"Gera ist eine Weltanschauung"

Bericht von der Gründungsveranstaltung des Bündnisses "Geraer Dialog"

Nun haben sie es also getan, sie haben sich zusammengeschlossen und etwas gegründet, auch wenn nicht beschlossen wurde, ob es eine IG, AG, Plattform oder etwas anderes sein soll, auf jeden Fall wird es beim Parteivorstand angemeldet.

Für den Berichterstatter hatte die Veranstaltung, das sei hier nicht verhohlen, teilweise eine surreale Note. Im Schöneberger Rathaus (!) saßen viele Genossen im Präsidium, die uns vor wenigen Wochen (bei der Vorbereitung der Gründung der Linken Opposition in und bei der PDS (LO)) noch dringend abgeraten oder verboten hatten, irgendetwas "zu gründen". Dies hielt sie am Sonnabend (1.2.2003) nicht davon ab, mit denselben Argumenten wie wir, nun zu begründen, daß man sich schnellstens organisieren müsse, um die weitere Selbst- und Fremdzerstörung der PDS zu verhindern. Das gute Dutzend anwesender Mitglieder der LO schmunzelte und ihre Diskussionsredner haben diese spätere Erkenntnis unpolemisch aufgenommen und unsere Vorstellungen zum "Wie ?" vorgetragen.

Erwartungsgemäß beschloss die Versammlung mit den Stimmen von 47 Gründungswilligen (davon mind. 6 LO-Mitglieder) die Gründung des "Geraer Dialogs in und bei der PDS" und nahm ein Papier an.

Hier nun wird es schwierig. Denn obwohl sich das Gründungsdokument an die gleiche gesellschaftliche Gruppe (Linke, Sozialisten und Kommunisten innerhalb und außerhalb der Partei und die Mitglieder der verschiedenen fortschrittlichen Bewegungen) wendet, wie schon Plattform, Forum und LO, wird überhaupt nicht erklärt, worin der spezifische Unterschied zwischen der Neugründung und den bereits bestehenden Strömungsstrukuren besteht, also was diese Neugründung programmatisch rechtfertigt. Die in der Diskussion (etwas anmaßend) geäußerte Auffassung, das neue Bündnis sei breiter angelegt als bisherige Zusammenschlüsse und darin bestünde seine Funktion, wurde jedenfalls nicht beschlossen und bleibt damit eine Einzelmeinung, die noch dazu wahrscheinlich eher illusionär ist.

Denn programmatisch-inhaltlich waren kaum Unterschiede zwischen "Gera" und LO auszumachen, was bei der gemeinsamen Herkunft aus Programm 2, Ratschlag und offenem Netzwerk LO kaum verwundern dürfte. Die einzig deutliche Differenz war taktischer Natur. Die LO-Redner haben das "Raus aus den Koalitionen" als den strategischen Kurs zum offenen Bruch mit den Verteidigern des Neoliberalismus in der PDS (Refom-Linke) und deren Zurückdrängung in Partei und Apparat begründet. Die ideologisch führenden Genossen der "Geraer" wollen zwar die neoliberale Politik heftig kritisieren und finden "Koalieren um jeden Preis" falsch, aber diese Frage in den Mittelpunkt des Kampfes um den Erhalt des sozialistischen Charakters der PDS zu stellen, das ging der Mehrheit der Versammelten dann doch zu weit.

Folgerichtig war als Orientierung für die praktische Arbeit in der nächsten Zeit nur zu hören, dass man sich intensiv in die Wiederauflage der Programmdebatte einmischen wird. Auch in organisatorischer Hinsicht geht es den Genossen nicht um den Aufbau untergliederter Strukturen, sondern wohl mehr um ein lockeres Personenbündnis.

Sei's drum ! Bekanntlich soll man sich nie über taktische Differenzen spalten, sondern nur über programmatische und wir haben ja gesehen, wie oben beschrieben, daß einige dieser Genossen lernfähig sind.

Eher peinlich war etwas anderes. Bei der Verabschiedung der Grundsatzerklärung, die teilweise von ermüdenden Debatten begleitet war (was die LO-Genossen dank Sigurd Schulze zur Genüge kennen), gelang es nicht, trotz mehrerer guter Anträge, einen besonderen Punkt zur Frage Krieg und Frieden zu verabschieden, so dass dieses Thema auf einen Halbsatz beschränkt blieb.

Erfreulich an der Diskussion waren die vielen Beteuerungen, auf andere Linke zugehen zu wollen und Vorschläge, wie dies zu machen sei. So will sich Gerd Julius für einen "Roten Tisch" mit Vertretern von Plattform, Forum, LO und "Geraern" stark machen.

Nicht nur deshalb gab das Arbeitssekretariat der LO, das mit vier von fünf Mitgliedern vertreten war, folgende Erklärung ab:

"Die BAG-LO steht für die hier vorgeschlagenen Formen der Zusammenarbeit, der Aktionseinheit, auch des hier vorgeschlagenen Roten Tisches bereit, unter der einzigen Bedingung, daß bei solchen Beratungen nicht irgendwelche politischen Erklärungen verschiedener Strömungen abgegeben werden sollten, sondern konkrete Fragen und deren praktische Umsetzung verbindlich beraten werden müssen."

Erwähnt werden soll auch ein Anruf am späten Abend von M. Mäde, einem der Hauptorganisatoren der Konferenz, der sich beim Berichterstatter für die konstruktive Zusammenarbeit und statutarische Hilfestellung bei der Grüdungsversammlung bedankte, was beide als ein gutes Zeichen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Zukunft sehen.

Ja, und dann ist da noch die Sache mit "Gera":

In der letzten Reihe saßen die bekanntermaßen ewig aufmüpfigen Hamburger, wo plötzlich wütend vom "Geraismus" gesprochen wurde. Gerade als ich darüber nachdenken wollte, was das denn sein solle, dieser Geraismus, da entfuhr dem am Rednerpult stehenden Winfried Wolf der markante Ausruf, "... wir meinen, daß Gera eine Weltanschauung ist" und murmelte dann noch etwas davon, daß man dies Gabi Zimmer schon noch klarmachen werde.

Ich nahm zur Kenntnis: "Gera ist eine Weltanschauung" und nachdem ich, als diplomierter Philosoph, länger darüber nachgedacht hatte, kam mir eine verblüffende Erkenntnis: Dieser Satz ist eine vollkommen wahre Aussage!

Peter Feist

Mitglied des Arbeitssekretariats

der Linken Opposition in und bei der PDS.