Manfred Behrend

Leo Trotzki - Verdienste und Fehler eines großen Revolutionärs

Lew Dawidowitch Trotzki ist sein politisch bewußtes Leben lang stets mit Verstand und Herz Revolutionär gewesen. Er war um den Sieg des Kommunismus bemüht, scheiterte aber an der stalinistischen Konterrevolution. Trotzki gehörte zu den besten politischen Schriftstellern seiner Zeit. Ein führender Praktiker, Theoretiker und Historiker großer Revolutionen, war er auch in Phasen des Stillstands und Rückschritts hochgradig aktiv. Ungeachtet persönlicher Reserviertheit im Auftreten wußte er sich mit den Massen als Schöpferinnen und Schöpfern der Geschichte verbunden. Als glühendem Internationalisten ging es ihm nicht nur um Angelegenheiten eines Volkes, sondern der ganzen Menschheit.

Nachfolgend ein Überblick über wichtige Verdienste wie auch Fehler Leo Trotzkis. Die Fülle historischer Ereignisse, die er mitgestaltete, macht die Liste unvollständig. Sie wird, hoffe ich, dennoch informativ sein. Theorie und Praxis säuberlich zu trennen, ist unmöglich. Sie sind in diesem Fall zu eng miteinander verstrickt.

Bevor der junge Lew Dawidowitsch Bronstein sich zum Marxisten mauserte, hatte er 1896 in Nikolajew ein charakteristisches Erlebnis. Der 17jährige Realschulabsolvent gehörte einem Kreis junger Oppositioneller an, der sich zu politischen Diskussionen traf. Seine Teilnehmer verfochten vorwiegend Ansichten der Narodniki, Thesen vom Ins-Volk-Gehen und vom unterschiedlich wichtigen Wirken der "Helden" und der "Haufen". Am hitzigsten agitierte Bronstein. Ihm trat Alexandra Sokolowskaja entgegen, die, einige Jahre älter und reifer als er, unbeirrt durch seine giftigen Konterattacken den Marxismus propagierte. "Wie kann ein lebensfrohes junges Mädchen dieses trockene, engstirnige und unpraktische Zeug nur vertragen!" blaffte Bronstein.(1) Nach längerem Zwist und einem argen Rückfall fand er sich bereit, marxistische Ansichten erst zu prüfen, statt sie von vornherein zu verwerfen. Schließlich eignete er sie sich an. Isaac Deutscher vermutet, Bronstein habe vorher als erste Marxismusversion eine "trockene und quietistische Karikatur" kennengelernt, wie sie damals im Bereich der II. Internationale oft anzutreffen war, eine Version, der gegenüber die "Anziehungskraft der romantischen Narodnikitradition unwiderstehlich" gewesen ist.(2) Ohne es zu wissen, hätte er damit ein Prinzip leidenschaftlichen Eingreifens in die Realität verfochten, das auch dem unkarikierten Marxismus eigentümlich ist.

Bevor er sich durch eigene, undogmatische Studien weiterbildete, gründete Bronstein 1897 mit seinen Freunden den zweiten Südrussischen Arbeiterbund. Unter Proletariern trieb er Flugblattagitation. Sie war von der Art, die zuvor Rechtsanwalt Wladimir Uljanow mit dem Kampfbund zur Befreiung der Arbeiterklasse in St.Petersburg erprobt hatte. Im Gefängnis heiratete Bronstein seine erste Frau, Alexandra Sokolowskaja. 1901 flüchtete er mit falschem Paß unter dem Namen Trotzki aus der sibirischen Verbannung nach Österreich.1902 stieß er zur Redaktion der "Iskra" um Plechanow und Uljanow-Lenin in London.

Theorie der permanenten Revolution

Das marxistische Rüstzeug befähigte unseren Mann, aktuell-historische Entwicklungen exakt zu analysieren und bisweilen auch vorherzusagen. Im November/Dezember 1904 erörterte er die Lage im Zarenreich, die - mitbedingt durch den russisch-japanischen Krieg mit seinen verheerenden Niederlagen - vorrevolutionär war. Nach Ansicht menschewistischer Parteifreunde sollten allein die Liberalen zur Führung einer bürgerlichen Revolution berufen sein. Sie hatten aber, wie Trotzki feststellte, der nachdrängenden Volksmassen wegen Angst vor der eigenen, bürgerlichen Revolution. Ergo mußte das Proletariat die Führung übernehmen, wozu es sich der Hilfe der Bauernschaft als überwiegender Mehrheit des Volkes zu versichern hatte. Die liberale Bankettkampagne im Herbst 1904 um politische Reformen hatte in die Sackgasse geführt. Nur ein bewaffneter Aufstand des Proletariats, so Trotzki, konnte die Entscheidung bringen. Nächster Schritt auf diesem Weg mußte der Generalstreik sein.(3) So weit waren seine Überlegungen zu Papier gebracht, als am 9. Januar 1905 der Blutsonntag in St. Petersburg die Revolution auslöste. Alexander Parvus, ein linksstehender, auch in der deutschen Sozialdemokratie einflußreicher russischer Emigrant, versah Trotzkis Broschüre mit einem Vorwort, in dem er schlußfolgerte: "In Rußland wird die revolutionäre provisorische Regierung eine Regierung der Arbeiterdemokratie sein. Diese Regierung wird sozialdemokratisch sein, wenn die Sozialdemokratie die Führung der revolutionären Bewegung des russischen Proletariats übernimmt."(4) Die Broschüre "Vor dem Neunten Januar" erschien im Frühjahr 1905. Sie löste nicht nur bei den Menschewiki, die weiter auf liberaler Revolutionsführung bestanden, sondern auch beim Bolschewiken Lenin Befremden aus. Er fand, eine revolutionäre Diktatur könne es nur geben, wenn sie sich auf die überwiegende Mehrheit des Volkes und nicht nur auf die proletarische Minderheit stützt. Das werde "die Beteiligung der buntscheckigsten Vertreter der revolutionären Demokratie an dieser Regierung oder sogar ihr Übergewicht in dieser Regierung unvermeidlich machen".(5) Vornehmlich in seiner Schrift "Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution" vom Juli 1905 entwickelte Lenin das Konzept einer "revolutionär-demokratischen Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft" als geeigneter Regierungsform. Es war bis zu seinen Aprilthesen 1917 für die Bolschewiki verbindlich.

Trotzki war im Februar 1905 illegal nach Rußland gereist. Auf dem Höhepunkt der Revolution, von Mitte Oktober bis Anfang Dezember, übernahm er zunächst de facto, dann als gewählter Vorsitzender die Führung einer durch Proletarier geschaffenen, weltweit einzigartigen Institution, des Petersburger Sowjets der Arbeiterdeputierten. Anfallende Aufgaben löste er bravourös, so daß selbst politische Gegner ihm die Anerkennung nicht versagen konnten.

Auch nach der Niederlage der Revolution und seiner Verhaftung schrieb sich Trotzki ins Buch der Geschichte ein. In der Gefängniszelle verfaßte er eine Bilanz der 50 Tage des Sowjets. Sie endete mit der Ankündigung, in der nächsten Revolution würden solche Räte im ganzen Land entstehen, und einem Revolutionsprogramm, das 1917 verwirklicht worden ist.(6) Zudem erarbeitete Trotzki als Schlußkapitel einer Sammlung seiner Artikel aus dem Jahre 1905 "Ergebnisse und Perspektiven. Die Triebkräfte der Revolution". Den in "Vor dem Neunten Januar" geäußerten Gedanken einer proletarisch geführten revolutionären Erhebung entwickelte er darin zur Theorie der permanenten Revolution weiter. Abweichend von damals als allein marxistisch geltenden Vorstellungen konstatierte er: "Es ist möglich, daß das Proletariat in einem ökonomisch rückständigen Lande eher an die Macht kommt als in einem kapitalistisch fortgeschrittenen Land... Nach unserer Ansicht wird die russische Revolution Bedingungen schaffen, unter denen die Macht in die Hände des Proletariats übergehen kann..., bevor die Politiker des bürgerlichen Liberalismus Gelegenheit erhalten, ihr staatsmännisches Genie voll zu entfalten."(7) Die Revolution bedürfe bäuerlicher Unterstützung. Das Proletariat an der Macht werde "vor die Bauernschaft als die sie befreiende Klasse treten" und alle von Bauern vorgenommenen revolutionären Veränderungen am Bodenbesitz sanktionieren.(8) Doch werde es bald auch den Kapitalismus angreifen. Solange die Revolution die Grundbesitzer niederringe, würden alle Bauern auf ihrer Seite stehen. Danach dürften zwei Wesenszüge proletarischer Politik, der Kollektivismus und der Internationalismus, bäuerlichen Widerstand hervorrufen.(9) "Ihren eigenen Kräften überlassen, wird die Arbeiterklasse Rußlands unvermeidlich in dem Augenblick von der Konterrevolution zerschlagen werden, in dem sich die Bauernschaft von ihr abwendet. Ihr wird nichts anderes übrigbleiben, als das Schicksal ihrer politischen Herrschaft und folglich das Schicksal der gesamten russischen Revolution mit dem Schicksal der sozialistischen Revolution in Europa zu verknüpfen. Die ungeheure staatlich- politische Macht, die ihr ein zeitweiliger Aufschwung der russischen bürgerlichen Revolution gibt, wird sie in die Waagschale des Klassenkampfes der gesamten kapitalistischen Welt werfen."(10)

