Staatsfinanzen zu sanieren - im Namen der angeblich angestrebten Rettung der Funktionsfähigkeit des Sozialstaats. In Berlin wurde diese Politik von der PDS in der Hoffnung praktiziert, mit Hilfe des Bundes und der alten Bundesländer diese Sanierung in Angriff nehmen zu können. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts können die vorgeblichen Realpolitiker diese Hoffnung beerdigen. Praktisch machen sie dennoch weiter wie bisher. Aber was werden sie sie in Zukunft versprechen, um diese Politik zu rechtfertigen?

Es sei nicht verschwiegen, daß die Linkspartei.PDS trotz dieser vernichtenden Diagnose nach wie vor über eine gewisse Mobilisierungsfähigkeit verfügt, wenn es um Themen wie Frieden, soziale Gerechtigkeit und Ostidentität geht. In den neuen Ländern ist und bleibt sie in diesen Fragen die einzige Kraft, die flächendeckend mobilieren kann - allerdings aufgrund ihrer Mitgliederstruktur mit abnehmender Tendenz.

Die Linkspartei.PDS im Klassengefüge der BRD

Politisch betrachtet ist die PDS in ihrem Kerngebiet, d.h. in den neuen Ländern, die Partei der alten DDR-Eliten, der alten Partei-, Staats- und Wirtschaftbürokratie im weiteren Sinne. Und zwar die Partei desjenigen Teils der alten DDR-Eliten, der einen Platz im neuen politischen Gefüge der BRD suchte und daher bereit war, sich mit dem kapitalistischen System zu arrangieren.

Insofern war und ist die Linkspartei.PDS eine grundlegend bürgerliche Partei: Ihr Apparat versteht sich als Partner der neuen Klein- und Mittelbourgeoisie der neuen Länder, will aber, soweit es die marktwirtschaftlichen Sachzwänge zulassen, Gerechtigkeit auch gegenüber Arbeitnehmern gewähren. Er hofiert die Unternehmer jeder Größenordnung, wenn es um die Förderung regionaler Wirtschaftsstrukturen geht, ist von der Überlegenheit der Marktwirtschaft über den Sozialismus ebenso überzeugt wie davon, daß der bürgerliche Parlamentarismus das beste aller denkbaren politischen Systeme ist. Dieser Apparat ist zugleich der Meinung, daß die in den neuen Ländern viel deutlicher zu Tage tretenden Krankheitssymptome des kapitalistischen Systems nur durch staatliche Regulierung kuriert werden können. Der Kapitalismus bedarf daher nach der Konzeption des Chemnitzer Programms der PDS nur eines über den Klassen stehenden, moderierenden technokratischen Gesellschaftsmanagements, um dauerhaft zu funktionieren. Deshalb der schon fanatische Drang, um jeden Preis mitzuregieren.

Das Bekenntnis zum "demokratischen Sozialismus" suggeriert demgegenüber Lernfähigkeit nach dem Motto "wir haben den Stalinismus überwunden, bleiben aber Sozialisten". Aber dieses Bekenntnis ist ein Muster ohne Wert. Es handelt sich genau wie bei der SPD nur um einen Scheinsozialismus. Dieser demokratische Sozialismus ist weder demokratisch noch sozialistisch. Er beutet nur das nach wie vor vorhandene Bedürfnis nach gesellschaftlicher Veränderung demagogisch aus.

Die politische Grundkonzeption des Apparats und der Führung der Linkspartei.PDS, zwischen den Klassen zu moderieren und dabei einerseits technokratische Vernunft und Sachzwänge durchzusetzen, andererseits aber die Interessen aller Klassen zu ausgleichend zu berücksichtigen, ist die einer klassischen kleinbürgerlichen Partei in Zeiten kapitalistischer Prosperität und Blüte: Gespräche und friedlicher Interessenausgleich statt Klassenkampf, Wohlstand anstatt sozialer Polarisierung, parlamentarische Demokratie anstelle der Tendenz zum autoritären Polizeistaat - aber natürlich stehen für diese Anhänger der reformerischen Moderne alle guten Absichten unter einem Finanzierungsvorbehalt.

Die Protagonisten dieses Apparats glauben tatsächlich, sie könnten die gemeinsamen Geschäfte der Bourgoisie besser verwalten als deren traditionelle Parteien. Diese Art Hybris haben sie ungebrochen aus der DDR über die Wende gerettet: Vor der Wende wußten sie besser als die Masse der Arbeiterklassse, was dieser gut tut, heute dürfen es noch ein paar Klassen mehr sein. Die mehr oder weniger schroffe Ablehnung, die die Linkspartei.PDS durch die Masse der deutschen Bourgeoisie erfährt (die sitzt nun 'mal wesentlich im Westen), ermöglicht es dem Apparat der Partei, sich bei alldem immer noch als echte linke gesellschaftliche Opposition zu fühlen. Aber die Ablehnung der Linkspartei.PDS durch die deutsche Bourgeoisie macht aus ihr noch keine wirklich linke Partei.

