Morgens halb zehn in Deutschland

Das Leben ist so dürr wie eine Hähnchenkeule vom Discountgrill. Straßen werden im täglichen wiederkehrenden Anfall von Sauberkeitswahn rau gefegt. Kein Papier auf den Steigen, keines in den Taschen, kein Dörrfleisch im Magen, platt die Triebkraft. Mein nächster Kaffee ist genau 1 Euro 20 von mir entfernt. Die Handbreit zum schwarzen Gold für müde Obdachlose ist mir im Zustand von acht Tagen ohne Dusche und Schlaf Erfahrungen von nicht mehr als zwei Stunden täglich zu weit. Meine letzte Mahlzeit liegt zwei Tage zurück. Oder waren es drei? Geheimtipp Ostbahnhof. Ein Süßwarenautomat der einmal die Woche von abgelaufenen Schinkensemmeln, Schokoriegeln und Getränkedosen befreit und mit frischer Ware aus der Produktion befüllt wird. Wenn man Glück hat schmeißt der Aufsteller eine Runde angeschimmelter Käsebrötchen und wenn die angekarrten Getränke nicht in den Vorratsschacht des Gerätes passen gabs auch ne Sunkist Orange zum runterspülen. Der Kalender zeigt Freitag den 28. Dezember, die Uhr 9. Wenns nicht bald was zum kauen gibt dreh ich am Rad und beiße in die nächsten faserigen Rentnerschenkel. Gaukeln hier jeden morgen Regenschirm fuchtelnd umeinander und hängen vor den Supermarkt-Türen rum. Die Genugtuung glotzt ihnen aus den Panzerglasbrillen. Die Sicherheit meine Rente einzustecken indem sie früh genug alt werden vermittels einer gehörigen Portion Gammelfleisch Ignoranz. Jeden Tag aufs Neue die Sessions- vom bestellen einer Butterbrezel um dem folgenden Korn einen Freund vorauszuschicken.

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Der meuternde Pöbel kommt nicht schnell genug über die Straße mit seinen Krückstöcken, AOK Gehhilfen und Elektro Schoppern. Ich springe dann in den nächsten Supermarkt Shuttle Bus und überlasse mein Schicksal der Kondition der Dritte Zähne Fraktion. Mal funzt es mal nicht. Ausserdem ist ein Schiri an Bord der im Notfall einen Peterwagen ruft. Die Staatsbeamten mich dann solange gegen die Wand klatschen bis sich auch der letzte Knopf meiner Jacke löst und ich mit mindestens drei Beulen verteilt über die Stirn zu ihnen auf den Boden plumpse. Der Asphalt ist böse kalt und da kann es mir nicht schnell genug gehen das die Grünen mir meine Arme auf meinen Rücken wuchten, Achtereisen anlegen und mich mit dem Kopf voraus in die Bullen Kutsche schleudern.

Der Tag ist gerettet, in spätestens sechs Stunden gibt es eine warme Erbsensuppe mit einem Granit Harten Brötchen als Tunken Werkzeug. Die Zelle wird bewohnt von mir, einem Fußball Randalierer und haufenweise bepinkelten Zeitungen. Auf der Straße ist es schwierig seine Privatsphäre zu wahren und mal in Ruhe einen Abseilen zu können. Dagegen ist diese Zelle eine willkommene Abwechslung und gleicht dem Besuch eines Sternehotels mit Zimmerservice. Nach einer Weile umklammern meine Hände die Gitterstäbe, von Innen versteht sich und mir fällt ein das ich nicht hierher gehöre und das ich mich durch zwei Lauwarme Mahlzeiten nicht bestechen lassen werde. Ich bin rauer als das Leben auf der Straße. Ich bin das Schmirgelpapier und das freie Leben ist weiches Birkenholz. Die Zelle ist der Span und mein Kohldampf der Splitter in der Pfote eines Löwen.