Trotzkis 1906 erschienene Schrift fand kaum Widerhall. Das war sowohl ihrer sofortigen Konfiskation durch die zaristische Regierung, als vor allem dem Abebben der Revolution und der darauffolgenden harten Reaktion geschuldet. Im Konflikt mit politischen Gegnern ist Trotzki später mehrmals auf die Theorie der permanenten Revolution zurückgekommen, zuletzt im geplanten Anhang seiner unvollendet gebliebenen Stalin-Biographie. Er hat die Grundzüge der Theorie wiederholt und variiert, ohne Neues hinzuzufügen. Bisweilen kam er darauf zu sprechen, daß der Begriff der permanenten Revolution auf Marx und dessen Gesinnungsgenossen zurückgeht.(11) In der Tat traten Marx und Engels, zuerst in der Revolution von 1848/49, dafür ein, die einmal begonnene bürgerliche Erhebung weiterzuführen. Sie verstanden darunter einerseits die Anwendung einer Verfahrensweise, die in der Französischen Revolution Jean-Paul Marat verfochten und die Sansculotten praktiziert hatten,(12) andererseits eine Fortführung der Revolution "so lange, bis alle mehr oder weniger besitzenden Klassen von der Herrschaft verdrängt sind, die Staatsgewalt vom Proletariat erobert und die Assoziation der Proletarier nicht nur in einem Lande, sondern in allen herrschenden Ländern der ganzen Welt so weit fortgeschritten ist,... daß wenigstens die entscheidenden produktiven Kräfte in den Händen des Proletariats konzentriert sind."(13) Diese Auffassung vertrat auch Trotzki, wobei er entgegen seinen Vorläufern davon ausging, daß die revolutionäre Umwälzung im unterentwickelten Rußland beginnen würde. Im Brief an Vera Sassulitsch vom April 1885 hat aber auch Friedrich Engels eingeräumt, dies wäre möglich. Hauptsache sei, daß der Anstoß in Rußland gegeben werde; wenn dort einmal das 1789 begonnen habe, werde auch das 1793 nicht auf sich warten lassen.(14) Bei der alten "Iskra" in London war Sassulitsch Trotzkis Kollegin. Gleichwohl dürfte er den Engels-Brief kaum gekannt haben. Die Entstehungsgeschichte seiner Theorie spricht dafür, daß er sie aus der politischen Praxis heraus entwickelt hat. Warum er später Marx und Engels nicht auch zitierte, ist unerfindlich. Deutschers Ansicht, eine "Abneigung gegen Textanalysen'" habe ihn davon abgehalten, "mit hilfreichen Zitaten zu jonglieren",(15) ist nicht stichhaltig, scheute Trotzki doch bei anderen Gelegenheiten keineswegs davor zurück.

Ungeachtet des mit seinen Auffassungen differierenden Regierungskonzepts der "demokratischen Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft" war die Theorie der permanenten Revolution auch mit Lenins Standpunkt vereinbar, und das schon vor 1917. In einem Artikel vom September 1905 schrieb der Führer der Bolschewiki: "...von der demokratischen Revolution werden wir sofort, und zwar nach Maßgabe der Kraft des klassenbewußten und organisierten Proletariats, den Übergang zur sozialistischen Revolution beginnen. Wir sind für die ununterbrochene Revolution. Wir werden nicht auf halbem Wege stehenbleiben."(16) Verwunderlich ist nicht, daß Lenin dies schrieb, sondern daß es auch im "Kurzen Lehrgang" der Geschichte der KPdSU (B) von 1938 steht, der wesentlich der Verleumdung großer Revolutionäre, in erster Linie Trotzkis, diente.(17)

Indes ist das erklärbar. Die Theorie der permanenten Revolution in Trotzkis Fassung stand den Helden Stalinscher Konterrevolution so sehr im Weg, daß sie sie bis zur Unkenntlichkeit entstellten und die Erinnerung an ihren tatsächlichen Inhalt bei vielen Millionen Menschen, besonders Parteikommunisten, tilgten. Die Abneigung der nachrevolutionären sowjetrussischen Gesellschaft neuen Unruhen gegenüber kam ihnen zugute. Noch 1975 gab der Moskauer APN-Verlag eine Broschüre mit dem Titel W. I. Lenin: "Gegen den Trotzkismus" heraus, deren Anmerkungen von Verdrehungen der Trotzki-Position strotzen. Die Fälscher hatten über Jahrzehnte hinweg Erfolg. Mitentscheidend war, daß Schriften Leo Trotzkis rigoros unterdrückt wurden. Günstigstenfalls gab es einige Exemplare in sogenannten Giftschränken, um stalinistischen Parteiideologen fallweise als Zitatensteinbruch zu dienen. Die Ideologen konnten es sich ungestraft leisten, das Lenin-Zitat oder solche von Marx und Engels über die permanente Revolution zu verwenden. Es wußte niemand bzw. es durfte keiner wissen, daß Trotzki Gleichartiges geschrieben hatte.

1917 bestand seine Revolutionstheorie die Feuerprobe. Im Zerrspiegel stalinistischer Ideologie aber erschien sie als abenteuerliches, halbmenschewistisches und bauernfeindliches Gebilde, das darauf gerichtet war, den Bolschewiki zu schaden und die UdSSR ins Unglück zu stürzen. Im China der 20er, im Spanien und Frankreich der 30er, im Griechenland, Frankreich und Italien der 40er Jahre usw. diente dies Gespinst den Stalinisten dazu, die Realisierung revolutionärer Vorstellungen zu verhindern. Begründet wurde das - genau wie 1905 und 1917 durch die Menschewiki - damit, daß man bürgerliche Verbündete nicht verschrecken dürfe. Der von Trotzki bekämpfte Zwang zur Anpassung der KP Chinas an die Guomindang und kommunistischer Parteien westlicher Länder an den Kurs der liberalen Bourgeoisie hat stets nur Revolutions- und Demokratiefeinden genutzt.

Mag sein, die 1917 in Rußland bewährte Theorie der permanenten Revolution hätte später in anderen Ländern nicht zum Erfolg geführt. Nur ist sie dort nie angewandt worden. Die Anwendung des entgegengesetzten, stalinistischen Konzepts indes hatte eine Kette von Niederlagen in vielen Ländern und letztlich den Zusammenbruch des "realsozialistischen" Weltreichs zur Folge.

Krieg, Frieden und revolutionäre Kriegskunst

Im Nachwort zum "Schwarzbuch des Kommunismus" gelang dem Ex-Maoisten Courtois eine besonders dumme Argumentation. Er behauptete, um die angeblich eingefleischte Brutalität bolschewistischer Führer zu motivieren, sie sei möglicherweise durch "persönliche Unkenntnis der Schrecken des Krieges begünstigt" worden. Lenin, Trotzki und Sinowjew hätten ebenso wie Stalin und Kamenew vorher "nie an einem wirklichen Kampf mit wirklichen Toten teilgenommen... Ihre Vorstellungen vom Tod, vom Massaker , von der Menschheitskatastrophe waren abstrakt... Die Bolschewiken entwickelten eine im wesentlichen theoretische Kriegsanalyse, die den tief verwurzelten nationalen bzw. nationalistischen Aspekt des Ersten Weltkriegs übersah."(18)

Im Hinblick auf vier der genannten Führer ist die Anmerkung doppelt, im Hinblick auf Trotzki ist sie dreifach schief und falsch. Kenntnis oder Nichtkenntnis des Krieges sind ebenso wenig ein Motiv für Grausamkeit oder Mangel daran, wie sie Tüchtigkeit oder Untüchtigkeit zu revolutionären Feldzugstaten begründen. Gleich den Bolschewiki waren die meisten Heerführer bürgerlicher Revolutionen ursprünglich keine Soldaten und Kriegskenner. In England wurde der Landadlige Oliver Cromwell zu dem einzigen Feldherrn seiner Zeit, der keine Schlacht verloren hat. Er war teils grausam, besonders Iren gegenüber, teils milde. Von den Kriegern der Französischen Revolution und der Bonaparte- Ära hatte Napoleon eine militärische Ausbildung genossen. Einige Marschälle und Generale, die dem dritten oder sogar vierten Stand entstammten, hatten das nicht. Zugleich ist Courtois' Behauptung falsch, die bolschewistischen Führer hätten nichts von Nation und Nationalismus gewußt. Als Internationalisten waren sie firm in der nationalen Frage und kämpften gegen Nationalismus und Slawophilentum. Schließlich hatte speziell Trotzki schon Jahre vor der Februar- und Oktoberrevolution Bekanntschaft mit dem Krieg geschlossen. Als Militärkorrespondent liberaler und sozialistischer Blätter war er bei den Balkankriegen 1912/13 und im ersten Weltkrieg vor Ort. Zwar war ihm der Zugang zur Front verwehrt. Doch informierte er sich bei Offizieren und Soldaten, Verwundeten und Gefangenen, einfachen Zivilpersonen und Staatsmännern genauer als jeder Kommißknopf über Verlauf und Begleitumstände des Krieges. Er kannte dessen Greuel und Schattenseiten und berichtete darüber, wann immer die Zensur das zuließ. Früher als andere wußte er auch um die militärische Sinnlosigkeit der mörderischen Materialschlachten im Weltkrieg, aber auch um die reiner Offensiv- oder Defensivstrategien wie der deutschen bzw. der französischen. Er kannte die Moral von Front und Hinterland, bezog in seine Betrachtungen Geschichte sowie hohe und niedere Politik ein, deckte mittels dialektisch-materialistischer Methode die Hintergründe des Geschehens auf und verwies auf dessen mögliche Folgen. Trotzkis Artikel erinnern an Carl von Clausewitz und Friedrich Engels, die im gleichen Metier tätig waren.(19)

Seine praktische Probe hat dieser Zivilist 1917 bei der Vorbereitung und Führung des Oktoberaufstands in Rußland bestanden. Wiederum zum Vorsitzenden des Sowjets in Rußlands Hauptstadt gewählt, organisierte er zusammen mit dessen Revolutionärem Militärkomitee in der Nacht vom 24. auf den 25. Oktober, dem 6. und 7. November neuen Stils, die Besetzung strategischer Punkte Petrograds mit solchem Geschick, daß die Bürger sie verschlafen haben. Auch Lenin merkte erst nach seiner Ankunft im Smolny: Die Stadt war längst in den Händen von Genossen. Trotzkis zweite militärische Bewährungsprobe bestand in der Abwehr eines von Kerenski geplanten Konterschlags auf den Oktoberaufstand.

