Kommunistische Forderungen

in den neuen Bundesländern

Vorbemerkung:

Das Kampfterrain der kommunistischen Bewegung ist auch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR die BRD. Kein bedeutendes gesellschaftliches Problem kann im Osten allein gelöst werden. Das bedeutet jedoch nicht, daß es im Osten nicht besondere Probleme gibt, die nach ostspezifischen Antworten der Kommunisten verlangen. Die eigene spezifische gesellschaftliche Entwicklung nach 1945 hat darüber hinaus im Osten Deutschlands auf subjektiver Ebene besondere Kampfbedingungen geschaffen. Die besonderen sozialen Erfahrungen beschränken sich nicht nur auf die Zeit der DDR, sondern erstrecken sich auch auf die Zeit nach 1990, d.h. auf die Periode der Integration der neuen Länder in die BRD, die in mancherlei Hinsicht als innere Kolonisation erfahren wurde.

1. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!

Die ostdeutsche Arbeiterklasse wird noch immer überausgebeutet. Noch immer liegen die Lohntarife unter den Westtarifen. Noch immer werden den Lohnabhängigen zahlreiche übertarifliche Lohnbestandteile vorenthalten, die im Westen selbstverständlich sind. Hinzu kommt, daß die Arbeitszeit in den neuen Ländern deutlich höher ist, als in den alten Ländern.

Die Diskriminierung der ostdeutschen Arbeiterklasse wird mit statistischen Tricks begründet, wonach die Produktivität der Arbeit im Osten niedriger liegen soll als im Westen. Kommunisten weisen dies zurück. Die neuen Länder als Niedriglohngebiet machen diese erst zum Niedrigtechnologiegebiet. Die elementare Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit ist für uns ebenso wie die Forderung nach gleichen Arbeitsbedingungen eine unverzichtbare Sofortforderung. Wir fordern außerdem die Einführung eines steuerfreien gesetzlichen Mindestnettolohns von 1000,--€.

2. Beseitigung der Arbeitslosigkeit durch Arbeitszeitverkürzung

Die Entindustrialisierung in den neuen Ländern war die Kehrseite einer Politik, die auf der Entwertung der Staatseigentums als Voraussetzung einer umfassenden Privatisierung beruhte. Die zunächst politisch desorientierte und mit Illusionen in den Kapitalismus behaftete Arbeiterklasse der Ex-DDR wurde erst enteignet und dann massenhaft um das Recht gebracht, ihre Arbeitskraft verkaufen zu können.

Das Ergebnis dieser kapitalistischen Produktivkraftvernichtung ist eine strukturelle Arbeitslosigkeit von in Deutschland ungekanntem Ausmaß. Eine Arbeitslosigkeit, die nicht zuletzt viele der in der DDR erreichten Fortschritte der Frauenemanzipation zunichte gemacht hat. Aber auch Schwerbehinderte wurden in besonderem Maße zu Opfern der deutschen Einheit.

Die Vernichtung der DDR-Wirtschaft und die damit verbundene Zerstörung der Großbetriebe hat in den neuen Ländern inzwischen zur quantitativen Dominanz kleinerer Betriebe geführt, in denen nur schwache gewerkschaftliche Strukturen bestehen. Viele dieser mittelständischen Betriebe überleben in der Konkurrenz mit Großkonzernen nur, weil sie die tariflichen Standards bekämpfen und systematisch unterschreiten. In Zusammenhang mit der nach 1990 geschaffenen gigantischen Reservearmee ist der Osten Deutschlands zum Exerzierfeld für Kapitaloffensiven gegen die Errungenschaften der Arbeiterklasse in der gesamten BRD geworden.

Die Geschichte der BRD hat gezeigt, daß Vollbeschäftigung nie ein Ziel bürgerlicher Politik war, sondern ein Betriebsunfall der kapitalistischen Nachkriegsentwicklung in den sechziger Jahren. Wie in anderen Ländern auch, wurde nicht die Arbeitslosigkeit von den BRD-Regierungen bekämpft, sondern die Vollbeschäftigung. Weil die industrielle Reservearmee ihre Funktion, Druck auf die Arbeiterklasse auszuüben, dank des Vorhandenseins sozialer Sicherungssysteme noch nicht genügend erfüllt hat, wird das soziale Netz durchlöchert und wird der Druck auf die Arbeitslosen erhöht, statt neue Arbeitsplätze zu schaffen. Neoliberale Politiker versprechen seit Jahrzehnten neue Arbeitsplätze, wenn die Profite der Kapitalisten steigen. Vergebens. Die explodierenden Gewinne führten nur zu verstärkter Spekulation und steigender Arbeitslosigkeit. Die Erwerbslosen können nicht darauf warten, bis sie als Rentner der Altersarmut anheimfallen. Sie brauchen heute eine Lebensperspektive.

Die effektive Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit ist nur möglich durch den Kampf für sofortige drastischer Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich: 30 Stunden sofort! Für ein ergänzendes staatliches Arbeitsplatzbeschaffungsprogramm!

3. Gleiche Chancen für die ostdeutsche Landwirtschaft

In der Landwirtschaft wurden Genossenschaften mit Altschulden aus Zwangskrediten belastet, um diese kollektiven Strukturen zu zerschlagen oder doch wenigstens massiv zu behindern. Schluß mit der Sonderbelastung ostdeutscher Landwirtschaftsbetriebe! Rückerstattung aller geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen! Schluß mit der Verschleuderung öffentlichen Bodeneigentums, um vorrangig westdeutsche Kapitalanleger zu bereichern. Sofortiger Stopp aller Privatisierungen!

