Schluss mit den Sanktionen, keine neuen Raketen

Die USA drohen dem Iran mit Krieg und in Europa wollen sie Abwehrsysteme gegen iranische Raketen installieren. Geht beides zusammen oder wird wieder ein großes Täuschungsmanöver inszeniert?

“Der Geruch von Schießpulver liegt in der Luft”. Der Chef des Ausschusses für Außenpolitik im russischen Föderationsrat, Michail Margelow, hat vor einer Zuspitzung der Lage in Iran gewarnt. Auch der französische Ministerpräsident Dominique de Villepin schlug Alarm. Für sein Land sei ein militärisches Eingreifen keine Lösung, sagte der Politiker in einem Interview der in London ansässigen arabischen Zeitung "Al Hayat". Ein Angriff hätte "unvorhersehbare Konsequenzen" und könnte die ganze Region destabilisieren. Und auch der amerikanische Ex-Präsident Clinton warnte vor einem möglichen Angriff gegen Teheran und erklärte, dass die Sanktionen eine bessere Wirkung hätten als angenommen.

US-Präsident Bush hat zwar immer wieder beschwichtigt, dass man den Streit um das iranische Atomprogramm auf diplomatischem Wege lösen wolle, aber Cheney hatte zuletzt in Australien bekräftigt, dass Gewaltanwendung eine Option bleibt. Und vor der amerikanisch zionistischen AIPAC drohte er gar, dass die freie Welt im Nahen Osten gegen die Extremisten nur die Option der Offensive habe, “bis der Feind zerstört ist”. Sehr gewichtig ist, dass Bush seine Ermächtigung zur Kriegführung gegen den Iran ohne besondere Zustimmung des Kongresses behält, die ihm Senat und Repräsentantenhaus im Jahre 2004 erteilt haben. Die Demokraten haben einen Gesetzesentwurf zurückgezogen, mit dem die Blankovollmacht aufgehoben und der verfassungsmäßige Zustand wiederhergestellt werden sollte. Laut US-Verfassung hat nur der Kongress das Recht, einen Krieg zu erklären.

Die amerikanische Politik bleibt doppeldeutig. Ein neuer Krieg ist nicht abwegig. Die Amerikaner haben seit Anfang des Jahres wieder die Vorbereitungen getroffen, um einen Angriff aus der Luft führen zu können. Sie ziehen Flugzeugträger und Minensuchboote im Golf zusammen. Es häufen sich Scharmützel in Belutschistan und mit Kurden, die vom Irak aus operieren. Das Militär bastelt an Beweisen, dass vom Iran eine Bedrohung für die Besetzungstruppen im Irak ausgeht. Sie beschuldigen Iran, Waffen an den irakischen Widerstand zu liefern. Pulitzer-Preisträger Seymour Hersh schrieb im «New Yorker», dass sich beim Generalstab eine Sondereinsatzgruppe mit den Vorbereitungen eines Luftangriffes auf den Iran beschäftige. Und der ehemalige Sicherheitsberater Brzezinski machte in einer Zeugenaussage vor dem amerikanischen Kongress keinen Hehl daraus, was er der Bush-Regierung zutraut — dass sie dem Iran eine Provokation im Irak oder einen Terroranschlag in den USA in die Schuhe schiebt, die dann in einer “defensiven” Militäraktion gegen den Iran gipfeln, die USA isolieren und immer tiefer in den Sumpf ziehen würde, der sich von Irak über den Iran und Afghanistan bis nach Pakistan erstreckt.

Irans Atomprogramm als Hebel zum Regimesturz

Die Bush Regierung gibt viele Gründe an für ihre Kriegspläne. Sie klagt den Iran an, weil er Israel nicht anerkenne, weil er Israels Verschwinden von der Landkarte fordere, weil er die Hisbollah im Libanon unterstütze, weil er sich verdeckt im Irak einmische, weil er mit Al Qaida zusammenarbeite. Im Vordergrund steht jedoch das iranische Atomprogramm. Der Unsatz der letzten drei Jahre lautet stereotyp: “Der Iran wird verdächtigt, mit seinem Atomprogramm heimlich nach Atomwaffen zu streben.” Obwohl die Führung in Teheran dies bestreitet und die IAEA in dreijähriger Suche den Verdacht nicht erhärten konnte, wird die Verdächtigung gegen das iranische Programm wie eine Monstranz hochgehalten.

Technisch ist es durchaus möglich, ein ziviles von einem militärischen Atomprogramm zu unterscheiden. Ein wichtiger Indikator wäre z.B. der Stromverbrauch. Ferner sieht der Atomsperrvertrag Inspektionen durch die IAEA vor. Die Iraner sind sogar bereit, weitergehende Kontrollen zuzulassen, um eine lückenlose Überwachung zu ermöglichen und die um ihre Sicherheit bangenden Nachbarländer zu beruhigen.