Während des ersten Weltkriegs hatte Trotzki für einen Frieden der Völker statt der Diplomaten gewirkt. Als erster bekannter Sozialist legte er im September 1914 in Genf eine umfassende Analyse zur Problematik Krieg und Internationale vor. Er attackierte die Sozialdemokratie, vor allem die deutsche, für ihren Verrat. Durch den Übergang ins kriegführende imperialistische Lager gehe aber nicht der Sozialismus, "sondern seine zeitweilige historische Äußerung zugrunde".(20) Trotzki erörterte die Aussichten der Sozialisten im Antikriegskampf. Ein rasches Hervortreten der russischen Revolution, schrieb er, sei nach katastrophalen Niederlagen möglich, aber um den Preis der inneren Schwächung dieser Revolution. Sollte sie unter solchen Bedingungen die Oberhand gewinnen, "so werden die hohenzollernschen Armeen ihre Bajonette gegen sie wenden. Und diese Perspektive kann ihrerseits nicht verfehlen, die revolutionären Kräfte Rußlands zu paralysieren, weil sich nicht leugnen läßt, daß hinter den hohenzollernschen Bajonetten die Partei des deutschen Proletariats steht."(21) Im Kampf für Völkerfrieden gehe es in erster Linie darum, die revolutionären Energien der Arbeiter zu erhalten. Die Friedensbedingungen müßten überall gleich sein: "Keine Kontributionen! Das Recht jeder Nation auf Selbstbestimmung! Die Vereinigten Staaten Europas - ohne ständige Heere, ohne regierende Feudalkasten, ohne Geheimdiplomaten!"(22) Den Zusammenschluß zu republikanischen Vereinigten Staaten von Europa propagierte zur selben Zeit auch Lenin.(23) Trotzkis Broschüre wurde 1918 unter dem Titel "Die Bolschewiki und der Weltfrieden" in den USA nachgedruckt. Präsident Wilson empfahl sie wegen der zitierten Forderungen. In Deutschland wurde sie 1915 konfisziert, ihr in der Schweiz lebender Autor in Abwesenheit zu Gefängnis verurteilt.

Trotzki trat während des Krieges wiederholt für Frieden ohne Annexionen und Kontributionen ein. Er schrieb im Entwurf des Zimmerwalder Manifests, den die internationale sozialistische Konferenz im September 1915 einstimmig annahm: "Ein solcher Friede ist nur möglich unter Verurteilung jedes Gedankens an eine Vergewaltigung der Rechte und Freiheiten der Völker. Weder die Besetzung von ganzen Ländern noch von einzelnen Landesteilen darf zu ihrer gewaltsamen Einverleibung führen." Es dürfe weder offene oder maskierte Annexionen geben, noch eine zwangsweise wirtschaftliche Angliederung.(24) Gleichartig sind die Forderungen im Dekret über den Frieden, das Lenin am 26. Oktober 1917, dem 8. November neuen Stils, verkündete. Das Dekret schaffte auch die Geheimdiplomatie ab. Unter Trotzkis Verantwortung als Volkskommissar für Äußeres wurden die vertraulichen Abmachungen des Zarenreichs mit seinen Verbündeten veröffentlicht.

Es lohnt sich, den Kurs internationalistisch gesinnter Sozialisten mit dem zu vergleichen, den die imperialistischen Mächte resp. Stalins UdSSR steuerten. Zwischen ihr und den Mächten gab es keinen wesentlichen Unterschied. Hingegen widerspricht die Politik dieser beiden Seiten kraß Trotzkis Manifest und Lenins Dekret.

Brest-Litowsk soll hier nur gestreift werden. Zunächst gingen alle Bolschewiken darauf aus, die Verhandlungen mit den Mittelmächten bis zur deutschen und österreichischen Revolution in die Länge zu ziehen. Just deshalb wurde Trotzki in der zweiten Verhandlungrunde Leiter der sowjetischen Delegation. Er gab sich Mühe, doch blieb die Revolution im Westen vorerst aus. Die Mittelmächte hatten die Formel eines Friedens ohne Annexionen und Kontributionen anfangs als Verhandlungsgrundlage akzeptiert. Sie nahmen dies nun unter dem Vorwand zurück, daß die Entente die Verhandlungen nicht mitmachte, und stellten annexionistische Bedingungen. Gleichzeitig drängten in Rußland die Linken Kommunisten um Bucharin sowie der linkssozialrevolutionäre Koalitionspartner der Bolschewiki auf Krieg gegen den Aggressor, obwohl es faktisch keine russische Armee mehr gab. Lenin forderte den sofortigen Friedenschluß, um der Revolution eine Atempause zu verschaffen. Hingegen gab Trotzki als Verfechter einer mittleren Linie die Parole aus: "Wir stellen den Krieg ein und lassen den Frieden ununterzeichnet - wir demobilisieren die Armee."(25) Das Zentralkomitee der KPR (B) stimmte ihm zu, ebenso seinem Antrag, einen Diktatfrieden erst nach Aufnahme von Feindseligkeiten durch die Deutschen zu unterschreiben. Demgegenüber bedang sich Lenin von Trotzki insgeheim die Unterzeichnung gleich nach einem deutschen Ultimatum aus.(26) Am 28. 1. 1918, dem 10. 2. neuen Kalenderstils, gab der Volkskommissar jedoch in Brest die vom ZK und dann auch von den Linken Sozialrevolutionären gebilligte Erklärung ab, ohne Friedensvertrag aus dem Krieg auszusteigen. Die sowjetische Delegation reiste ab. Nachdem die deutsche und die österreichische Diplomatie anfangs geneigt waren, den neuen Zustand zu akzeptieren, setzte sich in Deutschland die Kriegspartei durch. Sie erwirkte ein Ultimatum und dessen Bruch, bevor es ablief. Am 18. 2. eröffnete Deutschland die Offensive. Von Stalins bis Jelzins Zeiten wird in Rußland die Legende gehegt, sowjetische Einheiten hätten am 23. 2. 1918 bei Narwa und Pskow die Deutschen zurückgeschlagen, was als Geburtstag der Roten Armee zu gelten habe. Tatsächlich stießen die deutschen Truppen weiter vor und näherten sich Petrograd. Zugleich verschärfte Deutschland die Friedensbedingungen. Mit größerem Nachdruck als bisher drang Lenin auf Unterzeichnung des Friedens. Für den Fall, daß das nicht geschehe, kündigte er seinen Rücktritt an. Bucharins Gruppe bestand auf Nichtunterzeichnung. Doch wechselte nun Trotzki die Front, da kein revolutionärer Krieg geführt werden könne, wenn die Partei zerrissen sei.(27) Er übte Stimmenthaltung und sicherte so Lenin die Mehrheit. Lange nach Stalins Tod noch verbreiteten sowjetische Geschichtsschreiber die Mär, als Verbündeter des kaiserlichen Deutschland habe Trotzki in Brest-Litowsk das eigene Land verraten und dabei in Bucharin einen Handlanger gefunden.(28) Mancher glaubt die Lügen noch immer.

Mit dem Wechsel ins Volkskommissariat für Heeres- und Flottenangelegenheiten und anschließender Ernennung zum Vorsitzenden des Revolutionären Kriegsrats der Republik begann eine neue Phase in Trotzkis Wirken. Es war ein fließender Übergang. Schon der Aufruf "Das sozialistische Vaterland in Gefahr!", der gewissermaßen die Geburtsurkunde der Roten Armee darstellt, stammte aus seiner Feder. 1934 ist der Appell, aus welchen Gründen immer, in Lenins Werke hineingeraten. Von der alten, zaristischen Armee war zur Zeit des Brester Friedens noch eine einzige Division, die der lettischen Schützen, übrig. Dazu gab es schlecht ausgebildete Rote Garden und Partisanentrupps. Als die Not durch Angriffe der tschechischen Legion besonders groß war, wurden im Spätsommer 1918 erstmals 10 000 Arbeiter für die Armee ausgehoben. Später kamen weitere Proletarier, dann Hunderttausende Bauern hinzu, von denen viele wieder wegliefen. Daß dennoch in zweieinhalb Jahren eine Streitmacht von rund fünf Millionen Mann aufgestellt werden konnte, war eine herkulische Leistung. Der Volkskommissar hatte hohen Anteil daran. Gleichzeitig mit der Rekrutierung und Ausbildung der Soldaten wurden ein Korps politischer Kommissare ab Kompanieebene geschaffen und als Militärspezialisten Zehntausende vormals zaristische Offiziere, davon 1000 Generale, in Dienst gestellt. Wegen dieser Aufnahme von Klassenfremden in die neue Armee ist Trotzki von der sogenannten militärischen Opposition hart attackiert worden. Zugleich behauptete diese Opposition wahrheitswidrig, er lasse massenhaft Kommunisten und Kommissare erschießen. Weitere bolschewistische Funktionäre sahen im Guerillakampf der Weisheit letzten Schluß in Revolutionszeiten und wetterten gegen den Hang der Armeespitze zur Zentralisierung. Trotzki konnte aber den Vorsitzenden des Rats der Volkskommissare, Lenin, von der Richtigkeit seiner Maßnahmen überzeugen und sich im wesentlichen durchsetzen.

