Weshalb scheiterte die deutsche Revolution 1918-23?[1]

-von Walter Held[2]

Die Geschichte der russischen bolschewistischen Partei, der Oktoberrevolution, der ersten Jahre der Sowjetrepublik und der Roten Armee ist die Geschichte grandioser politischer Erfolge, die in der Geschichte ihresgleichen suchen. Lenin und Trotzki blieb nichtsdestotrotz auf demjenigen Feld der Erfolg versagt, das sich in letzter Analyse als entscheidend erweisen sollte, dem der internationalen Revolution. Die Niederlage ermöglichte den Triumph der Konterrevolution und den phantastischen und in der Geschichte beispiellosen Aufstieg Adolf Hitlers und des deutschen Nazismus.

Lenin und Trotzki waren von Anfang an zutiefst davon überzeugt, daß das Ergebnis ihres Experiments gänzlich vom Schicksal der internationalen Revolution abhängig sein würde. Trotzki hatte diese Idee seit seiner Formulierung der Theorie der permanenten Revolution im Jahre 1905 betont. Lenin hatte ebenso bestimmt die Abhängigkeit der russischen Revolution vom von der internationalen Bewegung erwarteten Aufschwung hervorgehoben. Auf dem Siebten Kongreß der Russischen Kommunistischen Partei im März 1918 brachte er seine unerschütterliche Überzeugung zum Ausdruck: “Es ist eine absolute Wahrheit, daß wir ohne die deutsche Revolution verloren sind -vielleicht nicht in Petrograd oder Moskau, wohl aber in Wladiwostok oder in noch entfernteren Gegenden, wohin wir uns werden zurückziehen müssen und die wohl noch weiter entfernt liegen, als Petrograd von Moskau entfernt ist, aber wir werden in jedem Fall angesichts aller nur denkbaren Peripetien zugrundegehen, wenn die deutsche Revolution nicht eintritt”.[3]

In demselben Sinne erklärte Lenin einen Monat später in einer Rede vor dem Moskauer Sowjet: “Unsere Rückständigkeit hat uns vorwärts getrieben, und wir werden untergehen, wenn wir uns nicht so lange zu behaupten verstehen, bis wir eine mächtige Unterstützung durch die aufständischen Arbeiter der anderen Länder erhalten”.[4] In seinem “Offenen Brief an die amerikanischen Arbeiter vom August 1918 formulierte Lenin das Problem auf ganz ähnliche Weise: “Wir befinden uns gleichsam in einer belagerten Festung, solange uns nicht andere Abteilungen der internationalen sozialistischen Revolution zu Hilfe kommen.”[5]

Sinowjew, der wie immer Lenins Ideen in die Sprache der Agitation und Propaganda übersetzte, proklamierte im Manifest der Kommunistischen Internationale zum 1. Mai 1919 bombastisch: “Noch bevor das Jahr um ist, wird ganz Europa in einem Rätesystem leben.” Obwohl sich die hohen Hoffnungen auf einen schnellen Sieg der Weltrevolution nicht erfüllten, änderte Lenin nicht seine grundlegende Position. 1920 stellte er auf seine offene und unmißverständliche Weise fest: “Solange unsere Sowjetrepublik ein isoliertes Gebiet am Rande der ganzen kapitalistischen Welt bleibt, wäre es eine absolut lächerliche Phantasterei und Utopie, zu glauben, wir seien wirtschaftlich völlig unabhängig.”[6] Ein Zitat vom März 1923, aus der letzten Periode seines theoretischen Schaffens, genügt, um zu zeigen, daß das Problem für Lenin bis zum Ende seines Lebens dasselbe geblieben war: “Wir stehen somit gegenwärtig vor der Frage: Wird es uns gelingen, angesichts unserer klein- und zwergbäuerlichen Produktion, angesichts der Zerrüttung unserer Wirtschaft so lange durchzuhalten, bis die Länder Westeuropas ihre Entwicklung zum Sozialismus vollenden werden?”[7]

Welche Tricks Stalin und seine unseligen Handlanger sich auch einfallen ließen, Lenin die Idee des “Sozialismus in einem Lande” zuzuschreiben, sie bleibt ihr eigenes Werk. Die stalinistische Schule des Revisionismus wurde 1924, nach dem Tode Lenins, gegründet, als Reaktion auf die Niederlage der Revolution. Sie wurde dann selbst zur Ursache einer langen Reihe von Katastrophen.

Wir können vom folgenden Ausgangspunkt ausgehen: Als Lenin und Trotzki und ihre Mitarbeiter den Mut hatten, die proletarische Diktatur und eine sozialistische Ökonomie im rückständigen Rußland zu errichten, das vom Krieg völlig verwüstet war, vertrauten sie voll und ganz auf den Ausbruch erfolgreicher sozialistischer Revolutionen in den weiter fortgeschrittenen Ländern. Die Jahre 1918-19 schienen diese Hoffnungen vollständig zu bestätigen. Die politischen Krisen, die Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien erschütterten, waren nicht weniger bedeutsam als die vom Februar 1917 in Rußland. Die alten politischen Regime brachen zusammen, die traditionellen Dynastien der Hohenzollern und der Habsburger wurden beiseite gefegt, Streiks und Aufstande flackerten auf und Millionen von politischen Sklaven erhoben sich. Nichtsdestotrotz war die Revolution nirgends imstande, die gleichen Gipfel zu erreichen wie in Rußland im Oktober 1917. Die Bewegung wurde auf halbem Wege angehalten, flutete zurück und endete in der despotischen Barbarei des Faschismus. Da sich dies überall ereignete, muß es für diese Entwicklungen gleichartige Ursachen geben. Es scheint logisch, aus den Fakten zu folgern, daß Lenin und Trotzki sich geirrt hatten. Hatten sie sich einer Selbsttäuschung hingegeben, als sie dem alternden Kapitalismus den Puls fühlten und ihm attestierten, daß seine Todesstunde herannahte?

Die Antwort ist ein entschiedenes NEIN. Die marxistische Analyse der objektiven Entwicklung des Weltkapitalismus war im Großen und Ganzen bestätigt worden. Die größten kapitalistischen Länder hatten die Phase der fortschrittlichen Entwicklung ihrer Wirtschaft hinter sich gelassen und waren in eine Ära der Selbstvernichtung eingetreten, in der Kriege und Krisen einander ablösten. Was Marx vorhergesehen hatte, war eingetreten. Die Konzentration der Produktionsmittel und die Monopolisierung hatten einen Punkt erreicht, wo sie mit ihrer kapitalistischen Form nicht mehr vereinbar waren. Damit war, so die Marx’sche Vorhersage, die Entwicklungsstufe erreicht, in der das Proletariat den kapitalistischen Rahmen sprengen und die Geburt einer neuen Gesellschaft proklamieren sollte. Aber nur in Rußland wurde diese Prognose erfüllt. In allen anderen Ländern gelang es dem Proletariat nicht, die Nabelschnur zu durchtrennen, die es mit der Bourgeoisie verband. Was war der Grund?

Lenin selbst liefert den Schlüssel zur Antwort. Schon vor 1902 hatte er geschrieben: “Ohne ein ‚Dutzend’ talentvoller (Talente aber kommen nicht zu Hunderten auf die Welt) bewahrter Führer, die mit den notwendigen Kenntnissen ausgerüstet sind, eine lange Schule durchgemacht haben und die ausgezeichnet zusammenarbeiten, kann es in der heutigen Gesellschaft keinen beharrlichen Kampf einer Klasse geben.”[8] Er hob die Aufgaben der Organisation hervor: “Die Organisation ...wird eben zu allem bereit sein, angefangen damit, daß sie die Ehre, das Ansehen und die Kontinuität der Partei in der Zeit der größten revolutionären ‚Depression’ rettet, bis zu dem Moment, da sie den allgemeinen bewaffneten Volksaufstand vorbereitet, ansetzt und durchführt.”[9] Keine erfolgreiche Revolution ohne eine solche Partei: Das ist der Grundgedanke aller leninistischen Schriften der Jahre 1902-4, der Jahre. in denen die Grundlagen für die Gründung der leninistischen Partei gelegt wurden.

Keine leninistischen Parteien in Westeuropa

Solche orthodox marxistischen Parteien existierten am Ende des letzten Weltkrieges weder in Deutschland noch in irgendeinem anderen westeuropäischen Land. Die Sozialdemokratie, die dem Problem der Revolution von Anfang an passiv gegenüberstand, war 1914 in das Lager des Feindes übergegangen. Es erhob sich zwar eine Opposition, der Spartakusbund, doch diese Gruppe war klein und organisatorisch schwach. Ihre Führer, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, waren während der meisten Zeit des Weltkrieges im Gefängnis und teilten darüberhinaus nicht die Lenin’sche Auffassung von der Partei und ihrer Aufgaben.

Rosa Luxemburg hatte in den Jahren 1903-4 scharf gegen den vorgeblichen Leninschen Ultrazentralismus und Bürokratismus polemisiert. Die Aufgaben der Partei bestanden für Luxemburg und Liebknecht in erster Linie in Agitation und Propaganda; demgegenüber spielte die bewußte Initiative der Parteiführung bei der Formulierung von Strategie und Taktik eine untergeordnete Rolle; der revolutionäre Aufstand sollte aus den spontanen Aktionen der Massen erwachsen, die Partei sollte dabei nur als Helfer agieren. In dieser Grundfrage hatte Rosa Luxemburg ihre Haltung niemals geändert. Das war die Lage des deutschen Radikalismus. Die kleinen Oppositionsgruppen in den anderen Ländern, in Italien, Frankreich und England, waren von den Leninschen Auffassungen sogar noch weiter entfernt.

Daraus ergibt sich die folgende Frage: Wenn für Lenin die Existenz einer bolschewistischen Partei unverzichtbare Vorbedingung der Revolution war und er darüberhinaus davon ausging, daß die russische Revolution ohne die internationale Revolution verloren war, weshalb hat er dann nicht von Anfang an alle seine Energie darauf verwandt, eine solche internationale revolutionäre Partei zu schaffen? Das Studium der Schriften Lenins aus der Zeit vor 1914 liefert die Antwort. Lenin hat die deutsche Sozialdemokratie so hoch eingeschätzt wie die anderen linken Gruppen. In ihr sah er das direkte Erbe von Marx und Engels verkörpert. Wie die anderen russischen Marxisten betrachtete Lenin Karl Kautsky, den Herausgeber ihres wöchentlichen theoretischen Organs, als unumstößliche Autorität.

In Lenins Interpretation erhielten Kautskys korrekte akademische Verallgemeinerungen die praktische Konsequenz und Zuspitzung, die sich der professorale Kautsky gar nicht vorstellen konnte. Mit um so größerer Bitterkeit wandte sich Lenin gegen Kautsky, als er 1914 erkannte, daß seine Einschätzung von Kautsky falsch gewesen war. Von diesem Zeitpunkt an propagierte Lenin unaufhörlich die Gründung einer dritten Internationale, zunächst, während des Krieges, ohne große praktische Ergebnisse. Die Mehrheit der Zimmerwalder Konferenz widersetzte sich der Proklamation einer neuen Internationale und das Manifest der kleinen linken leninistischen Gruppen wurde in den Veröffentlichungen des Spartakusbundes noch nicht einmal erwähnt. Es gab also niemanden, der besser in der Lage gewesen wäre als Lenin zu erkennen, daß im Westen der subjektive Faktor für weitere erfolgreiche Revolutionen fehlte.

Wir wissen, daß Trotzkis Haltung vor 1917 der Rosa Luxemburgs ähnelte. Er sprach selbst davon, daß er einem gewissen sozialrevolutionären Fatalismus angehangen hatte. Die Februarrevolution hatte ihn an Lenin angenähert, während der keiner der alten Anhänger Lenins Trotzkis Fähigkeit hatte, Lenins Auffassungen in die Realität umzusetzen. In Rußland, wo sie mit dem tatsächlichen Problem konfrontiert waren, gaben Lenin und Trotzki den oberflächlichen Glauben an den spontanen Sieg der Revolution der Lächerlichkeit preis und zeigten, daß der Erfolg oder Mißerfolg von ihren eigenen Taten abhängig war. Im Bewußtsein der Massen sah die Angelegenheit anders aus. Die scheinbare Leichtigkeit des Sieges des Oktoberaufstands weckte bei russischen Arbeitern natürlich große Hoffnungen auf einen sofortigen Sieg in Europa. Sie befaßten sich nicht mit den großen philosophischen Problemen der subjektiven Bedingungen dieser Revolution. Es lag auf der Hand, daß sich selbst Lenin und Trotzki, gar nicht zu reden von den Sinowjews und Bucharins, von der Welle des Optimismus hinreißen ließen.