Aber die Amerikaner wollen weder eine technische Lösung, noch sind sie daran interessiert, dass die IAEA den Verdacht ausräumt. Das iranische Atomprogramm lässt sich am ehesten instrumentalisieren, um ein UNO-Mandat zur Gewaltanwendung zu erhalten. Deshalb bringen sie das Problem immer wieder vor den Sicherheitsrat. Im Mai 2006 konnten sie dort erstmals eine allerdings nicht bindende Resolution verabschieden, mit der Teheran nahe gelegt wurde, die Urananreicherung zu stoppen. Nachdem Iran sich geweigert hatte, der Empfehlung Folge zu leisten, gelang es Washington im Dezember 2006, die Resolution 1737 durchsetzen. Darin wurde Iran unter Androhung von leichten Sanktionen aufgefordert, seine Urananreicherung einzustellen. Da Iran weiter auf seinem Recht beharrt, versuchen die USA nun, die Sanktionen zu verschärfen. Und die Israelis machen dafür Stimmung. Soeben wird die dritte Phase der internationalen Nötigung des Iran eingeläutet. Sie wird, wie die vorigen, von militärischem Aufmarsch begleitet. Es ist vollkommen klar, was hier betrieben wird, ist unrechtmäßig, ist unverantwortliche Kriegtreiberei.

Sanktionen dienen der Eskalation

Im Prinzip sichert der Nichtverbreitungsvertrag jedem Signatarstaat, der auf ein nukleares Waffenprogramm verzichtet und die ungehinderte Überwachung seiner Atomanlagen akzeptiert, das Recht zu, den gesamten zivilen Nuklearkreislauf zu betreiben, um elektrische Energie aus Kernkraft zu erzeugen. Die anderen Signatarstaaten sind dem Wortlaut des Vertrages nach sogar verpflichtet, dabei technische und finanzielle Hilfe zu leisten.

Da die Urananreicherung ein zentraler Abschnitt im Nuklearkreislauf ist und die Forderung nach ihrer Einstellung vollkommen rechtswidrig, eignet sie sich gut zur Eskalation des Konflikts. Der Verzicht auf ein hohes Rechtsgut, das international verbürgt ist und von vielen anderen Staaten unangefochten ausgeübt wird, muss von den Iranern als tiefste nationale Erniedrigung empfunden werden. Die amerikanischen Strategen können daher vom Iran starken Widerstand erwarten. Sicherheitshalber satteln sie drauf und weigern sich mit Teheran zu verhandeln, bevor Iran die nuklearen Anreicherungsexperimente eingestellt hat. Die Regierung in Washington, die die ganze Welt belogen hat, um ihre Angriffskriege gerechtfertigt scheinen zu lassen, verlangt, dass Iran durch diese Vorleistungen Vertrauen wiederherstellt, das das Land angeblich verspielt habe. Ganz offensichtlich macht sich der Bock zum Gärtner, um die Demütigung des Entwicklungslandes auf die Spitze zu treiben.

Der herausgeforderte Nationalstolz dürfte wunschgemäß verhindern, dass Iran zu früh klein beigibt. Die Amerikaner wollen erreichen, dass die Sanktionen schließlich schmerzhaft werden. Sie müssen dabei aber berücksichtigen, dass die Sanktionen zu Lasten der Partnerländer im Sicherheitsrat und der BRD gehen und daher nur dosiert verschärft werden können. Während sie selbst seit der iranischen Revolution 1979 keine Beziehungen zum Iran unterhalten und daher nichts zu verlieren haben, stehen für Russland, China und Deutschland erhebliche wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel. Washington muss also auch von dieser Seite mit hinhaltendem Widerstand rechnen, der nur peu à peu überwindbar ist. Die Kriegsdrohungen spielen hier eine wichtige Rolle, und man wird S. Hersh mit geeigneten Informationen füttern, um ihn gerade wegen seiner Respektabilität als nützlichen Idioten zu gebrauchen. Wenn das Iran-Quintett im Sicherheitsrat verhindern will, dass Iran bombardiert wird, muss es der Verschärfung der Sanktionen Zug um Zug zustimmen — bis schließlich der Einsatz von Gewalt nach Kapitel VII der Charta zur Abstimmung steht, den es um jeden Preis vermeiden wollte.

Es ist eine Illusion anzunehmen, dass sich die Iraner der Bedrohung durch die USA entziehen können, wenn sie nur die UNO-Resolution erfüllen. Die Amerikaner werden dann stante pede verlangen, ein Inspektionsregime einzusetzen, das die volle Erfüllung der Forderungen zu überwachen hat. Es müsste zwangsläufig mehr Befugnisse erhalten als die IAEA, die sich ja über drei Jahre hinweg als unfähig erwiesen hat, Beweise für ein heimliches Kernwaffenprogramm beizubringen. Washington wird fordern, dass die neuen Kontrolleure Waffen führen dürfen und das Recht haben, sich zu jedem Ort notfalls gewaltsam Zutritt zu verschaffen. Man wird auf jeden Fall einen Weg finden, die nationale Souveränität des Iran vorsätzlich zu verletzen.

