Das Wertgesetz gilt ewig

Ein sozialistisches Wirtschaftssystem

Der Computerspezialist Paul Cockshott und der Ökonom Allin Cotrell haben ein Buch über sozialistische Planung und direkte Demokratie verfasst. In “Alternativen aus dem Rechner” entwerfen die beiden schottischen Autoren, deren Namen im Weiteren mit C&C abgekürzt werden, ein sozialistisches Wirtschaftssystem — durchaus nicht spekulativ aus dem Kopf. Sie benutzen, was im Schoße der alten Gesellschaft herangereift ist und gehen mit Realismus die Schwierigkeiten an, die von Utopisten gern verdrängt und an denen die Realsozialisten gescheitert sind.

Ausgehend von einem Zustand, in dem die Produktionsmittel vergesellschaftet sind, entwickeln sie ein Vergütungssystem, das den Beschäftigten Zeiteinheiten als Lohn gutschreibt. Das Besondere in diesem System ist, dass die Arbeitskraft sich nicht gegen sehr unterschiedliche Batzen Geld tauscht, wie in der kapitalistischen Marktwirtschaft, sondern gegen Gutscheine über die schlichte Dauer der Arbeitszeit. Arbeitskraft hört damit auf, eine Ware und bloßer Kostenfaktor zu sein, und wird anerkannt als das, was sie ist, als Wertbildner. Dem Austausch von Zeitäquivalenten legen die Autoren, wie sie sagen, die moralische Motivation zugrunde, dass eine Stunde Lebenszeit für jeden Menschen ein gleich hohes Gut ist. Da ökonomische Systeme nicht auf Moral gründen, ist es gut, dass die Autoren das Argument nachschieben, dass relative Gleichheit in der Einkommensverteilung ein stärkerer Motor für die ökonomische Entwicklung ist als sich vertiefende Klüfte.

Gutscheine statt Geld

In dem Sozialismusmodell der beiden Schotten gibt es kein Geld im herkömmlichen Sinne. Die Gutscheine eignen sich weder zur Schatzbildung noch zur Selbstverwertung. Sie gleichen dem “Arbeitsgeld” des britischen Ökonomen Owen, über das Marx bemerkt hat, dass es ebenso wenig Geld ist wie etwa eine Theatermarke und dass Owen unmittelbar vergesellschaftete Arbeit und damit eine der Warenproduktion diametral entgegen gesetzte Produktionsform voraussetze. Solches Geld “dient als reines Arbeitszertifikat, es konstatiert nur den individuellen Anteil des Produzenten an der Gemeinarbeit und seinen individuellen Anspruch auf den zur Konsumption bestimmten Teil des Gemeinprodukts.” Die Gutscheine von C&C können nur durch eigene Arbeit zu erworben werden, sind nicht übertragbar und haben unterschiedliche Verfallszeiten wie die Produkte auch. Sie können also nicht zu Kapital aufgehäuft werden und keine Herrschaft der vergangenen, toten Arbeit über die lebendige etablieren.

Arbeitswert statt Lohn

Für einen Gutschein über eine Stunde Arbeit kann der Inhaber Gebrauchswerte eintauschen, zu deren Herstellung im Durchschnitt eine Stunde benötigt wurden. Jedes Produkt erhält also notwendig einen Arbeitswert oder Zeitpreis. Es handelt sich dabei um eine kalkulatorische Größe, in der der Zeitaufwand für alle Prozessschritte aufsummiert wird, die zu seiner Fertigstellung führen. Dabei werden sowohl die Ausstattung des Arbeitsplatzes als auch der Wert der verbrauchten Materialien berücksichtigt. Ein einzelner Prozessschritt kann aus einfacher oder aus qualifizierter Arbeit bestehen. Im ersten Fall wird er direkt in Zeit gemessen, im zweiten Fall wird die Arbeitszeit multipliziert mit einem Faktor > 1. C&C zeigen auf, dass es mithilfe moderner Computer, dem Internet und einem Artikelnummersystem möglich ist, tagesaktuell für jedes Produkt den Arbeitswert festzustellen, genauer als in jedem kapitalistischen Unternehmen.

Es muss nicht jede Arbeitsstunde völlig gleich gewertet werden. Ohne Diskriminierung kann der eine willens sein, sich mehr anzustrengen, während der andere eine etwas ruhigere Kugel schieben möchte als normale Arbeiter. Der erstere erhält für seine Zeitstunde einen Gutschein über 80 Minuten, der zweite über 40 Minuten. Unterschiedliche Qualifikationen werden nicht extra vergütet, sie schlagen sich aber in unterschiedlichem Arbeitswert im Produkt nieder, ganz ähnlich wie teure Maschinen mehr Wert übertragen als einfache. Das erscheint gerechtfertigt, zumal die Zeit für die Ausbildung wie Arbeitszeit entgolten wird und die höhere Qualifikation fremde Ausbildungsarbeit absorbiert hat. Spezialisten, an denen Mangel besteht, können eine zusätzliche “Mangelrente” aus Steuermitteln beziehen.

Markt für Konsumgüter

Produktionsmittel werden bei C&C nicht als Waren produziert, sondern von einer zentralen Planungsinstanz in Auftrag gegeben und an die Betriebsstätten zugeteilt. Konsumgüter dagegen seien weiterhin Waren, weil sie für einen Markt produziert werden, schreiben C&C. Streng genommen ist das nicht richtig, denn sie sind nicht das Ergebnis von Privatarbeiten und sie tauschen sich weder gegen andere Konsumgüter noch gegen Geld, sondern ausschließlich gegen Bezugsscheine. Mit den Waren haben sie aber gemein, dass sie für den Markt erzeugt werden. Besondere Beachtung verdient ferner, dass sie nicht streng auf den Arbeitswert fixiert sind, sondern zum sog. Gleichgewichtspreis abgegeben werden, der somit in engen Grenzen um den Arbeitswert schwanken kann. Ein “Marktalgorithmus” lässt diesen Preis als Funktion des Konsumentenverhaltens variieren. Übersteigt die Nachfrage das Angebot, so wird er über den Arbeitswert angehoben, im umgekehrten Fall darunter abgesenkt. Ist das Verhältnis von Gleichgewichtspreis zum Arbeitswert für ein bestimmtes Produkt größer als 1[1], so erhalten die Planer dadurch den Hinweis, dass die Verbraucher bereit sind, etwas länger dafür zu arbeiten als durchschnittlich für seine Herstellung nötig ist. Sie reagieren mit einer Aufstockung der Mittelzuweisung, damit die Produktion dieses Erzeugnisses gesteigert werden kann. Der Mechanismus hat eine ähnliche Funktion wie die Profitabilität in der Marktwirtschaft. Bei C&C soll er Überschüsse an unerwünschten Gütern und Versorgungsengpässe oder Schlangenbildung, die der realsozialistischen Planwirtschaft immanent waren, vermeiden helfen.

Investitionen aus Steuermitteln

Natürlich hätte das C&C-System “sofort einen sehr bedenklichen Haken”, wie Engels gegen einen Vorläufer der C&C-Ökonomie eingewendet hat, wenn das ganze Produkt an die Produzenten verteilt und in den einzelnen Händen zersplittert würde. Die wichtigste progressive Funktion der Gesellschaft, die Akkumulation, würde ihr entzogen und sie bliebe so arm oder so reich wie sie war. So werden denn bei C&C Steuern erhoben für Infrastruktur, Gesundheitswesen, Ausbildung und andere Gemeinschaftsaufgaben. Insbesondere die Investitionen werden aus Steuermitteln bestritten. Das gesellschaftlich erarbeitete Mehrprodukt wird gesellschaftlich angeeignet und weder privat verfrühstückt, noch unter dem Gesichtspunkt des höheren Gewinns für einige wenige eingesetzt. Anders als in der kapitalistischen Wirtschaft kann es dann demokratischer Kontrolle unterliegen und die “Rechtlosigkeit der arbeitenden Masse”, die Papst Benedikt XVI. in seiner ersten Enzyklika beklagt hat, kann aufgehoben werden. Bei der Planung der Investitionen und der Nutzung der Ressourcen können Auswirkungen auf das Klima, die Umwelt und volkswirtschaftliche Kriterien berücksichtigt werden. Das System erlaubt eine unbegrenzte Entwicklung und gleichmäßigere Verteilung des Reichtums. Seine Funktionsweise vergrößert nicht notwendig den Gegensatz von arm und reich, wie es die kapitalistische Produktionsweise tut. C&C beschreiben nicht, wie die Produzenten die Kontrolle über die Festlegung und Verwendung des Mehrprodukts ausüben können. Immerhin sind die ökonomischen Verhältnisse transparent. Die Produzenten wissen, welchen Teil der Arbeitszeit sie für die eigne Konsumption arbeiten und welchen Teil sie für die Gemeinschaftsfonds abgeben.

Marxsche Arbeitswerttheorie für den Sozialismus

Arbeit und nur Arbeit bildet Wert

Die Autoren beziehen sich explizit auf die Arbeitswerttheorie von Karl Marx und postulieren deren Gültigkeit nicht nur für den Kapitalismus, sondern auch für den Sozialismus. Insbesondere vertreten C&C die Ansicht, dass die Produkte der Arbeit Wert haben und dass der Wert der Produkte als Parameter zur Steuerung der Produktion dient. Es versteht sich, dass C&C sich dadurch in Gegensatz zur bürgerlichen Wirtschaftslehre stellen, die die Wertkategorie überhaupt ignoriert. Viel bemerkenswerter ist, dass sie auch gegen die Realsozialisten und sogar gegen viele “westliche Marxisten” antreten, die mit den unterschiedlichsten Begründungen behaupten, dass der Wert in einer sozialistischen Ökonomie keine Rolle spiele. Am Wertbegriff scheiden sich instinktiv die Geister. Halten wir zunächst fest, dass Arbeit bei C&C in genau derselben Weise Wert bildet wie im Kapitalismus und der Warenproduktion überhaupt.

