Versammlungsfreiheit erstreiken!
Volles Streikrecht erkämpfen!

Mitte Juli soll im bayerischen Langtag ein neues Versammlungsgesetz verabschiedet werden. Dieses Gesetz öffnet staatlicher Willkür und Repression gegen jegliche Art von außerparlamentarischer Opposition Tür und Tor und hebelt das grundgesetzlich festgeschriebene Grundrecht auf Versammlungsfreiheit weitgehend aus. Das neue bayerische Versammlungsgesetz sieht nicht nur eine massive Überwachung von Demonstrationen und Versammlungen vor, sondern zielt auch auf eine weitere Datenerhebung von politisch aktiven Einzelpersonen ab. Ordner müssen sich ihre Zuverlässigkeit von der Polizei bescheinigen lassen, Versammlungsleitungen sollen als Hilfspolizisten gegen Demonstrantinnen und Demonstranten dienen. Verweigern sie dies, drohen empfindliche Geldstrafen.

Knebelerlass gegen außerparlamentarische Opposition

Das Gesetz richtet sich auch gegen gewerkschaftliche Arbeitskampfmaßnahmen wie Streiks und Streikposten. Diese müssen solange vorher angemeldet werden, dass jeder Unternehmer gewarnt ist und Gegenmaßnahmen ergreifen kann. Versammlungen sollen zukünftig verboten werden, wenn sie “die öffentliche Sicherheit gefährden, die Rechte Dritter unzumutbar beeinträchtigen oder grundlegende ethische und soziale Anschauungen verletzen”, heißt es in dem Gesetzesentwurf. Diese Dritten, deren Rechte angeblich “unzumutbar” beeinträchtigt werden, können beispielsweise Kaufhäuser sein, die aufgrund einer Großdemonstration um ihre Umsätze fürchten, oder Autofahrer, die deswegen in einen Stau geraten. Dieser Gummiparagraph würde es Versammlungsbehörden ermöglichen, zum Schutz der “ethischen und sozialen Anschauungen” der Aktionäre eine antikapitalistische Kundgebung vor der Hauptversammlung von Siemens oder der Telekom zu verbieten oder eine Antikriegskundgebung, die die “ethischen und sozialen Anschauungen” der Teilnehmer der NATO-Sicherheitskonferenz verletzt. Der staatlichen Willkür beim Verbot von Demonstrationen ist damit keine Grenze gesetzt.

Wir sehen das Versammlungsgesetz als einen weiteren Schritt zum autoritären Obrigkeits- und Überwachungsstaat. Dabei dient schon dass bestehende Versammlungsgesetz dem Staat zur Einschränkung unliebsamer außerparlamentarischer Meinungsäußerungen — etwa durch das Verbot innerhalb parlamentarischer Bannmeilen seinen Protest zu äußern, durch das Vermummungsverbot, und durch die Möglichkeit, eine von staatlicher Seite unerwünschte Demonstration unter Umständen ganz zu verbieten.

Im Blick hat die Staatsregierung mit den Gesetzesänderungen zum Beispiel die Antikriegsbewegung, die gegen Bundeswehreinsätze am Hindukusch protestiert. Im Blick hat sie kurdisch- und arabischstämmige Bürgerinnen und Bürger, die auf die Besatzung ihrer Heimatländer durch Verbündete der BRD wie die Türkei, Israel und die USA aufmerksam machen wollen. Im Blick hat die Regierung insbesondere soziale Proteste. Denn diese werden unweigerlich in größerem Maßstab ausbrechen, wenn sich die immer zahlreicheren Opfer der neoliberalen Politik von Bundes- und Landesregierung gegen ihre weitere Ausbeutung und Verarmung zu wehren beginnen. Der Staat setzt alles daran, jegliche soziale Bewegungen zu stoppen, um die bestehenden Gesellschaftsstrukturen aufrecht zu erhalten, in denen sich eine Minderheit auf Kosten der Masse der Bevölkerung bereichert. “Mit anderen Worten: Im Kapitalismus haben wir den Staat im eigentlichen Sinne des Wortes, eine besondere Maschine zur Unterdrückung einer Klasse durch eine andere, und zwar der Mehrheit durch eine Minderheit.” (Lenin)

Die Kampfkraft der Gewerkschaften nutzen!

Es ist wichtig, dass der DGB die Gefahren des neuen Versammlungsgesetzes erkannt hat und zur Demonstration aufruft. Doch Demonstrationen alleine werden die bayerische Staatsregierung mit ihrer soliden CSU-Mehrheit im Landtag nicht zum Einlenken bringen. Auf andere Mehrheiten nach der Landtagswahl zu hoffen, ist auch ein Trugschluss. Schließlich hat die SPD in der Bundesregierung selbst zahlreichen Maßnahmen zum Ausbau eines Überwachungsstaates zugestimmt.

Die Lohnabhängigen und ihre größten Organisationen, der DGB und die Einzelgewerkschaften, hätten die Macht, das neue Versammlungsgesetz zu verhindern — mit dem ureigensten gewerkschaftlichen Kampfmittel des Streiks. Nur so ließe sich Druck auf die Regierung ausüben. So genannte politische Streiks sind in der Bundesrepublik zwar durch einen Gerichtsbeschluss aus den 50er Jahren verboten. Doch dies ist nur ein Grund mehr, das Recht auf politische Streiks wieder zu erkämpfen. Und wir erkämpfen es dadurch, dass wir es uns nehmen, es also erstreiken. Deshalb fordern wir die Gewerkschaften dazu auf, ihre Kampfkraft für die Erringung der Versammlungsfreiheit und des vollen Streikrechts zu nutzen - bevor es zu spät ist!

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