Das gilt ganz besonders für die Periode sofort nach der Novemberrevolution 1918 in Deutschland. Die radikalisierten deutschen Arbeiter hatten dem komplizierten Verlauf der Ereignisse der russischen Revolution zwischen dem Februar und Oktober 1917 wegen der Kriegsverhältnisse nicht folgen können. Die Räterepublik erschien ihnen als fertige Tatsache, die sie so schnell als möglich nachzuahmen hatten. Die Russen taten nichts, um ihnen die unschätzbaren Erfahrungen der bolschewistischen Politik zugänglich zu machen. Die Aufgabe der internationalen revolutionären Propaganda wurde von Sinowjew übernommen. Nur ein Jahr zuvor hatte er sich dem sorgfältig vorbereiteten Oktoberaufstand widersetzt, ihn als verantwortungsloses Abenteurertum bezeichnet und darauf bestanden, daa der legale Weg durch die Konstituierende Versammlung beschritten wird. Die proletarische Revolution in Deutschland erschien ihm daher als einfachste Sache der Welt und die Nationalversammlung dort als einfaches Problem. ‚Werft die Verräter Ebert und Scheidemann hinaus!” Das war der Ratschlag, den er dem deutschen Proletariat aus Moskau zukommen ließ. “Kämpft für die Räterepublik mit Liebknecht an der Spitze!” Es wäre weit sinnvoller gewesen, wenn sein Rat gewesen wäre: “Laßt Euch nicht zum voreiligen Losschlagen provozieren, erklärt den Massen ausführlich den Verrat der Sozialdemokratie, baut Eure eigene Partei auf und stabilisiert sie.

Eure Stunde wird kommen

Ob dieser Rat geholfen hätte, ist eine andere Frage. Damals konnte noch keine Rede davon sein, daß sich westeuropäische Revolutionäre an Moskau anlehnten. Die Kommunistische Internationale wurde erst jetzt gegründet. Aus dem Gefängnis heraus veröffentlichte Rosa Luxemburg eine scharfe Kritik der bolschewistischen Politik.[10] Auf eigene Faust rannte der Spartakusbund ins Verderben. Zu einer Zeit, als die Radikalisierung der deutschen Massen erst begann, antworteten die Führer des Spartakusbundes auf die reaktionäre Regierung Ebert mit dem Aufstand vom Januar 1919, der völlig unvorbereitet war und amateurhaft ausgeführt wurde.

Dieses Ereignis war für die deutsche Bewegung eine Katastrophe und folglich auch für die Entwicklung der internationalen Revolution. Die junge deutsche revolutionäre Partei wurde buchstäblich enthauptet. Die Bewegung erhielt einen Schlag, von dem sie sich niemals völlig erholen sollte. Die Bedeutung und das Ausmaß dieses Desasters wurden in Moskau zunächst nicht erkannt Die optimistischen Stimmen gaben weiter den Ton an und bekamen als Ergebnis der Proklamation der Räterepubliken in Budapest und München Rückenwind.

In Budapest hatte das Regime des Herzog Karolyi freiwillig die Macht an die linke Sozialdemokratie unter Führung von Bela Kun übergeben, was Lenin hoffnungsvoll bemerken ließ: “Andere Länder kommen auf einem anderen, humaneren Weg zu demselben Ziel, der Sowjetmacht”.[11] Nichtsdestoweniger stellte sich heraus, daß die Bedeutung einer disziplinierten Partei mit erfahrenen und marxistisch geschulten Kadern am Tag nach der Eroberung der Macht noch wichtiger ist als am Abend vorher. Das Bela Kun-Regime beging Fehler auf Fehler, vereinigte sich mit den Opportunisten, vernachlässigte die Organisierung der Massen in den Räten und den Aufbau einer Armee, vergaß, revolutionäre Maßnahmen zugunsten der armen Bauern und Landarbeiter zu ergreifen und verlor nach einigen Monaten seine allzu leicht errungene Macht.

Die Münchner Räterepublik war nur eine Farce, deren tragischer Ausgang nur der Illustration der Katastrophe der Januartage in Berlin diente.

Der Deutsche Paul Levi, ein Schüler Rosa Luxemburgs, mit dem Lenin während des Krieges in der Schweiz bekannt geworden war, war der erste Deutsche, der wirklich verstand, was in dieser Lage zu tun war. Nach dem Tod von Luxemburg, Liebknecht und Jogiches war Levi trotz seiner Jugend an die Sitze der neugegründeten Partei gewählt worden. Er fand sie in einem Zustand des beispiellosen ideologischen Chaos vor. Zahlreiche utopistische radikale Elemente ohne jede theoretische Kenntnis hatten sich während der ersten Tage der Revolution dem Spartakusbund angeschlossen. Einige von ihnen hielten den bewaffneten Kampf für den Stein der Weisen und betrachteten jede andere Form des politischen Kampfes als reinen Verrat. Andere wollten sich ihre private kleine, reine und von der wirklichen Welt abgehobene revolutionäre Welt schaffen, anstatt die existierende Welt auf revolutionärem Wege zu verändern.

Levi war zutiefst davon überzeugt, daß die Eliminierung dieser Elemente die erste Vorbedingung für den Aufbau einer ernsthaften Partei war und es gelang ihm, diese Spaltung im Herbst 1919 durchzusetzen, ungeachtet der Tatsache, daß diese Maßnahme die Mitgliedschaft der Partei in Berlin von mehreren Tausend auf einige Hundert reduzierte.

Lenin unterstützte Levis Kurs und lieferte ihm eine theoretische Rechtfertigung mit seiner Broschüre gegen die utopistischen Radikalen, “Der Linksradikalismus: Kinderkrankheit des Kommunismus”, geschrieben im April und Mai 1920. Zu dieser Zeit hatte Lenin alle Hoffnungen auf einen schnellen und leichten Sieg der Revolution im Westen aufgegeben. Dennoch hatte er keine grundlegende Revision seiner Haltung vorzunehmen. Die Richtigkeit seiner Position von 1902, wie sie in seiner Schrift “Was tun” niedergelegt wurde, war in doppelter Weise durch die Erfahrung bestätigt worden, positiv in Rußland und negativ im Westen.

Es drängte sich ihm deshalb zu dieser Zeit die Notwendigkeit auf, die Aufmerksamkeit der Revolutionäre in Westeuropa auf die ideologischen Auseinandersetzungen und Fraktionskämpfe zu richten, aus denen der Bolschewismus hervorgegangen war. Denn, so schrieb Lenin: “Nur die Geschichte des Bolschewismus in der ganzen Zeit seines Bestehens vermag befriedigend zu erklären, warum er imstande war, die für den Sieg des Proletariats notwendige eiserne Disziplin zu schaffen und sie unter den schwierigsten Verhältnissen aufrechtzuerhalten.”[12] Er lenkte die Aufmerksamkeit auch auf die vorsichtigen Taktiken, die die Bolschewiki nach der Februarrevolution anwandten. “Zu Beginn (...) forderten wir nicht zum Sturz der Regierung auf. sondern schafften Klarheit darüber, daß ihr Sturz ohne vorherige Veränderungen in der Zusammensetzung und Stimmung der Sowjets unmöglich ist (...) Ohne diese vorsichtige, gründliche, umsichtige und langwierige Vorbereitung hätten wir weder den Sieg im Oktober 1917 erringen, noch diesen Sieg behaupten können.”[13] Goldene Worte, die aber leider zu spät kamen und dazu noch auf keinen fruchtbaren Boden fielen.

Die Gründung der Komintern

Im Frühjahr 1919 wurde die Kommunistische Internationale gegründet. Der Gründungskongreß war wenig beeindruckend. Es gelang nur wenigen nicht-russischen Parteien, durch die Fronten des Bürgerkrieges nach Moskau zu gelangen. Unter den anwesenden befanden sich keine herausragenden oder wichtigen Führer. Lenin und Trotzki sahen sich von solchen Leuten wie den Finnen Kuusinen und Sirola umgeben, die kurz vorher während des finnischen Bürgerkrieges ihre Mittelmäßigkeit unter Beweis gestellt hatten; vom Österreicher Steinhardt, dessen Begeisterung seine Fähigkeiten bei weitem überstieg; vom Franzosen Jacques Sadoul, einem Hauptmann der französischen Armee und Mitglied ihres Expeditionscorps, der zu den Bolschewiki übergelaufen war; dem Amerikaner John Reed, einem brillanten Schriftsteller und Journalisten, der allerdings nur über wenig politische Erfahrungen verfügte; und dem Deutschen Hugo Eberlein. Der letztere, der damals kaum bekannt war, aber später zu einem der korrumpiertesten Elemente der Kommunistischen Internationale wurde, hatte von seiner Partei das Mandat erhalten, gegen die Gründung der Kommunistischen Internationale zu stimmen, weil diese der Auffassung war, daß die Zeit für ihre Gründung noch nicht gekommen war.

Mit dieser Ansicht folgte die junge deutsche Partei der von Rosa Luxemburg kurz vor ihrem Tod geäußerten Meinung. Hier hatte sie wieder einmal ihrem fatalen Hang nachgegeben, das Pferd vom Schwanz aufzuzäumen. Während sie die Gründung der neuen Internationale als voreilig einschätzte, gestand sie den Berliner Arbeitern das Abenteuer zu, einen Aufstand zu wagen, ohne zuvor eine Partei geschaffen zu haben.

Lenin und Trotzki hatten nicht die Absicht, der deutschen Partei die Gründung der Internationale aufzuzwingen und waren kompromißbereit. Die Ankunft neuer Delegierter, die unter den allerschwierigsten Bedingungen nach Moskau gelangt waren, rief unter den Kongreßdelegierten jedoch eine solche Begeisterung hervor, daß Eberlein sich die Freiheit nahm, sich überzeugen zu lassen und sein Votum zurückhielt. Damit war die Kommunistische Internationale gegründet, Sinowjew wurde zu ihrem Präsidenten gewählt und Moskau zum Zentrum bestimmt, an dem eine gewisse Anzahl der Repräsentanten anderer Parteien ihren ständigen Wohnsitz nehmen sollte. Es sollte außerdem ein jährlicher Kongreß stattfinden, der die höchste Autorität in allen politischen und organisatorischen Fragen haben sollte.

Es war offensichtlich, daß von Moskau erwartet wurde, der neuen Bewegung von Anfang an jede nur denkbare Hilfestellung zu geben. Kurz bevor er ermordet wurde, erinnerte Trotzki in einer seiner letzten Schriften an den Beschluß des Rates der Volkskommissare vom 26. Dezember 1917, der seine und Lenins Unterschrift trägt:

“Angesichts der Tatsache, daß die Sowjetmacht sich auf die Grundsätze der internationalen Solidarität des Proletariats und der Verbrüderung der werktätigen Massen aller Länder stützt, daß der Kampf gegen Imperialismus und Krieg nur unter der Voraussetzung vollständig siegreich sein kann, daß er international geführt wird, erachtet es der Rat der Volkskommissare als notwendig, dem internationalen linken Flügel der Arbeiterbewegung aller Länder jede mögliche Unterstützung zukommen zu lassen, einschließlich finanzieller Hilfe. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Länder mit Rußland im Krieg stehen, mit ihm verbündet oder neutral sind. Aus diesem Grund beschließt der Rat der Volkskommissare, für die Bedürfnisse der internationalen revolutionären Bewegung zwei Millionen Rubel zur Verfügung zu stellen und sie dem Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten zu überantworten.”