Die Forderung an den Iran, die Urananreicherung einzustellen, ist nicht darauf angelegt Teheran den Erwerb von Kernwaffen zu verwehren, sondern eine mutwillige Provokation im Rahmen einer Eskalationsstrategie. Washington benutzt sie als Hebel, um Iran ins Unrecht zu setzen, möglichst vollständig zu isolieren und um schließlich die Regierung der Mullahs zu stürzen. In dieser Strategie hat ein rettender Ausweg für die Mullahs nichts zu suchen und ist auch nicht vorgesehen. Die Amerikaner haben mehrfach bewiesen, dass sie sich meisterhaft auf diese Art Eskalation verstehen. Ihre Forderungen erschienen immer halbwegs billig, zielten aber unerbittlich auf Kapitulation. Während sie offiziell von Jugoslawien die Einstellung eines Bürgerkrieges forderten, versuchten sie in den nicht öffentlichen Verhandlungen für die NATO das Recht zu erpressen, sich frei im ganzen Land bewegen zu können. Miloscevic hatte nur die Wahl, sich vor oder nach dem Bombardement zu ergeben. Die Taliban waren bereit, Bin Laden vor ein islamisches Gericht zu stellen, aber die USA verlangten das Recht, mit ihren eigenen Streitkräften ins Land zu kommen und die Medresen zu zerstören. Saddam Hussein sollte seine Massenvernichtungswaffen vernichten. Nachdem das geschehen war, setzten die Amerikaner die unwahre Behauptung in die Welt, dass Irak noch mehr Waffen verstecke und besetzten das Land, angeblich um sie zu suchen.

USA streben nach globaler Hegemonie

Den Mullahs ist ein ähnliches Schicksal zugedacht. Man weiß, dass Iran gewaltige Ressourcen insbesondere an Erdöl und Gas beherbergt, wonach es den größten Energieverbraucher der Welt dürstet und die Amerikaner würden nicht zögern, den Iran platt zu machen, wenn es nur um Erdöl und Erdgas ginge. Sie haben dazu die Mittel. Aber die amerikanischen Ziele sind ehrgeiziger. Lenin charakterisierte zu Beginn des 20 Jahrhunderts den Imperialismus politisch als den Wettkampf einiger Großmächte um Hegemonie. Tatsächlich bestimmte dieser Wettkampf den Verlauf der Geschichte bis zum Untergang der SU. Seither hat sich diese Lage wesentlich verändert. Erstmals in der Weltgeschichte geht es heute um den Kampf der einzigen Supermacht um die globale Vormachtstellung in der Welt. Putin hat auf der diesjährigen Sicherheitskonferenz in München ausgesprochen, worauf eine unipolare Welt hinausläuft. Am Ende bedeute sie, dass es nur “ein Machtzentrum, ein Kraftzentrum, eine Zentrale gebe, die entscheidet”, und eine Welt, in der nur einer herrscht, habe natürlich nichts mit Demokratie gemein.

Die amerikanische Offensive zur Erringung der globalen Hegemonie begann nach der Auflösung des Warschauer Pakts. Putin hat daran erinnert, dass die NATO nach Osten und Südosten Europas erweitert wurde und dass die Versprechungen, keine NATO-Truppen östlich vom wiedervereinten Deutschland aufzustellen, nicht eingehalten wurden. Jetzt wird sogar die Aufnahme der Ukraine und Georgiens in die NATO wird betrieben. Die USA strecken ihre Hände nach allen ehemaligen Sowjetrepubliken im Kaukasus und in Zentralasien aus, sie versuchen, den Golf in ein amerikanisches Binnenmeer zu verwandeln und die Kontrolle über das ressourcenreiche Zentralasien zu erringen. Brzezinski hatte dazu in den Neunzigern den Masterplan verfasst. Zu seiner Realisierung rief Bush den “Krieg gegen den Terrorismus” aus. Er kündigte an, dass es ein lang anhaltender weltweiter Krieg sein sollte. Er würde nicht klamm heimlich mit einem nächtlichen Überfall auf einen Rundfunksender beginnen. Zum Auftakt dieses Krieges wurden die Feuerbälle über den Türmen des WTC life in alle Winkel der Erde übertragen. Eine geschickte Regie nutzte das Entsetzen über den Terroranschlag aus, um Allianzen zu schmieden und neue Militärstützpunkte zu errichten, rings um Russland, von Europa über den Kaukasus bis zum Himalaja. Weltweit unterhalten die USA heute über 700 Militärstützpunkte.

Der so genannte Krieg gegen den Terror ist kein diffuser Kampf, sondern ein strategisch geplantes zusammenhängendes Unternehmen. Die einzige Supermacht führt in Wirklichkeit nicht Krieg gegen Terroristen, sondern gegen Staaten. Von Anfang an gab es eine lange Liste. Aber es geht immer schön der Reihe nach. Erst werden die kleinen und schwachen Länder erobert. Dadurch werden die stärkeren zugleich umzingelt. Und bei alle dem werden die potenziellen Rivalen isoliert und eingekreist.