Die Bürgerkriegsfronten waren häufig gefährdet. Dazu, daß die Rote Armee dennoch siegte, trug gerade ihr zentralisierter Aufbau bei. Er ermöglichte es, den professioneller vorgehenden, mit größerer Kampfkraft versehenen Weißgardisten, die in mehrere Heerhaufen zersplittert waren, rechtzeitig starke Einheiten entgegenzustellen. Der Roten Armee kam insofern auch zugute, daß ihr Operationsgebiet längere Zeit auf das alte Großfürstentum Moskau beschränkt war; sie hatte dadurch den Vorteil der inneren Linie und kürzerer Verbindungswege. Trotzki und sein Stab führten den Krieg als Klassenkrieg. Sie unterschieden zwischen gegnerischen Truppen entsprechend deren sozialer Herkunft und sprachen sie in der Agitation, die einen wesentlichen Teil der Kampfhandlungen bildete, auf ihre spezifischen Interessen an, zu dem Zweck, das feindliche Heer zu zersetzen. Gleichartige Methoden, jedoch mit umgekehrten Vorzeichen, wurden angewandt, um die eigene Streitmacht zu motivieren und zusammenzuhalten. Bei Desertionen, Verrat oder Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung waren Repressalien unvermeidlich. Sie machten nur einen Bruchteil der angewandten Mittel aus und hielten sich im Rahmen, auch wenn von Drohungen strotzende Trotzki-Befehle und blutrünstige Äußerungen anderer Sowjetführer zuweilen den gegenteiligen Eindruck vermitteln. Zu den wichtigsten Prinzipien gehörte es, strategisch wichtige Punkte unter allen Umständen zu halten. Die Verteidigung von Swijaschsk vor Kasan 1918 und Petrograds 1919 durch Trotzki war charakteristisch dafür. Sein Panzerzug stellte ein ausgezeichnetes Mittel dar, schnell zum jeweiligen neuralgischen Punkt zu kommen, dort bewaffnet oder agitatorisch einzugreifen, eine ins Wanken geratene Front zu stabilisieren und der Truppe dringend benötigte Ausrüstungsstücke zu liefern. Im Kampf bewährten sich zahlreiche Arbeiter und Bauern als militärische Führungskräfte, die schließlich das Gros des Offizierskorps stellten, bis Stalin kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs die meisten von ihnen abschlachten ließ.

Einen anderen Charakter als der Bürger- und Interventionskrieg trug der mit Polen 1920. Nicht in der ersten Phase, als Marschall Pilsudski in die Ukraine einfiel, Kiew besetzte und dort hinausexpediert wurde. Wohl aber in der nun beginnenden zweiten Phase.(29) Als die eigene Staatsgrenze wieder erreicht war, stand die sowjetische Führung vor der Frage, ob die Rote Armee den Vormarsch beenden oder in Polen einrücken sollte. Vornehmlich Lenin hoffte darauf, daß im letztgenannten Fall die polnischen Arbeiter und Bauern Revolution machen würden und eine Direktverbindung nach Deutschland hergestellt werden könnte. Er war mit der Führungsmehrheit für offensives Vorgehen. Trotzki und die polnischen Genossen waren dagegen. Radek und Marchlewski sagten voraus, daß an die Revolutionierung ihrer Landsleute durch den Einmarsch nicht zu denken sei. Trotzki wollte einen Vermittlungsvorschlag des britischen Außenministers Lord Curzon aufgreifen, was bedeutet hätte, die erst 1939 bzw. 1945 erreichte sowjetische Westgrenze schon damals zu erringen. Er fügte sich aber der offensivbegeisterten Mehrheit und ließ sich sogar dazu bewegen, auf Curzons Vorschlag eine höhnische Antwort zu formulieren. Als Lenin die Einnahme Warschaus binnen drei oder fünf Tagen verlangte, warnte Trotzki, man könne leicht am Sieg vorbei in die Niederlage abrutschen. Anfang August 1920 unterlag die Tuchatschewski unterstehende Nordgruppe der Roten Armee in der Schlacht an der Weichsel. Das wurde auch deshalb zur Katastrophe, weil die Südgruppe den Befehl ignorierte, den vor Warschau angreifenden Polen in die Flanke zu fallen. Der politische Hauptkommissar der Gruppe, Stalin, hatte sich darauf kapriziert, zur gleichen Zeit wie Tuchatschewski in Warschau selbst in Lemberg zu sein.

Im Politbüro stand nunmehr zur Debatte, ob ein ungünstiger Friede geschlossen oder ein neuer Angriff auf Polen gewagt werden sollte. Für letztgenannten Fall kündigte Trotzki seinen Rücktritt an. Lenin verließ hierauf die Fraktion der Kriegsanhänger und erteilte selbstkritisch der Idee, Revolution auf Bajonettspitzen ins Ausland zu tragen, eine Absage. Mit der Angliederung Georgiens, dessen Existenz unter einer menschewistischen Regierung die Sowjetmacht garantiert hatte, wurde die Idee ein halbes Jahr später unter Verantwortung von Ordshonikidse, Dzierzynski und Stalin erneut aufgegriffen und erstmals realisiert.(30)

Nach dem Bürgerkrieg lösten die Generale Tuchatschewski und Frunse eine militärstrategische Debatte aus, wobei sie von Woroschilow und Budjonny unterstützt wurden. Sie propagierten eine "proletarische Militärwissenschaft" mit dito Kriegsstil, der allemal offensiv sein würde. Tuchatschewski forderte einen internationalen Generalstab der Roten Armee zur Leitung militärischer Operationen in aller Welt. Trotzki trat den abenteuerlichen Plänen entgegen. Er lehnte einen "proletarischen Kriegsstil " wie den hochtrabenden Begriff der "Militärwissenschaft" ab und plädierte für eine Kriegskunst, bei der die zur jeweiligen Situation passenden Mittel angewendet würden. Daß der Bürgerkrieg nicht im "proletarischen", wohl aber in einem quasi-napoleonischen Stil geführt worden sei, habe am niedrigen Zivilisationsniveau des Landes gelegen.(31)

Eine Parallele zur Debatte über Militärstrategie ergab sich in der 1919 auf Drängen Lenins gegründeten Kommunistischen Internationale, die oftmals "Generalstab der Weltrevolution" genannt wurde. Insgeheim zog Trotzki bereits Anfang August jenes Jahres aus dem Scheitern revolutionärer Ansätze in Europa den Schluß, die Revolution sei vom Westen nach Osten zurückgeworfen worden; ihr Weg werde möglicherweise über Kabul, Kalkutta und Bombay nach Paris und London führen.(32) 1921 erklärte er vor der Komintern, der Kapitalismus sei in eine langfristige Depressionsphase eingetreten, woraus sich längere Fristen für die Weltrevolution ergäben. Die KI wertete damals die bei den mitteldeutschen Märzkämpfen erlittene Schlappe aus, die mit durch Anwendung der von Bucharin und namhaften KPD-Führern favorisierten "Offensivtheorie" verursacht worden war. Ihr gegenüber nahm Trotzki beim III. Weltkongreß kein Blatt vor den Mund. "Wir sind", äußerte er, "verpflichtet, der deutschen Arbeiterschaft klipp und klar zu sagen, daß wir diese Offensivphilosophie als die größte Gefahr und in der praktischen Anwendung als das größte politische Verbrechen auffassen."(33) Nicht minder drastisch erklärte Lenin: "Wenn der Kongreß gegen solche Fehler, gegen diese linken Dummheiten nicht entschlossen die Offensive durchführt, dann ist die Bewegung zu Grunde gerichtet."(34) Zusammen mit Trotzki setzte er gegen erhebliche Widerstände die Ablehnung der genannten Theorie und Annahme der auf Kooperation mit Sozialdemokraten zur Durchsetzung wichtiger Tagesforderungen gerichteten Einheitsfronttaktik durch.

Trotzkis damaliger Standpunkt hinderte ihn nicht daran, im deutschen Krisenjahr 1923 selbst in "offensivtheoretische" Illusionen zu verfallen. Nach kurzem Zögern trat er, anders als der Skeptiker J. W. Stalin, gleich dem Kominternvorsitzenden Sinowjew dafür ein, den "deutschen Oktober" zu wagen. Er wollte die Rolle des Aufstandsführers übernehmen, worum ihn KPD-Vorsitzender Heinrich Brandler gebeten hatte.(35) Das Vorhaben läßt sich teilweise aus der damaligen Situation erklären. Es ist darum nicht minder verwegen und dubios.