Dreiundzwanzig Jahre später fügt Trotzki hinzu: “Noch nicht einmal heute würde ich meine Unterschrift unter diesem Dekret zurückziehen. Es ging darum, revolutionären Bewegungen in anderen Ländern offen Hilfe zu geben. Die Parteien, die diese Hilfe erhielten, genossen gegenüber der Sowjetregierung die vollständige Freiheit der Kritik. Auf den Kongressen der Kommunistischen Internationale fanden immer leidenschaftlich geführte ideologische Kämpfe statt und Lenin und ich waren bei mehr als einer Gelegenheit in der Minderheit.”[14]

“Nur Heuchler und Philister könnten sich grundsätzlich gegen die materielle Hilfe einer internationalistischen Partei für ihre Gefährten in anderen Ländern wenden. Schon die Erste Internationale war zu Zeiten von Marx und Engels stolz auf ihren internationalen Streikfond. Die Zweite Internationale und der Internationale Gewerkschaftsbund bewahrten diese Traditionen. Gar nicht zu sprechen von dem, was im Lager der Bourgeoisie passiert, die sich so moralisch empört über die internationale Solidarität des Proletariats zeigt.

Es ist wohlbekannt, daß der deutsche Nazi-Imperialismus auf der ganzen Welt politische Parteien und Gruppen unterhält. Nicht anders der demokratische Imperialismus. Als die britische Regierung Churchills und Lloyd Georges mit Millionen Pfunden Sterling Denikin, Koltschak und Wrangel unter die Arme griff, blieben sie den Traditionen William Pitts treu, der gegen die französische Revolution royalistische Ambitionen finanzierte. Als die Bolschewiki mit dem Weltkapitalismus auf Leben und Tod kämpften, waren sie gezwungen diesen Kampf auch mit Methoden zu führen, die ihnen der Kapitalismus diktierte.

Nichtsdestotrotz hatte diese Hilfe aus Moskau ihre Nachteile. Hätte es in den anderen Ländern nur gut organisierte Parteien mit erfahrenen und geistig unabhängigen Führern wie Lenin gegeben, wären die mit der russischen Hilfe verbundenen Risiken viel kleiner und die Vorteile viel größer gewesen. Das war aber nicht der Fall. Das Geld hatte nur die Funktion, den kleinen und ideologisch instabilen Gruppen den Anschein von Einfluß und Stärke zu verleihen, den sie in Wirklichkeit nicht hatten. Die Hilfe aus Moskau trug somit dazu bei, den Parteiapparat von der Mitgliedschaft unabhängig zu machen. Mit der Degeneration der russischen Revolution verwandelten sich die Unterstützungszahlungen aus Moskau in Instrumente der Druckausübung und der Korruption.

Daß die Kommunistische Internationale dennoch keine künstliche Gründung Moskaus war, sondern im Gegenteil eine Antwort auf ein allgemeines politisches Bedürfnis, wurde in den ersten Jahren ihrer Existenz deutlich. In Deutschland, Italien, Frankreich, Skandinavien, ja, sogar im erzkonservativen England wandten sich große Massen von der entweder brutal konterrevolutionären oder ideologisch zwielichtigen Politik der Sozialdemokratie ab und richteten ihre Hoffnungen auf den Osten. Noch überraschender war die Tatsache, daß sich ein beträchtlicher Teil der alten sozialdemokratischen Führer bereit erklärte, der Komintern beizutreten. So die Deutschen Crispien und Dittmann, die während des Krieges eine halb-opportunistische und schwache pazifistische Haltung eingenommen hatten; die Franzosen Cachin und Frossard, die hundertprozentig sozialpatriotisch gewesen waren und mit Mussolini zusammengearbeitet hatten; der Tscheche Smeral, bis dahin ein Agent der Habsburger Monarchie; und schließlich sogar Ramsay MacDonald, damals der religiös-pazifistische Führer der Independent Labour Party und später Premierminister des britischen Empire. Sie alle erkundigten sich höflich nach den Aufnahmebedingungen der neuen Internationale.

Lenin und Trotzki waren von diesen Avancen entsetzt. Sie hatten nicht im Sinn, eine neue Auflage der Zweiten Internationale zu schaffen, in deren Reihen jeder seinen eigenen Neigungen nachgehen konnte. Auf dem Zweiten Kongreß, abgehalten im Sommer 1920, brachten sie deshalb die 21 Bedingungen für die Aufnahme in die Kommunistische Internationale ein. In ihnen wurde die Anerkennung der wesentlichen Grundsätze der bolschewistischen Politik, des Rätesystems und der Diktatur des Proletariats gefordert, der Bruch mit dem ministeriellen Sozialismus und dem Sozialpatriotismus. Sozialdemokraten und Liberale jeglicher Schattierungen haben diese Moskauer Thesen zur Ursache aller Übel und zum eigentlichen Grund für alle Nöte der Nachkriegsarbeiterbewegung erklärt. Trotzki begegnete solchen Klagen mit dem augenzwinkernden Paradoxon: “Ja, es ist durchaus möglich, daß diese Thesen nicht scharf genug formuliert waren.”

Tatsächlich haben diese Thesen ihre Aufgabe, die neue Internationale gegen eine opportunistische Degeneration zu immunisieren, nicht erfüllt. Ihr Zweck wurde nur insofern erfüllt, als die offenen Opportunisten sich weigerten, die 21 Bedingungen zu akzeptieren. Sie blieben deshalb ausgeschlossen. Aber unter den Unterzeichnern befanden sich Leute wie die vorher erwähnten Cachin und Smeral, denen die Theorie gleichgültig war und die sich mit der philisterhaften Weisheit begnügten, daß nichts so heiß gegessen wie gekocht wird. Selbst unter den ehrlichen Unterzeichnern war kaum jemand in der Lage, die Algebra der 21 Punkte in die Arithmetik der Tagespolitik zu übersetzen. Weder Geld noch strikte Regeln konnten das Übel beseitigen, an dem der westeuropäische Radikalismus litt: dem Nichtvorhandensein von “zehn erfahrenen und herausragenden Führern, die in der Lage waren, eine konsequente marxistische Politik durchzuführen”. Eine solche Führung kann sich nur durch geduldige Schulungsarbeit und durch sorgfältige Selektion entwickeln.

Paul Levi, der sich als einer der ersten der Folgen dieser Lage bewußt wurde, hatte die hohe Ehre, dem Zweiten Kongreß vorzusitzen. Lenins Broschüre gegen ultralinke Kindereien ging zu dieser Zeit in Druck. Die deutsche Kommunistische Partei hatte im März 1920 anläßlich des Putsches von Kapp und seiner reaktionären Clique von Generälen und Faschisten einen schweren Fehler begangen. In Abwesenheit von Levi, der gerade eine Gefängnisstrafe absaß, hatte das Zentralkomitee den Putsch mit der Erklärung beantwortet, daß der Kampf zwischen monarchistischer Reaktion und der Republik die Arbeiter nichts anginge, da beide Feinde der Arbeiterklasse seien. Aus dem Gefängnis heraus protestierte Levi auf das Schärfste gegen diese Haltung und rief zur energischen Teilnahme am Kampf gegen Kapp auf. Seine Position wurde nach kurzer Zeit angenommen.

Die Führer der russischen Partei erkannten ausdrücklich die Tatsache an, daß Levi die Ehre der Partei gerettet hatte. Levi schien allen Grund zur Freude zu haben. Aber, wie das Sprichwort sagt, nichts ist vollkommen. Und der Zweite Kongreß ließ einen Tropfen Gift in den Glücksbecher fallen. Da sich die Debatte nahezu ausschließlich um die 21 Punkte drehte, richteten die Delegierten alle ihre Polemik gegen die Rechte. Sie äußerten damit dieselben Ansichten wie die radikalen Utopisten der Linken. Sinowjew und Bucharin, aber auch Leute wie Bela Kun und Rakosi, die dank ihrer kurzen Sternstunden Mitglieder des Exekutivkomitees der neuen Internationale geworden waren, widersetzten sich dem Ausschluß der hehren Ultralinken. Der Ausschluß wurde nicht rückgängig gemacht, aber die Ausgeschlossenen, die die “Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands” gebildet hatten, wurden als “sympathisierende Sektion” der neuen Internationale anerkannt. Die Existenz von zwei Sektionen, einer “offiziellen” und einer “sympathisierenden” konnte in den Reihen der deutschen Arbeiterklasse nur Verwirrung stiften. Mit dieser Entscheidung begab man sich auf einen Kurs, der sich für das Schicksal der neuen Partei und der Internationale als gefährlich erweisen sollte.

Ende 1920 verwandelte sich die junge Kommunistische Partei Deutschlands plötzlich in eine einflußreiche Partei mit anerkannten Führern, einer starken Repräsentanz im Reichstag, zahlreichen Publikationen, einer beträchtlichen Anhängerschaft in den Betrieben und einer großen Mitgliedschaft. Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei, die sich 1917 von der Sozialdemokratischen Partei abgespalten hatte und die während der Revolution zur Massenpartei anschwoll, hatte sich auf dem Kongreß in Halle gespalten. Die Mehrheit befürwortete den Zusammenschluß mit der Kommunistischen Partei und der Kommunistischen Internationale. Sinowjew war selbst auf dem Hallenser Kongreß erschienen und siegreich aus der Debatte mit Martov hervorgegangen, Lenins altem Widersacher.

Sinowjews Optimismus erreichte neue Gipfel und wurde von seinen Kollegen Bucharin Bela Kun, Rakosi etc. geteilt. “Jetzt, wo wir in Deutschland eine wirkliche Massenpartei haben, müssen wir etwas mit ihr anfangen”, philosophierten sie im kleinen Büro der Komintern in Moskau. Einer nach dem anderen erschienen in Berlin Bela Kun, Borodin (derselbe Borodin, der fünf Jahre später in China eine ebenso wichtige und schädliche Rolle spielen sollte) und Rakosi, denen vom Präsidium der Komintern große Vollmachten eingeräumt worden waren, um über die Politik der deutschen Partei zu wachen. Ihre Machenschaften brachten Levi dazu, seine Position als Vorsitzender der deutschen Partei aufzugeben. Das gab den Abenteurern freie Hand.

Die März-Aktion

Als im März 1921 der sozialdemokratische Polizeichef Hörsing den Einmarsch der Polizei in das mitteldeutsche Bergbaugebiet befahl, rief die neue Führung der Kommunistischen Partei zum Generalstreik auf, zur Bewaffnung der Arbeiter und zum Sturz der Regierung. Für die Masse der Arbeiterklasse kam dieser Aufruf wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Unter Levis Führung hatte die Partei bis dahin die Politik der proletarischen Einheitsfront verfolgt. Der Witz bei diesem Aufruf war, daß er am Tag vor Karfreitag erfolgte, als die meisten Fabriken für vier Tage schlossen. Während die meisten deutschen Arbeiter Ostern feierten, führte die Führung der deutschen Kommunistischen Partei eine Revolution durch. Sie fraternisierte mit den Putschisten der “Kommunistischen Arbeiterpartei” und brüllte noch lauter als diese. Wie ein moderner Robin Hood plünderte Max Hölz die Häuser der Kapitalisten und verteilte die Beute unter den Armen.

Ein Jahr zuvor hatte die Kommunistische Partei diesen Freibeuter aus ihren Reihen ausgeschlossen. Jetzt bejubelte sie ihn als Helden. Kommunistische Führer begingen noch schlimmere Dummheiten. Um die Massen zu “elektrisieren”, stifteten sie Angriffe auf ihre eigenen Parteibüros und Druckereien an, die von Parteimitgliedern verübt wurden, die sich als “Feinde” verkleidet hatten. Diese Aktionen wurden dann mit Eisenbahnstreiks, Bomben auf Gerichtsgebäude, Sparkassen und die Polizei beantwortet -eine Taktik, die Adolf Hitler 1933 mit weit größerem Erfolg anwandte. Die März-Aktion endete mit einem schrecklichen Fiasko. Die junge Partei, die gerade begann, ein ernstzunehmender Faktor im politischen Leben Deutschlands zu werden, machte sich lächerlich.

In einem vertraulichen Bericht hatte Paul Levi kurz vor der März-Aktion die Parteiführung vor dem abenteuerlichen Kurs gewarnt. Als die putschistischen Aktionen begannen, befand er sich in Wien. Er eilte nach Deutschland zurück, wo Clara Zetkin, eine alte Arbeiterführerin und Mitglied seiner Fraktion, ihn davon zu überzeugen versuchte, noch während der Kämpfe ein Manifest gegen die Aktion zu veröffentlichen. Er veröffentlichte stattdessen unmittelbar im Anschluß an das Ende der Kämpfe eine brillant geschriebene Broschüre, “Unser Weg: Gegen den Putschismus”[15]. Abgesehen von Rosa Luxemburgs Programm des Spartakusbundes ist dies wohl einer der bemerkenswertesten Beiträge, die während der gesamten Geschichte der deutschen Kommunistischen Partei geleistet wurden.