Eingangs wurden die Taliban von der Macht gebombt. Afghanistan ist der am weitesten vorgeschobene Brückenkopf zur Eroberung der Hegemonie in Zentralasien. Propagandistisch wurde der Überfall auf Afghanistan der Welt als Polizeiaktion verkauft, um den angeblichen Mastermind hinter den WTC Attacken zu fassen. Das FBI sucht Bin Laden zwar noch heute steckbrieflich, aber zu keiner Zeit wegen des Attentats vom 11. September. Dazu fehlte von Anfang an der hinreichende Tatverdacht. Jetzt hat Khalid Mohammed gestanden, von A bis Z dafür verantwortlich gewesen zu sein. Die Amerikaner blamieren mit seiner Beichte nachträglich die Staatsführer, die dem Rattenfänger Bush unbeschränkte Unterstützung leisteten. Alles war und ist von vorn bis hinten erlogen und erstunken. Am Hindukush wird nicht die Freiheit verteidigt, wie uns Struck fabuliert, sondern eine strategische Ausgangsbasis für den Kampf gegen Iran, sowie gegen Russland und China besetzt.

Im zweiten Akt wurde der Irak erobert. Für das Publikum gab es wieder einen Sack voll Lügen. Saddam sollte angeblich Massenvernichtungswaffen verstecken und mit Al Qaida kollaborieren. Beweise wurden fabriziert. Das Baath-Regime war vom 10jährigen Leiden unter dem Sanktionsregime zermürbt und brach im amerikanischen Feuersturm schnell zusammen. Die Sieger inszenierten eigens eine Suche nach den Waffen, die sie frei erfunden hatten.

Nun ist der Iran an der Reihe. Nicht weil er ein Atomprogramm hat und auch nicht, weil er in dem Maße an Einfluss gewonnen hat, wie seine Nachbarländer geschwächt wurden. Der geostrategische Zusammenhang zwischen den Kriegen gegen Jugoslawien, das Zweistromland und Afghanistan war von Anfang an gegeben und klar erkennbar. Die bekriegten Länder bilden einen Ländergürtel, der sich vom Himalaja bis nach Osteuropa erstreckt. Es ist der geopolitische Containementstreifen gegen eine mögliche Ausweitung des russischen Einflusses nach Süden und Westen. Mit dieser Länderkette suchen die Amerikaner ihre vorgeschobenen Positionen im Kaukasus und auf dem umkämpften zentralasiatischen Terrain zu stützen. Mit dieser Länderkette wird Russland eingekreist und isoliert. Der Iran ist das Hauptkettenglied für die Verbindung zwischen dem Brückenkopf Afghanistan im Osten und Anatolien im Westen und derzeit das Haupthindernis für die weitere amerikanische Machtentfaltung in der Region. Ohne den Iran können die USA ihre Macht in Zentralasien nicht konsolidieren, bleiben die bisherigen Militärinterventionen Stückwerk, bleibt Afghanistan ein verlorener Außenposten. Nur durch die Einreihung Irans in diese Linie erschließt sich auch der geheimnisvolle Strucksche Zusammenhang zwischen der Freiheit der Deutschen und den Gipfeln des Hindukush.

Nukleare Erstschlagskapazität als Ziel

Die Kontrolle über Zentralasien ist sicher nicht das Endziel der Amerikaner, sondern nur das Sprungbrett zur globalen Hegemonie. Auch Putin sieht das so. Er hat in München bestritten, dass das Raketenabwehrsystem in Osteuropa gegen den Iran gerichtet sei. Iran verfüge über keine Raketen, die über Polen abgeschossen werden könnten. Russland selbst fühle sich dadurch bedroht. Neu daran ist nicht die Substanz der russischen Bewertung, neu ist, dass Putin sich traut, der amerikanischen Begründung offen und uneingeschränkt zu widersprechen. “Russland und China vermuten hinter den amerikanischen Plänen zur Errichtung eines Raketenabwehrschildes in Osteuropa und Ostasien und möglicherweise auch im Kaukasus eine Fortführung des Kalten Krieges mit anderen Mitteln”, schrieb F. William Engdahl für Asia Times in einem ausführlichen Kommentar zu Putins Rede in München. Seit 1991 sei die Erlangung der "nuklearen Vorrangstellung" eines der wichtigsten strategischen Ziele der USA. Ein alarmierender Schritt auf diesem Weg war die Kündigung des ABM-Vertrages schon drei Monate nach den Anschlägen auf das WTC. Die Autoren Lieber und Press schrieben[1] im Frühjahr 2006 in der angesehenen amerikanischen Zeitschrift “Foreign Affairs”, dass die USA erstmals in der Lage sind, eine Erstschlagskapazität zu erlangen. In ihrem Artikel “Die USA auf dem Weg zur nuklearen Übermacht” heißt es, dass die Supermächte sich während des Kalten Krieges durch wechselseitige Verwundbarkeit in Schach gehalten hätten. Zum ersten Mal seit 50 Jahren sei nun die nukleare Überlegenheit der USA in Sicht. Weil die ehemals sowjetischen Arsenale veraltet und stark ausgedünnt und die chinesischen schwach geblieben seien und dank immenser eigener technologischer Fortschritte seien die USA wahrscheinlich bald in der Lage, die weit reichenden russischen und chinesischen nuklearen Systeme durch einen Erstschlag zu zerstören und einen Nuklearkrieg zu gewinnen.” Dieser Tage berichteten amerikanische Medien, dass die USA beschlossen haben, erstmals nach dem Kalten Krieg eine neue Generation von Atomwaffen zu entwickeln. Das ist zwar ein eklatanter Bruch des NPT, zusammen mit den Raketenabwehrsystemen aber der konsequente Weg zur nuklearen Hegemonie.