Im Einklang mit Marx legt man bei C&C Wert ferner darauf, dass Wert nur durch Arbeit[2] entsteht. Auch über diesen Punkt ist seit dem Beginn der Industrialisierung viel gestritten worden. Verschiedenste Zeugungswege sind ihm zugemutet worden. Die Ökonomen Smith, Ricardo und Marx stellten sich mit ihren Arbeitswertlehren auf den Standpunkt, dass Wert ausschließlich aus Arbeit entsteht, aus menschlicher Arbeit und dass er weder aus Besitz emaniert, noch am Halm wächst. Und obwohl dem Vernehmen nach Geld arbeiten soll, muss es das so heimlich tun, dass es auch die bürgerlichen Ökonomen noch nie dabei haben beobachten können.

Der Wert ist eine ideelle Größe und wird von C&C in Zeit gemessen. Der C&C-Arbeitswert der Produkte wird prinzipiell auf dieselbe Weise berechnet zustande, wie die Wertgröße der Waren bei Marx. Mit dem einzigen Unterschied, dass der Arbeitswert für jedes Produkt genauer berechnet werden kann.

Nur zweifach notwendige Arbeit bildet Wert

Arbeit und nur Arbeit bildet Wert, aber natürlich bildet nicht alle Arbeit Wert. Sie tut dies bei Marx nur, wo sie als notwendige Arbeit verausgabt wird. Beten und andere Vergnügungen zählen nicht dazu, selbst wenn man dabei hart arbeiten muss. Die Einschränkung auf notwendige Arbeit aber hat es in sich. Meist wird sie völlig außer Acht gelassen und bestenfalls auf einen ihrer Aspekte reduziert. Engels gibt zwei Hinweise darauf, was gesellschaftlich notwendige Arbeit ist: “Produziert also ein Privatproduzent nach alter Weise weiter, während die gesellschaftliche Produktionsweise fortschreitet, so wird ihm diese Differenz empfindlich fühlbar. Dasselbe geschieht, sobald die Gesamtheit der Privatanfertiger einer bestimmten Warengattung ein den gesellschaftlichen Bedarf überschießendes Quantum davon produziert.”[3] Der erste Hinweis bezieht sich auf den Arbeitsprozess, der zweite auf das Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Marx hat im ersten Fall davon gesprochen, dass die Arbeit “mit den vorhandenen gesellschaftlich-normalen Produktionsbedingungen und dem gesellschaftlichen Durchschnittsgrad von Geschick und Intensität”[4] ausgeführt wird. Erhöht sich die Produktivität, so nehmen die notwendige Arbeitszeit für ein bestimmtes Produkt und damit sein Wert ab. Denn “nicht die in den Produkten inkorporierte Arbeitszeit, sondern die gegenwärtig nötige Arbeitszeit ist das Wertbestimmende.”[5] Wäre es anders, so hätte das Ergebnis eines faulen Arbeiters mehr Wert als das eines fleißigen. Die zweite Bestimmung notwendiger Arbeit ist, dass sie nützlich und unmittelbar oder zumindest auf einem Umweg ein menschliches Bedürfnis befriedigen muss. Diese Anforderung erstreckt sich auf die Qualität und die Menge jedes Produkts.

Es handelt sich bei der notwendigen Arbeit also um zwei Bedingungen, die immer zugleich erfüllt sein müssen. Nutzlose Arbeit bildet keinen Wert und ein fauler Arbeiter erzeugt weniger Wert als ein fleißiger. Wert ist also nicht einfach geronnene Arbeit, wie oft behauptet wird, z.B. von S. Hirsch[6], sondern geronnene menschliche Arbeit, sofern sie in doppeltem Sinne notwendig ist. Maß des Wertes ist daher auch nicht die Arbeitszeit, sondern nur zweifach notwendige Arbeitszeit.

Man unterscheidet effektives Handeln von effizientem Tun, wofern man sich beim ersteren darauf konzentriert, die richtigen Dinge zu tun, und beim zweiten darauf achtet, die Dinge richtig zu machen. Effektivität ist das, was Marx unter Gebrauchswert und Engels unter Nutzeffekt verstanden haben. Effizienz ist ein moderner Ausdruck für die Marxsche Durchschnittsarbeit. Im Sinne dieser Kategorien bildet Arbeit nur Wert, wenn sie erstens effektiv eingesetzt wird, nützlich und in bedarfsgerechtem Umfang, und wenn sie zweitens effizient ist, sparsam mit den Ressourcen umgeht, geschulte Arbeiter und moderne Maschinen anwendet etc. pp. Wert kann man somit definieren als eine Messgröße für abstrakte Arbeit, die zweifach notwendig oder die zugleich effektiv und effizient ist.

Effizienz durch Wettbewerb

Hier ist eine Anmerkung angebracht. C&C berechnen den Arbeitswert Wert als Gesamtarbeitszeit, unterscheiden dabei aber nicht explizit zwischen faktisch verbrauchter und notwendiger Arbeitszeit. Marx macht diesen Unterschied, wie schon erwähnt, insofern “als der Wert einer Ware nicht durch das Quantum wirklich in ihr vergegenständlichter, sondern durch das Quantum der zu ihrer Produktion notwendigen lebendigen Arbeit bestimmt wird.” Der Unterschied fällt ins Gewicht, sobald es für ein bestimmtes Produkt verschiedene Hersteller gibt. Eine dynamische Ökonomie muss Kriterien haben, die rationellere von der rückständigen Produktionsweise zu unterscheiden. Immerhin weisen C&C darauf hin, dass die sozialistische Ökonomie sich hüten sollte, Alleinhersteller zuzulassen. Wo das vermieden wird, könnten die Arbeitswerte der verschiedenen Hersteller eines Produktes dann in der Zentrale zusammenlaufen und jeder Hersteller kann seinen individuellen Arbeitswert mit dem gewichteten Durchschnitt der Arbeitswerte der übrigen Hersteller, also mit der notwendigen Arbeitszeit vergleichen. Es versteht sich, dass dazu heute keine Zentrale nötig ist, sondern dass das Netzwerk der Hersteller den Informationssaustausch bewerkstelligen kann. Der Produktivitätsvergleich stiftet auf diese Weise eine Art, allerdings nicht ruinösen Wettbewerb. Mit dem Vergleich zwischen der wirklichen Arbeitszeit in einer bestimmten Produktionsstätte und der durchschnittlichen Arbeitszeit der Wettbewerber in der ganzen Gesellschaft ist ein echtes Maß für die Effizienz gewonnen.

Im Kapitalismus kann der Wert der Produkte nicht durch die notwendige Arbeitszeit berechnet werden. Jeder Unternehmer kann nur die Arbeitszeit messen, die in seinem Betrieb, also wirklich verausgabt wird. Wie viel aber gesellschaftlich oder durchschnittlich davon notwendig ist, lässt sich aus der Perspektive eines Privatunternehmens überhaupt nicht ersehen. Auch für die Materialien und Produktionsmittel kennt es nur die Preise, aber nicht die Werte. Der Preis unterscheidet sich vom Wert. Der Warenwert existiert nur in dem Auf und Ab der Preise. Der Wert ist das Gesetz der Bewegung, das die Preise durchlaufen. Der durch die Arbeitszeit bestimmte Wert der Waren ist nur ihr Durchschnittswert. Kompliziert wird die Aufgabe noch, weil zur Wertbestimmung nur einfache Durchschnittsarbeit zu veranschlagen und es ein Rätsel bleibt, durch welche Gewichtung kompliziertere Arbeit davon zu unterscheiden ist. Die Steuerung der kapitalistischen Ökonomie erfolgt ersatzweise über die Produktionskosten, die auf Preisen basieren, die nur im Mittel den Werten gleichkommen. Die Einführung von Arbeitswerten wäre also ökonomisch gesehen ein echter Fortschritt. Ein wichtiger Vorteil für die Produzenten bestünde darin, dass sie “der steigenden Produktivität ihrer Arbeit froh werden, statt dass sie jetzt im Verhältnis zu ihr fremden Reichtum, eigne Entwertung schaffen.” Denn eine Arbeitsstunde ergibt noch nach einem Jahr einen Gutschein über sechzig Minuten, dessen Kaufkraft aber ist im Verhältnis mit der Produktivität der Arbeit gewachsen.

Effektivität durch Gleichgewichtspreise

Die Effektivität ist schwieriger zu gewährleisten. Sie enthält einen qualitativen Aspekt, ob überhaupt ein Produkt auf ein bestehendes Bedürfnis zugeschnitten ist und wie gut es das Bedürfnis befriedigt, und einen quantitativen Aspekt, inwieweit für ein nützliches Gut Angebot und Nachfrage harmonieren. Beide Aspekte unterliegen dem Wandel und können prinzipiell nicht ohne Information vom Konsumenten bestimmt werden.

Der quantitative Aspekt der Effektivität kann gemessen werden durch das Verhältnis von “Gewünschter Anteil der Arbeit für ein Produkt” zu “Tatsächlich aufgewendeter Anteil der Arbeit für ein Produkt”. C&C verstehen den Gleichgewichtspreis als ein Maß für dieses Verhältnis. Die Preisform ist Marx zufolge “die adäquate Form einer Produktionsweise, worin sich die Regel nur als blindwirkendes Durchschnittsgesetz der Regellosigkeit durchsetzen kann.” Nun kann die Nachfrage nach vielen Konsumgütern sehr launisch sein. Sie lässt sich nur schwer anders als stochastisch im Voraus berechnen. Insofern erscheint die Preisform durchaus angemessene Methode, um die Effektivität nach ihrer quantitativen Seite zu beobachten. Wie der qualitative Aspekt der Effektivität berücksichtigt werden kann, ist damit freilich noch offen.

Das Wertgesetz ist ein Naturgesetz

Wert und Wertform unterscheiden

Wert ist ein heiß umkämpfter Begriff. Das ist kein Wunder, drückt er doch aus, welche Rolle die notwendige Arbeit in einer Gesellschaft spielt und wie sie auf ihre Glieder verteilt wird. Die Eigentümer von Grund und Kapital erkennen nicht an, dass Wert nur aus Verausgabung von lebendiger Arbeitskraft stammt. Sie erheben Anspruch auf das Ergebnis aktueller Arbeit auf Grund ihres Eigentums am Boden oder an den Produkten vergangener Arbeit. Der Grundbesitzer will seine Rente, der Kapitalist will seinen Zins. Die Sozialisten wollen beiden diesen Anspruch streitig machen. Sie vertreten, dass das gesellschaftlich erarbeitete Mehrprodukt gesellschaftlich verwaltet werden soll. Marx hat ihnen ein theoretisches Fundament dafür gelegt.