Im Vorwort schrieb er: “So wende ich mich an die Mitglieder der Partei mit dieser Schilderung, die jedem das Herz zerreißen muß, der mitaufbaute, was hier zerschlagen ward. Das sind bittere Wahrheiten. Aber: Es ist Arznei, nicht Gift, was ich dir reiche.” Nichtsdestotrotz verwarf Moskau diese Initiative und erkannte offiziell die putschistische Fraktion an. Wenige Monate später, auf dem Dritten Kongreß der Kommunistischen Internationale, erklärte Sinowjew: “Wir hatten nach den ersten Informationen alle das Gefühl, endlich ist der Stein ins Rollen gekommen, endlich hat eine Bewegung in Deutschland begonnen. Endlich frische Luft”.[16] Dementsprechend wurde den Putschisten ein Telegramm gesandt: “Ihr habt korrekt gehandelt”[17] und Levi und sein Anhang wurden als eine “rechte Gefahr” tituliert. Das ermutigte die Helden der März-Aktion dazu, den unbequemen Levi aus der Partei auszuschließen.

Lenin und Trotzki schüttelten über diesen Irrsinn die Köpfe. Sie wußten nicht, daß die März-Aktion vom Sekretariat des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale ausgeheckt worden war.[18] Da sie davon ausgingen, daß die internationale revolutionäre Bewegung in eine Flaute geraten war, richtete sich ihre Aufmerksamkeit auf die Einführung der Neuen Ökonomischen Politik in Rußland. Der Kriegskommunismus mit seinem System der Zwangsrequirierungen hatte der Sowjetmacht einen großen Teil der Bauernschaft entfremdet und die Industrieproduktion in eine Sackgasse geführt. Der Kronstädter Aufstand hatte gezeigt, daß auch die Arbeiter die Lage zunehmend unerträglich fanden. Schon im Jahre 1920 hatte Trotzki empfohlen, den Kulaken einen gewissen Ernteanteil zu überlassen und in begrenztem Umfang einen freien Handel zuzulassen. Lenin widersetzte sich dem zuerst. Schließlich akzeptierte er den Plan Trotzkis, weil er keine Angst davor hatte, einen Schritt zurück zu machen, um eine bessere Ausgangsposition für spätere Fortschritte zu erlangen. In Industrie und Handwerk wurden in begrenztem Umfang Privatkapital zugelassen.

Es ist eine Tatsache, daß Lenin sich sogar mit dem Plan befaßte, ausländisches Kapital ins Land zu holen, um Rußlands Industrie, gestützt auf ein ausgedehntes System von Konzessionen, wiederaufzubauen. Trotzki unterstützte diese Idee. Wie bei jeder kühnen Wendung in Lenins Politik rief dieser Plan in den eigenen Reihen Widerstand auf den Plan. “Der Sowjetstaat darf kein Krämerstaat werden”, lautete ein Lieblingsargument des Sekretariats der Komintern unter Sinowjew, Bucharin und Bela Kun. Da Lenin und Trotzki die Notwendigkeit der Einführung der Neuen Ökonomischen Politik mit dem Ausbleiben der internationalen Revolution begründet hatten, glaubte das Sekretariat, es könnte den Verlauf der Ereignisse beschleunigen. Das war das Hauptmotiv für die Ingangsetzung der kindischen März-Aktion.

Die Frage der März-Aktion verursachte in der russischen Partei eine scharfe Kontroverse. Ihre Einschätzung der März-Aktion ließ Lenin und Trotzki zum extrem rechten Flügel ihrer eigenen Partei werden. Der Dritte Weltkongreß stand vor der Tür. Nur durch einen Kraftakt erzielte die Führung der russischen Partei allgemeine Übereinstimmung. Die Einheit war nur als Ergebnis eines Kompromisses möglich, eines Kompromisses “in Richtung nach links”, wie Trotzki ihn auf dem Kongreß beschrieb[19]. Und mit “links” meinte er in diesem Falle die ultralinke, putschistische Tendenz.

Oberflächlich betrachtet war der Dritte Weltkongreß der Komintern (22.Juni -12.Juli 1921) ein überwältigendes Spektakel. Der Einfluß der Zweiten Internationale ging in Europa ständig zurück und es versammelten sich in Moskau Delegierte jeder Hautfarbe und Rasse, aus beinahe allen Ländern der Welt: Insgesamt 605 Delegierte aus 52 Ländern. In Deutschland, Italien, Frankreich, der Tschechoslowakei und Skandinavien zählte die neue Internationale zehntausende von Mitgliedern und selbst im Osten begann eine mächtige Bewegung zu entstehen. Der glänzende Höhepunkt des Kongresses war Trotzkis Analyse der weltpolitischen Situation, die mehrere Stunden dauerte und die er an einem Tag in russischer, französischer und deutscher Sprache präsentierte, eine beispiellose rednerische Leistung. Dennoch, trotz des nach außen brillanten und korrekten Kurses, zeigten sich auf dem Kongreß bereits die allerersten Keime der Krankheit, die wenige Jahre später zur Degeneration der Kommunistischen Internationale und mit ihr des Sowjetstaates führen sollten.

Der “linke Kompromiß” in der deutschen Frage lautete etwa wie folgt: Die März-Aktion war ein “Fortschritt” insofern, als die deutsche Partei breite Massen in den Kampf geführt hat; sie war trotzdem ein schwerer Fehler insofern, als die Partei eine offensive Linie anstelle einer defensiven verfolgte; Levis Kritik, obwohl im allgemeinen korrekt, war ein Disziplinbruch und deshalb war sein Ausschluß gerechtfertigt.[20]

Daß Trotzki mit diesem Kompromiß nicht zufrieden war, wurde sowohl in seinem Bericht als auch in seinen Diskussionsbeiträgen deutlich. So bemühte er sich darum, die Position zu schwächen, nach der die März- Aktion ein Fortschritt gewesen sein sollte. ‚Wenn wir sagen, daß die März-Aktion ein Schritt voran war, so meinen wir -ich wenigstens (er glaubte, es sei notwendig, hier Zurückhaltung zu üben, W.H.) -die Tatsache, daß die Kommunistische Partei vor uns als vereinte unabhängige, eigenständige Partei steht, die in der Lage ist, unabhängig proletarische Kämpfe zu führen.”[21] Nach dieser Konzession an die allgemeine Rhetorik des Kongresses schlug der Sprecher einen ganz anderen Ton an, als er sich mit dem März-Abenteuer konkret befaßte. “Die März-Aktion kann man nicht verteidigen. ...Der Versuch der Partei, in einer großen Massenaktion eine führende Rolle zu spielen, war nicht erfolgreich ...und wenn wir nun sagen, wir schleudern Paul Levi zum Fenster hinaus und über die März-Aktion nur in ganz konfusen Redensarten sagen, sie sei der erste Versuch gewesen, ein Schritt nach vorwärts, mit einem Wort, daß wir die Kritik phraseologisch verdecken, so haben wir unsere Pflicht nicht erfüllt.”[22]

Wenn wir jedoch näher hinsehen, müssen wir dann nicht feststellen, daß der Dritte Kongreß eben diese Phrasendrescherei betrieb? Die Thesen der russischen Delegation erklärten, daß die März-Aktion ein Kampf war, den die Regierung der deutschen Partei aufgezwungen hatte (was für eine Art und Weise der Beschreibung, W.H.), daß sie ein Schritt vorwärts war verglichen mit der geduldigen Politik Levis im Jahre 1920 (während sie in Wirklichkeit der schlimmste Rückfall in die Dummheiten der ersten Monate des Jahres 1919 war,W.H.); die Thesen beschränkten sich darauf, die sogenannte “Offensivtheorie” zu verurteilen, nach der die Partei unter allen Umständen verpflichtet war, die Offensive zu ergreifen, unabhängig davon, ob die Massen hinter ihr standen oder nicht. Während sie die Putschisten mit Samthandschuhen anfaßten, exkommunizierten die Thesen deren Kritiker. Es nimmt daher nicht Wunder, daß die Führer der März-Aktion keine Probleme hatten, “die von der russischen Delegation vorgelegten Thesen grundsätzlich anzunehmen” und nur Vorbehalte gegen “Trotzkis Interpretation der Thesen” anmeldeten[23].

Karl Radek spielte auf dem Kongreß vielleicht die unglücklichste Rolle. Die Wahrheit über die Vorgänge im kleinen Büro des EKKI kam erst später ans Licht, als sich Radek und Sinowjew im Frühjahr 1924 in die Haare kriegten und einander offen in der Presse angriffen. Im Verlauf dieser Debatten wiederholte Radek, was Levi drei Jahre vorher gesagt hatte, er machte Sinowjew für die März-Aktion verantwortlich. Levis Vorschlag der Einheitsfront gegenüber der Sozialdemokratie (der von Radek unterstützt wurde) wurde nach Aussage Radeks “von einer Reihe höchstverantwortlicher Genossen des Exekutivkomitees der Komintern abgelehnt. Mitte Februar 1921 wollten diese Genossen die März-Aktion reinwaschen, was nur durch das persönliche Eingreifen Lenins verhindert wurde.” Nichtsdestotrotz hatte es keinen offiziellen Beschluß des Exekutivkomitees gegeben. Sinowjew und Bucharin setzten ihre Machenschaften gegen Levis Politik fort und als Ergebnis alldessen fand die März-Aktion statt. In seiner Diskussionszusammenfassung auf dem Fünften Weltkongreß im Jahre 1924 bestätigte Sinowjew auf seine Weise die Richtigkeit der Behauptungen Radeks, indem er sich damit brüstete, gegen Levi gekämpft und die Ultralinken seit 1920 begünstigt zu haben[24].

Auf dem Dritten Weltkongeß, 1922, als die März-Aktion diskutiert worden war und als das Schicksal der deutschen Bewegung von dieser Debatte abhing, schwieg sich Radek über diese Interna des Moskauer Exekutivkomitees aus und hielt seine Rede im Geiste übelster Cliquensolidarität. Nicht nur, daß das Exekutivkomitee absolut unschuldig ist, nein, auch in Deutschland sind nicht so sehr die Putschisten als vielmehr ihre Gegner verantwortlich zu machen. “Wir sagen der deutschen Partei: du hast gekämpft und du hast im Kampfe Fehler begangen. Dadurch, daß du gekämpft hast, hast du gezeigt, daß du eine gute Kommunistische Partei bist”.[25]

Levi war zum Zeitpunkt des Kongresses bereits ausgeschlossen und daher nicht anwesend. Die wichtigsten seiner Anhänger wie Hoffmann, Brass und Däumig wurden durch alle möglichen Machenschaften daran gehindert, die Reise nach Moskau zu machen. Es waren nur einige Basismitglieder der Levi-Opposition anwesend, die in einer schwierigen Lage waren, da sie mit vielen berühmten Sprechern konfrontiert waren und es nur zaghaft wagten, ihre Ansichten zu äußern.[26] Für die Männer des Exekutivkomitees war es somit sehr einfach, die Rolle von Anklägern einzunehmen. Der Ankläger Radek ist tolerant genug, der Opposition mildernde Umstände zuzubilligen. Das Internationale Exekutivkomitee hat natürlich keine Schuld, aber die Führung der deutschen Partei kann nicht von allen Fehlern freigesprochen werden. “Es ist klar, würden die deutschen Genossen ihre Fehler nicht gemacht haben und würde sich trotzdem eine Opposition gegen die März-Aktion gebildet haben, so wäre diese Opposition reif für den Ausschluß. Die Fehler haben dazu genötigt, dieser Opposition gegenüber milder aufzutreten, weil nicht klar ist, ob sie alle Opportunisten sind oder nur Warner. Das nötigt zu Zugeständnissen nach rechts”.[27] Aber die Opposition sollte verstehen: “Die Kommunistische Internationale wird euch ein zweites Mal derartige Dinge nicht verzeihen.”[28] Im Allgemeinen liegt genau darin der Fehler ideologischer Kompromisse: sie ermöglichen verschiedene Interpretationen und klären gar nichts. Was für Trotzki “ein Kompromiß in Richtung nach links” war, war für Radek und die Mehrheit der Teilnehmer des Dritten Kongresses “ein Kompromiß nach rechts”.