Ein Nachtrag zur von Trotzki für spätere Zeiten geplanten Armeereform! Seine Thesen, die der VIII. und der IX. Parteitag der KPR 1919 bzw. 1920 bestätigten, sahen die Umwandlung des zentralisierten stehenden Heeres in ein Milizheer vor. Der Tendenz zur Abkapselung der Roten Armee vom Volk sollte dadurch entgegengewirkt werden, daß sie in den Industriezentren und in der Nähe von dörflichen Produktionseinheiten stationiert wurde. Die Kaserne war nicht mehr vornehmlich als Exerzierplatz, sondern als militärische und allgemeine Schule gedacht. Schließlich sollten die Kommandeure gewählt werden. Zwar mußte sich Trotzki Ende 1920 dem Argument beugen, daß sich bei strikter Anwendung des territorialen Milizsystems der proletarische Einfluß wegen der geringen Zahl von Arbeitern überhaupt verflüchtigen würde und eine rasche Mobilmachung unmöglich wäre. Den Reformvorschlägen von Jean Jaurès folgend, hielt er aber am Milizsystem als Zukunftsmodell für den Armeeaufbau fest und erprobte es. In der ersten Hälfte der 30er Jahre waren fast drei Viertel der Roten Armee territorial organisiert. 1935 wurden die Reformergebnisse zurückgenommen und die Armee wieder nach zaristischem Muster strukturiert. Das Offizierskorps bekam Privilegien, die Masse der einfachen Soldaten wurde in den Staub gedrückt. Gleichzeitig führte man die alten Rangabzeichen wieder ein.(36) Der Traum einer demokratisch-sozialistischen Armee war ausgeträumt, Trotzki auch auf diesem Feld geschlagen.

Streit um die Wirtschaftsstrategie

Der russischen Wirtschaft hatte schon der erste Weltkrieg schwer geschadet. Nach dem Bürgerkrieg lag sie vollends am Boden. Damals machte die Produktion von Industriegütern knapp ein Fünftel, die Kohleförderung ein Zehntel, die Energieerzeugung ein Vierzigstel des 1913 Hergestellten aus. Die Bourgeoisie als Klasse war vernichtet. Zugleich gedieh eine neue Schicht von Schwarzhändlern und üblen Geschäftemachern, die sich wie ihre Nachfahren im Rußland von heute an bitterster Not bereicherten. Die Arbeiterschaft von 1917 existierte nicht mehr. Ihre besten Kräfrte waren gefallen oder in den Staats-, Organisations- und Parteiapparat übergewechselt; andere lungerten arbeitslos herum oder kehrten aus den devastierten Fabriken aufs Land zurück. Der Bauernschaft, genauer den Kulaken und der durch Landaufteilung erstarkten Mittelbauernschicht, ging es relativ gut. Doch hinderten sie der Mangel an Landmaschinen und anderen Industriewaren sowie der Kriegskommunismus am Expandieren. Letzterer trat ihnen als System zur Requisition von Nahrungsmitteln durch bewaffnete Trupps entgegen. Die sozialen Spannungen hatten sich erhöht; gleichzeitig war die politische Apathie im gebeutelten Volk enorm gewachsen.

Im Winter 1919/20 hatte die Entwicklung noch nicht den Tiefpunkt erreicht. Sie war aber auf bestem Wege dorthin. Damals übernahm Trotzki zusätzlich die Aufgabe, das vor dem Kollaps stehende Transportsystem zu retten, was ihm überraschend schnell gelang. Zudem war er für die Umwandlung eines Teils der Streitkräfte in Arbeitsarmeen verantwortlich. Diese wurden in Bergwerken, beim Holzeinschlag und auf den Feldern eingesetzt. Ihre Angehörigen waren zum Kriegführen nicht mehr notwendig, konnten aber mangels ausreichender Transportmittel nicht gleich nach Hause geschickt werden. Bei der ersten Inspektionsfahrt zur Ural-Arbeitsarmee hatte Trotzki im Februar 1920 ein Schlüsselerlebnis. Der Zug entgleiste, und es fand sich trotz naher Bahnstation niemand, der die Schneemassen weggeschaufelt hätte. Das passierte einem der mächtigsten bolschewistischen Führer. Offenbar hatten sich die kriegskommunistischen Methoden erschöpft.

Trotzki wollte das Übel an der Wurzel packen. Rußlands Bauern mußten ein Stück ökonomischer Freiheit zurückbekommen, um mit Gewinn mehr zu produzieren. Der entstehende Überschuß würde dem Staat Mittel zum industriellen Wiederaufbau einbringen. Noch im Februar wandte sich der Volkskommissar mit einer Erklärung ans Zentralkomitee, in der es hieß: "Die heutige Politik der ausgleichenden Requisitionen gemäß der Lebensmittelnorm, der gegenseitigen Bürgschaft bei der Zwangsablieferung und der ausgleichenden Verteilung der Industrieprodukte führt zum Niedergang der Landwirtschaft, zur Zersplitterung des Industrieproletariats und droht das wirtschaftliche Leben des Landes gänzlich zu untergraben... Die Lebensmittelvorräte drohen zu versiegen, wogegen keine Vervollkommnung des Requisitionsapparates etwas ausrichten kann. Gegen diese Tendenzen des wirtschaftlichen Niederganges zu kämpfen ist mit folgenden Methoden möglich: 1. Die Erfassung der Überschüsse ist durch eine festzulegende prozentuale Besteuerung zu ersetzen (eine Art progressive Natural-Einkommensteuer) mit der Berechnung, daß größere Anbauflächen und ihre bessere Bearbeitung immer noch vorteilhaft bleiben. 2. Herstellung eines entsprechenden Verhältnisses zwischen der Versorgung der Bauern mit Industrieerzeugnissen und der Quantität des von ihnen abgelieferten Getreides..."(37) Die Erklärung erweist die Unsinnigkeit der Stalinschen These, Trotzki sei ein Feind der Bauern gewesen. Sie nahm zugleich in nuce die Neue Ökonomische Politik vorweg. Im Februar 1920 waren aber Lenin und die meisten anderen Führer dagegen, vom Kriegskommunismus abzugehen. Mit 11 : 4 Stimmen lehnte das ZK Trotzkis Vorlage ab.

Dieser legte sich weiter ins Zeug, das System zu retten. Nun sollte das ganz auf Kosten der verbliebenen Fabrikarbeiter geschehen. Schon Mitte Dezember 1919 hatte Trotzki Thesen zum wirtschaftlichen Übergang vom Krieg zum Frieden ans Zentralkomitee geschickt, die eine "Militarisierung der Arbeit" vorsahen. Versehentlich wurden sie nicht erst intern diskutiert, sondern sofort in der "Prawda" veröffentlicht. Aus Gewerkschaften und Parteimitgliedschaft hagelte es Proteste. Als Lenin Trotzkis Standpunkt unterstützte, wiesen Gewerkschaftsführer beider Resolution zurück.(38) Kurz darauf kam im ZK der Pro-NÖP-Vorschlag zu Fall. Trotzki wurde nun bei der "Militarisierung der Arbeit" konkreter. Jahrzehntelang hatte er für die Selbstbestimmung des Proletariats gestritten. Nun regte er Strafbataillone und Konzentrationslager zur Disziplinierung sogenannter Arbeitsdeserteure, die Übernahme fortschrittlicher Elemente des Taylorismus und den "sozialistischen Wettbewerb" an. Die Gewerkschaften waren seiner Meinung nach vor allem dazu da, die Arbeiter zur Produktion anzuhalten. Als er das auf einem Gewerkschaftskongreß verfocht, wurde ihm von Menschewikenführer Abramowitsch der Vorwurf zuteil: "Sie können doch nicht eine Planwirtschaft aufbauen, wie die Pharaonen ihre Pyramiden errichteten."(39) Hier und bei anderer Gelegenheit, so in seiner Schrift "Terrorismus und Kommunismus", verteidigte Trotzki die Militarisierung als "unerläßliche Grundmethode für die Organisation unserer Arbeitskräfte". Es sei, betonte er, "das armseligste und elendeste liberale Vorurteil" zu sagen, Arbeitszwang wäre stets unproduktiv: "auch die Sklavenarbeit war produktiv".(40) Die Gewerkschaften wehrten sich. Daher wollte Trotzki sie "durchrütteln", sogar ihre gewählten durch ernannte Führer ersetzen. Zusammen mit Bucharin trat er für den Einbau der Gewerkschaften in den Regierungsapparat - ihre "Verstaatlichung" - ein. Hiergegen zog nicht nur die Arbeiteropposition zu Felde. Hiervon distanzierten sich auch Lenin und das Zentralkomitee. Bei dem Streit ging weitgehend unter, daß Trotzki nicht nur den Arbeitern politische Rechte nehmen, sondern ihnen gleichzeitig mehr Verantwortung bei der Leitung des wirtschaftlichen Aufbaus übertragen wollte. Beim X. Parteitag im März 1921 verstieg er sich zu dem Satz, man müsse, statt aus demokratischen Prinzipien einen Fetisch zu machen, "das Bewußtsein eines historischen Geburtsrechts der Partei schaffen".(41) Hiermit und durch Deduktionen in "Terrorismus und Kommunismus" verfocht Trotzki den einst bekämpften Substitutionismus, die Ersetzung proletarischer Entscheidungsfreiheit durch die der Partei. Später hat er den Fehler korrigiert.