Allerdings geht es vielen Tuis gegen den Strich anzuerkennen, dass eine Arbeitstunde von ihnen genau so lange dauert wie eine Arbeitsstunde eines Fabrikarbeiters. Deshalb doktern sie ohne Unterlass an den Marxschen Kategorien herum. Da vermeinen die einen, bei Marx versteckte Hinweise darauf zu entdecken, “dass sich die Gleichheit der menschlichen Arbeit nicht auf physiologische Eigenschaften bezieht”, obwohl Marx eben dies behauptet expressis verbis: “Alle Arbeit ist … Verausgabung menschlicher Arbeitskraft im physiologischen Sinn, und in dieser Eigenschaft gleicher menschlicher oder abstrakt menschlicher Arbeit bildet sie den Warenwert.”[7] Andere anerkennen die abstrakte Arbeit als Wertbildner an, aber nur in der Warenproduktion. Wieder andere sind einverstanden, dass die Arbeit auch im Sozialismus Wert bildet, bestreiten aber dann das Wertgesetz. Dabei gehören die Marxschen Kategorien von Wert und Wertform und das Wertgesetz natürlich untrennbar zusammen, wie sollte es auch anders sein. Instinktiv aber lehnen die Exegeten in der einen oder anderen Form einen Massstab ab, der kein natürliches oder erworbenes Privileg, sondern nur die Zeit und nichts als die Zeit anerkennt als Maß für die private Aneignung gesellschaftlicher Erzeugnisse, der die Menschen nimmt, nicht ungleich, wie Gott sie geschaffen hat, sondern gleich vor der Verausgabung ihrer Lebenszeit für notwendige Tätigkeiten.

Schon einige Aussagen von Engels scheinen an dieser Auffassung deuteln. Eine Gesellschaft, die sich in den Besitz der Produktionsmittel begibt und sie in unmittelbarer Vergesellschaftung zur Produktion verwendet, schreibe den Produkten keine Werte zu.” Sie werde doch die einfache Tatsache, dass ein Stück Tuch zu seiner Herstellung soundso viel Arbeitsstunden gefordert habe, “nicht in der schielenden und sinnlosen Weise ausdrücken, sie seinen tausend Arbeitsstunden wert.” [8] Aber das tat Marx und genau das tun C&C. Sollten sie etwa sagen, das Tuch wäre tausend Stunden “lang” oder “geronnen”? Spaß beiseite, Engels Einwand geht gegen den Begriff von Wert und nicht gegen die Wortwahl. Für ihn ist der Wert selbst “der allgemeinste und daher umfassendste Ausdruck der ökonomischen Bedingungen der Warenproduktion. Im Wertbegriff ist daher der Keim enthalten, nicht nur des Geldes, sondern auch aller weiter entwickelten Formen der Warenproduktion und des Warenaustausches.”[9] Marx hat das anders beurteilt und schließlich einen prinzipiellen Unterschied gemacht zwischen dem Wert als einer ökonomischen Grundkategorie, und seinen Formen, die sich mit den Produktionsverhältnissen ändern. “Die wenigen Ökonomen, die sich … mit der Analyse der Wertform beschäftigt haben, konnten zu keinem Resultat kommen, einmal, weil sie Wert und Wertform verwechseln.”. Marx äußert dann auf Grund dieser Unterscheidung in einem ganz ähnlichen Zusammenhang wie Engels, dass die Wertform der Produkte und nicht der Wertbegriff “die abstrakteste, aber auch allgemeinste Form der bürgerlichen Produktionsweise (ist), die hierdurch … historisch charakterisiert wird.”[10] Und der Tauschwert sei nur die charakteristische Wertform für die Warenproduktion. Die wissenschaftliche Untersuchung führe zwar “zum Tauschwert als der notwendigen Ausdrucksweise oder Erscheinungsform des Warenwerts, welcher zunächst jedoch unabhängig von dieser Form zu betrachten ist.”[11] Ein Gebrauchswert hat nur einen Wert, weil abstrakt menschliche Arbeit in ihm vergegenständlicht ist.”

Wertform und Gesellschaft

Wert ist demnach eine ideelle ökonomische Grundkategorie. Wertformen sind die dem historischen Wandel unterworfenen Formen, in denen der Wert zum Ausdruck kommt. Im Lichte der Unterscheidung von Wert und Wertform lassen sich häufige Missverständnisse vermeiden, etwa die Behauptung, dass Marx “Wert” in einem doppelten Sinn verwende: Wert sei einmal geronnene menschliche Arbeit, dann wieder ein gesellschaftliches Verhältnis. Das verträgt sich freilich nicht. Denn wenn der Wert der Warenproduktion eigentümlich ist, dann müsste ja Arbeit nach Aufhebung der Warenproduktion aufhören, zu Wert zu gerinnen. Tatsächlich sagt Marx weder, dass der Wert, noch dass die Wertform ein gesellschaftliches Verhältnis “ist”, sondern dass sich hinter der jeweiligen Wertform ein spezifisches “gesellschaftliches Verhältnis verbirgt”. Dafür gibt es zahlreiche Belege. “Wenn daher Galiani sagt: Der Wert ist ein Verhältnis zwischen Personen, so hätte er hinzufügen müssen: unter dinglicher Hülle verstecktes Verhältnis”.[12] An einer anderen Stelle heißt es, dass die “fertige Form — die Geldform — der Warenwelt, welche … die gesellschaftlichen Verhältnisse der Privatarbeiter sachlich verschleiert, statt sie zu offenbaren.”[13] Marx hält sich gerade diese Unterscheidung als seine besondere Leistung zugute. Es sei ein Grundmangel der klassischen politischen Ökonomie, dass es ihr nie gelang, aus der Analyse des Warenwerts “die Form des Werts, die ihn eben zum Tauschwert macht herauszufinden.”[14] Die Geldform des Dings sei “bloße Erscheinungsform dahinter versteckter menschlicher Verhältnisse”.[15]

Der Wert nimmt in der kapitalistischen Warengesellschaft verschiedene Formen an, die Form des Tauschwertes, sowie die Geld- und die Kapitalform. Marx sagt, dass “Tauschwert eine bestimmte gesellschaftliche Manier ist, die auf ein Ding verwandte Arbeit auszudrücken”, dass aber der Wert unabhängig von dieser Form zu betrachten ist. Der Wert ist nicht a priori ein Geldkeim, wie Engels meinte, sondern ein Maß für abstrakte Arbeit, ganz so wie Länge ein Maß für eine Ausdehnung ist. Er verliert auch in einer Gesellschaft frei assoziierter Produzenten nicht seinen Sinn. Die Wertformen dagegen ändern sich und der Tauschwert als die spezifische Form des Warenwerts unter bürgerlichen Produktionsverhältnissen wird obsolet oder aufgehoben oder negiert, wie immer man will. Sie verliert ihre Gegenständlichkeit. In der C&C-Ökonomie wird sie durch den Arbeitswert ersetzt und der Wert dient in dieser Form nach wie vor dazu, die Produktion zu steuern. Eigentlich braucht das niemanden zu irritieren, denn die Probleme der kapitalistischen Gesellschaft entstehen absolut nicht daraus, dass die Arbeit Wert bildet, sondern daraus, dass sie Wert bildet, aber nur für ihre Kosten bezahlt wird.

Das Allokationsproblem

Der Wert erhält seinen Sinn erst im Zusammenhang mit dem so genannten Allokationsproblem. Wie können die Bedürfnisse einer Gesellschaft erfüllt werden, die sich nur durch Arbeit befriedigen lassen, wenn keine Heinzelmännchen die Arbeit abnehmen? Es stellt sich in jeder Gesellschaft, sobald sie eine gewisse Vielfalt von Bedürfnissen entwickelt hat, zu deren Befriedigung unterschiedliche Produkte benötigt und die mit unterschiedlichen Hilfsmitteln und Tätigkeiten herstellt werden. Da das Arbeitsvermögen jeder Gesellschaft begrenzt ist, muss es irgendwie auf die benötigten Produkte aufgeteilt werden.

Diesen Zusammenhang zwischen den notwendigen Produkten und dem Arbeitsvermögen hat Marx als Wertgesetz bezeichnet. In einem deftigen Brief vom 11.7.1868 an seinen Freund und Mitstreiter Kugelmann hat er es klar formuliert und in den Rang eines Naturgesetzes erhoben: jedes Kind wisse, “dass die den verschiednen Bedürfnismassen entsprechenden Massen von Produkten verschiedene und quantitativ bestimmte Massen der gesellschaftlichen Gesamtarbeit erheischen. Dass diese Notwendigkeit der Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit in bestimmten Proportionen durchaus nicht durch die bestimmte Form der gesellschaftlichen Produktion aufgehoben, sondern nur ihre Erscheinungsweise ändern kann, ist self-evident. Naturgesetze können überhaupt nicht aufgehoben werden. Was sich in historisch verschiedenen Zuständen ändern kann, ist nur die Form, worin sich jene Gesetze durchsetzen. Und die Form, worin sich die proportionelle Verteilung der Arbeit durchsetzt in einem Gesellschaftszustand, worin der Zusammenhang der gesellschaftlichen Arbeit sich als Privataustausch der individuellen Arbeitsprodukte geltend macht, ist eben der Tauschwert dieser Produkte. Die Wissenschaft besteht eben darin, zu entwickeln, wie sich das Wertgesetz durchsetzt.”[16]

Wertgesetz unter verschiedenen Produktionsverhältnissen

Marx skizziert in seinem Hauptwerk “Das Kapital”, in dem berühmten Kapitel über die Ware, auch, wie sich das Wertgesetz unter verschiedenen Produktionsverhältnissen durchsetzt. Zuerst kommentiert [17] er die seinerzeit in der politischen Ökonomie beliebten Robinsonaden. Die Not zwinge Robinson, seine Zeit genau einzuteilen, um seine verschiedenen Bedürfnisse zu befriedigen. Er führe bald Buch über sich, lege ein Inventar seiner Gebrauchsgegenstände an, eine Liste der Verrichtungen und notiere die Arbeitszeit, “die ihm bestimmte Quanta der verschiedenen Produkte im Durchschnitt kosten.” Die Beziehungen in dieser Ökonomie seien zwar einfach und durchsichtig, “und dennoch sind darin alle wesentlichen Bestimmungen des Werts enthalten”, meint Marx. Die Bestimmungen des Werts machen seinen Begriff aus. Halten wir also fest, dass Wert für Marx weder an gesellschaftliche Produktion, noch an Arbeitsteilung und schon gar nicht an die Warenproduktion gebunden ist. Freitag wird nicht erwähnt. Robinson übt selbst die verschiedenen Tätigkeiten aus. Er stellt keine Waren her, da es nichts zu tauschen gibt und er alles selbst konsumiert. Seine Produkte haben daher keinen Tauschwert, aber sie haben Wert. Ihr Wert erscheint in Robinsons Hauptbuch in den Arbeitszeitkontingenten, die er für ihre Herstellung reserviert. Sie sind die ganz natürliche Wertform seiner Produkte. Wert haben alle benötigten Produkte und nur diese und nur in den notwendigen Mengen. Ihr Gesamtwert ist die erforderliche Gesamtarbeitszeit und der Wert jedes einzelnen Produkts entspricht seinem Anteil an der Gesamtarbeitszeit. Das ist die Werttheorie von Marx in einem Satz. Wenn Robinson alles richtig berechnet hat und es ihm gelingt, seine Produktivität aufrechtzuerhalten, ist seine ökonomische Existenz gesichert.