Levi hatte jedenfalls recht, als er nach dem Kongreß behauptete: “Wer immer der Kommunistischen Partei geraten hat, einen solchen Kompromiß zu akzeptieren, hat ihr geraten, Gift zu nehmen. ...Denn wenn die März-Aktion ein Schritt vorwärts war, sollte ohne zu zögern der nächste Schritt gemacht werden. Aber wenn die März-Aktion ein Verbrechen war, dann muß das gesagt werden, damit jeder weiß, wo er steht.”[29]

Der Kompromiß transformierte die offene Krise der deutschen Partei in eine “versteckte Krise”. Levi prophezeite, daß die deutsche Kommunistische Partei sich von dieser verdeckten Krise niemals erholen würde. “Vielleicht wird sie davonkommen, aber wenn kein Wunder geschieht, wird die Kommunistische Partei dasselbe Schicksal ereilen, wie dem Fluß Atrium, diesem zentralasiatischen Fluß, der im Gebirge aus vielen Quellen gespeist wird, aber niemals das Meer erreicht. Er verschwindet in der sibirischen Steppe, als ob er nie existiert hätte Dann muß die große Aufgabe noch einmal von vorn begonnen werden, unter neuen Bedingungen, aber mit den alten Überzeugungen.”

Lenins Meinung von Levi

In den Gesprächen, die Lenin am Rande des Dritten Weltkongresses mit Clara Zetkin führte, warf er Levis Kritik vor, nicht zwischen der defensiven Aktion der kämpfenden Arbeiter und der Ingangsetzung einer Offensive durch eine schlecht beratene Parteiführung unterschieden zu haben. Es habe Levis Kritik an Gespür für Solidarität mit der Partei gemangelt. Sie habe die Parteigenossen durch ihren Ton verbittert, nicht so sehr durch ihren Inhalt.[30] Dieses Argument klingt überraschend, kam es doch von einem Politiker, der immer den schärfsten Ton anzuschlagen pflegte und sich über jede Kritik an scharfen Tönen mit dem Argument lustig gemacht hatte, diese sei Ausdruck politischer Schwäche. Selbst, wenn man zugesteht, daß Lenins Kommentar richtig war, daß Levis Broschüre gegen die März-Aktion “eine starke Neigung zu Eigenbrötelei, Einzelgängertum und auch ein Stück Literateneitelkeit’,[31] zum Ausdruck bringt, bleibt es schwer verständlich, weshalb Lenin und Trotzki dem Dritten Weltkongreß dabei folgen konnten, die Form über den Inhalt zu stellen. Die politischen Grundsätze Levis werden auf dem Kongreß “glänzend siegen,,”[32] erklärte Lenin, trotzdem wird der Kongreß Paul Levi “verurteilen, wird hart gegen ihn sein”.[33] Andererseits sollte der Kongreß die famose linksradikale Theorie der Offensive um jeden Preis ablehnen und die damit verbundenen Taktiken verurteilen.

So weit es die Persönlichkeiten betrifft, “wir wollen den ‚Linksern’ nicht gleich mit dem harten, struppigen Reisigbesen ins Gesicht fahren, ...wollen ihnen sogar etwas Balsam auf ihre Wunden streichen. Sie sollen bald freudig und mit Energie zusammen mit Euch darangehen, die Taktik des III. Kongresses unserer Internationale durchzuführen.”[34] Natürlich wollte Lenin Paul Levi, dessen Qualitäten er schätzte, nicht verlieren. “Ich habe ihn in der Schweiz kennengelernt und Hoffnungen auf ihn gesetzt. Er hat sich in der Zeit schlimmster Verfolgungen bewährt, war tapfer, klug, aufopfernd. ...steht Paul Levi der Weg weit offen, um zurück zu uns zu finden. Möchte er sich den Weg nicht verrammeln. ...Wir sollten Levi nicht verlieren. Seinetwegen und der Sache wegen. Wir sind nicht überreich mit Talenten gesegnet, wir müssen möglichst halten, was wir haben. ...Wenn Levi sich der Disziplin unterwirft, sich gut hält -er kann z.B. anonym an der Parteipresse mitarbeiten, einige gute Broschüren verfassen u..s..w. -so werde ich schon nach drei oder vier Monaten in einem offenen Brief seine Rehabilitierung fordern”.[35] Als Lenin so zu Clara Zetkin sprach, hatte er dabei natürlich die Hoffnung, daß sie ihren Einfluß auf Levi geltend machen würde.

Ein solches Verhältnis zur Linken auf der einen und zu Levi auf der anderen Seite schien Lenin nötig, um die Einheit der deutschen Partei zu erhalten. Er betrachtete das März-Abenteuer als Ausdruck des “Infantilismus” und es erschien ihm nötig, mit den Führern der deutschen Partei Geduld zu haben. In einer sarkastischen und scharfsinnigen Broschüre gegen die Kominternführung aus dem Jahre 1929 berichtet Trotzki über eine Unterredung, die Lenin und er einige Zeit nach der März-Aktion mit Clara Zetkin hatten. Beide hätten mit Clara Zetkin übereingestimmt, daß große Dummheiten begangen worden waren. Aber, so meinte Lenin, “die Jugend macht viele Dummheiten, dennoch wird sie eine gute Revolution machen.” Clara Zetkin protestierte. “Sie werden nicht einmal eine schlechte machen.” Lenin und Trotzki sahen einander an und konnten, wie der letztere berichtet, ein Lächeln nicht verbergen.[36] Aber in diesem Falle hat die Geschichte Clara Zetkin recht gegeben. Sie lag nur insofern falsch, als sie sich später mit den Dummköpfen in einer schlechten Revolution zusammengetan hat.

Der Fehler von Lenin und Trotzki lag darin, daß sie die Tatsache übersahen, daß es nicht die politischen Kinderschuhe “junger und unerfahrener” Deutscher waren, die den Weg zum Märzabenteuer beschritten hatten, sondern die so reifer Erwachsener wie Sinowjew, Bucharin und Bela Kun. Die erste Pflicht des Dritten Weltkongresses hätte es sein müssen, das unglückselige Eingreifen des Exekutivkomitees in die Politik der deutschen Partei aufzudecken und zu verurteilen, die dafür verantwortlichen Personen von ihren Aufgaben zu entbinden und die Aktivitäten des neuen Komitees einer permanenten demokratischen Kontrolle zu unterwerfen. Danach wäre immer noch Gelegenheit gewesen, sich mit den formalen Fehlern Levis und seiner Anhänger zu befassen.

Aber so, wie die Dinge liefen, verlor man alle Maßstäbe. Die Delegierten mußten den Eindruck haben, daß es in jedem künftigen Falle besser sein würde, fehlerhafte Anordnungen der Komintern zu befolgen als eine richtige Politik zu machen und die Disziplin zu verletzen. Damit wurde die Grundlage für die Entwicklung geschaffen, die die Kommunistische Internationale innerhalb weniger Jahre in eine Gesellschaft von Mameluken verwandeln sollte, in sklavischer Abhängigkeit von der herrschenden Fraktion in Moskau und schließlich in ein bloßes Instrument der opportunistischen und nationalistischen Außenpolitik Stalins.

Was aus Levi wurde

So weit es Levi betrifft, so ist es bedauerlich, daß er Lenins ausgestreckte Hand niemals ergriffen hat. Es hätte sich sicher ausgezahlt, wenn er versucht hätte, die Bewegung wieder auf einen korrekten Kurs zu bringen. Daß Lenin und Trotzki frei vom Cliquenwesen waren, bewiesen sie später durch ihre absolute Opposition gegen die bürokratischen Tendenzen in ihrer eigenen Partei. Der Umstand, daß diese Tendenzen ihren Weg ins Exekutivkomitee der Internationale gefunden hatten, konnte ihnen nicht lange verborgen bleiben. Das hätte Levis Stunde sein können. Noch schlimmer war, daß Levi nicht genug Geduld, Selbstvertrauen und Charakterstärke besaß, um mit seiner eigenen Gruppe[37] seine Arbeit fortzusetzen. Er schloß sich mit seiner kleinen Gruppe ergebener Anhänger der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei an und einige Zeit später, zusammen mit ihr, der alten Sozialdemokratie. Natürlich hat er seine Vergangenheit niemals vollständig vergessen. Er wurde kein Minister der unseligen Weimarer Republik, nicht einmal Bürgermeister. Er blieb kritischer Oppositioneller. Er hat als Rechtsanwalt in einer ganzen Reihe von Sensationsprozessen die reaktionäre und ungerechte Justiz der Weimarer Republik entlarvt. Die Fäulnis der deutschen Politik traf ihn so tief, daß er 1929 Selbstmord beging. Er stürzte sich aus dem Fenster eines Berliner Wohnhauses und erinnerte so an Trotzkis Bemerkung auf dem III. Weltkongreß, daß Levi aus dem Fenster geworfen worden war.

Die Haltung des Dritten Weltkongresses gegenüber Levi scheint durch dessen nachfolgende Entwicklung gerechtfertigt worden zu sein. In seinen “Notizen eines Publizisten”, geschrieben 1922, aber erst nach seinem Tod veröffentlicht, bedauert Lenin nicht, sich Levi gegenüber so hart verhalten zu haben.[38] Das Bild bleibt einseitig, wenn man nur auf Levis spätere Entwicklung blickt und nicht auch auf die Partei, die er verließ. In “Was tun” hatte der junge Lenin auf die überaus große Bedeutung der Kontinuität einer Führung und eines Kaders für den Aufbau einer Partei hingewiesen. In seinen Diskussionen mit Clara Zetkin während des Dritten Weltkongresses lenkte er gerade auf diesen Punkt ihre Aufmerksamkeit. “Besonders wichtig ist es, daß sie bei unserer Fahne tüchtige Genossen halten, die schon früher in der Arbeiterbewegung ihre Sporen verdient haben. Ich denke an Genossen wie Adolf Hoffmann, Fritz Geyer, Däumig, Fries und andere. ...Genossen wie Adolf Hoffmann, Däumig u.s.w. bringen Erfahrung und mancherlei Sachkenntnis in die Partei, und sie sind vor allem lebendige Bindeglieder zwischen ihr und breiten Arbeitermassen, deren Vertrauen sie besitzen.”[39]

Lenin war auch des Lobes voll über die Basis der Levi’schen Opposition. “Prächtige Kerle, diese deutschen Proletarier vom Schlage Malzahns und seiner Freunde. Ich gebe zu, daß sie vielleicht nie auf einem radikalen Wort Jahrmarkt als Feuerfresser auftreten werden. Ich weiß nicht, ob sie als Stoßtrupp taugen. Aber dessen bin ich ganz sicher, daß Leute wie sie die breiten festgegliederten Heeressäulen des revolutionären Proletariats bilden, daß sie die tragende, durchhaltende Kraft in den Betrieben sind. Solche Elemente müssen wir sammeln und aktiv machen. Sie verbinden uns mit den Massen.”[40]

Nur wenige Monate nach dem Dritten Weltkongreß hatten alle jene, die Lenin “als lebendige Bindeglieder zwischen Partei und Massen” angesehen hatte, die Partei verlassen, der sie nicht mehr vertrauten.[41] Die Reichstagsfraktion schrumpfte von 26 auf 11 Mitglieder. Die Kontinuität in der Parteiführung ging verloren und wurde niemals wiederhergestellt.[42] Obwohl die Dauerkrise der deutschen Wirtschaft und Politik viele neue Anhänger und Wähler zur Partei der extremen Linken trieb, gelang es ihr nie wieder, eine stabile Vertrauensbeziehung zwischen sich und den Massen herzustellen. Die Führung der Partei lag eine Zeit lang in den Händen des Quartetts Brandler, Thalheimer, Walcher und Fröhlich, die ihr Gegenstück in der “Opposition” Maslow-Ruth Fischer fanden.