Die Gewerkschaftsdebatte endete mit Annahme der Neuen Ökonomischen Politik, die Trotzki von Anfang an mittrug, durch den X. Parteitag der KPR (B). Die Ablösung des Kriegskommunismus durch einen Kurs der gemischten Wirtschaft mit marktwirtschaftlichen Elementen war auch durch wachsende Unzufriedenheit der Massen in Stadt und Land mit dem Regime erzwungen worden, eine Unzufriedenheit, die 1921 in den Aufständen von Kronstadt und Tambow gipfelte. Sie hatte zur Folge, daß die Arbeiterorganisationen sich verstärkt wieder der Interessen ihrer Mitglieder annahmen. Gleichzeitig tat der Parteitag, auch mit Zustimmung Trotzkis, einen wichtigen Schritt in die falsche Richtung. Er untersagte die Bildung von Fraktionen und Gruppierungen innerhalb der KPR und ermächtigte insgeheim das ZK, Verstöße hiergegen mit Ausschluß zu ahnden. Als das Instrument Jahre später voll in Stalins Hand war, hatte das verhängnisvolle Folgen für die Bolschewiki.

In wirtschaftstrategischen Fragen waren die internationalistisch gesinnten Kommunisten zwar mit Marx und Engels der Ansicht, daß der Sozialismus nicht - wie Stalin es ab 1924 verkündete - in einem einzelnen Land siegen könne. Sie traten aber entschieden dafür ein, Voraussetzungen für den späteren Übergang zum Sozialismus zu schaffen.

Trotzkis Vorschläge zur Wirtschaftsstrategie zielten in den 20er Jahren zunächst auf einen allumfassenden Plan ab. Gleich Lenin, der Planung nur in einer hochentwickelten Wirtschaft für sinnvoll hielt, traten Stalin und Rykow dem entgegen. Trotzki propagierte zudem die Bevorzugung der Schwerindustrie und für die Wirtschaft unerläßlicher Betriebe zu Lasten anderer. Gemeinsam mit Juri Pjatakow, dem Hauptverfechter der Idee, trat er für die "ursprüngliche sozialistische Akkumulation" ein, mit deren Hilfe Mittel für den Industrieaufbau gewonnen werden sollten. Die Last hatte demnach die Arbeiterklasse zu tragen. Sie könne, sagte Trotzki 1922, "nur unter den größten Opfern, indem sie die letzten Anstrengungen macht und Blut und Nerven zusetzt, zum Sozialismus gelangen".(42) Sympathien brachte ihm das nicht ein, ebenso wenig seine Äußerung beim XII. Parteitag 1923, es könnte Situationen geben, wo die Regierung keine Löhne zahlt oder sie halbiert.(43)

1923/24 verwandte sich die aus Trotzki-Anhängern bestehende Linke Opposition energisch dafür, die Schere zu schließen, die sich zwischen niedrigen Agrar- und hohen Industriepreisen aufgetan hatte. Sie regte an, den Kulaken und NÖP-Männern progressive Einkommensteuern abzufordern, um auch zugunsten des Dorfes eine Steigerung der Industrieproduktion, besonders von landwirtschaftlichen Maschinen und Konsumgütern, zu bewirken. Gleichzeitig sollten Teile des Goldschatzes zum Maschinenkauf im Ausland verwendet und die Bauern Lenins Genossenschaftsplan entsprechend für den Beitritt zu Produktionsgenossenschaften gewonnen werden.(44) Im Ergebnis seines damaligen Streits mit Sinowjew, Kamenew und Stalin wurde Trotzki 1925 als Volkskommissar abgelöst und beim Obersten Volkswirtschaftsrat mit Verwaltungsaufgaben eingedeckt. Wider Erwarten meisterte er sie und vollbrachte eine politökonomische Pioniertat. In einer Studie verglich er Arbeitsproduktivität und Industrieausrüstung Sowjetrußlands sowie des Westens. Das Resultat schockierte. Die Produktivität eines russischen Arbeiters betrug lediglich ein Zehntel der Produktivität seines US-amerikanischen Kollegen. Trotzki meinte indes, nur bei wahrheitsgemäßen Vergleichen, nicht durch Lügen oder Selbstisolation von der kapitalistischen Weltwirtschaft ließen sich Aufbauerfolge erreichen.(45)

Mitte der 20er Jahre wurde der Hauptstreit um die Wirtschaftsstrategie zwischen Trotzkis damaligem Anhänger Preobrashenski und dem Führer der Parteirechten Bucharin ausgetragen. Letztgenannter wollte den "Sozialismus in einem Land" über ein Bündnis mit den wohlhabenden Bauern herbeiführen. Dies hätte eingestandenermaßen zur Folge gehabt, daß wir, wie er sagte, "mit winzig kleinen Schritten vorwärtsgehen und hinter uns unseren großen Bauernwagen herziehen" würden.(46) Preobrashenski baute auf ein angeblich gebieterisches Bedürfnis nach rascher Industrialisierung. Zwecks sozialistischer Akkumulation, meinte er, wäre der unterentwickelte Arbeiterstaat gezwungen, die Bauern "auszubeuten". Allerdings sollte deren Einkommen wie das der Arbeiter nicht gesenkt werden, sondern nur weniger rasch steigen. Bucharin nannte dies Konzept monströs und für das Bündnis mit den Bauern zerstörerisch. Der sozialistische Sektor habe in sich keinen wirksamen Ersatz für das Profitmotiv. Er müsse für den eigenen Fortschritt Auftrieb vom Profitstreben im Privatsektor erhalten. Trotzki neigte Preobrashenskis Auffassungen zu, erhob aber weniger rigorose Forderungen und war gegen die These, die ursprüngliche sozialistische Akkumulation sei ein Gesetz, das alle Parteiführer unter seine "eiserne Ferse" zwinge.(47)

Die durch ihn, Sinowjew und Kamenew repräsentierte Vereinigte Opposition von 1926/27 forderte einen rascheren Industrieaufbau, als im damaligen Fünfjahrplanprojekt vorgesehen war. Mittel sollten unter Beibehaltung der NÖP durch progressive Besteuerung Begüterter, aber auch durch radikale Sparmaßnahmen bei unproduktiven Ausgaben, vor allem in der Verwaltung, aufgebracht werden. Zugleich plädierte die Opposition für die Befreiung der armen Bauern von Steuern, für höhere Industrielöhne, unabhängige Gewerkschaften, ein gesichertes Streikrecht und einen höheren Arbeiteranteil an der Wirtschaftsleitung. Die Regierenden lehnten die Forderungen ab, stimmten aber aus taktischen Gründen zwei Monate später einer Lohnerhöhung zu.(48)

Bald darauf bezichtigte Stalin die Vereinigte Opposition, besonders Preobrashenski, sie würde die "Millionenmassen der Arbeiter und Bauern" durch eine übertriebene Industrialisierung dem Elend preisgeben.(49) Andererseits nahm er einen Teil der oppositionellen Thesen ohne Quellenangabe in sein Arsenal auf. Sie waren als Waffe gegen den bisherigen Koalitionspartner Bucharin geeignet. Zugleich konnte ihr Gebrauch dazu beitragen, ehemalige Anhänger Sinowjews und Trotzkis zu Stalin herüberzuziehen.

Daß sich der künftige Diktator gerade so verhielt, hatte nicht allein mit Tücke und Bosheit zu tun. Es hing auch mit der für das Regime bedrohlichen Lage zusammen. Auf erste, von Bucharins Leuten erwirkte Zugeständnisse hin verlangte das Gros der Mittelbauern, geführt von Kulaken, immer weitere Konzessionen. Es wies Notstandsmaßnahmen ab, die daraufhin verhängt worden waren, erzwang eine Anhebung der Brotpreise und drosselte die Getreidelieferungen. Die Lage war so, wie Trotzki sie im Konzept der permanenten Revolution vorausgesehen hatte. Allein in der ersten Hälfte von 1928 mußten 150 Bauernrebellionen unterdrückt werden. Mit der Situation auf zivilisierte Art umzugehen, war Stalin außerstande. Trotz gegenteiliger Beteuerungen steuerte er auf totale Kollektivierung der Landwirtschaft hin, die nur gewaltsam vonstatten gehen konnte, und gab dies am 7. November 1929 auch bekannt. Damit verbunden war die sogenannte Liquidierung des Kulakentums als Klasse, die für Hunderttausende von Bauern Umsiedlung oder Tod bedeutete. Zuvor noch brachen Stalins Leute mit den Bucharin-Anhängern, die ihnen bei der Kollektivierung im Weg gestanden hätten. Der beständigste Gegner des Generalsekretärs, Leo Trotzki, wurde 1928 an die chinesische Grenze verbannt und im Februar 1929 aus der UdSSR ausgewiesen.