Das nächste Beispiel[18] ist eine Bauernfamilie im Mittelalter, die Frondienste zu leisten hat. Ihr Leben ist durch persönliche Abhängigkeit vom Grundherrn charakterisiert. Die Abgaben werden daher in ihrer Naturalform entrichtet und müssen sich nicht gegen eine allgemeine Äquivalentform, wie Geld, tauschen. Dennoch wird die Fronarbeit ebenso gut durch die Zeit gemessen wie die Waren produzierende Arbeit. Der Leibeigene weiß, dass er ein bestimmtes Quantum seiner Arbeitszeit im Dienste seines Herrn verausgaben muss. Der Pfaffe verlangt obendrein den Zehnten. Auch in dieser Ökonomie ist die Arbeitskraft keine Ware. Die Arbeit wird als abstrakte Arbeit in Zeit quantifiziert, nimmt aber nicht die Geldform an. Ein Teil des Arbeitsergebnisses wird für den Austausch produziert, gleichwohl nicht als Ware.

In der Warenproduktion nehme der Wert dann erst die Form des Tauschwerts an, die sein Wesen als abstrakte Arbeit mystifiziere. Die persönlichen Abhängigkeiten zwischen Lohnarbeiter und Kapitalist erscheinen hier als Tausch von Arbeitskraft und Lohn und verschwinden damit hinter Beziehungen zwischen Sachen. “Die Bestimmung der Wertgröße durch die Arbeitszeit ist daher ein unter den erscheinenden Bewegungen der relativen Warenwerte verstecktes Geheimnis.”[19] Dennoch werden die unabhängig voneinander betriebenen aber allseitig voneinander abhängigen Privatarbeiten fortwährend auf die zu ihrer Produktion gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, und damit auf ihren Wert reduziert. “In den zufälligen und stets schwankenden Austauschverhältnissen setzt sich hinter dem Rücken der Produzenten die Arbeitszeit als regelndes Naturgesetz gewaltsam durch.” Das Wertgesetz stutzt die Preise der Waren so zurecht, dass sie im Durchschnitt dem Anteil am gesamtgesellschaftlichen Arbeitsvermögen, also ihrem Wert gleichkommen.

Schließlich stellt Marx einen “Verein freier Menschen vor, die mit gemeinschaftlichen Produktionsmitteln arbeiten und ihre vielen individuellen Arbeitskräfte selbstbewusst als eine gesellschaftliche Arbeitskraft verausgaben. Alle Bestimmungen von Robinsons Arbeit wiederholen sich hier, nur gesellschaftlich statt individuell.” Das ändert nichts an der Herrschaft des Wertgesetzes, sondern nur seine Wirkungsweise. “Alle Produkte Robinsons waren sein ausschließlich persönliches Produkt und daher unmittelbar Gebrauchsgegenstände für ihn. Das Gesamtprodukt des Vereins ist ein gesellschaftliches Produkt. Ein Teil dieses Produkts dient wieder als Produktionsmittel. Er bleibt gesellschaftlich. Aber ein anderer Teil wird als Lebensmittel von den Vereinsmitgliedern verzehrt. Er muss wieder unter sie verteilt werden.” Der Arbeitszeit kommt dabei wieder die maßgebliche Rolle zu. “Ihre gesellschaftliche Verteilung regelt die richtige Proportion der verschiednen Arbeitsfunktionen zu den verschiedenen Bedürfnissen.” Der Wert würde unter diesen Verhältnissen wieder direkt erscheinen als das, was er ist - als notwendige Arbeitszeit. Die Art der Verteilung der Lebensmittel kann unterschiedlich geregelt sein. Der Anteil jedes Produzenten an ihnen kann, muss aber nicht durch seine individuelle Arbeitszeit bestimmt werden. Wenn die Distribution nach dem Leistungsprinzip erfolgt, was Marx für den Sozialismus erwartet, dann erkennt sie “die ungleiche individuelle Begabung und daher Leistungsfähigkeit der Arbeiter als natürliche Privilegien an.”[20]

Selbstverständlich soll jeder seine eigene Vorstellung vom Wert haben und sich sein Wertgesetz nach Belieben zurechttrimmen. Aber wer behauptet, dass Marx seinen Begriff von Wert und Wertgesetz für die Warenproduktion reserviert hätte, der versucht offenbar, ihn gegen den Strich zu bürsten.

Historische Entwicklung des Wertgesetzes in der Warenproduktion

Nicht der Inhalt, sondern nur die Form des Werts ändert sich mit den Produktionsverhältnissen und mit ihm die Weise, wie sich das Wertgesetz durchsetzt. Engels hat im historischen Rückblick sehr anschaulich beschrieben, wie es zur Mystifikation des Wertes gekommen ist, und dass das Marxsche Wertgesetz allgemein gelte, “soweit überhaupt ökonomische Gesetze gelten, jedenfalls für die ganze Periode der einfachen Warenproduktion”. Er berücksichtigt hier allerdings nur den Aspekt, der oben Effizienz genannt wurde. “Während einer Zeit von fünf bis sieben Jahrtausenden wurde der Wert der Waren direkt durch die Arbeitszeit bestimmt. Solange nur wenige Gegenstände hergestellt und getauscht wurden, war den Leuten die dazu erforderliche Arbeitszeit bekannt. Im Zuge der Ausweitung der Produktion und des Austausches half man sich mit Äquivalentwaren. Das Vieh z.B. konnte nur zur ziemlich allgemein anerkannten Geldware werden, weil der Wert des Viehs, sein Austauschverhältnis zu einer Reihe von Waren eine widerspruchlose Festlegung erlangt hatte. Mit der abermaligen Erweiterung des Handels und insbesondere mit dem Eintritt der kapitalistischen Produktion ließ sich die zur Herstellung notwendige Arbeitszeit nicht mehr kontrollieren. In dieser Periode erwies sich der Übergang zum Metallgeld als der wichtigste und einschneidendste Fortschritt. Es erlaubte eine bessere Anpassung an das Wertgesetz, weil es anders als ein Vieh homogen und teilbar ist. Das Geld wurde nun für die praktische Auffassung der entscheidende Wertmesser. Das hatte aber auch zur Folge, dass, obwohl allein die Arbeit Wert bildend, nun die Wertbestimmung durch die Arbeitszeit nicht länger auf der Oberfläche des Warenaustausches sichtbar erschien und später erst wieder durch mühsame theoretische Untersuchung aus der alltäglichen Praxis abstrahiert werden musste.”[21] Das haben dann Smith, Ricardo und Marx zustande gebracht.

Analyse des Tauschwerts

Marx hat sich im “Kapital” die Aufgabe gestellt aufzuzeigen, wie sich das Wertgesetz in der kapitalistischen Ordnung durchsetzt. Er hat keine explizite Definition des Wertbegriffs gegeben. Da es sich nicht um eine empirische Größe handelt, kann man sie überhaupt nur durch wissenschaftliche Abstraktion erschließen. Hier eine saloppe Paraphrase des Marxschen Lösungswegs: dem Wesen des Werts kann man nur durch Analyse der Formen beikommen, die der Wert annimmt. Eine solche Wertform ist der Tauschwert, der z.B. ein Haus = soundso viele Ochsen setzt. Das ist doch verrückt, sagt Marx, hier werden offenbar verschiedene Dinge gleichgesetzt. Wenn die Leute es dennoch tun, dann deshalb, weil sie die verschiedenen Sachen unausgesprochen und vielleicht sogar unbewusst hinsichtlich einer Bestimmung vergleichen, die sie gemeinsam haben. Der Tauschwert kann überhaupt nur die Ausdrucksweise, die ‚Erscheinungsform’ eines von ihm unterscheidbaren Gehalts sein.[22] Und was ist der Gehalt? “Das Gemeinsame, was sich im Austauschverhältnis oder Tauschwert der Ware darstellt, ist also ihr Wert.”[23] Und das einzige, was allen Waren gemeinsam zukommt, ist, dass sie durch Arbeit entstehen. Folglich haben Güter nur Wert, weil und insofern in ihnen menschliche Arbeitskraft verausgabt ist. Marx führt hierfür die Bezeichnung “abstrakte Arbeit” ein. Wert steht also für eine Menge abstrakter Arbeit und die Größe des Werts wird in Arbeitszeit gemessen oder geschätzt.

Marx hat keine explizite Definition für Wert gegeben. Wert ist ein ideeller Begriff. Alle seine wesentlichen Bestimmungen sind in der Robinsonade enthalten. Sein Inhalt ist zweifach notwendige Arbeit. Er wird benötigt zur Lösung des Allokationsproblems. Die Wertgröße ist ein synthetisches Maß für die in einem Produkt effizient und effektiv verausgabte Arbeitszeit. Der Wert eines Produkts ist daher immer eine relative Größe, er repräsentiert den notwendigen Anteil am gesamten Arbeitsvermögen.