Heinrich Brandler war ein guter Betriebsrat oder Gewerkschaftsfunktionär, der organisatorisches Talent hatte und einen gewissen praktischen Instinkt, aber keine grundlegende theoretische Bildung, keine Vorstellungskraft und nicht die Gabe schöpferischer Führungskraft. August Thalheimer, den Lenin und Trotzki -Gott weiß warum -einst als gebildeten Theoretiker bezeichneten, war tatsächlich nichts anderes als ein trockener Ekklektiker, der zu jeder Zeit bereit war, die opportunistische Praxis seines Freundes Brandler mit der nötigen Theorie zu rechtfertigen. Auf dieselbe Art ergänzten sich Jacob Walcher und Paul Fröhlich. Da Walchers politischer Horizont noch beschränkter war als der Brandlers, konnte er seinem pragmatischen Instinkt noch freieren Lauf lassen. Fröhlichs theoretisches Wissen übertraf das des jungen Thalheimer, obwohl der letztere dem ersteren auf dem Gebiet der literarischen Fähigkeiten überlegen war. Das politische Niveau des Gespanns Maslow-Fischer befand sich in der Nähe der Hooligans der extremen Rechten, dem Pack um Streicher und Strasser.

Lenin war von der nachfolgenden Entwicklung der deutschen Partei alles andere als begeistert. Auf dem Vierten Weltkongreß der Komintern, der bloß eine etwas weniger spektakuläre Wiederholung des Dritten war, fand er die Gelegenheit, seinen Dialog mit Clara Zetkin fortzusetzen. Eines Abends schüttete er nach einer Rede Ruth Fischers der alten Genossin sein Herz aus. “Hm, hm, ich begreife, daß es in der Situation bei euch so etwas wie eine ‚linke Opposition’ geben kann. ...Die Weltgeschichte scheint es nicht eilig zu haben; die unzufriedenen Arbeiter aber meinen, eure Parteileitung wolle es nicht eilig haben. Sie machen diese für das Tempo der Weltevolution verantwortlich, kritteln und schimpfen. Das alles begreife ich. Aber was ich nicht begreife, sind solche Führer wie die der ‚linken Opposition’, wie ich sie gehört habe. ...Nein, solche Opposition, solche Führung imponiert mir ganz und gar nicht. Aber ich sage es offen heraus, ebensowenig imponiert mir eure Zentrale, die es nicht versteht, die nicht die Energie aufbringt, mit derartigen Demagogen im Westentaschenformat fertigzuwerden. Es müßte doch ein leichtes sein, solche Leutchen zu erledigen, die revolutionär gestimmten Arbeiter von ihnen loszulösen und politisch zu erziehen. Gerade, weil es revolutionär gestimmte Arbeiter sind, während Radikale der vorliegenden Art ~gemeint waren Maslow und Fischer, Anm. Held) im Grunde schlimmste Opportunisten sind.”[43] Diese Charakterisierung der beiden wurde durch deren spätere Aktivitäten vollauf gerechtfertigt, verhinderte aber nicht, daß sie eine Zeit lang an die Spitze der deutschen Partei gelangten. Es ist aber überraschend, daß es Lenin nicht einfiel, die verzweifelte Lage der deutschen Partei nicht mit dem Verlauf der März-Aktion und ihrer Behandlung auf dem Dritten Kongreß in Verbindung zu bringen. Es war nicht überraschend, daß nach dem Ausschluß der ernsthaften Kräfte die sterilen Bürokraten und abenteuerliche Demagogen ans Ruder kamen.

Die revolutionäre Krise von 1923

Das Jahr 1923 bestätigte Lenins düstere Vorahnungen hinsichtlich der deutschen Bewegung. In jenem Jahr entwickelte sich in Deutschland eine einzigartig revolutionäre Situation. Die deutsche Regierung beantwortete die französische Besetzung des Ruhrgebiets mit dem Aufruf zum “passiven Widerstand” und mit der damit einhergehenden Inflation. Unter dem Deckmantel des Patriotismus fand die schlimmste Ausplünderung der Mittelklasse und des Proletariats durch das Finanzkapital in der Geschichte der modernen Gesellschaft statt. Nach den Berechnungen des deutschen Wirtschaftswissenschaftlers Professor Lederer betrug der Nettoprofit, den das deutsche Finanzkapital aus dieser Inflation zog, 78 Milliarden Goldmark, zu denen noch die gepfefferten Steuern hinzugerechnet werden müssen.

Während Stinnes, Thyssen, Krupp, Duisberg und Cuno, der von diesen zum Kapitän des Staatsschiffs gemacht worden war, nach Herzenslust plünderten, schrien sie, wie in solchen Fällen üblich: “Haltet den Dieb!”, nämlich Poincare. Oder, um es noch genauer zu sagen: Sie hatten andere, die für sie schrien. Als ein Produkt der zusammenbrechenden bürgerlichen Gesellschaft war eine neue politische Strömung entstanden, die Faschisten bzw. Nazis, deren erste Mitglieder sich aus der bankrotten Kleinbourgeoisie rekrutierten, aus arbeitslosen Offizieren und dem Lumpenproletariat, und deren demagogische Ideologie die Realität des Chauvinismus ebenso zum Ausdruck brachte, wie sie auf die Zerstörung der Demokratie gerichtet war. Die Räuberbarone überließen den Nazis, deren Rachepropaganda einen günstigen Resonanzboden für die Aktivitäten des französischen Imperialismus abgab, einen kleinen Anteil von ihrer gigantischen Beute. Das in die Nazi-Propaganda gesteckte Geld war eine profitable Investition mit doppeltem Effekt: Der fanatische Haß auf Frankreich lenkte die Aufmerksamkeit der Bevölkerung von den Machenschaften der Räuberbarone und der Kohle- und Stahlprinzen ab und zugleich versetzte der Aufstieg der Nazis die Sozialdemokratie so sehr in Panik wegen der “faschistischen Gefahr”, daß sie der Inflationspolitik Cunos als dem kleineren Übel Rückendeckung gab.

Aber die hoffnungsloseste Quälerei gab es in den Reihen der Kommunistischen Partei. Mit ihrer abenteuerlichen Seele schwamm sie in der Heckwelle der chauvinistischen Nazi-Propaganda; mit ihrer bürokratischen, “ministeriellen” Seele paßte sie sich dem sterilen, negativ beschränkten Antifaschismus der Sozialdemokratie an. Es gab kaum eine Entwicklung der deutschen Politik, der sich die Kommunistische Partei nicht anpaßte, sogar dem Partikularismus der Provinzregierungen. Brandler & Co verlegten den Schwerpunkt ihrer Politik nach Sachsen und Thüringen anstatt nach Berlin. Die Konfusion erreichte ihren Höhepunkt, als Radek in Moskau den antisemitischen Soldaten Schlageter glorifizierte.

“Schlageter, der mutige Soldat der Konterrevolution, verdient es, daß ihm von uns Soldaten der Revolution Ehre erwiesen wird”, erklärte Radek in einer improvisierten Rede auf dem erweiterten Plenum des EKKI (Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale) einen Tag, nachdem Schlageter von französischen Besatzungstruppen erschossen worden war. Der Redner wandte sich mit der Frage an die “Deutsche Volkspartei” (wie die Nazis damals genannt wurden): “Gegen wen wollen die deutschen Völkischen kämpfen: gegen das Ententekapital oder das russische Volk? Mit wem wollen sie sich verbinden? Mit den russischen Arbeitern und Bauern zur gemeinsamen Abschüttelung des Joches des Ententekapitals oder mit dem Entente-Kapital zur Versklavung des deutschen und russischen Volkes”[44] Mit Radeks Worten erklärten sich die Kommunisten bereit, mit den Nazis gemeinsame Sache zu machen: “Wir werden alles tun, damit Männer wie Schlageter, die bereit waren, ihr Leben zu geben, für eine allgemeine Sache in den Tod zu gehen, nicht Wanderer ins Nichts, sondern Wanderer in eine bessere Zukunft der gesamten Menschheit werden.”[45]

Nur ein einziger Delegierter, der Deutsch-Böhme Neurath, protestierte gegen diesen nationalistisch-kommunistischen Unfug. Ansonsten erntete Radeks Rede frenetischen Applaus. In Deutschland wurde sie zur Basis einer Reihe von Verbrüderungsaktionen zwischen Kommunisten und Nazis. Kommunistische Verlage veröffentlichten Broschüren, in denen kommunistische und Nazi-Stellungnahmen nebeneinander erschienen. Diese ideologische Zersetzung machte rasche Fortschritte.

Die Ereignisse von 1923 in Rußland

Es versteht sich von selbst, daß weder Lenin noch Trotzki auf diesem Plenum des EKKI zugegen waren. Lenin hatte sein Bewußtsein schon für immer verloren, obwohl sein Körper noch seine Funktionen erfüllte. Und Trotzki? Obwohl es zu dieser Zeit noch nicht allgemein bekannt war, war er zu dieser Zeit bereits in einen tiefen Konflikt mit dem bürokratischen Zentrum der Partei geraten: Mit dem Generalsekretär Stalin und seinen Handlangern Sinowjew und Kamenew. Zu Anfang des Jahres waren Lenin und Trotzki übereingekommen, gemeinsam gegen den verdeckten Bürokratismus in Partei und Staat vorzugehen. Lenins letzte Briefe und Artikel waren alle gegen Stalins Politik und seine Methoden gerichtet. Lenin und Trotzki beabsichtigten, den entscheidenden Schlag gegen Stalin und seine bürokratische Gruppe auf dem kommenden 12. Parteitag der russischen Partei zu führen. Kurz vor der Eröffnung des Kongresses erlitt Lenin seinen zweiten Schlaganfall, von dem er sich niemals erholen sollte. In seinem letzten Brief an die Partei, der später als sein Testament bekannt wurde, forderte er Stalins Absetzung vom Posten des Generalsekretärs, unter seinen weiteren Forderungen befanden sich die nach dem Ausschluß Ordschonikidses, der einen georgischen Genossen im Verlauf einer Diskussion geschlagen hatte, und die nach der Absetzung Dserschinskis von seinem verantwortlichen Posten als Haupt der Tscheka. Obwohl Lenin außer Gefecht gesetzt war, hatte er seinem Mitarbeiter Trotzki doch ausgezeichnete und mächtige Waffen in Form dieser letzten Artikel und Briefe hinterlassen.

Es ist interessant hervorzuheben, wie Trotzki selbst seine damaligen Chancen im Kampf gegen die zersetzenden bürokratischen Tendenzen einschätzte. In seiner Autobiographie schrieb er: “Unser gemeinsames Vorgehen gegen das Zentralkomitee wäre Anfang 1923 bestimmt erfolgreich gewesen. Mehr noch. Ich zweifle nicht daran, wäre ich am Vorabend des Zwölften Parteitages im Geiste des ‚Blocks-Lenin-Trotzki’ gegen den Stalinschen Bürokratismus aufgetreten, ich hätte auch ohne die direkte Beteiligung Lenins am Kampfe einen Sieg errungen.”[46] Lenin hatte Trotzki ausdrücklich vor einem Kompromiß mit seinen Gegnern gewarnt: “Stalin aber wird einen faulen Kompromiß schließen und dann betrügen.”[47] Trotzki hatte sich auf einen Kompromiß eingelassen, weil er damit rechnete, daß Lenin sich erholen würde. Er rief Kamenew zu sich, der damals Stalin unterstützte und sagte ihm: “Merken Sie es sich, und sagen sie es den anderen, daß ich am allerwenigsten die Absicht habe, wegen irgendwelcher organisatorischer Veränderungen auf dem Parteitag einen Kampf zu beginnen. Ich bin für die Erhaltung des Status Quo. ...Ich bin gegen die Absetzung Stalins, gegen den Ausschluß Ordschonikidses, gegen die Entfernung Dserschinskis ...Aber ich stimme Lenin im wesentlichen zu. Ich erstrebe eine Änderung der nationalen Politik, die Einstellung der Verfolgungen gegen die Gegner Stalins in Georgien, die Beseitigung des adminstrativen Drucks auf die Partei.”[48]

Kamenew und Stalin verhielten sich genauso, wie es Lenin vorausgesagt hatte. Sie akzeptierten alles und machten das Gegenteil. Es ist ganz gewiß nicht ratsam, Bürokraten die Ausführung eines antibürokratischen Programms anzuvertrauen, oder den Bock zum Gärtner zu machen. Als Trotzki von der Möglichkeit seines Sieges auf dem 12. Parteitag sprach, fügte er hinzu: ‚Wie weit dieser Sieg haltbar gewesen wäre, ist eine andere Frage.”[49] Hier kann man mit ihm sicher übereinstimmen. Angesichts der Rückständigkeit Rußlands und dem Ausbleiben der Weltrevolution war in Rußland die Reaktion unausweichlich. Aber wenn Trotzki im Frühjahr 1923 in aller Öffentlichkeit in die Offensive gegangen wäre, wären die thermidorianischen Tendenzen gezwungen worden, sich dem offenen Kampf zu stellen, die Reaktion hätte nicht diesen verdeckten Charakter gehabt, der Sinn der Ereignisse in Rußland wäre in Europa und dem Rest der Welt besser verstanden worden und es wäre vielleicht möglich gewesen, die Kommunistische Internationale den Händen der Bürokraten zu entreißen.