Trotzki ging entgegen vielen seiner Anhänger Stalin auch dann nicht auf den Leim, als dieser durch forcierte Kollektivierung und Industrialisierung einen scheinbar linken Kurs steuerte. Schon im August 1928 konstatierte der nach Alma Ata Verbannte, nie in Stalins Manier mit dem Bauern umspringen zu wollen. Zur Beurteilung von dessen Politik sei es "notwendig, nicht nur zu berücksichtigen, was er tat, sondern auch, wie er es tat".(50) Anfang der 30er Jahre verurteilte Trotzki die Liquidierung der Kulaken. Er wertete die Abschaffung der NÖP durch den Diktator(51) als Ausgeburt eines bürokratischen Gehirns und bekundete seinen Unglauben in die Lebensfähigkeit der Kollektivwirtschaften.(52) Im Lichte Stalinscher Erfolgspropaganda, aber auch angesichts einer Reihe später funktionierender Kolchosen mag der Unglaube befremdlich scheinen. Die generelle Entwicklung der sowjetischen Landwirtschaft ins Aus gab Trotzki indessen Recht. Wiederholt riet dieser dem Politbüro, den barbarischen Krieg gegen die bäuerliche Barbarei zu beenden und zu gestehen, daß die durchgehende Kollektivierung von oben ein Fehler war. Doch wäre, wie Deutscher konstatierte, solch Rückzieher für das Stalin-Regime wohl selbstmörderisch gewesen.(53)

Zum Problem der Wirtschaftsplanung merkte Trotzki 1932 an: "Nur durch die Wechselwirkung dieser drei Elemente - staatliche Planung, Markt und Sowjetdemokratie - kann erreicht werden, daß sich die Wirtschaft der Übergangsperiode adäquat entwickelt."(54) 1936 verwies er auf die Eigenart der Bürokratie, schöpferische Initiative und Verantwortungsgefühl zu töten. "Gigantische Fabriken nach fertigen westlichen Mustern", so sein Schluß, "kann man auch auf... Kommando errichten, freilich zu dem dreifachen Preis. Aber je weiter diese Entwicklung voranschreitet, um so mehr wird sich in der Wirtschaft das Problem der Qualität stellen, das der Bürokratie wie ein Schatten entgleitet."(55)

Die heute von prostalinistischen Kreisen erhobene Schutzbehauptung, Stalin habe nur ausgeführt, was Trotzki, die Linke oder die Vereinigte Opposition ausgeheckt hätten, ist rundum falsch. Sowohl die wirklichen Vorschläge der Opposition als auch Trotzkis Kritik am Stalin-Kurs widerlegen sie. Auch Deutscher hat mit einer seiner Bewertungen Unrecht. Weniger insoweit, als er die gesellschaftlichen Veränderungen 1929/30 in der Sowjetunion eine "soziale Revolution" nennt. Ganz entschieden aber darin, daß er die von Trotzki betonte Permanenz des revolutionären Prozesses mit ihnen gleichsetzt und Stalin zum unbewußtem Agenten der permanenten Revolution erklärt. Hingegen hält die Auslegung Trotzkis, bei den Veränderungen handle es sich um "gewaltsame Nötigung der Geschichte",(56) der Prüfung stand.

Opposition gegen Stalin, dessen Verbündete und den Stalinismus

Kennzeichnend für den Kampf Trotzkis und seiner Anhänger gegen den aufkommenden und triumphierenden Stalinismus waren eine konsequent marxistische Grundhaltung und bemerkenswerte Analysen, aber auch taktische Fehler. Der Kampf war ihnen aufgezwungen. Noch zu Lebzeiten Lenins bildeten Ende 1922 Sinowjew, Kamenew und Stalin ein Triumvirat, um zu verhindern, daß Trotzki Nachfolger des schwerkranken Partei- und Regierungschefs wurde. Später wurde die Dreiergruppe durch Bucharin, Rykow, Tomski und den stalintreuen ZK-Sekretär Kuibyschew verstärkt. Einigendes Band waren Rivalität gegenüber Trotzki und Furcht vor ihm.(57) Umgekehrt galt Trotzkis erste Kritik den zunehmend undemokratischen Zügen in der Partei.

Die vom Bürokratismus ausgehende Gefahr erkannte damals Lenin am klarsten. Um die Jahreswende 1922/23 diktierte er sein berühmtes "Testament". Gleichzeitig war er bereit, einen Block mit Trotzki gegen den Bürokratismus und das Organisationsbüro des ZK zu bilden, das unter Leitung Stalins den Parteiapparat mit dessen Kreaturen durchsetzte. Diesem Konzept gemäß bat Lenin am 5. 3. 1923 Trotzki, die "Verteidigung der georgischen Sache", darunter der vom Generalsekretär verfolgten Bolschewiki des Landes, zu übernehmen.Während er so "eine Bombe gegen Stalin" vorbereitete, verfiel Trotzki in einen für ihn charakteristischen Fehler. Es war der, Genossen gegenüber zu vertrauensselig zu sein. Am 6. 3. schloß er via Kamenew mit den Triumvirn ein Kompromiß. Gegen Versprechungen, deren wichtigste sie nicht einhielten, durften Stalin und seine Leute ihre Ämter behalten. Lenins Aufzeichnungen zu Georgien, die schärfste Kritik an ihrem Vorgehen enthielten, übergab Trotzki dem Politbüro, das beschloß, sie nicht zu veröffentlichen. Beim XII. Parteitag bezeigte er der Dreiergruppe Solidarität und schwieg zur georgischen Frage. Zur Rechtfertigung bemerkte er später, ein Hervortreten in dieser Sache hätte als persönlicher Kampf um Lenins Platz verstanden werden können. "Ich vermochte nicht ohne inneren Schauder daran zu denken."(58) Die scheinbar noble Haltung war fraglos falsch.

Attacken des Triumvirats gegen Trotzki, um ihn von politischen Entscheidungen fernzuhalten, waren erneut mit Verstößen wider die Parteidemokratie verbunden. Er schrieb deswegen am 8. 10. 1923 dem Zentralkomitee einen Brief, worin er die Verfahrensweise mißbilligte und zugleich die in der Industrie herrschende Unruhe, darunter "wilde" Streiks wegen nicht gezahlter Löhne, als durch mangelnde Voraussicht verursacht bezeichnete. 46 prominente Parteimitglieder verschiedener Richtungen äußerten sich eine Woche später ähnlich. Zudem verlangten sie, das Verbot der Gruppenbildung zu mildern oder aufzuheben. Es diene einer speziellen Gruppe als Deckmantel ihrer Diktatur über die Partei. Die Mehrheit in ZK und Zentraler Kontrollkommission rügte Trotzki und die 46. Bald darauf war sie jedoch gezwungen, innerparteiliche Diskussionen zuzulassen. Über ein Drittel der Mitglieder bekannte sich darin zur Opposition.(59) Am 5. 12. 1923 stimmten Politbüro und ZKK-Präsidium einer von Trotzki, Stalin und Kamenew entworfenen Resolution zu, die der Partei einen demokratischen Neuen Kurs versprach. In "Prawda"-Artikeln und einem weiteren Schreiben ans ZK versuchte hierauf Trotzki, die Triumvirn auf Einhaltung ihrer Versprechen festzunageln und zugleich der Mitgliedschaft zu erklären, worum es bei der Durchsetzung des Kurses gehen müßte. Kerngedanken waren: "Die Partei muß sich ihren Apparat unterwerfen." Empfindlicher als alle anderen reagiere die Jugend auf den Parteibürokratismus. Nur der ständige Gedankenaustausch der Älteren mit ihr könne die Alte Garde als revolutionären Faktor erhalten. Andernfalls werde sie verknöchern und zum Anhänger des Bürokratismus werden, wie vorher die Alte Garde der II. Internationale. Da Spitzenfunktionäre des Apparats den Neuen Kurs liquidieren wollten, müsse er "gleich zu Anfang allen Mitgliedern das Gefühl geben, daß die Partei von niemandem mehr terrorisiert werden kann... Hinaus mit dem passiven Gehorsam, mit Charakterlosigkeit, Kriechertum und Strebern! Ein Bolschewik ist nicht nur ein Mensch der Disziplin, sondern auch ein Mensch, der sich zu jedem Problem eine feste Meinung bildet und diese... auch in seiner eigenen Organisation mutig und unabhängig vertritt."(60)

Trotzkis Brief wurde in Parteiversammlungen verlesen. Er fand begeisterte Zustimmung, stieß aber andererseits auf Gegenwehr, weil darin angeblich Junge gegen Alte gehetzt wurden, der Ton zu rauh war und bei den Massen ein gefährlicher Appetit auf Demokratie geweckt wurde. Dreiergruppe und Apparat waren empört: Trotzkis Forderungen waren genau das, was nicht wollten. Sie begannen eine Kampagne gegen den "Trotzkismus" und nutzten derart einen einst von Kadettenführer Miljukow ersonnenen Begriff. Stalins Orgbüro nahm durch Ablösung und Versetzung sogenannter Trotzkisten am Feldzug teil. Andere gruben Dokumente über frühere Konflikte zwischen Trotzki und Lenin aus, die in einer Art Münzer-Luther-Stil ausgetragen worden waren. Die Kritiker legten die Schlußfolgerung nahe, ein Mann mit solcher menschewistischen Vergangenheit und so wenig Respekt vor dem obersten Führer verdiene kein Vertrauen. Als Lenin im Januar 1924 starb, befand sich Trotzki auf dem Weg nach Süden zur Kur. Stalin nannte ihm einen falschen Beisetzungstermin. Er sorgte so zum Schaden von Trotzkis Ansehen dafür, daß dieser nicht bei den Feierlichkeiten in Moskau war.

