Peter Feist, Berlin

 

Zur Lage der Linken in Deutschland, Herbst 2002

Eine materialistische Analyse zur Hilfestellung für alle Verwirrten, Aus- und Übergetretenen und sonstige Suchende

 

 

Ursache

für dieses Papier sind Dutzende von Stellungnahmen, Erklärungen und Briefe, die einen so täglich erreichen, wenn man im e-mail Verbund der Linksoppositionellen in und bei der PDS agiert. Je nachdem ob die Absender schon ausgetreten sind, gerade austreten oder jetzt erst recht nicht austreten wollen, bekommt man die unterschiedlichsten Ratschläge, Kritiken oder Vorwürfe etwas zu tun, das gleiche zu unterlassen, gar nichts oder etwas völlig anderes zu tun usw.

Alle diese Papiere haben den selben Mangel: bevor man eine gründliche Analyse der Lage gemacht hat, werden Meinungen und Wertungen erstellt, anders gesagt es werden Rezepte zum Kochen angeboten, ohne das jemand überhaupt sagen kann, ob eine Küche vorhanden ist.

Ich will hier erst einmal eine materialistische Analyse vornehmen, von der sich dann vielleicht politische Strategien und taktische Entscheidungen ableiten lassen. Dieses Papier trägt zwar meine Unterschrift, ist aber das Ergebnis vieler Debatten in den letzten drei Monaten innerhalb der Linken Opposition in Berlin, ist also ein kollektives Resultat.

 

Die Ausgangslage

wird durch zwei wesentliche Faktoren bestimmt:

a: objektiv läuft gegenwärtig eine Groß-Offensive des Kapitals gegen alle sozialen Errungenschaften der deutschen Arbeiterbewegung aus den letzten Hundert Jahren Klassenkampf. Die Senkung des “Preises der Ware Arbeitskraft” wird als Hauptmittel gesehen, mit dem sich die deutsche Bourgeoisie Konkurrenzvorteile auf dem Weltmarkt verschaffen will. Mit Hilfe der Sozialdemokratie wird der letzte Widerstand dagegen, der ohnehin schon gering genug ist, wegorganisiert und die PDS in Regierungsverantwortung (Berlin, MVP) hilft dabei, die grausamsten Schweinereien “sozialverträglich” durchzusetzen. Die Widereinsetzung der Krieges als politisches Mittel durch die deutsche Bourgeoisie ist nur ein Moment dieser Kapitaloffensive.

b: subjektiv hat die deutsche Linke in ihrer Mehrheit die Auswirkungen der strategischen Niederlage der internationalen Arbeiterbewegung (Zusammenbruch des ersten Sozialismusversuches) noch nicht überwunden, die ideologische und politische Verwirrung ist in weiten Teilen der Bewegung immer noch sehr groß.

Diese beiden Punkte bilden die materialistische Ausgangsbasis zur Bewertung aller taktischen Fragen, mit denen sich Linke zur Zeit herumschlagen.

 

Die strategische Aufgabe und die Möglichkeiten und Wege zu ihrer Realisierung

 Die wichtigste strategische Aufgabe in dieser Situation ist (mittelfristig) die Schaffung einer revolutionären, strikt an den Lebensbedürfnissen der abhängig Beschäftigten orientierten, klassenkämpferischen Massenpartei mit revolutionärem Charakter.

Dies wird von vielen so gesehen, der zentrale Streit dreht sich darum, wie das zu erreichen ist.

Offensichtlich ist zur Zeit keine Partei oder Gruppierung das zentrale Projekt der gesamten deutschen revolutionären Linken, sondern jeder hat seine Option: die PDS, die DKP, kleine marxistische Zirkel usw. Für viele ist dies ein ständiger Anlass, die Zersplitterung der Linken zu beklagen, manche sehen in ihr den Grund für ihre Schwäche, für mich ist diese Situation das objektive Resultat der schweren Niederlage von 1989/1990.

Was können wir aus der Geschichte lernen? Solche Situationen waren immer eine Zeit heftiger ideologischer Kämpfe, fraktioneller Politik, politischer Ohnmacht und des persönlichen Rückzug ehemaliger Revolutionäre. Gelöst haben sich solche Situationen durch eine Periode von Umgruppierungen, das heißt Mitglieder und Aktivisten aus den verschiedensten Strömungen und Gruppen haben sich um einen neuen politischen Kern gesammelt, aus dem dann im besten Fall eine neue Massenpartei entstand.

Eine solche Periode der Umgruppierungen liegt unmittelbar vor uns, ohne das sich jetzt schon ein Kern gebildet hätte, zur Zeit ist nicht einmal erkennbar, woraus er sich entwickeln könnte.

 

In einer solchen Situation ist es daher legitim, wenn sich verschiedene Genossen individuell entscheiden, in welcher Partei/Gruppierung sie die beste Möglichkeit für etwas Neues sehen, Alleinvertretungsansprüche und Ausgrenzungen nützen hier überhaupt nichts, sie schaden nur dem Absender. Genauso wichtig ist es festzustellen, das eine ad hoc Parteigründung jetzt wenig Erfolg verspricht, so verständlich mir diese revolutionäre Ungeduld auch ist.

 

Am heftigsten werden zur Zeit diejenigen angegriffen, die ihre Option in der PDS (oder deren Linksopposition sehen), deshalb ist es notwendig einige Fakten dazu in Gedächtnis zu rufen:

 

 

Schlussfolgerungen

aus dem Dargelegten musst Du nun, lieber Leser, selbst ziehen. Welcher Organisation Du dich anschließt, dafür gibt keine “Rezepte”, dies kann auch regional, in bestimmten Fällen von Ort zu Ort, sehr verschieden sein, (bei Organisationen wie der DKP oder KPD ist es auch eine Frage des guten Geschmacks). Ich habe nur objektive und subjektive Faktoren aufgezeigt, die unsere gegenwärtige Lage bestimmen. Ob sie auch für Dich als Kriterien geeignet sind, die eine Entscheidung erleichtern können, musst Du selbst entscheiden.

In jedem Fall gilt: “Es rettet uns kein höh`res Wesen, uns aus dem Elend zu erlösen, das können wir nur selber tun.”