Denn obwohl es sich bei den umstrittenen Raketen um eine Abwehrwaffe handelt, können sie ein Teil einer höchst aggressiven Strategie werden. Das wäre der Fall, sobald die derzeit geplante kleine Zahl von Raketen stark erhöht wird. Raketen sollen auch in England und Japan aufgestellt werden und eine weitere Radaranlage in Georgien ist im Gespräch. Dann könnte die nukleare Zweitschlagskapazität der Russen in Frage gestellt und damit ihre Abschreckung außer Kraft gesetzt werden. Dann wäre sogar ein preemptiver Entwaffnungsschlag gegen Russland oder China möglich. Die Moscow Times fragt verwundert, ob in den oberen Rängen der US-Administration niemand erkannt hat, dass die Dislozierung von Raketen in Polen dem sowjetischen Versuch im Jahre 1962 gleicht, Raketen in Cuba aufzustellen. Es handelt sich jetzt ebenso wenig um eine rein polnisch-amerikanische Angelegenheit, wie es sich damals um ein russisch-kubanische Tête-à-tête gehandelt hat. “Wenn die USA in der Lage sind, sich wirkungsvoll gegen eine mögliche russische Vergeltung für einen amerikanischen nuklearen Erstschlag zu schützen, dann könnten die Amerikaner der ganzen Welt einfach ihre Bedingungen diktieren, nicht nur den Russen. Das ist es, was Militärs unter nuklearer Vorherrschaft verstehen. Das ist die wirkliche Bedeutung von Putins ungewöhnlicher Rede. Er ist nicht paranoid. Er war äußerst realistisch”, schreibt Engdahl in Asia Times weiter.

Hier schließt sich dann der Kreis. Zwischen der Expansion nach Zentralasien und dem Streben nach Erstschlagkapazität besteht ein enger Zusammenhang, den die US-Strategen nicht außer Acht lassen. Sie versuchen zum einen im Namen des Krieges gegen den Terror die Kontrolle über die Golfregion und Zentralasien zu gewinnen und den potenziellen Rivalen den Einfluss auf diese Region zu verwehren. Zunehmend geraten dabei auch alle Randzonen des eurasischen Kontinents und Teile Afrikas in ihr Visier. Da in diesen Gebieten in der Mehrheit Muslime leben, halten sie es für opportun, das Streben nach Hegemonie unter ein neues Motto zu stellen. Folgerichtig wird der Kampf gegen den “Islamofaschimus” zur entscheidenden ideologischen Auseinandersetzung im neuen amerikanischen Jahrhundert erhoben. Im Hintergrund steht dabei zum anderen immer die Absicht, die großen strategischen Rivalen einzukreisen, entlang ihren Grenzen Militärstützpunkte zu errichten und vorgeschobene Raketenabwehrstellungen aufzubauen. Die Raketen eignen sich auch gut dazu, Europa gegen Russland in Stellung zu bringen und die Europäer untereinander zu spalten. Der luxemburgische Außenminister prophezeit, dass “wir keine Stabilität in Europa haben werden, wenn wir die Russen in die Ecke drücken”. Es wird auch die deutsche Politik spalten. Außenminister Steinmeyer ist gegen das Raketenabwehrsystem, von Klaeden tadelt ihn deswegen, Jung und Merkel wollen es in die NATO integrieren.

US-Macht ist über den Zenit

Allem Ehrgeiz und aller Machtfülle des amerikanischen Imperialismus zum Trotz gibt es günstige Faktoren. Zuerst ist zu beachten, dass die Amerikaner nach der Weltherrschaft zu greifen versuchen, nachdem sie den Höhepunkt ihrer Macht längst überschritten haben. Auch das hat Putin angesprochen. Die Zugkraft des american way of life ist dahin. Die wirtschaftliche Überlegenheit ist weitgehend verloren. Das Bruttoinlandsprodukt der EU allein und das Chinas und Indiens zusammengenommen übersteigen heute bereits dasjenige der USA. Das amerikanische Handelsbilanzdefizit ist turmhoch. Der Dollar steht im Begriffe, seine Rolle als Leitwährung einzubüßen. Schon hat der Euro ihn dem Zahlungsvolumen nach überflügelt. Der Iran fakturiert seit Anfang des Jahres in Euro. Der amerikanische Imperialismus ist nach dem Ende des Kalten Krieges auf seine nackte militärische Übermacht heruntergekommen, was ihn aber umso gefährlicher und unberechenbarer macht. Er ist unablässig bemüht, seine Aufrüstung zu forcieren und seine militärische Überlegenheit zu Wasser, zu Lande, in der Luft und im Weltraum auszubauen. Obwohl seine relative Wirtschaftskraft nur noch ein Fünftel ausmacht, wendet er heute für militärische Zwecke soviel auf wie die übrige Welt zusammengenommen. Seine Vormachtstellung ist daher rein negativ bestimmt und seine Führer sind sich dessen wohl bewusst. So haben sie es zu ihrem Hauptziel erklärt, das Aufkommen von Rivalen zu verhindern. Aus politischer Schwäche müssen sie sich sogar auf Bündnisse und Allianzen mit ihren Gegenspielern einlassen und sie verdeckt bekämpfen. Nur so können sie hoffen, ihre eigene strategische Position zum Nachteil der Rivalen zu verbessern.

