Moosgrün

Eine Andacht unter Löhnebäumen, fern von gierenden Stimmen, ein Unhold gesellt sich in unsere Reihen. Ich erkenne Dich nicht, ich erkenne dich nicht, du, mee, du Mensch...Du trägst keine Blätter, du hast keinen Ast, du bist nicht so alt wie wir. Du bist Jung, du bist jung ohne Wurzeln, ohne genügend Luft in den Lungen. Du gehörst hier nicht her, du gehörst zu denen mit den Äxten und den Sägen. Wir sind keine Schränke, wir sind keine Stühle und Tische, wir sind keine Kutschen und auch kein Papier. Wir sind Bäume, keine Särge. Wir gehören nicht unter die Erde, also erzähl uns nicht weshalb du hier bist, du machst uns Angst. Gehe wenn du in Frieden gekommen bist, wenn nicht sind wir unserem Schicksal ergeben. Was bleibt uns auch schon anderes übrig. Nimm schon dein scharfes Werkzeug und schneid ein Teil aus uns heraus. Nimm den bunten Baum dort hinten, sein Name ist Tibor, er ist auch so jung wie du und wir haben ihm noch nichts von Euch erzählt. Es tötet sich schwerer wenn man den Namen seines Opfers kennt. Aber bitte um Himmels Willen, bei dem grünen Moos im Wald, mach ihn nicht zu einem Sarg. Bäh bäh ein Mensch Pfui, ein Mensch in unseren Reihen und wir reden mit ihm. Pfui auf ihn. Nachdem ihr Menschen unseren alten Hubertus abgeholt habt hat seine Gemahlin Hilanopia ihre Äste solange hängen lassen und hat die Nahrung verweigert bis sie am Boden zerstört war, so arg hat ihr das Ableben ihres liebsten zugesetzt das sie jetzt dort unten bei dir verrottet. Also Mensch nimm dir einen und geh. Aber bitte um Himmels Willen um des grünen Mooses wegen in unserem Wald, zimmere ihn nicht zu einem Sarg. Alles nur kein Sarg.

Meine Kinder frieren, ich muss mich beeilen. Bäume können nicht sprechen, der Hunger hat mir die Sinne vernebelt und der Wind spielt sein Spielchen mit mir. Das hat mir der alte Horasio schon erzählt. Das wird es wohl sein. Der Hunger, der Wind, der Durst die Kälte. Hunger im dunklen Wald lockt den Wind herbei und man sieht Dinge die man nicht sehen will, hört Dinge die es nicht gibt. Ihr seid der Wind, meine Kinder frieren, Bäume sind nur zum wärmen da und wenn es zu heiß ist, dann sind sie da um groß zu sein und Schatten zu spenden.

Nein wir sind hier schon seit hunderten von Jahren, uns ist es gleich das ihr Herzen in unsere Haut geschnitzt habt, es war uns gleich das ihr uns des Regens überdrüssig gemacht habt. Mit Durst in den Wurzeln gingen wir schlafen und auch dafür hatten wir eine Lösung. Wir wuchsen nicht mehr. Mutter Natur lächelte uns an und gab uns in mühsamer Arbeit das zurück was uns zustand. Einen See, schau den Hügel hinunter. Das ist unser reich gedeckter Tisch. Uns geht es gut. Wir haben zu trinken und wir haben Euch. Unseren Fluch. Ja wir hegen Groll gegen Euch. Du hast es verstanden. Wir wollen Euch nicht hier, ihr wollt selbst nicht hier sein. Ihr seid vor langer Zeit von hier gegangen und habt Euer Recht zurückzukommen verwirkt.

Ich höre Euch nicht. Ihr seid Bäume, meine Kinder warten auf mich. Sie haben Hunger und frieren. Ich nehme einen von Euch mit und werde ihnen noch einen oder zwei Hasen erlegen. Das wird ein Schmaus. Ich höre Euch nicht. Ihr seid Bäume. Es ist der Wind. Nur der Wind wie der alte Horasio schon sagte. Der gute Horasio. Der Wind formt Worte durch Eure Äste und Blätter hindurch in meine Ohren. Würde er sein Unwesen woanders treiben, ja so würde ich nichts mehr hören. Bäume die reden, Bäume. Paah. Einen Hasen oder zwei, vielleicht ein Reh, ein junges. Bäume die Reden und als wenn das nicht genug wäre, sie reden mit mir. Zu mir. So etwas gibt es nicht. Nur der Wind, nur der Wind. Meine Kinder, es wird dunkel.

Welchen nehme ich denn nun, welchen sollte ich nehmen? Fast hätte ich mich überreden lassen an dem Werk des Windes etwas lebendiges zu erkennen.

Tibor mein Freund du bist nur einige Axthiebe von meinem Ofen entfernt. Keinen Sarg nur Asche...