Die Wertform ist die Form, die der Wert annimmt, wie er sich ausdrückt. In der Warenproduktion ist er nicht direkt erkennbar, sondern erscheint in etwas anderem. Solche Ausdruckweisen sind nicht beliebig, sondern spezifisch für die jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse, unter denen produziert wird. Durch Untersuchung der Wertformen lassen sich diese Verhältnisse erschließen. Wenn der Wert eines Hauses in einer anderen Ware wie Vieh, Wein oder in Geld angegeben wird, dann haben wir es notwenig mit einer Warengesellschaft zu tun. Wenn dagegen der Wert direkt als Arbeitswert a la C&C erscheint, dann kann es sich nur um das Arbeitsprodukt eines Vereins freier Menschen handeln, die mit gemeinschaftlichen Produktionsmitteln arbeiten.

Der Arbeitswert ist ein synthetisches Maß und legt als solches die spezifische Erscheinungsform des Werts in der C&C-Ökonomie fest. Er ist wie das Geld in der entwickelten Warenproduktion eine allgemeine Äquivalentform für die Produkte der Arbeit - allerdings ohne selbst Geld zu sein. Denn Geld ist gerade eine allgemeine Äquivalentform, die den Wert in einer von der Arbeitszeit verschiedenen Form ausdrückt. Im Arbeitswert hingegen erscheint der Wert als das, was er ist — als notwenige Arbeitszeit.

Realsozialismus und Wertgesetz

C&C stellen ihrem Werk Bemerkungen voran, dass am Realen Sozialismus substantielle Kritik geleistet werden müsse und dass jeder postsowjetische Sozialismus eine radikale Demokratie und eine effiziente Planung zu verwirklichen hätte. Insbesondere halten sie es für notwendig, dass die Arbeitswerttheorie auf den Sozialismus angewendet wird und dass sich die sozialistische Ökonomie vom Wertgesetz und seiner Forderung nach effizientem und effektivem Einsatz des gesellschaftlichen Arbeitsvermögens leiten lässt. Und sie fordern zweitens, dass die Kritik Lenins an der repräsentativen Staatsführung neu geschrieben und radikalisiert werden müsse. Schließlich drängen sie darauf, dass ein modernes sozialistisches Programm Arbeitswerttheorie, kybernetische Regulierung und partizipative Demokratie miteinander verbindet.

Substanzielle Kritik muss das Ende enthalten

In der Tat tut substanzielle Kritik am realen Sozialismus not. Aber substanzielle Kritik kann sich nicht in einer Fehleranalyse erschöpfen. Die Vorstellung, dass das sowjetische System an Fehlern zugrunde gegangen sei, “an Tendenzen, den Markt zu beleben, anstatt den Planungsprozess zu vertiefen” etc, erhellt nichts. Ein Gesellschaftssystem ist im Wesentlichen als fehlertolerant anzusehen. Es überlebt stets mit seinen Fehlern. Ein Mehr oder Weniger des einen oder anderen, ein weiterer oder geringerer Abstand der Wirklichkeit von seinem gedachten Idealzustand ist kein hinreichender Grund für einen Systemkollaps. “Eine Gesellschaftsformation geht nie unter”, schrieb Marx, “bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoße der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind.”[24] Marx zufolge müsste man also davon ausgehen, dass der reale Sozialismus alle Produktivkräfte entwickelt hat, für die er weit genug war. In der Tat muss man anerkennen, dass er mit der sowjetischen Ökonomie eine gewaltige Aufbauleistung erbracht hat. Aber man muss zweitens gleichermaßen klar sehen, dass er sich erschöpft hat, ohne die Bedingungen für höhere Produktionsverhältnisse hervorzubringen. Jeder Versuch, heute ein sozialistisches Programm zu entwerfen, muss daher zum Ausgangspunkt haben, dass der reale Sozialismus historisch erledigt und jeder Wiederbelebungsversuch hoffnungslos ist, dass sein Auftreten historisch so berechtigt wie sein Untergang unvermeidbar war.

Eine marxistische Kritik hätte demnach zum Ausgangspunkt, dass der reale Sozialismus weder an seinen Fehlern und Schwächen zu Grunde gegangen ist, noch dass er entwicklungsfähig war. Sie muss versuchen, die Geschichte des Realen Sozialismus aus seinem inneren Bewegungsgesetz zu erklären, und zwar so, dass seine Grenzen und der Hang zum Untergang erkennbar werden. Der reale Sozialismus ist an sich selbst, an seinem System zugrunde gegangen. Tatsächlich hat die sowjetische Führung mehreren fundamentalen Prinzipien der sozialistischen Theorie eine Absage erteilt, insbesondere dem Wertgesetz und dem Absterben des Staates. Eine Gesellschaftsordnung ist aber kein Menü, das sich wahlweise um Vorzüge ergänzen oder von Missständen befreien ließe. C&C weisen ganz richtig darauf hin, dass Wertgesetz und partizipative Demokratie notwendig sind und dass ein enger Zusammenhang zwischen beiden besteht. Solange eine Gesellschaft keine Möglichkeiten besitzt, Kontrolle auf den Staat auszuüben, kann Verstaatlichung nur der Form nach als Vergesellschaftung angesehen werden. Staat ist nicht Volk und Staatseigentum ist keineswegs Volkseigentum. Das ist nicht zuletzt die bittere Erfahrung aus zwei Dekaden der Privatisierung öffentlichen Eigentums in Ost und West. Daraus folgt sofort, dass die Beschränkung der Antikapitalismusdebatte auf die Überwindung der privaten Aneignung und die Einrichtung einer zentralen Wirtschaftsplanung perspektivlos ist.

Negation von Wert und Wertgesetz schlechthin

In der SU war die Gültigkeit der Kategorien Wert, Wertform und Wertgesetz theoretisch anfangs umstritten. Allerdings haben sich die Leute, die ihr Fortbestehen behaupteten, nicht durchsetzen können. Immerhin erkannte Stalin an, dass das Wertgesetz in der Sowjetunion in begrenztem Umfang weiterwirkt. Es reguliere den Konsumgütersektor und sorge dort für effiziente Betriebsführung. Stalin beklagte sogar, dass die sowjetischen Wirtschaftler und Planer die Wirkung des Wertgesetzes nicht richtig studieren und berücksichtigen würden. Es komme vor, dass Brot billiger sei als Getreide. Insgesamt aber sei der Wirkungsbereich des Gesetzes streng begrenzt und es bestehe nur als Relikt aus dem Kapitalismus, sozusagen als nicht bewältigte Vergangenheit fort. In der Produktionsmittelindustrie, in der keine Waren hergestellt werden, gelte es schon nicht mehr. Stalin hat sogar postuliert, dass die Jahres- und Fünfjahrespläne und die ganze sozialistische Wirtschaftspolitik dem Wertgesetz entgegenstehen müssen. Auf eine kurze Formel gebracht, wo Plan herrscht, ist das Wertgesetz aufgehoben, es gilt, wo für den Markt produziert wird.

1950 hat Stalin einen Grundsatzbeitrag zu ökonomischen Problemen in der UdSSR verfasst, worin er mit großer Bestimmtheit das Fortbestehen des Wertes und des Wertgesetzes im Sozialismus verneinte. “In der zweiten Phase der kommunistischen Gesellschaft wird die Menge der für die Herstellung der Produkte aufgewandten Arbeit nicht auf einem Umwege gemessen werden, nicht vermittelst des Wertes … sondern direkt und unmittelbar durch die zur Herstellung der Produkte verausgabte Menge der Zeit.”[25]

Das ist offenbar in Anlehnung an die oben zitierte Stelle von Engels formuliert und mit dem Marxschen Verständnis vom Wert in mehrfacher Hinsicht nicht unter einen Hut zu bringen. Denn erstens ist Wert kein Mittel und man kann ebenso wenig “vermittelst des Wertes” messen, wie vermittelst der Länge oder der Schwere. Wert ist der Anteil zweifach notwendiger Arbeit am gesamtgesellschaftlichen Arbeitsvermögen. Um die verausgabte Zeit zu messen, benötigt man eine Uhr. Und einen Rechenstift.

Messen kann man zweitens nur die Menge der wirklich aufgewandten Arbeit für ein individuelles Produkt. Die wirkliche Arbeitszeit ist im Allgemeinen verschieden von der notwendigen Arbeit. Zwei völlig gleiche Produkte aus verschiedenen Chargen können unterschiedliche wirkliche Arbeitszeit enthalten, je nach Intensität der Arbeit und Art der eingesetzten Maschinen. Die wirkliche Arbeitszeit ist daher ungeeignet, um Preise festzulegen oder einen Produktionsplan aufzustellen. Für diese Zwecke benötigt man die Arbeitszeit, die im Durchschnitt, besser noch im gewichteten Mittel benötigt wird. Wenn dabei alle Umstände berücksichtigt werden, wie Qualifikation, Intensität und Organisation der Arbeit sowie der Einsatz von Hilfsmitteln, dann entspricht diese Arbeitszeit gerade dem Wert des Produkts.

Drittens ist diese Art der Berechnung des Wertes kein Umweg. Die marxistische Wissenschaft hat umgekehrt aufgezeigt, dass es ein Umweg ist, den Wert in Gestalt des Geldes zu vergegenständlichen. Aber dieser Umweg war historisch notwendig und ein Fortschritt. Die Waren produzierende Gesellschaft hatte überhaupt keine andere Wahl als den indirekten Ausdruck des Warenwertes in einer anderen Ware oder in Geld. Erst heute ist dank der Computertechnologie möglich, den Wert auf der Basis von Zeitmessungen zu bestimmen. Allerdings kann die Arbeitszeit nur in Ausnahmefällen gemessen werden, im allgemeinen Fall muss sie aus Messwerten durch einen komplexen Prozess berechnet werden.

Was nun das Wertgesetz betrifft, so wird es implizite ignoriert, wenn man wie Stalin vorschlägt, nur die direkt und unmittelbar zur Herstellung der Produkte verausgabte Arbeitszeit berücksichtigt, also die wirkliche und nicht die notwendige. Das Wertgesetz fordert den effizienten und effektiven Einsatz der gesellschaftlichen Arbeitskraft. Effizient ist der Einsatz nur, wenn die wirklich verbrauchte Arbeitszeit unter oder höchstens wenig über der durchschnittlichen Arbeitszeit liegt. Dazu muss man beide Arbeitszeiten, die wirkliche und die notwendige bestimmen und miteinander vergleichen.