Nirgendwo wird das besser sichtbar als im Verhältnis der Partei zu den Lohnabhängigen und hier besonders im Verhältnis zu den Arbeitslosen. Anfang 1990 löste die PDS nicht nur ihre Parteistrukturen in den Betrieben auf, sie verpflichtete sich am Runden Tisch, die Politik aus den Betrieben herauszuhalten. Ihre Arbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft fristet ein Schattendasein. Dort, wo die PDS "Verantwortung" trägt, auf kommunaler Ebene,in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, aber zeitweilig auch in Sachsen-Anhalt, exekutiert sie im Namen der Verhinderung noch größerer Übel kapitalistische Sachzwänge - bis hin zur Rolle einer Vorreiterin in Sachen gewerkschafts- und lohnabhängigenfeindlicher neoliberaler Politik. Wenn sie die Verbindung zur realen Arbeiterbewegung sucht, dann den Schulterschluß nur mit Gewerkschaftsführern, nicht mit der Gewerkschaftsbasis. Eine aktive und konstruktive Rolle in konkreten Kämpfen hat sie nie gespielt.

Wie lernfähig ist die Linkspartei.PDS?

Falsche politische Optionen, fehlerhafte Strategien und selbst katastrophale taktische Fehler sowie die damit jeweils verbundenen politischen und organisatorischen Rückschläge sind bei keiner Partei auszuschließen, auch nicht bei einer marxistischen Partei.

Wer sich wenigstens von der quasi-religiösen Vorstellung verabschiedet hat, die Partei habe immer recht, wird das auch nicht erwarten. Unfehlbarkeitssyndrom und marxistische Politik sind miteinander unvereinbar. Die strategische Lebensfähigkeit einer linken Partei verlangt aber, daß zumindest ein nennenswerter Teil ihrer Führung wie ihrer Mitglieder in der Lage ist, aus politischen Debakeln zu lernen. Lernen meint in diesem Sinne nicht nur die abstrakte Einsicht, daß "Fehler" begangen wurden, sondern die Fähigkeit zur Analyse der Fehler, ihrer Ursachen und zur Vornahme von Kurskorrekturen, um das Risiko künftiger Debakel zu minimieren.

Die Bilanz der Linkspartei.PDS auf diesem Gebiet ist niederschmetternd:

Ob in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern oder in Berlin - die Reaktion auf massive Stimmenverluste nach der Übernahme "politischer Verantwortung" war immer dieselbe. Es hieß, man habe den Wählern die eigene Politik nicht gut genug vermittelt, nicht ausreichend verständlich gemacht. Die Politik selbst wurde grundsätzlich als alternativlos dargestellt, zumindest als kleinstes aller möglichen Übel. Sofern mit den massiven Verlusten an Wählerstimmen aufgrund niedrigerer Wahlbeteiligung keine geringere Zahl von Parlamentsmandaten verbunden war, wurde über die Stimmmenverluste hinweggesehen. Daß die PDS in diesen Fällen von großen Teilen ihrer früheren Anhänger nicht mehr als gesellschaftliche Opposition wahrgenommen wurde, daß damit zugleich auch die Chancen auf eine Verschiebung gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse nach links verpaßt waren, spielte keine Rolle mehr.

Vor der letzten Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus spekulierte der Führungsapparat der Berliner PDS ganz offen mit einem Verlust von 5 % der Stimmen. Der Verlust des Großteils der Stimmen der Opfer der neoliberalen Politik war der Preis, den der Apparat zu zahlen bereit war, um die eigene Politik fortsetzen zu können. Daß die Verluste unerwartet groß ausfielen, daß sich fast jeder zweite Wähler von der Linkspartei.PDS verabschiedete, machte die Lautsprecher des Apparats für wenige Wochen kleinlaut. Aber: Es gab aus ihrer Sicht keine politische Alternative zur Übernahme "politischer Verantwortung". Also hieß es: weiter so!

Sagenhafte 85% der Delegierten des Berliner Landesparteitages folgten ihrer Führung und demonstrierten ihre politische Unbelehrbarkeit. Der Rest, der Zweifel und Kritik angemeldet hatte, fügte sich - wie immer. Praktische Opposition gegen den beschlossenen Kurs ist von ihm nicht zu erwarten. Inzwischen ist die Partei wieder nahezu geschlossen zum neoliberalen Alltag zurückgekehrt.