Letztlich haben die USA sogar in ihrer einzigen Domäne schwere Rückschläge hinnehmen müssen. Sie sind zwar extrem stark im Bomben, erweisen sich aber zunehmend als unfähig, das eroberte Terrain zu befrieden, und sei es selbst nur mit Gewalt. Die Pentagon Strategen haben vor allem das Ansehen der USA in der Welt überschätzt und den Widerstand gegen ihre Arroganz auf fatale Weise unterschätzt. Längst erzeugen ihre Söldner und Emissäre mehr Hass und Widerstand als Hoffnung und Bereitschaft zur Kooperation. Insbesondere aus der einseitigen Unterstützung für Israel haben die Araber gelernt, dass die USA nicht als ihre Freunde kommen. Selbst unter den Opfern der irakischen Despotie fanden sich nur wenige, die die GIs als Befreier begrüßt haben. Der Widerstand gegen die Besatzer gilt inzwischen als unüberwindlich. Im Libanon haben ihre gefährlichen Freunde eine schmähliche Abfuhr erlitten. In Afghanistan sind die Taliban verjagt, aber der Widerstand der Bevölkerung wächst.

Strategie des Systemwechsels gescheitert

Der zweite wichtige Umstand ist, dass das Projekt “Greater Middle East” in seiner ursprünglichen Form gescheitert ist. Der Iran wäre wohl schon längst gefallen, wenn die Expansion in den erweiterten Mittleren Osten nach Plan gelaufen wäre. Aber die bisher verfolgte Strategie der “Demokratisierung” ist vollkommen fehlgeschlagen. Sie beruhte auf dem Konzept des Systemwechsels und der indirekten Hegemonie. Es war vorgesehen, nach dem Sturz der etablierten Systeme demokratische Strukturen einzurichten und durch sie die politische Kontrolle auszuüben.

Der Systemsturz ging schnell und glatt über die Bühne. Es gelang dem Militär im Handumdrehen, die Taliban zu vertreiben und das Baath-Regime zu zerschlagen. Aber es ist nicht gelungen, die besetzen Länder politisch zu stabilisieren und es besteht auch keine Aussicht mehr, dahin zu gelangen. Dabei waren die Eroberer im Irak durchaus mit System vorgegangen. Die Regie führenden Neokons hatten bei Marx und Lenin gelernt, was es heißt, eine Revolution gründlich zu machen. Die Staatsmaschine könne nicht einfach übernommen werden. Marx hatte diese Lehre aus der Pariser Kommune gezogen und Lenin hatte diese Lehre in der Theorie verteidigt. Die Amerikaner haben nun im Irak vorgeführt, wie man einen Staatsapparat vollständig zerschlägt und die bewaffneten Formationen auflöst. Er war zwar schon angeschlagen und bei der Öffnung der Gefängnisse war Hussein ihnen noch zuvor gekommen, aber die Sieger haben das Werk radikal vollendet.

Nun da die Strategie des Systemwechsels gescheitert ist, der imperialistische Imperativ aber nach wie vor gültig und der Drang der Interessen ungeschmälert ist, müssen die Amerikaner ihre Strategie umstellen. Sie haben kaum noch eine andere Wahl, Neuerwerbungen in Zentralasien anders als durch direkt militärische Gewalt zu sichern. Damit kommen freilich auch Teillösungen in Frage. Sie könnten sich in Zukunft darauf beschränken, unliebsame Regierungen zu stürzen, ressourcenreichen Filetstücke an sich zu reißen und strategisch wichtige Positionen militärisch zu besetzen. Der amerikanische Imperialismus, der noch vor wenigen Jahren als wohlwollend bezeichnet wurde, droht damit noch bösartiger zu werden.

Münchensituation über Iran dauert an

Zum dritten haben die Amerikaner große Mühe, den Iran politisch zu isolieren. Ihr wichtigstes Verhandlungsinstrument ist die Kriegsdrohung, was die demokratische Abgeordnete Shelley Berkley jüngst bestätigt hat. In der internationalen Arena gleicht der Kampf um den Iran dem Ringen um die Tschechoslowakei im Jahre 1938. Der Massstab ist freilich vergrößert und die Kräfteverhältnisse sind anders. Die USA drohen Iran mit Krieg zu überziehen, wenn China, Russland und die EU-3 nicht einwilligen, den Druck auf den Iran zu erhöhen. Sofern sie sich nicht wie die Europäer in vorauseilendem Gehorsam abmühen, dem Iran mit Zuckerbrot den Verzicht abzulocken, sollen sie dazu erpresst werden. Wenn sie die Handelsprivilegien ihrer Länder im Iran verteidigen wollen, müssen sie Krieg vermeiden und Sanktionen verhängen als vermeintlich kleineres Übel. Die Europäer haben ihre Ablehnung von Gewaltanwendung inzwischen bekräftigt. Chirac hat sogar die iranische Atombombe bagatellisiert. "Wohin würde Iran die Bombe schießen? Auf Israel? Die Bombe würde keine 200 Meter in der Luft sein, und Teheran würde ausradiert". Merkel hat die militärische Option längst vom Tisch genommen und nun hat sogar Blair Ende Februar 2007 zum ersten Mal erklärt, dass es falsch wäre, militärisch gegen Iran vorzugehen. Das ist umso beachtlicher, als sich der damalige britische Außenminister Straw knapp ein Jahr zuvor ähnlich geäußert hatte und nach Ansicht einiger Beobachter aus diesem Grund kurz danach demissionieren musste.