4. Für den Erhalt und den Ausbau der Rentenversicherung,

gegen die Diskriminierung der ostdeutschen Arbeiterklasse!

Die Diskriminierung und Bestrafung ostdeutscher Rentner muß sofort beendet werden. Abschaffung aller Strafrenten! Abschaffung der Kappungen der Renten durch die Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze bei der Überführung der Zusatzversorgungssysteme der DDR in die gesetzliche Rentenversicherung in der BRD!

In den neuen Bundesländern werden nicht nur die jetzigen Rentner diskriminiert, sondern auch künftige Rentnergenerationen. Die durch die Entindustrialisierung um ihre Erwerbsmöglichkeiten betrogenen Teile der Arbeiterklasse haben nur die Perspektive der Altersarmut. Dies muß verhindert werden: Auffüllung der Rentenkonten, die durch den industriellen Kahlschlag und die Massenarbeitslosigkeit Lücken aufweisen - in Ost und West! Aufhebung der rentenrechtlichen Benachteiligung von Frauen bei Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug!

Einführung einer existenzsichernden Mindestrente!

Freiwilliger Vorruhestand ohne Rentenkürzung ab Vollendung des 60. Lebensjahres!

Die kapitalistische Produktion, aber auch die Aussteuerung von Menschen aus der gesellschaftlichen Produktion machen krank. Die sogenannten Rentenreformen der vergangenen Jahre bestrafen Kranke mit Armut und gesellschaftlicher Ausgrenzung. Das Solidarprinzip wird durch Sozialdarwinismus ersetzt. Kommunisten fordern: Wer aus gesundheitlichen Gründen keine Arbeit findet, muß berentet werden. Aufhebung aller in den letzten Jahren eingeführten Einschränkungen des Zugangs zu Invaliden-, Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten!

4. Für eine kinderfreundliche Gesellschaft, für mehr Lebensqualität!

Ebenso wie die aus dem Erwerbsleben ausscheidenden Teile der Arbeiterklasse werden auch Kinder und Jugendliche im Kapitalismus nur als lästiger Kostenfaktor betrachtet. Die öffentlich organisierte Kinderbetreuung in Krippen, Kindergärten, Schulen und Horten wird eingeschränkt, verteuert und verteufelt. Dies mindert die Entwicklungschancen von Kindern und zwingt Frauen dazu, aus dem Erwerbsleben auszuscheiden.

Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Umgang mit Eltern, die nicht unter Druck stehen. Wir wollen, daß Eltern, die an der gesellschaftlichen Produktion und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können, streßfrei mit ihren Kindern umgehen können, befreit von existentiellen Sorgen. Dies sichert Kindern und Eltern mehr Lebensqualität und sichert eine humane Gesellschaftsentwicklung.

Wir fordern deshalb die flächendeckende Versorgung mit Kinderbetreuungseinrichtungen, die Einführung von Ganztagsschulen und von polytechnischen Gesamtschulen. Wir fordern zugleich die Wiedereinführung der Förderung besonderer musischer und sportlicher Begabungen. Alle Jugendlichen müssen eine Berufausbildung in staatlichen Berufsbildungszentren erhalten.

Wir fordern aber auch die Einrichtung selbstverwalteter Jugend-, Kultur- Sport- und Bürgerzentren.

5. Den Widerstand gegen den Neoliberalismus entwickeln

Die Politik des Neoliberalismus geht in die andere Richtung. Statt Reformen geht es um Sozialabbau. Den Forderungen der Ärmsten, der Arbeitslosen und der Erwerbstätigen nach einer sicheren Existenz wird entgegengehalten, sie seien egoistisch, unverantwortlich und maßlos. Die Arbeiterklasse soll die Vorleistungen für Verbesserungen in der Zukunft erbringen. Die Litanei ist alt. Verbesserungen bleiben aus.

Die Arbeiterklasse kann sich nur auf ihre eigene Kraft verlassen. Gefordert sind in erster Linie die Gewerkschaften. Doch deren Führungen stehen noch im Banne der Sozialdemokratie. Statt auf die Kampfkraft der Arbeiterklasse zu vertrauen, werden seit Jahren ohne greifbare Ergebnisse mit den Regierungen und den Arbeitgebern Gespräche um Gespräche geführt. Für die Arbeiterklasse ist es deshalb von entscheidender Bedeutung, daß die Linken in den Gewerkschaften eine klassenkämpferische Orientierung durchsetzen und dafür sorgen, daß die Politik der Anpassung an die Standortlogik der Globalisierer beendet wird.. Kommunisten bieten dazu ihre Zusammenarbeit an.

Gefordert ist die Arbeiterbewegung auch auf politischer Ebene. Vergessen wir nicht: Der Acht-Stundentag war das Ergebnis der Novemberrevolution. Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und gegen die Diskriminierung der ostdeutschen Arbeiterklasse ist ein umfassender politischer Kampf. Hier müssen Kommunisten sowohl die PDS als auch die SPD in die Pflicht nehmen. Insbesondere die PDS steht unter dem Erwartungsdruck ihrer Mitglieder, Sympathisanten und ihrer Wähler. Hier müssen Kommunisten den linken Flügel der PDS unterstützen.

Fredy Below

Dieter Elken

Stand: Mai 2003