Die politischen Freunde der Berliner Führungsriege der PDS in Sachsen-Anhalt beschlossen mit nahezu gleichgroßer Mehrheit demonstrativ, den vorgeblich alternativlosen Berliner Kurs auch bei sich ohne alle Abstriche weiter zu verfolgen. Sie und ihre Freunde in den anderen neuen Ländern machten deutlich, daß sie sich auch von einem Lafontaine nicht von ihrem Kurs neoliberaler Logik abbringen lassen. Sie sind die Herren des Kerns der Linkspartei.PDS. Das wissen auch die Galionsfiguren der Bundesführung der Linkspartei.PDS, Gysi, Bisky, Bartsch und Konsorten, die den Kurs des (ostdeutschen) Apparats offen unterstützen.

Fazit: Der (ostdeutsche) Apparat der Linkspartei.PDS hat sich, ausgehend von seinen eigenen Interessen, mit Haut und Haaren dem Kapitalismus und seinem Wohlergehen verschrieben. Er beherrscht die PDS nach Belieben und bestimmt ihren Kurs. Dieser Apparat und die von ihm beherrschte Partei sind zu einer Kurskorrektur weder willens noch in der Lage. Eine reale, d.h, praktisch handelnde Opposition zu ihm existiert nicht.

Was ändert sich mit der Fusion von WASG

und Linkkspartei.PDS?

Mit der aller Voraussicht nach künftig fusionierten Linken, so wollen es die diversen Befürworter der Einheit ihrer jeweiligen Basis weismachen, soll nun alles anders werden.

Keine Stärkung der Linken

Sie behaupten stur und unverdrossen, die Fusion werde die Linken stärken. Das Gegenteil ist der Fall. Die WASG, die trotz ihrer programmatischen Defizite und ihrer letztlich reformkapitalistischen Ziele wenigstens für ansatzweise Glaubwürdigkeit im Kampf gegen die herrschende neoliberale Politik stand, wird nach dem Willen ihrer Führungsmehrheit als glaubwürdige Alternative diskreditiert und als Partei liquidiert.

Die Masse der Fusionsbefürworter hat die Hoffnung auf die Möglichkeit des Aufbaus einer antineoliberalen Wahl- bzw. Parlamentspartei schon 2005 nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen aufgegeben. Sie ist schon lange bereit, zugunsten eines Platzes am Katzentisch der PDS-Fraktionen die Dominanz des neoliberalen Apparats zu akzeptieren. Opposition wird dann zwar zur rein parlamentarischen Kasperei ohne praktische Relevanz, doch das, so trösten sich Ernst &Co, ist schon mehr, als die SPD der Schröder-Ära zuließ.

Die Berliner Wahl hat gezeigt, daß eine offen neoliberale Linkspartei.PDS von der Unterstützung durch Linksruck und Lafontaine nicht numerisch profitiert. Deren Kampf gegen die Berliner WASG hat nur dem Kampf gegen die herrschende neoliberale Variante kapitalistischer Politik geschadet. Die Nützlichkeit der fusionsbereiten Kräfte für die Linkspartei.PDS besteht daher in allererster Linie darin, den Aufbau einer Partei zu behindern, die wirksamen Widerstand gegen die herrschende Politik leistet. Dies ist mittelfristig ein wichtiger Beitrag dafür, die Glaubwürdigkeitsdefizite der Linkspartei.PDS und der künftig fusionierten neuen Linken überspielen zu können. Die gesellschaftliche Oppositionsbewegung gegen die herrschende Politik, der reale Kampf gegen den Neoliberalismus, wird durch die Fusion nur geschwächt.

Keine Wunderwaffe Lafontaine

Lafontaine ist ohne Zweifel ein guter Redner. Aber das hat ihn weder davor bewahrt, sich in der Vergangenheit bei großen Teilen der SPD-Basis zu diskreditieren, noch davor, sich in Berlin während des letzten Wahlkampfs unglaubwürdig gemacht zu haben. Alle Rhetorik bewahrt seinen Stern nicht davor, bereits zu verblassen. Da geht es ihm nicht viel anders als Gysi. Natürlich wird ihn die fusionierte Linke brauchen. Wer Führungspersonal mit einem so überschäumenden Charisma wie Gallert, Bartsch und Liebig hat, ist auf politische Talente angewiesen. Aber braucht ihn auch die Linke?

