Gedanken nach der Wahl

am 9. Oktober von Fredy Below

 

Die Wahl ist vorbei. Der große Katzenjammer ist ausgebrochen. Welche Schlußfolgerungen ziehen die linken Kräfte in der PDS aus diesem Wahldebakel?

Zur Einschätzung der Wahl aus linker Sicht erschienen in der vergangenen Woche zwei Artikel: “Weg der Anpassung verlassen Konsequenzen aus der Niederlage: Für eine marxistische Erneuerung der PDS. Von D. Joseph, E. Lieberam und S. Schulze, jW 24.9.2002 - und “Sozialdemokratisierung muß die PDS zerstören. Bilanz eines Desasters. Konsequenzen für Gera” von Michael Mäde, D.Menzner, U.Jelpke, W.Wolf, E.Lieberam, jW 27.9.2002 Im ersten werden als ursächlich für die Wahlniederlage “die Verluste an Glaubwürdigkeit, die Mißachtung von Interessen und Gefühlen bei Mitgliedern und Sympathisanten im Gefolge der realen Politik der PDS” angegeben. Im zweiten Artikel lautet es so: “Der entscheidende Grund für die PDS-Wahlniederlage liegt in der Anbiederung an »Rot-Grün«.”. Weiterhin werden Ursachen wie das “Mitregieren”, das fehlen von eigenen Projekten als Grund für Anbiederung genannt und erklärt, die PDS habe bei den drei Themen soziale Frage, Ostinteressen sowie Krieg und Frieden versagt. Soweit, so nicht gut genug.

Zentrale Ursache für den verlorenen Wahlkampf und für das Versagen der PDS als sozialistische Partei ist, daß die PDS-Führung in ihrer Politik jegliche Profilierung als sozialistische Partei vermissen ließ. Aus dieser Ursache resultieren letztendlich die oben aufgezeigten “Fehler”. Es muß klar beim Namen gesagt werden — die PDS-Führung konnte nicht als sozialistische Partei im Wahlkampf punkten, weil sie mit dem Thema soziale Gerechtigkeit angesichts ihrer unsozialen Politik in Regierungskoalitionen, speziell Berlin jede Glaubwürdigkeit verloren hatte. Sie hat gezeigt: ihr gehen die Interessen von Bankanlegern vor den Interessen der Berliner Bevölkerung.

Das Versagen der PDS im Wahlkampf geschah nicht zufällig. Für die Führung der PDS war die Profilierung als sozialistische Partei kein Thema ihrer gesamten politischen Tätigkeit. Ziel ihrer Politik, die im übrigen gegen das Parteiprogramm der PDS verstößt, ist es, von der bürgerlichen Gesellschaft als gleichwertig akzeptiert zu werden, “als staatstragende Partei”. Was hat das noch mit Verteidigung von Ostinteressen oder Lebensinteressen der Bevölkerung zu tun?

Welche Konsequenzen müssen denn nun die Linken ziehen?

Die erste Antwort muß lauten: Wenn sie etwas in der PDS erreichen wollen, müssen sie sich organisieren. Die Antworten, die in den Artikeln gegeben wurden, reichen nicht aus, weil keiner die Organisationsfrage stellt. Es reicht nicht mehr aus zu sagen: “eine ... ausgehende Debatte über Notwendigkeit und Möglichkeiten einer Erneuerung der PDS im Sinne des Erbes von Marx und Engels” ist zu führen. Die Notwendigkeit dürfte doch zumindest unter Linken unbestritten sein. Wer nur Forderungen stellt und den Genossen und Genossinnen keine Wege aufzeigt, wie das erreicht, wie das umgesetzt werden soll, läßt sie einfach im Regen stehen.

Einschätzungen wie die “Wahlkampforientierung des Rostocker Parteitages der PDS war es, als eigenständige linke Kraft, als konsequente Opposition zur neoliberalen Politik der derzeitigen Bundesregierung wie auch der CDU/CSU in den Wahlkampf zu gehen. Tatsächlich wurde immer mehr zur entscheidenden Wahlaussage der Führungsmannschaft der PDS, als Mehrheitsbeschaffer für eine erneute Kanzlerschaft von Gerhard Schröder zur Verfügung zu stehen”, ohne daraus die Schlußfolgerung zu ziehen, die Forderung nach dem Rücktritt des gesamten Vorstandes wegen Nichteinhaltung der Beschlüsse des Parteitages zu stellen, sind zumindest halbherzig. Eigentlich gehört der Vorstand vor die Bundesschiedskommision.

Äußerungen von A. Brie: Nein. Die PDS strebt ein Mitte-Links-Projekt im Bund ab 2006 an. Zur Vorbereitung brauchen wir einen Diskurs der Linken, nicht aber eine neue Linkspartei und Koalitions-Diskussionen” sind an Impertinenz nicht zu überbieten und sie widersprechen dem Programm der PDS. Spricht er nur aus, was das eigentliche Ziel der Politik der Parteirechten ist oder handelte er nur im Auftrage des Parteivorstandes?

Schlußfolgerungen wie: “Oberflächliche Antworten und personelle Rochaden müssen die Krise vertiefen” zeugen von politischer Unbedarftheit. Die PDS ist in der Krise, aber wir wollen diese Krise nicht vertiefen — warum eigentlich nicht? Meint man wirklich, eine Dämpfung der Krise wäre ein Beginn der Erneuerung in marxistischer Hinsicht? Was bedeutet “personelle Rochaden”? Keine personellen Veränderungen? Der Sinn solcher Aussagen ist dunkel.

Sätze wie “Innerparteiliche Demokratie herstellen und praktizieren” bedürfen der notwendigen Ergänzung, wie das erreicht werden soll. Mit der bisherigen Führung, die sich nicht an demokratisch gefaßte Beschlüsse hält? Eine Forderung wäre doch: der Parteitag in Gera spricht der PDS-Führung das Mißtrauen aus und beschließt die Wahl eines provisorischen Vorstandes mit dem einzigen Ziel: Sonderparteitag bei Neuwahl aller Delegierten innerhalb von zwei Monaten. Tagungsordnungspunkt des Parteitages könnte sein: Aussetzung der Programmdiskussion, Einsetzung einer Kommission zur Erarbeitung einer Analyse als Grundlage für alle weiteren Diskussionen über die Richtung der Entwicklung der PDS sowie die Neuwahl eines Parteivorstandes auf Grundlage dieser Beschlüsse.

Der Bemerkung “Das Koalieren in Berlin und Schwerin auf den Prüfstand: Erforderlich ist eine Bestandsaufnahme der beiden Koalitionsregierungen: Wo steckt nichts von PDS drin, obgleich PDS draufsteht?” müßte hinzugefügt werden: "PDS — Raus aus den Koalitionen mit der SPD”. Bis jetzt konnte noch nicht überzeugend erklärt werden, daß auch nur irgend ein sozialer Fortschritt durch den Regierungseintritt erreicht wurde. Muß eine sozialistische Partei zuverlässiger Partner in einer bürgerlichen Regierung sein? Sind wir für die Stabilität des kapitalistischen Systems zuständig? Wir sollten zuverlässiger Anwalt der Interessen der Bürger sein und bleiben.

Die PDS kann ihre Glaubwürdigkeit als sozialistische Partei nur wieder erreichen, wenn sie die täglichen und die langfristigen Interessen insbesondere der werktätigen Bevölkerung als ihren politischen Auftrag ansieht.