Globale strategische Ambitionen dämpfen Kriegsgefahr

Viertens ist zu bemerken, dass Washington gerade selbst dabei ist, seine Kriegsdrohungen stumpf zu machen. Denn die erklärte Absicht, ein Abwehrsystem zu errichten, das sich ausschließlich gegen iranische Raketen richtet und das Säbelrasseln gegenüber Teheran passen gar nicht gut zusammen. Höchstens eine Drohung davon ist wahr. Denn eine Luftkampagne mit dem begrenzten Ziel, nur die nuklearen Einrichtungen zu zerstören, die als Planspiele durchexerziert wird, ist äußerst unwahrscheinlich. Sie würde voraussichtlich nicht zum erwünschten Regimesturz führen und die Amerikaner müssten befürchten, dass der Iran nach einem begrenzten Angriff unweigerlich ein nukleares Waffenprogramm starten oder das laufende beschleunigen würde, falls es entgegen den offiziellen Beteuerungen schon heimlich begonnen worden ist. Solche Luftangriffe würden die amerikanischen Hegemoniepläne in Zentralasien nicht voranbringen, sondern eher langfristig verbauen. Nur die Israelis können derzeit eine rein destruktive Vernichtungsstrategie verfolgen, da sie weitergehende Ambitionen sowieso nicht realisieren können. Es erscheint daher als unwahrscheinlich, dass Bush seine Zustimmung zu einem israelischem Alleingang geben wird.

Falls die Amerikaner zum Mittel des Krieges greifen, werden sie außer der nuklearen Hardware zumindest die Infrastruktur des Mullah-Systems vernichten, um das Regime zu stürzen oder weitestgehend zu schwächen. Es geht denn auch die Rede, dass sich 10000 Angriffsziele in der Planung befinden. Ein solcher Krieg birgt sicher große Risiken. Denn es ist klar, dass die Amerikaner keine Aussicht hätten, die Kontrolle über das Land zu erringen, geschweige denn eine neue Regierung zu installieren. Sie würden die Destabilisierung der gesamten Region verursachen, wohl wissend, dass das mutwillig herbeigeführte Chaos im Irak sich nicht so gut bewährt hat, wie die Neokons um Krauthammer versprochen hatten. Ein solcher Schlag ist dennoch nicht unmöglich, insofern die Amerikaner dazu die Fähigkeit haben. Er kann in Frage kommen, wenn die Amerikaner keine andere Chance sehen, den Iran zu unterwerfen. Bei einem solchen Schlag werden sie sicher versuchen, die Streitkräfte und die personellen Träger des Systems auszuschalten. Da der Iran dann auf längere Sicht die Möglichkeit verlöre, mit Raketen zu hantieren, könnten sich die Amerikaner das teure Abwehrsystem sparen. In jedem Fall müssten sie eine neue Begründung liefern, nachdem Putin das Thema jetzt hochgespielt hat und Streit darüber anhebt.

Wenn die USA an ihrem Raketenprojekt festhalten, ist entweder ihre Kriegsdrohung Bluff und die restlichen iranischen Fünf brauchten sich nicht erpressen zu lassen, oder aber das Abwehrsystem verfolgt einen anderen Zweck, als sie vorgeben. Je wichtiger die Amerikaner das Raketenprojekt nehmen, desto schwieriger ist es für sie, den Iran anzugreifen. Derzeit würde ein Krieg gegen den Iran übergeordnete Ziele der amerikanischen Hegemonialstrategie gefährden. Insofern ist Putin den Amerikanern wunderbar in die Parade gefahren, als er die Begründung des Pentagon zurückgewiesen hat.

Ende des falschen Appeasement angesagt

Damit ist die entscheidende Frage aufgeworfen, ob sich die Partner der USA erpressen lassen müssen. Putin hat im Prinzip mit nein geantwortet. Russland ist einerseits entschieden gegen eine nukleare Bewaffnung des Iran. Hoffnungsvoll stimmt aber, dass Russland die Gefahr einer falschen Appeasementpolitik erkannt hat. Das ist nämlich der eigentliche Inhalt von Putins Rede in München gewesen. Eine andere Politik ist nötig und möglich, weil die USA so ehrgeizige Ziele haben und weil sie eine unipolare Welt wollen. Putin hat klar gemacht, dass Russland nicht weiter bereit ist, alle möglichen amerikanischen Maßnahmen hinzunehmen, unter dem Vorwand, dass sie dem Schutz vor dem Iran dienen, z.B. das Raketenabwehrsystem. Russland will es behandeln als das was es ist, als eins der Elemente einer Einkreisungsstrategie. Es geht eben nicht nur um Erdöl und Erdgas, es geht auch nicht nur um den Iran, sogar nicht nur um Zentralasien, sondern um globale Hegemonie.