Stalin hat auch die zweite Forderung des Wertgesetzes, die nach Effektivität des Arbeitseinsatzes prinzipiell und kategorisch zurückgewiesen: “Man sagt, das Wertgesetz sei ein ständiges Gesetz, das für alle Perioden der historischen Entwicklung unbedingt gültig sei, das Wertgesetz bleibe, auch wenn es in der Periode … der kommunistischen Gesellschaft seine Kraft als Regulator der Tauschbeziehungen verliert, in dieser Entwicklungsphase doch in Kraft als Regulator … der Verteilung der Arbeit zwischen den verschiedenen Produktionszweigen. Das ist völlig falsch. Der Wert ist, wie auch das Wertgesetz, eine historische Kategorie, die mit der Existenz der Warenproduktion verbunden ist. Mit dem Verschwinden der Warenproduktion verschwinden auch der Wert mit seinen Formen und das Wertgesetz.”[26] Aus dem weiteren Text geht hervor, dass Stalin Effektivität mit Rentabilität gleichsetzt, worunter ein Maß für das Mehrprodukt zu verstehen ist. Marx ging es um etwas anderes: “Zweitens bleibt nach Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise, aber mit Beibehaltung gesellschaftlicher Produktion, die Wertbestimmung vorherrschend in dem Sinn, dass die Regelung der Arbeitszeit und die Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit unter die verschiedenen Produktionsgruppen, endlich die Buchführung hierüber, wesentlicher denn je wird.”[27] Womit er sagt, dass sich das Wertgesetz im Sozialismus vor allem um die Effektivität der Arbeit dreht.

Ökonomie gegen das Wertgesetz

Der sowjetische Sozialismus hat sich sehr früh auf die Theorie der ultimativen Stärkung des Staates und einer Ökonomie nach Plan ohne Rücksicht auf das Wertgesetz gestützt. Diese beiden wesentlichen Elemente stehen im Widerspruch zur marxistischen Theorie, passen aber zusammen. Es hat sich gezeigt, dass das Wertgesetz auf einer unteren Stufe der Entwicklung unter Einsatz von viel Zwang für einen forcierten Aufbau der Schwerindustrie, unter den Bedingungen eines nationalen Verteidigungskrieges und wohl auch zum Zwecke der Durchführung von Rüstungs- und Raumfahrttechnischen Großprojekten eine Zeit ignoriert werden kann. Außer Kraft gesetzt werden kann es nicht. Es ist der SU auf diesem Weg zunächst gelungen, die Grundversorgung der Bevölkerung sicherzustellen und ihren Entwicklungsrückstand gegenüber den fortgeschrittenen kapitalistischen Staaten aufzuholen und ein Imperium aufzubauen, so dass sie sich schließlich brüstete, den Westen überholen zu können. Sie ist dann aber kläglich zurückgefallen, just als es darum ging, differenzierte Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen.

Die Marxsche Formel für die Distribution im Sozialismus ist: “Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung”. Eine Verteilung der Lebensmittel nach Leistung kann freilich nur vor sich gehen, wenn man sie misst und wenn man ein Maß für die Produkte hat. Stalin hat dagegen gehalten, dass die Produkte der Arbeit in der Sowjetunion keinen oder nur noch vorübergehend einen Wert haben. Es wäre sicher töricht, Stalin über Marxismus belehren zu wollen. Viel verständiger scheint es, wie Marx uns lehrt, eben die schlechthinnige Negation des Wertes selbst als die spezifische Wertform und als den Ausdruck der gesellschaftlichen Verhältnisse zu nehmen, die sich im Realen Sozialismus dahinter verbergen.

Das Wertgesetz vermittelt das gesellschaftliche Arbeitsvermögen mit den individuellen und gesellschaftlichen Bedürfnissen. Es nimmt die Form eines gigantischen Input-Output-Planes an, der die Arbeitskräfte den benötigten Produkten zuordnet. Die Messung der wirklichen Arbeitszeit für ein Produkt und der Vergleich mit seinem Wert erlaubt es festzustellen, ob die Arbeit effizient ist. Die Produzenten wollen selbstverständlich rationell produzieren, wenn Rationalisierung nicht mit dem Risiko der Arbeitslosigkeit verbunden ist. Und die Produzenten wollen auch Einfluss darauf nehmen, welcher Anteil für den Konsum, und welcher Anteil auf die verschiedenen gesellschaftlichen Aufgaben wie Investition, Bildung und Gesundheitswesen entfallen.

Beim Realen Sozialismus handelt es sich um eine Gesellschaftsform, die sich über den Wert der Produkte und die Wertbildung der Arbeit keine Rechenschaft abgelegt hat. Die Produzenten konnten nicht feststellen, ob sie effizient arbeiten, konnten nicht vergleichen, wie lange sie tatsächlich an einem Produkt arbeiten und welcher Teil durchschnittlich notwendig war. Es war nicht transparent, welcher Teil ihrer Arbeit zum Mehrprodukt gehörte, den der Staat aneignet, und welchen sie für sich arbeiten. Es handelte sich um einen Staat, der nicht offenbaren konnte und wollte, dass letztlich 60% des gesellschaftlichen Arbeitsvermögens in der Rüstung absorbiert wurde.

Die Gültigkeit des Wertgesetzes zu bestreiten, läuft darauf hinaus, dem Produktionsprozess die Transparenz zu nehmen und den unmittelbaren Produzenten den Einfluss darauf zu verweigern, in welche Wirtschaftszweige investiert wird. Die Disponenten der Arbeit stehen den Produzenten ebenso als eine fremde Macht gegenüber wie das Kapital dem Lohnarbeiter. Die Anerkennung und bewusste Befolgung des Wertgesetzes muss demgegenüber als fundamental angesehen werden für jede Gesellschaftsordnung, in der die Produktionsmittel wirklich und nicht nur nominell vergesellschaftet sind.

In Anbetracht der Komplexität der Aufgabe ist es aus heutiger Sicht allerdings klar, dass die SU das Problem der Wertbestimmung ohne Markt nicht im Einklang mit dem Wertgesetz hat lösen können. Erst nachdem Hochleistungsrechner entwickelt waren, kam es den Leuten in den Sinn, Komplexität als solche zu differenzieren und sie in der Praxis soweit zu reduzieren, dass sie nunmehr näherungsweise bewältigt werden kann. In der kapitalistischen Warengesellschaft vollbringt der viel geschmähte Markt diese beachtliche Leistung.

So musste es schließlich zur Wiederherstellung des Marktes und der Privatproduktion kommen. Nur wenige realsozialistische Nostalgiker pflegen noch den Mythos, dass die Restauration des Privateigentums durch einen Sieg einer Konterrevolution zustande gekommen ist. Fakt ist doch, dass der reale Sozialismus in einer ganzen Reihe von Ländern errichtet wurde und binnen weniger Jahre fast überall geräuscharm von der Bühne abgetreten ist, alle seine Gastländer auf dem Stand halbentwickelter Länder zurückgelassen und letztlich nichts Neues hervorgebracht hat. Das dürfte ein hinreichender Beweis dafür sein, dass mit der praktischen Erschöpfung des realen Sozialismus auch die Grenzen der Theorie Stalins überhaupt erreicht waren und dass jede Bemühung zu seiner Wiederbelebung völlig vergeblich ist. Die gute Botschaft ist indes, dass diese Theorie eben mit den zentralen marxistischen Einsichten gebrochen hatte.

Ultimative Stärkung statt Absterben des Staates

Der Theorie von Marx und Engels zufolge muss der sozialistische Staat seinem Wesen nach ein Staat neuen Typs sein - ein absterbender Staat. Lenin hat diese These als die wichtigste und konsequenteste Forderung des revolutionären Marxismus überhaupt angesehen, und zugleich beklagt, dass der alte zaristische Staatsapparat nach der Oktoberrevolution im Wesentlichen übernommen wurde. Stalin hingegen hat das Defizit zur Tugend erklärt. Die Einkreisung durch die imperialistischen Staaten mache es notwendig, den Staat mit allen Mitteln zu stärken. Stalin erklärte die These vom Absterben sogar für unvereinbar mit dem Aufbaus des Sozialismus in einem Lande. Das ging weit über ihre Anpassung an die konkreten historischen Bedingungen hinaus. Die Preisgabe des langfristigen ultimativen Grundsatzes war nur geboten, wenn der absterbende Staat verstanden wird als ein Staat, der seine Bürger nicht schützen kann. Aber dazu musste man schon übersehen, dass das Vorbild des absterbenden Staates, die Pariser Kommune, wehrhaft war, geradezu entstanden war, um die Stadt zu verteidigen, nachdem das französische Bürgertum vor den Preußen kapituliert hatte. Unter dem Absterben des Staates verstand Engels, dass das Eingreifen der Staatsgewalt in gesellschaftliche Verhältnisse überflüssig wird und natürlich nicht den Verzicht auf eine angemessene Sicherheitspolitik.

Ferner hatten Marx und Engels die unmittelbare Vergesellschaftung der Produktion im Sinn. Das Kapital ist ein Produktionsverhältnis, das auf dem Eigentum an den Produktionsmitteln und der privaten Aneignung des Mehrwerts durch eben diese Eigentümer beruht. Das Kapital tritt den Produzenten daher als fremde, kommandierende Macht gegenüber. Die Aufhebung des Privateigentums ist sicher eine notwendige Voraussetzung für die Befreiung von der Lohnarbeit und um die Fesseln von den Produktivkräften und dem gesellschaftlichen Arbeitsvermögen abzustreifen. Aber die Überführung der Produktionsmittel in Staatseigentum, ihre bloß formale Erklärung “zum Eigentum des gesamten Volkes” ist noch lange keine unmittelbare Vergesellschaftung der Produktionsmittel. Wenn die Produktionsmittel in die Hände des Staates überführt sind, der Staat selbst sich aber der Kontrolle durch die Produzenten entzieht, treten die Produktionsmittel den Produzenten weiterhin als fremde Herrschaftsmacht gegenüber. Das kann dann ein System sein, das sich zeitweilig schnell entwickelt. Von Sozialismus aber kann nicht die Rede sein.