Die Ehrfurcht und Bewunderung, die Lafontaine selbst bei vielen Linken entgegenschlägt, die gedankenlose Sprachlosigkeit, die viele Linke befällt, wenn sie seinen Reden lauschen, ist geradezu umgekehrt proportional zum politischen, theoretischen und analytischen Gehalt seiner Ansprachen. Jede Menge rhetorischer Tricks, aber wenig Substanz. Es drängt sich der Eindruck auf, daß die strategische Schwäche der meisten linken Strömungen die politischen Heilserwartungen in Stars wie Lafontaine beflügelt. Doch der saarländische Kaiser ist nackt. Auch sein Einfluß auf den Apparat der Linkspartei.PDS geht gegen Null. Dessen führende graue Mäuse haben ihm schon deutlich gemacht, daß er zu parieren hat. Und Lafontaine hat sich, wie im Berliner Wahlkampf gezeigt, bereits zu ihrem Affen gemacht.

Wird die Linkspartei.PDS jetzt von Westen her aufgerollt?

Die Westlandesverbände der Linkspartei.PDS sind in jeder Hinsicht von deren Parteiapparat abhängig. Sie sind bisher nicht gerade als eigenständige politisch profilierte Kraft des Widerstands gegen die PDS-Führung in Erscheinung getreten. Es handelt sich allenfalls um ein Sammelbecken ehemaliger radikaler Linker, die sich zwar mit dem PDS-Reformismus arrangiert haben, ihn aber aufgrund der bürgerlichen Propaganda für weit linker halten, als er in den neuen Ländern tatsächlich ist.

Es zeugt von wenig Realismus, in diesen Kräften einen Stoßtrupp zur Linksverschiebung der Politik oder gar Revolutionierung der PDS bzw. der neuen Linken sehen zu wollen. Daran wird auch die numerische Verstärkung der Westlandesverbände der Linkspartei.PDS durch die fusionsbereiten Strömungen der WASG nichts ändern. Eine relevante Veränderung der Kräfteverhältnisse ist damit nicht verbunden. Der Beitritt des breiten rechten Mehrheitsflügels der WASG zur Linkspartei.PDS wird in der neuen Partei DieLinke deren Apparat stärken. Bestenfalls könnte es vorübergehend in einigen Westlandesverbänden ein paar linke Flügelschläge geben. Eine Perspektive zur positiven Veränderung der Partei Die Linke ergibt sich daraus nicht.

Es ist auch illusorisch, mit den Chefideologen von Linksruck die Hoffnung zu hegen, die Einheit der Linken würde einen großen Zustrom kampfbereiter Massen in die neue Linke auslösen. Die Hoffnung, daß der linke Flügel der neuen Partei, gestützt auf dieses fiktive radikalisierte Potential, die fusionierte Partei nach links drängen oder sie gar revolutionieren könnte, hat keine reale Basis. Den Zustrom zum Fusionsprojekt von Linkspartei.PDS und WASG hat es nicht einmal ansatzweise gegeben. Die reale Fusionsperspektive hat vielmehr den Zustrom von Mitgliedern in die WASG gestoppt und zu erheblichen Mitgliederverlusten geführt. Diese Hypothesen der Linksrucktheoretiker kann nur aufstellen, wer wie diese den Rhythmus der Klassenkämpfe in Europa und in der BRD auf groteske Weise verkennt. Linksradikales Wunschdenken wird bei ihnen für eine erzopportunistische Politik fruchtbar gemacht.

Dafür, daß die gegenwärtigen gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse in absehbarer Zeit spontan, plötzlich und gegen den Widerstand aller großen gesellschaftlichen Organisationen über den Haufen geworfen werden, daß die gesellschaftlichen Verhältnisse zum Tanzen gebracht werden, gibt es derzeit trotz wachsender Unzufriedenheit in der Gesellschaft leider wenig Anzeichen. Den erhofften Massenzustrom in die fusionierte Partei wird es deshalb nicht geben. Die Partei wird aufgrund ihrer fehlenden Glaubwürdigkeit und Konsequenz nicht einmal in der Lage sein, das schon jetzt bestehende Protestpotential an sich zu binden. Tausende, die für ein linkes Projekt ansprechbar sind, werden der neuen Partei "Die Linke" fernbleiben.

Wird dieses Potential nicht für ein neues linkes Projekt mobilisiert, wird es in der nächsten Zeit erst einmal an einer ausreichenden Zahl organisierter linker Kräfte fehlen, um den neosozialdemokratischen Reformern bei Wahlen Paroli bieten zu können. Dennoch ist der Aufbau eines neuen linken Projekts unverzichtbar, das künftigen Bewegungen Kontur und Perspektive vermitteln kann. Die neue Partei “Die Linke” wird diese Kraft nicht sein. Sie wird Teil des Problems werden, nicht Mittel seiner Lösung.

Es gilt daher, der Fusion von WASG und Linkspartei.PDS ein entschiedenes Nein entgegenzusetzen.

Dieter Elken (Marxistische Initiative/www.marxismus-online.eu)