Der russische Außenminister Lawrow hat auf einer Pressekonferenz bei RIA Novosti erklärt: “Wir können die jüngsten Erklärungen hoher Vertreter der US-Administration, darunter von US-Vizepräsident Richard Cheney, nicht ignorieren, dass sich keine einzige Variante, darunter die Gewaltanwendung, ausschließen lasse”, und er hat dann hinzugesetzt: “Wir sind überzeugt, dass dies aussichtslos ist, und werden unser Bestes tun, um es zu verhindern.” Ein paar Dinge sind auch schon getan. Die Russen haben Luftabwehrraketen an den Iran geliefert und liefern jetzt wohl Panzerabwehrraketen an Syrien. Das erhöht das Risiko, das aus Luftangriffen gegen den Iran erwachsen würde. Und es treibt den Preis in die Höhe, den die Israelis zu zahlen hätten, wenn sie versuchen sollten, einen neuen Krieg in der Region für neue Landnahme auszunutzen.

Die Russen haben ferner angekündigt, dass der Aufbau einer amerikanischen Raketenabwehr in Osteuropa zu Gegenmaßnahmen führen wird. Moskau spielt mit dem Gedanken, aus dem Vertrag über Mittel- und Kurzstreckenraketen vom Jahre 1987 und aus dem Vertrag über die konventionellen Streitkräfte auszutreten. Letzterer schränkt die zahlenmäßige Stärke der Armee und der Luftstreitkräfte westlich des Ural ein. Die russische Führung erwägt, mehr Geld für die Landesverteidigung auszugeben. Mehr Mittel könnten in die Modernisierung der Atomstreitkräfte sowie die Verstärkung der konventionellen Streitkräfte investiert werden. Das russische Militärkommando soll planen, seine Topol-Raketen mit Mehrfachsprengköpfen auszustatten, die in der Läge wären, die US-Raketenabwehr zu überwinden. Gedacht wird auch an die Erzeugung von Störungen oder von Scheinzielen.

Es gibt also eine Reihe von Möglichkeiten, dem Weißen Haus die Verwirklichung der Kriegsdrohungen zu erschweren. Alles, was Irans Verteidigungsfähigkeit erhöht, senkt das Risiko des Überfalls auf das Land. Widerstand gegen das Abwehrsystem zwingt die Amerikaner, Farbe zu bekennen. Schließlich gibt es keinen vernünftigen Grund, den amerikanischen Erpressungsversuchen nachzugeben und die Sanktionen zu verschärfen.

Sanktionen sind gefährlich

Ex-Außenminister Fischer macht indes den Affen für die amerikanische Drohkulisse gegen den Iran. In einem Beitrag für die SZ kritisiert er die Risikovermeidungsstrategie der Europäer und fordert von ihnen die Bereitschaft, einen ökonomischen Preis zu zahlen und die Sanktionen zu verschärfen. Es gelte, den Iran zu isolieren, einzudämmen und zu verhandeln. Andernfalls hätten sie im Falle eines Krieges gegen den Iran die Hauptfolgen zu tragen. Wes Brot ich eß, des Lied ich sing. Fischer ignoriert, dass die USA seit 28 Jahren versuchen, den Iran zu isolieren, und sich weigern, dem Land Sicherheitsgarantien zu geben oder auch nur mit Teheran zu verhandeln, und zwar gänzlich unabhängig vom iranischen Atomprogramm.

Die Bundesregierung rühmt sich, dass sie sich nicht erpressen lässt, etwas Unrechtes zu unterlassen, und steigt stattdessen tiefer in den Krieg der Amerikaner gegen die Afghanen ein, was siebzig Prozent der Bundesbürger ablehnen. Eine demokratische Regierung wäre besser beraten, wenn sie sich nicht erpressen ließe, etwas offenkundig Unrechtes zu tun. Urananreicherung ist ein garantiertes Recht aller Signatarstaaten des Nichtverbreitungsvertrages. Das geeignete Instrument zur Sicherstellung, dass kein Waffenprogramm betrieben wird, ist das Kontrollregime der IAEA. Sanktionen sind vertragswidrig und werden den Vertrag und seine Instanzen beschädigen. Sanktionen zielen nicht darauf ab, eine etwaige nukleare Bewaffnung des Iran zu verhindern. Sie stehen im Dienste einer Eskalationsstrategie, deren Ziel es ist, Unruhe zu stiften und die iranische Regierung zu destabilisieren, die die iranische Regierung deshalb nicht stoppen kann, selbst wenn sie die Urananreicherung einstellt. Sanktionen werden die Kriegsgefahr nicht bannen, sondern umgekehrt bewirken, dass sie mit jedem Eskalationsschritt wächst.

Jost Kaschube


[1]www.foreignaffairs.org/20060301faessay85204/ keir-a-lieber-daryl-g-press/the-rise-of-u-s-nuclear-primacy.html