Denn die Sozialisten wollen die Lohnarbeit nicht nur formell aufheben, sondern mit ihr die Klassen überhaupt. Die Bedingung der Klassen aber ist gegeben durch die Art und Weise, wie das gesellschaftlich erzeugte Mehrprodukt angeeignet wird. Wenn die private Aneignung des Mehrprodukts überwunden ist, so ist seine gesellschaftliche Aneignung damit allein mitnichten gewährleistet, ist die Voraussetzung jeder Klassengesellschaft überhaupt keineswegs abgeschafft. Zwischen beiden Formen der Aneignung, der privaten und der gesellschaftlichen, stehen der Staat und die Aneignung durch seine Organe. In der C&C Gesellschaft verschwindet die Ausbeutung nur, sofern die Gesellschaft Mitsprache über die Verwendung der Steuern hat, in denen sich das Mehrprodukt wieder findet. Genau hier liegt der Prüfstein des Sozialismus, die Planung der Produktion ist nur ein Mittel zum Zweck. Mit seinen Privilegien und bewaffneten Formationen ist der Staat das Instrument, das die Verteilung jenseits aller Verrechtlichung letztlich exekutiert. Der Staat alten Typs hat sich immer über das Volk gestellt. Er wird auf seine Vorrechte und Machtorgane nicht verzichten, wenn die Bourgeoisie ihre Macht abtreten muss. Ein Staat aber, der sich nicht als absterbender Staat definiert, konstituiert sich zwangsläufig als Garant seiner eigenen Privilegien. Die unerlässliche Bedingung der Vergesellschaftung der Aneignung ist daher ein absterbender Staat, ist eben ein Staat, in dem die Produzenten an der Administration teilhaben. Marx hat in der Wählbarkeit und Absetzbarkeit der Beamten Möglichkeiten erkannt, die Interessen der Produzenten zu artikulieren. Notwendig ist die Abschaffung aller Privilegien für die Staatsdiener.

Aktuelle Einwände gegen das Wertgesetz

Dunkhase hat das Buch von C&C auf Deutsch herausgegeben und zusammen mit Feuerstein eine Einführung dazu geschrieben. Darin wird zwar anerkannt, dass Arbeit Wert bildet und der Arbeitswert als Maß für die Arbeit dient, dann aber heißt es, dass “die Wertform” im Sozialismus verschwinde und dass das Wertgesetz dem Plan entgegenstehe und folglich weichen müsse. Die Autoren wiederholen damit nicht nur die Positionen, die sich im Realsozialismus disqualifiziert haben, sie widersprechen auch den zentralen Thesen des Buches von C&C.

Die Wertform verschwindet nicht, sie verwandelt sich

Dunkhase schreibt: “Das Regime der abstrakten Arbeit bleibt in dieser Ökonomie bestehen. Die Wertform der Produkte, der eine warenproduzierende Gesellschaft bedarf, um das »proportionierte Maß« zu finden, in der sich die Produkte austauschen, verschwindet jedoch.” Die Behauptung, dass der Wert bleibt, aber die Wertform geht, ergibt schon deshalb keinen rechten Sinn, weil der Wert im Kapitalismus verschiedene Wertformen annimmt - die Warenform, Geldform, Kapitalform usw.

Wenn sodann Arbeit überhaupt Wert bildet und die Wertform “des Dings ihm selbst äußerlich und bloße Erscheinungsform dahinter versteckter menschlicher Verhältnisse”, dann muss dieser Wert auch in irgendeiner Form erscheinen, egal ob die Produkte als Waren produziert werden oder nicht. Wert ohne Wertform ist wie der Prophet ohne Bart. Die Wertform als solche kann nicht verschwinden, ohne dass die Arbeit aufhört Wert zu bilden. Aber sie wird sich verwandeln, wenn sich die dahinter liegenden sozialen Verhältnisse verändern. Marx hat demgemäß nicht “große Mühen darauf verwendet, die historische Begrenztheit der Wertform zu zeigen”, wie Dunkhase meint, sondern darauf zu zeigen, dass der Wert historisch verschiedene Formen annimmt und dass somit jede Wertform vergänglich ist. Marx unterscheidet historisch selbst für Waren vor der Geldform verschiedene Wertformen, die einfache und die entfaltete, dann die allgemeine. Selbst die Geldform unterlag dem Wandel. Geld war anfangs eine gewöhnliche Ware, z.B. Wein oder Vieh. Sie musste nur zugleich Repräsentant einer anerkannten definierten Arbeitsmenge sein. Die Vorteile des Metallgeldes lagen darin, dass es unveränderlich, homogen und schier unbegrenzt teilbar war. Später hörte Geld auf, direkter Ausdruck der Arbeitszeit zu sein. In der kapitalistischen Warenproduktion nimmt der Wert die einheitliche, selbständige “fertige Form - die Geldform” an. Historisch war das Geld als allgemeines Wertäquivalent ein Fortschritt. Heute gewinnt sein spekulativer Charakter die Oberhand. Aus einem Instrument zur Entwicklung der Produktivkräfte ist ein Mittel geworden, für dessen Vermehrung ein wachsender Teil der Produktionsmittel und des Arbeitsvermögens vernichtet oder brachgelegt wird.

Bei C&C wird das Geld nicht mehr benötigt. Der Wert der Produkte kann, wie sie darlegen, heute direkt in Zeit ausgedrückt werden. Er kann wieder als das erscheinen, was er ist — notwendige Arbeitszeit. Und die Größe des Werts kann dank der modernen Technologie sehr genau berechnet werden. Der Wert wird also wieder seine Form ändern, aus der Geldform wird die Zeitform, aus dem Tauschwert der Arbeitswert. Das allgemeine Wertäquivalent wird nicht länger Geld, sondern Arbeitswert sein. Die Wertform, die für dieses neue Produktionsverhältnis steht, ist x Produkt A = y Arbeitswert. Die Produkte erhalten einen Zeitpreis in zweifach notwendiger Arbeitszeit statt in Geld, einer gegenständlichen Wertform. Der Unterschied ist gewaltig. Arbeitswert kann nur gegen Zeitguthaben aus persönlicher Arbeit getauscht werden. Niemand kann Gutscheine anhäufen, um die ganze Ernte aufzukaufen und die Getreidepreise in die Höhe zu treiben, oder um Heuschrecken zu mästen, dot.com Blasen aufzupusten oder ganze Volkswirtschaften zu destabilisieren. Kein Privatier kann Produktionsmittel oder Arbeitskraft kaufen. Die Wertform der Produkte verschwindet aber nicht, sie verwandelt sich zur Ausdrucksform der neuen Verhältnisse. Der entscheidende Unterschied aber ist, das die Arbeitskraft keine Ware mehr ist. Sie wird nicht mehr in durchschnittlicher oder notwendiger Arbeitszeit gemessen, sondern anerkannt als das, was sie ist, als Wertbildner, und ihr Maß ist die wirkliche Dauer der Wertbildung und nicht länger die Notdurft ihrer Erhaltung.

Durch Planung zu mehr Einklang mit dem Wertgesetz

Auch das Wertgesetz wird von Dunkhase aus dem Sozialismus verbannt, denn er will einen ausschließenden Gegensatz zwischen Wertgesetz und Plan erkennen. “Das Wirken des Wertgesetzes ist untrennbar verbunden mit der Existenz unabhängig voneinander produzierender Produzenten, deren Produkte im Tausch auf dem Markt gesellschaftlich bewertet werden, während der Plan im Gegensatz dazu durch Kooperation miteinander verbundene, voneinander abhängige Produzenten voraussetzt.” Soweit so gut. Dann aber setzt er hinzu: ”Je mehr Plan, desto weniger Wertgesetz und umgekehrt.”

Das Wertgesetz beruht schon auf der physiologischen Notwendigkeit, dass der Mensch sich Energie in geeigneter Form und Menge (Effektivität) zuführen und dabei einen gewissen Wirkungsgrad (Effizienz) erreichen muss, auf dass die Energiezufuhr nicht langsamer vonstatten geht als der dafür erforderliche Energieverbrauch. Und diesem Zwang der Gattung liegt wiederum das physikalische Gesetz der Entropie zugrunde, dass jedes System Energie aufnehmen muss, wenn es den Wärmetod vermeiden will.

Das Wertgesetz von Marx für die Produktion von Gebrauchsgütern besteht allgemein gesprochen in der Einsicht, dass die Bedürfnisbefriedigung einer Gesellschaft ihre Grenze an ihrem Arbeitsvermögen findet, daher es bewirtschaftet werden muss. Jede Ökonomie muss zum einen die Wünsche nach Art, Umfang und Rang erfassen und die für die Herstellung je Einheit der Produkte durchschnittliche Arbeitszeit feststellen, die verfügbare Arbeitskraft so auf die verschiedenen Produkte verteilen, dass die Bedürfnisse möglichst gut erfüllt werden und dabei berücksichtigen, dass die verfügte Arbeitskraft in der Summe das gesamte Arbeitsvermögen der Gesellschaft nicht überschreiten darf. Der Franzose De La Fontaine hat es seinen Kindern mit der Fabel von der Grille und der Ameise klar gemacht.

Die Regelung kann freilich auf sehr unterschiedliche Weise geschehen und es ist gänzlich unerheblich, ob den Akteuren der gesetzliche Zusammenhang verborgen bleibt oder ob sie sich ihm zu widersetzen suchen wie die Planer im Realen Sozialismus oder ob sie ihn planmäßig vollziehen wollen wie C&C.

Im ersten Fall kann es zu Krisen kommen. “Was soll man von einem Gesetz denken”, schrieb Engels im Hinblick auf das Wertgesetz, “das sich nur durch periodische Revolutionen durchsetzen kann? Es ist eben ein Naturgesetz, das auf der Bewusstlosigkeit der Beteiligten beruht.” Marx hat seinem Freund höflich widersprochen: ”In der Tat, keine Gesellschaftsform kann verhindern, dass one way or another die disponible Arbeitszeit der Gesellschaft die Produktion regelt. Aber, solange sich diese Reglung nicht durch direkte bewusste Kontrolle der Gesellschaft über ihre Arbeitszeit — was nur möglich bei Gemeineigentum — vollzieht, sondern durch die Bewegung der Preise der Waren, bleibt es bei dem, was Du … zutreffend gesagt hast.”[28]

Auf der Basis von besagtem Gemeineigentum kann ein Produktionsplan nützlich sein, auf dass man der blinden Bewegung der Preise nicht länger ausgeliefert ist. Ein solcher Plan kann im Einklang mit dem Gesetz stehen oder auch im Widerspruch, aber er kann es nicht außer Kraft setzen. Lange Warteschlangen einerseits und jede Menge Ladenhüter andererseits legten Zeugnis davon ab, wie sich das verleugnete Wertgesetz vor den Augen der Planer im realen Sozialismus durchsetzte.