Vierzig Jahre früher hatte Engels in einem Brief an Bebel seine Position und die Marxens zur Spaltung der Ersten Internationale auf der Haager Konferenz verteidigt: “Wir wußten sehr gut, daß die Blase platzen müsse, alles Gesindel hing sich an sie (die Internationale) an. Die in ihr enthaltenen Sektierer wurden üppig, mißbrauchten die Internationale in der Hoffnung, man werde ihnen die größten Dummheiten und Gemeinheiten erlauben. Wir litten das nicht. Wohlwissend, daß die Blase doch einmal platzen müsse, handelte es sich für uns nicht darum, die Katastrophe zu verschieben, sondern Sorge zu tragen, daß die Internationale rein und unverfälscht aus ihr hervorgehe ...Und wären wir im Haag versöhnlich aufgetreten, hätten wir den Ausbruch der Spaltung vertuscht, was wäre die Folge? Die Sektierer ...behielten ein Jahr lang Zeit, im Namen der Internationale noch viel größere Dummheiten und Infamien zu begehen. Die Arbeiter der entwickeltsten Länder wandten sich im Ekel ab; die Blase platzte nicht, sie sank, durch Nadelstiche langsam verletzt, langsam zusammen.”[50]

Trotzki und die deutsche Krise

Die einzige Gelegenheit, den Ballon zum Platzen zu bringen, wurde von Trotzki im Frühjahr 1923 verpaßt. Das Ergebnis war, daß Stalin und seine Verbündeten Zeit gewannen und noch mehr Gelegenheiten fanden, schlimmste Infamien im Namen der russischen Partei und der Internationale zu begehen. Der Ballon platzte nicht, sondern fiel zusammen wie nach einem Nadelstich. Der Gestank, den er verbreitete, machte die Entstehung einer neuen Bewegung für lange Zeit unmöglich.

Es ist uns nicht bekannt, weshalb Trotzki dem Plenum des EKKI fernblieb, das Radeks Schlageter-Rede akklamierte. Vielleicht übte er in Erwartung von Lenins Gesundung die allergrößte Vorsicht und war nach der Erfahrung des 12. Parteitages wenig geneigt, Verantwortung für Beschlüsse zu tragen, die er nicht mittrug. Seine Abwesenheit bedeutete nicht, daß er den deutschen Entwicklungen gleichgültig gegenüberstand; im Gegenteil, er verfolgte sie mit größter Aufmerksamkeit ...und großer Beunruhigung.

Die objektiven Bedingungen für eine revolutionäre Lösung der deutschen Krise waren so günstig, daß der Einfluß der Kommunistischen Partei trotz ihrer schwankenden Politik enorm anwuchs. Überall brachen umfassende Streiks aus, deren Ende nicht absehbar war; die Betriebsräte, die Repräsentanten der Arbeiter in den Fabriken, die in der Novemberrevolution geschaffen und von der Weimarer Regierung anerkannt worden waren, erlangten in der sich entwickelnden Massenbewegung eine enorme Bedeutung; in mehreren Industriezentren organisierten sich die Arbeiter in Milizen (genauer: in Hundertschaften) und begannen, sich zu bewaffnen. ‚Wir tanzen auf einem Vulkan und stehen vor der Revolution”, erklärte Stresemann, der führende bürgerliche Politiker und spätere Reichskanzler Anfang Juli.

Unter diesen Umständen hing alles vom korrekten Umgang mit der Lage durch die Führung der deutschen Partei ab und Trotzki hatte von dieser Führung keine bessere Meinung als Lenin in seinen vertraulichen Gesprächen mit Clara Zetkin. Auf einer Plenarsitzung des Zentralkomitees der russischen Partei im September hielt Trotzki eine Rede, die laut offiziellem Bericht alle Mitglieder des Komitees in Wut versetzte. Er vertrat die These, daß die Führung der deutschen Kommunistischen Partei versagte, daß das Zentralkomitee dieser Partei vom Geist des Fatalismus durchdrungen war und völlig unfähig sei. Die Folge sei, daß diese Führung die deutsche Revolution zum Scheitern verurteile. Der Bericht fügte hinzu, daß diese Rede auf die Sitzungsteilnehmer eine “niederschmetternde Wirkung” gehabt hatte. “Um zu siegen, benötigt die deutsche Führung einen genau durchdachten und sorgfältig ausgearbeiteten Plan für den revolutionären Umsturz”, erinnerte Trotzki die deutsche Parteiführung. “Die Kommunistische Partei kann die Macht ergreifen nicht, indem sie die revolutionäre Bewegung abseits stehend ausnutzt, sondern infolge einer direkten und unmittelbaren politischen, organisatorischen und militärisch-technischen Führung der revolutionären Massen,”[51] erklärte er in einem Artikel, mit dem er der deutschen Partei zu Hilfe kommen wollte. Schließlich forderte Trotzki, wie Lenin sechs Jahre zuvor in Rußland, daß ein Datum für den Aufstand in Deutschland festgelegt werden sollte.

Sinowjew und die deutschen Parteiführer schwankten. Von einer ernsthaften Vorbereitung des Aufstands konnte keine Rede sein. Der Beitrag Moskaus bestand im Angebot, einige erfahrene Russen nach Deutschland zu schicken, die der Führung der deutschen Partei helfen sollten. Für Stalin und seine Mitarbeiter zeitigte dies eine wenig erfreuliche Überraschung. Weil sie die Machtverschiebung in Rußland noch nicht durchschaute, forderte die Führung der deutschen Partei Trotzki an! Das bürokratische Triumvirat (Stalin, Sinowjew, Kamenew) erklärte Trotzki jedoch für in Rußland unabkömmlich und sandte eine Delegation mit Radek an der Spitze.

In der Zwischenzeit hatte sich die Führung der deutschen Partei weitere grobe Schnitzer geleistet, vor denen sie von Lenin und Trotzki auf dem 4. Weltkongreß 1922 ausdrücklich gewarnt worden waren - sie traten in die sozialdemokratischen Regierungen Sachsens und Thüringens ein. Zu einer Zeit, als sich für die Kommunistische Partei die Tür zur Macht geöffnet haben würde, hätte sie es nur fertiggebracht, den in ihren Händen befindlichen Schlüssel zu benutzen, klopften Brandler und Thalheimer am Dienstboteneingang an und bettelten um ein paar Ministerposten in machtlosen Länderregierungen! Angesichts von so viel Hilflosigkeit schöpfte die Bourgeoisie wieder Selbstvertrauen. Ebert und Stresemann sandten die Reichswehr nach Dresden und Weimar, um die dortigen Regierungen abzusetzen.

Die Führung der Kommunistischen Partei hat sich lange damit gebrüstet, daß ein solcher Schritt seitens der Regierung das Signal für den Aufstand wäre. Was wirklich geschah, erzählte Radek auf einem Plenum des EKKI vor dem 5. Weltkongreß: “Die EKKI-Repräsentanten erreichten Dresden, nachdem die Reichswehr die Stadt besetzt hatte. Genosse Brandler erklärte, er habe den Befehl zum Rückzug gegeben. Aber wenn die Repräsentanten des EKKI das für einen Fehler hielten, würde er sich dem ohne Diskussion beugen (die Kuriere waren noch nicht ausgesandt). Nachdem sich die Repräsentanten des EKKI mit der Lage vertraut gemacht hatten, entschieden sie, daß es unmöglich war, mit dem Kampf zu beginnen und stimmten der Entscheidung zu.”[52]. Es muß hinzugefügt werden, daß der Delegation des EKKI vor ihrer Abreise aus Moskau der Inhalt eines Briefes von Stalin mitgeteilt wurde, in dem dieser erklärte, daß die deutsche Führung gebremst, nicht ermutigt werden sollte. Stalin ließ damit das erste Mal auf der Ebene der Internationale seine mächtige Position in der russischen Partei spüren.

Brandler schien also nach allen Seiten abgedeckt, als er den Befehl zum Rückzug gab. Weil die örtliche Führung in Hamburg versehentlich zu spät davon benachrichtigt wurde, schlugen sich dort ein paar Hundert Kommunisten einige Tage mit der Hamburger Polizei. Woanders in Deutschland wurde kampflos kapituliert. Die deutsche Bourgeoisie hatte ihre schwierigste politische Krise überstanden. Für die deutsche Kommunistische Partei stellte das Jahr 1923 die Ausweitung der Fehler von 1921 dar. Damals wollte sie gegen den Strom “in die Offensive gehen”; jetzt, inmitten der vorteilhaftesten Lage, sah sie sich nicht in der Lage zu handeln. Das Resultat war eine neue schwere Krise in der Partei, in deren Verlauf mit Sinowjews Hilfe Fischer und Maslow -von Lenin als “kleine Demagogen” bezeichnet -für einige Zeit an die Spitze der Partei gelangten. Sie eröffneten ein Jahrzehnt der Desintegration der deutschen Arbeiterbewegung, das mit dem Triumph Hitlers 1933 endete.

Es ist fraglich, ob das Ergebnis anders gewesen wäre, wenn die deutsche Partei im Oktober den Aufstand zu einem festgelegten Zeitpunkt begonnen hätte. Ebenso gewiß, wie die Einschätzung der politischen Krise in Deutschland durch Trotzki korrekt war, ist, daß sein Versuch, die Politik der deutschen Partei zu korrigieren, zu spät kam. Die Haltung der deutschen Partei war von Anfang an unangemessen. Ihr Verhältnis zu den Massen und ihr Zustand waren unzureichend analysiert. Ihre konkrete Politik war bei allen entscheidenden Ereignissen falsch. Das begann mit dem Januar 1919, betraf den Kapp-Putsch 1920, die Märzaktion 1921 und ebenso das Jahr 1923.

Der Fehler von 1923 begann nicht mit dem Versäumnis, den Aufstand zu organisieren, sondern am 11. Januar, dem Tag der Ruhrbesetzung durch französische Truppen. Dank ihrer instabilen, national-bolschewistischen Politik war die Partei im Oktober so desorientiert, daß ein Aufstandsversuch kaum noch auf ein erfolgreiches Ende zählen konnte. Mit dem Zusammenbruch in Deutschland war der Traum von der Weltrevolution für eine lange Zeit ausgeträumt. Hierin liegt auch die Ursache für den Sturz des Weltrevolutionärs Trotzki in Rußland.

Der Leser wird sich fragen, weshalb wir der Geschichte der deutschen Bewegung so große Aufmerksamkeit widmen und die Geschichte anderer Sektionen der Komintern so vollständig ausblenden. Des Rätsels Lösung ist, daß Deutschland während dieser Jahre das schwächste Glied der Kette der kapitalistischen Länder war, so daß dort die Revolution am ehesten möglich war. Die deutsche Partei wurde in wirkliche Massenaktionen und in weitreichende politische Ereignisse verwickelt und ihre Politik stand im Zentrum der Debatten der ersten fünf Weltkongresse der Kommunistischen Internationale. Die Geschehnisse in der deutschen Partei spiegelten sich via Moskau in den anderen Parteien wider. Das Schicksal der deutschen Partei entschied so das Schicksal der Komintern.

