VLADY IST NICHT MEHR !

Es ist unsere traurige Pflicht, den Tod großen Künstlers Vladimir Kibalchich Rusakov, bekannt zu machen, besser bekannt unter den Namen Vlady. Vlady war der Sohn des bekannten Sozialisten und Schriftstellers Victor Serge, Freund und einst Mitkämpfer Trotzkis. Er starb am 21. Juli 2005 im Alter von 84 Jahren.

Vlady war Maler, Graveur und Freskomaler. Er gehörte zu den besten und größten Künstlern Mexikos. Er wurde am 15. August 1920 in Petrograd (jetzt St. Petersburg) geboren. 1933 folgte er seinem Vater nach dessen Ausschluß aus der Kommunistischen Partei, in die innere Verbannung in der UdSSR. Drei Jahre später hatte eine internationale Solidaritätskampagne Erfolg und Victor Serge, seine Frau Ljuba und Vlady konnten die Sowjetunion verlassen und nach Belgien ausreisen, wo Serge geboren war. Von dort aus reisten sie nach Frankreich weiter. Vlady hatte dann bald über seinen Vater Kontakt zu französischen Künstlern aus der surrealistischen Bewegung.

Der Vormarsch der Armeen Hitlers in Westeuropa zwang 1940 viele politische Flüchtlinge aus Deutschland und Osteuropa, die in Frankreich ein Unterkommen gefunden hatten, alles daran zu setzen, dem europäischen Kontinent zu entfliehen, um ihr Leben zu retten. Darunter war auch die Familie Serge, mit Ausnahme der Mutter Vladys, die bereits zu krank war, um mitzufliehen. Serge und Vlady bekamen 1943 Asyl in Mexiko. Wegen seiner kommunistischen Aktivitäten waren in der Karibik und den USA Visa verweigert worden. Serge hätte sich lieber in den USA angesiedelt, wo das kulturelle Klima nicht so durch die Stalinisten geprägt war wie in Mexiko. Victor Serge starb 1947 in Mexiko in größter Armut und mehr oder weniger politisch isoliert. Ein paar Wochen nach seines Vaters Tod heiratete Vlady Isabel Diaz Fabela. 1949 wurde er mexikanischer Staatsbürger.

Vlady klopfte an verschiedene Türen an, um malen zu können aber keine öffnete sich, auch nicht die Riveras, der seinen Weg zum Stalinismus schon angefangen hatte. Trotzdem konnte der Autodidakt bald einige seiner Arbeiten ausstellen. Am Anfang seiner Karriere zeichnete und malte er hauptsächlich. Aber zu Beginn der 50er Jahre verschaffte er sich einen bald ein großes Renommé als Freskomaler. Dabei ließ er sich durch die großen Traditionen Mexikos auf diesem Gebiet inspirieren. Im Gegensatz zu Diego Rivera, José Clemente Orozco und David Alfaro Siqueiros (der sich an einem mißlungenen Attentat auf Trotzki beteiligt hatte) lehnte er deren mexikanischen Nationalismus und “sozialistischen Realismus” in der Kunst entschieden ab.

Als Kind hatte Vlady die Eremitage in Leningrad, eines der schönsten Museen der Welt, besuchen können, soviel er wollte oder, wie er es später ausdrückte, sich hinein flüchten können. Hier lernte er auch, was ihn später von den meisten anderen zeitgenössischen Malern unterscheiden sollte: daß in seinen wie den alten Bildern das Licht wie Kristall leuchtete. Seiner Meinung nach waren die Arbeiten vieler Zeitgenossen oberflächlich und verherrlichten Äußerlichkeiten. Eine andere Kritik, speziell an seine mexikanischen Kollegen gerichtet, war, daß Sie einander ständig glorifizierten, auch wenn ihre Arbeiten schlecht waren. Die verschiedenen Künstlergruppen disqualifizierten sich in seinen Augen auch dadurch, daß sie sich gegeneinander wandten, um in die Gunst des Staates zu gelangen und um so viel Staatsaufträge wie möglich zu bekommen.

1987 luden die Sandinisten ihn ein, um im Nationalen Palast der Revolution in Managua (Nicaragua) verschiedene Freskogemälde zu malen. Weitere Arbeiten hängen in Museen Japans und der USA. 1994 produzierte er 4 große Bilder für das mexikanische Innenministerium in der Stadt Cuernavaca. Sie wurden wegen ihres Inhalts nie aufgehängt. Vladys Sympathie für die zapatistische Revolution in Chiapas war in diesen Bildern allzu deutlich dargestellt. Ironischerweise wurden die Bilder dann in einem alten Gefängnis verwahrt, in dem heute der Fundus eines Museums untergebracht ist!

Neben dem mexikanischen Einfluß hat der Surrealismus eine wichtige Rolle in Vladys Arbeiten gespielt. Im Gegensatz zu den Nationalisten war Vlady ein sozialrealistischer Künstler, was besonders in seinen Zeichnungen deutlich wurde, wobei auch die Erotik ein wichtiger Bestandteil in seinen Werken war. Vlady liebte und genoß das Leben.

Auf politischer Ebene sah Vlady sich eher als eine Art Libertärer, er kehrte sich stets gegen alle Formen von Staatsgewalt und Unterdrückung. Die Verteidigung der politischen Ehre und des Erbes seines Vaters, Trotzkis und anderer russischer und spanischer Revolutionäre, die vom Stalinismus verleumdet, verfolgt und ermordet wurden, hatte für ihn bis an sein Lebensende einen hohen Stellenwert. In dieser Frage war er kompromißlos.

Weil er der Meinung war, daß die Kunst der ganzen Bevölkerung gehört und nicht nur ein paar kapitalkräftigen Kunstsammlern, schenkte er mehr als 4600 seiner Werke dem Institut für Feine Kunst in Mexiko. Eine große Ausstellung seiner Werke ist für den April 2006 in Mexiko City geplant. Vielleicht ein Reisetip für unsere Lesern/Leserinnen.

Wer schon jetzt einen Teil von Vladys Kunst sehen und/oder mehr Details über ihn wissen will, dem raten wir, die Reise schon jetzt auf der Webseite www.vlady.org. zu beginnen. Dort finden Sie auch Links zu anderen Webseiten über Vlady und seine Kunstwerke.

Unsere Gedanken bei diesem enormen Verlust gehen auch zu seiner Frau und zu seinem Neffen.

Marcel Souzain

Brüssel, den 05.08.2005