Selbst ein Plan, der mit dem Wertgesetz im Einklang stehen will, ist kein Allheilmittel. Entscheidend ist, ob der Plan das Arbeitsvermögen effektiv und effizient einsetzt, ansonsten bleibt die Arbeit wertlos. Der Plan legt zwar die Proportionen fest, in denen die gesellschaftliche Arbeit auf die einzelnen Produkte verteilt werden soll. Er sagt aber noch nichts darüber aus, wie die Planer erfahren, ob die Proportionen richtig, und wie sie an die Änderung der Bedürfnisse in Art und Umfang angepasst werden. Auch Produkte aus geplanter Produktion finden ja nicht notwendig ihren Konsumenten und das Bedürfnis nach einem Milchshake kann nicht mit planmäßiger Erhöhung der Rinderaufzucht beantwortet werden. Die von Dunkhase behauptete wechselseitige Ausschließlichkeit von Wertgesetz und Plan ist daher absurd.

Die Menschheit weiß seit langem, dass alle Gegenstände dem Gesetz der Schwere unterworfen sind. Seit Newtons Einführung der Universalkonstante G ist auch die Fallzeit zur Erde berechenbar. Noch länger wissen die Menschen, dass sie mit ihrem Arbeitsvermögen haushalten müssen. Das Wertgesetz just in dem Augenblick zu suspendieren, wo die Wertgrößen zum ersten mal genau vor der Produktion bestimmbar sind, liefe darauf hinaus, das Gravitationsgesetz zu verleugnen, sobald wir im Voraus berechnen können, wie schnell die Körper fallen. Darauf muss erst mal einer kommen: Ein Gesetz für obsolet zu erklären, wenn es quantifizierbar wird.

C&C beschreiben eine Ökonomie, die auf der planmäßigen Ausrichtung der Produktion am Wertgesetz beruht. Der Wert der Produkte wird durch die in ihnen enthaltenen Arbeitszeitmengen berechnet und die Arbeitswerte dienen als Maßstab für die effiziente Produktion. Mit dem Gleichgewichtspreis liefern C&C ein Instrument zur Regulierung der Effektivität. Letztlich bleibt aber der Rückkopplungsprozess zwischen der Planung zum einen und den Bedürfnissen zum anderen der Prüfstein für das Wertgesetz in der sozialistischen Planwirtschaft. Statt Dunkhases Alternative “Je mehr Plan desto weniger Wertgesetz und umgekehrt”, müsste es heißen: Je mehr der Plan dem Arbeitsvermögen einerseits und den Bedürfnissen der Menschen andererseits Rechnung trägt, desto bewusster und harmonischer vollzieht sich das Wertgesetzes und umgekehrt.

Pseudoantagonismus von Markt und Plan

Schließlich behauptet Dunkhase auch noch: “Markt und Plan bilden einen Antagonismus. Zum Markt gehören untrennbar privat und unabhängig voneinander produzierende Produzenten, während zum Plan untrennbar abhängig voneinander produzierende Produzenten gehören, deren Zusammenhang durch Kooperation gestiftet wird.” Richtig sind nur die umgekehrten Implikationen: unabhängig voneinander produzierende Produzenten benötigen einen Markt und voneinander abhängige Produzenten bedürfen eines Planes.

Im Übrigen haben wir es nicht mit einem absoluten, sondern nur einem relativen Gegensatz zu tun. Markt und Plan sind ebenso wenig Antagonismen, wie es Monopol und Konkurrenz sind. Sie existieren sehr wohl nebeneinander. Zum einen wird innerhalb der großen kapitalistischen Konzerne auf der Grundlage von Plänen kooperiert. Der Markt für Zulieferungen ist durch lange Lieferketten ausgeschaltet oder weitgehend eingeschränkt. Investitionen werden sorgfältig geplant. Zum anderen wird längst nicht mehr blind für den Markt produziert. Die Unternehmen betreiben Marktforschung, akquirieren Aufträge und arbeiten Auftragsbücher ab. Schließlich ist zusagen, dass das fundamentale Problem des Kapitalismus nicht der Markt oder die Überproduktion von Waren ist, sondern sein Handicap war und ist die Überproduktion von Kapital, obwohl eine solche jederzeit mit Überproduktion von Waren und Investitionsruinen einhergehen kann.

Beide, Markt und Plan sind bloß komplementäre Instrumente, um das Wertgesetz durchzusetzen, beide bewirken, wie unzulänglich auch immer, dass die Bedürfnisse effizient und effektiv befriedigt werden. Betrachten wir hinsichtlich der Effizienz ein Konsumgut, nach dem zahlungsfähiger Bedarf besteht. Sein Wert wird marktwirtschaftlich nur dann nicht realisiert, wenn es nicht rationell genug produziert wurde. Der Unternehmer erhält im Nachhinein Hinweise, dass er mehr Arbeitszeit verbraucht hat, als der Durchschnitt der Konkurrenz. Demgegenüber steht in der Planwirtschaft zwar die Standardarbeitszeit von vornherein fest, aber damit ist noch lange nicht ausgemacht, dass sie in der aktuellen Produktion auch eingehalten wird. Der angebliche Antagonismus von Markt und Plan löst sich bei Betrachtung der Effizienz auf in den Unterschied, ob die durchschnittliche Arbeitszeit als Orientierungsgröße nachträglich austariert wird oder schon vorher feststeht. Auch wenn die wirkliche Produktionszeit im zweiten Fall schneller angepasst werden kann, so steckt in diesem Unterschied des Grades doch nicht der Hauch eines Antagonismus. Und bis vor kurzem bestand dieser Unterschied nur in der Theorie. Praktische Bedeutung hat er erst durch die Entwicklung der modernen Computer und Informationstechnologie gewonnen. Nur mit ihrer Hilfe kann es heute gelingen, die Arbeitswerte einer entwickelten Volkswirtschaft exakt zu bestimmen. Daher kann der Markt erst heute von seiner Funktion, die Effizienz der Arbeit zu regulieren, was er zuvor hinter dem Rücken der Produzenten geleistet hat, entbunden und durch einen planerischen Akt ersetzt werden.

Ganz anders verhält es sich bei der Steuerung der Effektivität, die ja bei kooperativer Produktionsweise in den Vordergrund tritt. Ein Produktionsplan mit den Arbeitswerten und Mengen der verschiedenen Produkte leistet keinen Beitrag zur Erleichterung dieser Aufgabe. Zu wissen, dass 3 und nicht 4 Stunden notwendig sind, um eine Produkteinheit herzustellen, sagt weder über ihre Nützlichkeit noch über die angemessene Menge etwas aus, wie C&C vorbehaltlos einräumen. Im Kapitalismus löst der Markt auch dieses Problem und bei C&C behält er diese Funktion für die Konsumgüter auch bei. Sie unterliegen hier einer Preisbildung, die vom Arbeitswert abweichen kann. Das Verfahren, das explizit als Marktmechanismus deklariert wird, nutzt “statistische Analysen der Nachfrageelastizität”, wie es auch große kapitalistische Unternehmen tun und operiert nach der Methode von trial and error. Es soll die produktionsseitigen Daten durch die Informationen von der Nachfrage ergänzen, die nur von den Konsumenten kommen können. Solange den Verbrauchern die gebratenen Tauben nicht auf bloßen Wunsch hin in den Mund fliegen und bestellte Produkte auf Knopfdruck produziert und geliefert werden, sondern die Produktion noch Zeit braucht, erfordert auch die Distribution eine gewisse Bevorratung. Der Markt kann die notwendigen Informationen liefern, welche Produkte die Kunden wünschen und in welchen Mengen sie sie benötigen und jeder Laden ist ein Teil dieses Marktes. Andererseits ist eine effektive Distribution der Arbeit ohne solch Informationen unmöglich. Es sei darauf hingewiesen, dass C&C sehr wohl Unterschiede zwischen dem sozialistischen und dem kapitalistischen Markt aufzeigen. Gleichwohl haben wir es bei der Bildung des Gleichgewichtspreises mit einem echten Marktmechanismus zu tun, der sich auch weiterhin stochastisch hinter dem Rücken der Agierenden vollzieht. Was also den Antagonismus von Markt und Plan betrifft, so existiert er weder in der Wirklichkeit, noch im theoretischen System von C&C.


[1]Den Vergleichswert 1 ersetzen die Autoren im Weiteren durch das Verhältnis von Gutscheinkonsum und Gesamtkonsum, also durch eine Größe, die von 1 abweichen kann.
[2]Produkte automatisierter Prozesse haben Wert, weil Automaten ihren eigenen Wert auf sie übertragen, nicht etwa weil sie Wert bilden.
[3]Friedrich Engels, Anti-Dühring, S. 289
[4]MEW 23, S. 53
[5]Marx, Grundrisse, S. 54
[6]Stefan Hirsch, Bruchlinien, Nov. 2005
[7]MEW 23, S. 61
[8]Friedrich Engels, Anti-Dühring, S. 288
[9]ebenda, S. 289
[10]MEW 23, S. 95, Fußnote 32
[11]ebenda, S. 53
[12]ebenda, S. 88, Note 27
[13]ebenda, S. 90
[14]ebenda, S. 95, Note 32
[15]ebenda, S. 105
[16]Marx Engels, Briefe über “Das Kapital”, S. 185, aber Hervorhebung durch den Autor
[17]MEW 23, S. 90
[18]ebenda, S. 91
[19]ebenda, S. 89
[20]ebenda, S. 92f
[21]Friedrich Engels, Ergänzung und Nachtrag zum III. Buche des “Kapital”, S. 908f
[22]ebenda, S. 51
[23]ebenda, S. 53
[24]MEW 13, S.9
[25]J. W. Stalin, Werke Bd. 17, S. 274
[26]ebenda, S. 274
[27]MEW 25, S. 859
[28]Karl Marx Friedrich Engels, Briefe über “Das Kapital”, S. 159