Eine in gewisser Hinsicht unabhängige, aber extrem kurze Rolle wurde von der italienischen Partei gespielt. Die italienische Sozialistische Partei hatte mit Ausnahme von Mussolinis kleiner Gruppe während des Weltkrieges eine pazifistisch eingefärbte anti-chauvinistische Position aufrechterhalten. Sie lag infolgedessen im Streit mit der Zweiten Internationale. Die gesamte Partei, vom Rechtsreformisten Turati bis zum ultralinken Antiparlamentaristen Bordiga war der Dritten Internationale beigetreten. Diese heterogene Partei wurde durch den gewieften Taktiker Serrati zusammengehalten, einem italienischen Bebel. Dem Versuch der Exekutive der Komintern, diese Partei zu spalten und ihren linken Flügel in eine bolschewistische Partei zu verwandeln, war wenig Erfolg beschieden. Ein solcher Versuch war zum Scheitern verurteilt, weil sich zwischen dem Zentristen Serrati und den Ultralinken um Bordiga und Bombacci ein Vakuum auftat. Es fehlten auch hier theoretisch geschulte und praktisch talentierte Marxisten von großer Statur. Als die Moskauer Exekutive in ihrem Kampf gegen Serrati ihr Gewicht zugunsten der Bordiga und Bombacci in die Waagschale warf, stärkte sie eben jene Tendenzen, gegen die Lenin seine Schrift wider die Kinderkrankheiten des Kommunismus geschrieben hatte und denen Levi in Deutschland den Krieg erklärt hatte.

Die Spaltung, die Sinowjews Emissär Rakosi auf dem Parteitag von Livorno 1921 durchgesetzt hatte, sollte das Vorspiel für die Märzereignisse in Deutschland sein. Der italienische Radikalismus blieb an den Antiparlamentarismus gefesselt, dem traditionellen Übel der Arbeiterbewegung der romanischen Länder und er fand bald darauf sein unrühmliches Ende. Aufgrund seiner fehlenden Entschlossenheit und dem Fehlen einer konsistenten revolutionären Politik erlag der italienische Sozialismus trotz seines großen numerischen Gewichts dem rabiaten Aufstieg Mussolinis. Italien nahm das Schicksal des übrigen Europas vorweg. Das war um so unausweichlicher, als die Lehren der italienischen Niederlage in Europa ebensowenig verstanden worden waren wie die des russischen Oktobersieges.

In der Autobiographie Leo Trotzkis wird die Kommunistische Internationale kaum erwähnt. Um so größer ist der Raum, den das Kapitel über die Komintern in seinen Gesammelten Werken einnimmt. Die Niederlage der deutschen Revolution war für ihn immer der entscheidende Grund für die Niederlage seiner Tendenz in Rußland. Trotzkis Schriften erklären auf brillante Weise, wie das Scheitern der Kommunistischen Internationale das Aufkommen der reaktionären sowjetischen Bürokratie begünstigte und wie diese Bürokratie ihrerseits letztlich die Internationale zerstörte. Dennoch bleibt die Frage offen, weshalb es Lenin und Trotzki nicht gelungen ist, in der Periode von 1917 bis 1923 eine seriöse marxistische Internationale aufzubauen?

Unsere historische Analyse bietet uns die folgende Antwort auf diese Frage: Die tiefsitzende sozialdemokratische, fatalistische Konzeption der Revolution in Westeuropa, die zu späte Entlarvung des Kautskyanismus als geschicktestem theoretischem Repräsentanten dieses Fatalismus; infolgedessen die verspätete Gründung der Kommunistischen Internationale, die als Ergebnis dieser Verspätung während der ersten Jahre nach ihrer Gründung revolutionäre Ungeduld an den Tag legte und von ihren jungen, unreifen Parteien erwartete, die Revolution durchzusetzen; schließlich die Märzaktion und ihre Behandlung auf dem Dritten Weltkongreß, auf dem die Form über den Inhalt gestellt wurde und eine bürokratische Auffassung von Disziplin gutgeheißen wurde, wodurch bei den besten westeuropäischen Arbeiterelementen das Vertrauen in die neue Internationale zerstört wurde und die Grundlage für die katastrophale Niederlage von 1923 gelegt wurde.


[1]Erstveröffentlichung in 2 Teilen in der amerikanischen Zeitschrift Fourth International, december 1942 and january 1943. Der Text wird hier erstmals komplett in deutscher Sprache veröffentlicht. Übersetzung und Fußnoten von Dieter Wilhelmi.
[2] Walter Held wurde 1910 unter dem Namen Heinz Epe in Remscheid geboren. Walter Held war seit 1932 Mitglied der Reichsleitung der Linken Opposition der KPD, die später umbenannt wurde in Internationale Kommunisten Deutschlands (IKD). Walter Held war Redaktionsmitglied der Exilzeitung der IKD, Unser Weg, und wurde zu einem Mitarbeiter Trotzkis in Norwegen. Er starb 1942 mit Frau und Kindern unter ungeklärten Umständen in sowjetischer Haft.
[3]Lenin, Referat über Krieg und Frieden, 7.3.1918, Werke Bd. 27, 73 (85)
[4]Lenin, Rede im Moskauer Sowjet der Arbeiter-, Bauern- und Rotarmistendeputierten, 23.4.1918, Werke Bd. 27, 219 (222)
[5]Lenin, Brief an die amerikanischen Arbeiter, 20.8.1918, Werke, Bd. 28 , 48 (62)
[6]Lenin, Bericht über die Tätigkeit des Rats der Volkskommissare auf dem VIII. Gesamtrussischen Sowjetkongreß, 22.12.1920, Werke, Bd. 31,483 (489)
[7]Lenin, Lieber weniger, aber besser, Werke, 2.3.1923, Bd. 33,474 (487)
[8]Lenin: Was tun, März 1902, Werke, Bd. 5, 353(478)
[9]Lenin Was tun? Marz 1902, Werke, Bd. 5,353 (534) Lenin Was tun? Marz 1902, Werke, Bd. 5, 353 (478
[10]Diese Aussage trifft so nicht zu. Nach Diskussionen mit Levi, der sie im Gefängnis besuchte, nahm R.L. Abstand von einer Veröffentlichung, bestand aber auf ihrer Meinung. Levi veröffentlichte die Kritik erstmals 1922.
[11]Lenin, Bericht über die äußere und innere Lage der Sowjetrepublik, 3.4.1919, gehalten auf der Außerordentlichen Sitzung des Plenums des Moskauer Sowjets, Werke, Bd. 29,242 (258)
[12]Lenin, Der 'linke Radikalismus', die Kinderkrankheit des Kommunismus, Juni 1920, Werke, Bd. 31, 1 {9}
[13]Lenin, Der 'linke Radikalismus', die Kinderkrankheit des Kommunismus, Juni 1920, Werke, Bd. 31, 1 {15}
[14]Leon Trotsky, Writings, 1939-40, p.372
[15]veröffentlicht in: Paul Levi, Zwischen Spartakus und Sozialdemokratie, Frankfurt/M. 1969, 44 ff
[16]Protokoll des III. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale, Bd. 1, S. 183
[17]so die Stellungnahme des EKKI vom 6. April 1921
[18]Zumindest in Bezug auf Lenin ist diese Aussage zweifelhaft. In einem Brief Levis an Lenin vom 27. März 1921 informierte dieser Lenin ausführlich über die Rolle, die Sinowjews Emissär Matyas Rakosi gespielt hatte: "Der Genosse erklärte, Rußland befände sich in einer außerordentlich schwierigen Situation. Es sei unbedingt erforderlich, daß Rußland durch Bewegungen im Westen entlastet würde, und aus diesem Grund müßte die deutsche Partei sofort in Aktion treten. Die VKPD zählte jetzt 500.000 Mitglieder, mit diesen könne man 1.500.000 Proletarier auf die Beine bringen, was genügt, um die Regierung zu Fall zu stürzen. Er sei also für den sofortigen Beginn des Kampfes mit der Parole 'Sturz der Regierung'." (in: Paul Levi, Zwischen Spartakus und Sozialdemokratie, Frankfurt/M. 1969, 37, 38)
[19]Protokoll des III. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale, Bd. 2, S. 637(638): "Ich behaupte aber, daß diese Thesen unsererseits als Kompromiß betrachtet werden, als Kompromiß nach links. Was das Wort links hier bedeutet, werde ich später des näheren zu erörtern versuchen. Jetzt will ich nur noch mit Nachdruck feststellen, daß wie diese Thesen als maximale Zugeständnisse betrachten an diejenige Tendenz, die hier von vielen Genossen, so auch vom Genossen Thälmann verteidigt worden ist."
[20]vgl. ebenda, S. 639
[21]ebenda, S.640
[22]ebenda, S. 646. Der dort nachfolgende Satz lautete: "Wir sind verpflichtet, der deutschen Arbeiterschaftzu sagen, daß wir diese Offensivphilosophie als die größte Gefahr und in der praktischen Anwendung alsdas größte politische Verbrechen auffassen."
[23]vgl. Protokoll des III. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale, Bd. 2, S. 671
[24]Protokoll des V. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale, S. 468
[25]Protokoll des III. Kongresses der Kommunistischen Internationale, Bd. 2, S.662
[26] Clara Zetkin hat auf dem Kongreß die Positionen Levis verteidigt.
[27]Protokoll des III. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale, Bd. 2, S. 665 f
[28]ebenda, S. 66
[29]Paul Levi, Der Parteitag der VKPD, Unser Weg (Sowjet), August 1921
[30]vgl. Clara Zetkin, Erinnerungen an Lenin, Berlin 1957, S. 28 ff, 30
[31]Ebenda, S. 38
[32]Ebenda, S. 33
[33]Ebenda, S. 40
[34]Ebenda, S. 34
[35]Ebenda, S. 38-40
[36]vgl. Leon Trotsky, Who is Leading the Comintern Today? in: The Challenge of the Left Opposition 1928- 29, 1981, p. 188
[37]Levi gründete nach seinem Ausschluß aus der Kommunistischen Internationale mit seinen Weggefährtendie Kommunistische Arbeitsgemeinschaft (KAG). 1922 fusionierte diese Gruppe mit dem Rest der USPD.Die vereinigte Gruppe trat noch im selben Jahr wieder der SPD bei. Levi wurde zu einem Führer der Linkenin der SPD. Nach dem Tod Levis im Jahre 1928 spaltete sich die SPD-Linke von der SPD ab und beteiligtesich danach unter Führung von Kurt Rosenfeld an der Gründung der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP)
[38]Lenin, Notizen eines Publizisten, Werke Bd. 33, 188 (192 ff)
[39]Clara Zetkin, Erinnerungen an Lenin, Berlin 1957, S.50 f
[40]Ebenda, S.43 f
[41]Däumig und Meyer verließen die Partei mit Levi. Hoffmann, Brass und Malzahn brachen gemeinsam mitFriesland (Ernst Reuter) mit der Partei, als letzterer im Dezember vom Exekutivkomitee derKommunistischen Internationale ausgeschlossen wurde, weil er sich dessen Einmischungen in die KPDwidersetzte. Die Gruppe um Friesland trat der KAG Levis bei.
[42]vgl. Lenin, Brief an die deutschen Kommunisten vom 14. August 1921, Werke, Bd. 32, 537 ff. Auf den Seiten 541-544 beschreibt Lenin ausdrücklich sein Verhältnis zu Levi und erklärt u.a., daß dieser mit seiner Kritik in der Sache im wesentlichen richtig lag.
[43]43 Clara Zetkin, Erinnerungen an Lenin, Bertin 1957, S. 55 f
[44]Karl Radek, Von Gneisenau und Scharnhorst zu Schlageter (sog. Schlageterrede), in: Dietrich Möller: KarlRadek in Deutschland, Köln 1976, S. 245 ff (246)
[45]Ebenda, S. 249
[46]Leo Trotzki, Mein Leben, Berlin 1930, S.465
[47]Ebenda, S. 468
[48]Ebenda, S. 469 f
[49]Ebenda, S. 465
[50]Friedrich Engels, Brief an Bebel vom 20. Juni 1873, in: MEW Bd. 33, S. 588 (590 f)
[51]Leo Trotzki, Kann man eine Konterrevolution oder eine Revolution auf einen bestimmten Zeitpunkt festsetzen? In: Die Linke Opposition in der Sowjetunion 1923-1928, Bd. 1 S. 174 (175 f)
[52]Die Rede Radeks findet sich in Auszügen in: Dietrich Möller: Karl Radek in Deutschland, Köln 1976, 258 ff