Die marxistischen Positionen in der Partei wurden durch das Lenin-Aufgebot geschwächt. Es schwemmte 250 000 Arbeiter auf einmal in die Organisation, Leute, die nicht auf ihre Tauglichkeit dafür überprüft worden waren. Meist stärkten sie Trotzkis Gegner. Ebenfalls negativ wirkten sich kommunistische Niederlagen in anderen Ländern aus, vor allem die des "deutschen Oktober" 1923. Sie zeigten, daß mit Unterstützung der Sowjetmacht von außen nicht zu rechnen war. Von Trotzki begangene Fehler förderten den Rückwärtstrend. So beim XIII. Parteitag im Mai 1924, als er Sinowjews Forderung, seine Ansichten zu widerrufen, zurückwies, gleichzeitig aber erklärte, die Partei habe "in der letzten Instanz immer recht".(61) Kurzfristig ermöglichte er es hierdurch Stalin, sich öffentlich über den Unsinn zu mokieren.(62) Langfristig lieferte er ihm ein Pseudoargument, das in der kommunistischen Bewegung enormen Schaden anrichtete. Zum Lenin-Testament schwieg Trotzki. Er erleichterte es so den Triumvirn, das Dokument nach einmaliger Verlesung vor Parteitagsdelegierten in der Schublade verschwinden zu lassen und Stalin, dessen Ablösung als Generalsekretär darin verlangt wurde, den Posten zu retten. Außer den russischen Delegierten lagen beim Parteitag auch alle ausländischen Gäste, ausgenommen Boris Souvarine, auf Anti-Trotzki-Kurs.

Der Delinlquent suchte seine Niederlage auf einem anderen Gebiet, dem der Parteigeschichte, wettzumachen. Er versah den Band seiner Werkausgabe mit Reden und Schriften von 1917 mit einer Einleitung "Die Lehren des Oktober" und konstatierte darin, entscheidend für die Beurteilung eines Bolschewiken seien nicht Taten davor und danach, sondern die im Revolutionsjahr. Der rechte Flügel der "alten Bolschewiki" um Sinowjew und Kamenew habe sowohl im April 1917, als Lenin Kurs auf die proletarische Revolution nahm, wie am Vorabend des Oktoberaufstands versagt, als die Genannten nicht den Aufstand mitmachen wollten. Zur deutschen Schlappe von 1923 merkte der Verfasser mit einer Spitze gegen Brandler und Sinowjew an, kommunistische Parteien könnten sich Revolutionserfolge auch entgehen lassen. 1917 sei der positive, 1923 der negative Beweis dafür geführt worden, daß die Rolle der Führung entscheidend sei.(63) Genossen in der Brandler-Tradition sind Trotzki bis heute wegen dieses Urteils gram. Von stalinistischer Seite wurde es später übernommen.

Gegen "Die Lehren des Oktober" richtete sich 1924/25 die sogenannte literarische Debatte. Mit Hilfe aus dem Zusammenhang gerissener Details der Revolutionsgeschichte wurde Trotzkis politischer Lebenslauf derart entstellt, daß herauskam, er sei stets ein Halbmenschewik gewesen und habe in der Oktoberrevolution nur Weisungen des ZK und seines praktischen Zentrums mit Stalin ausgeführt - einer Institution, die lediglich auf dem Papier stand. Zugleich wurde die Theorie der permanenten Revolution samt angeblicher Bauernfeindlichkeit zur schlimmsten Ketzerei erklärt.(64) Stalin stellte ihr die Theorie vom "Aufbau des Sozialismus in einem Lande" entgegen.(65) Dem konnten seine bisherigen Mitstreiter Sinowjew und Kamenew allerdings nicht folgen.

Während der "literarischen Debatte" verlor Trotzki sein Amt als Volkskommissar, an ihrem Ende wurde er aus dem Revolutionären Kriegsrat ausgeschlossen. Zudem faßte das Zentralkomitee am 17. 1. 1925 den Beschluß, die Partei weiter "über den antibolschewistischen Charakter des Trotzkismus" aufzuklären. Der Betroffene hatte über die bisher diskutierten Gegenstände zu schweigen. Die Ausnahme von der Regel bedang sich das Politbüro später selbst aus. Nach Erscheinen des Buches "Since Lenin Died" von Max Eastman, das Auszüge aus Lenins Testament enthielt, zwang es Trotzki, die Existenz des Testaments zu dementieren.(66) Ansonsten hielt dieser eisern den Mund. Sogar beim XIV. Parteitag im Dezember 1925, als Sinowjew und Kamenew vormals von ihm vertretene Standpunkte verfochten und stalinistische Delegierte ihnen gegenüber voller Hohn Trotzkis "Parteidisziplin" lobten.(67) Durch seine Untätigkeit schadete er der eigenen Sache und trug zur Dezimierung der vormaligen Linken Opposition bei. Nach dem Parteitag widerriet er, allerdings vergebens, der von Stalin verlangten sofortigen Ablösung Sinowjews als Leningrader KPR-Chef.

Die Vereinigte Opposition von "Sinowjewisten" und "Trotzkisten" kam 1926 nach schwierigen Vorverhandlungen zustande. Ihre Prinzipienerklärung von Mitte Juli zielte auf innerparteiliche Demokratie und Industrialisierung, höhere Besteuerung der Begüterten und mehr Arbeiterrechte. Die neue Opposition war schwächer als ihre Vorgängerin. Sie bestand aus 4000-6000 regulären Anhängern, je zur Hälfte solchen Trotzkis und Sinowjews; einige 100 Leute von der Arbeiteropposition und den Demokratischen Zentralisten kamen hinzu. Von Nachteil war, daß Sinowjew und seine Leute wenige Monate nach Zustandekommen der Vereinigten Opposition zum Aufgeben bereit waren, da sonst Parteiausschluß drohte. Die Opposition blieb zusammen, gab aber das Recht auf, sich fortan an die Mitgliedschaft zu wenden, was mit der Erklärung vom Juli immerhin versucht worden war. Stalin ging zum Angriff über. Am 25. 10. 1926 stufte er die Opposition als "sozialdemokratische Abweichung" ein und forderte, sie möge ihre Auffassungen widerrufen. Trotzki erklärte hierauf: "Der Generalsekretär kandidiert für den Posten des Totengräbers der Revolution", was sogar einigen Anhängern Entsetzen auslöste und zu seinem ZK-Ausschluß führte.(68)

Sowohl Stalin, als vor allem Bucharin attackierten die Vereinigte Opposition. Doch ließ die katastrophale Chinapolitik der Partei- und Staatsführung die Opposition noch eine Weile dahinvegetieren, während die Kominternexekutive bereits ihre Anhänger ausschloß. Am 7. 11. 1927, dem zehnten Jahrestag der Oktoberrevolution, versuchte die Opposition in Leningrad und Moskau mit eigenen Parolen zu demonstrieren. Sie erwies sich als von der Partei isoliert und wurde von Polizisten und Rollkommandos des Apparats zerschlagen. Die Kommandos agierten u. a. mit dem Spruch: "Nieder mit Trotzki, dem Juden, dem Verräter!" Er ist auch heute bei der Reaktion in Gebrauch. Sinowjew und Trotzki wurden aus der Partei ausgestoßen. Der XV. Kongreß der KPdSU (B) erklärte im Dezember 1927 jede oppositionelle Äußerung für unvereinbar mit der Zugehörigkeit zur Partei. Stalin äußerte in einer selbst für ihn ungewöhnlich heuchlerischen Art, die Partei habe der Opposition gegenüber "größte Milde und Großmut walten" lassen.(69) Für 1928 wurde die Deportation der Oppositionellen vorbereitet.

Von den Umständen, die zu deren Niederlage führten, sind folgende erwähnenswert:

Erstens die allgemeine Entwicklung. Sie war durch das Ausbleiben der Weltrevolution und die weitgehende Isolierung der UdSSR, das Ende der russischen revolutionären Arbeiterschaft von 1917 und die Herausbildung einer neuen, revolutionsmüden Klasse gekennzeichnet, die zu herrschen außerstande war. Charakteristisch waren eine weitverbreitete Apathie der Massen, sich zuspitzende Konflikte mit dem Gros der Bauernschaft und ein beträchtliches Anwachsen der Bürokratie, die sich angesichts genereller Not und produktionstechnischer Unzulänglichkeit mit Privilegien eindeckte. Die wollte sie genießen, statt weiter auf Marx' und Trotzkis permanente Revolution zu warten.

Zweitens wandelte sich die bolschewistische Partei durch Abgang alter und Zustrom neuer Kader. Zehn Jahre nach dem Oktoberaufstand machten diejenigen, die vor 1917 bereits dabei waren, nur ein Prozent der Mitgliedschaft aus. Unter den Zugängen aus der jungen Generation, so derer vom Lenin-Aufgebot, waren viele auf Karriere aus. Andererseits schuf das Hinausdrängen von Trotzkisten, Sinowjewisten, schließlich auch Bucharinisten und etlichen Stalinisten neu zu besetzende Posten. Trotzkis Freund Rakowski beschrieb Mitte 1928 in einer Studie, wie sich Arbeiter zu Agenten der Macht mauserten und Partei und Staatsapparat entarteten.(70) Jene, die vor allem auf Ruhe und Frieden im eigenen Haus bedacht waren, fanden sich mit einem durch krasse Ungleichheit deformierten "Sozialismus" ab.

Drittens wuchs das Dominat des Apparates über die Partei. Durch seine Personalpolitik konnte Stalin die Zusammensetzung der Organisation ändern und sie disziplinieren. Zugleich trieb der Apparat Reklame für die eigene Fraktion und Hetzpropaganda wider alle Gegner, spionierte er diese, in Tateinheit mit der Geheimpolizei, allenthalben aus, unterdrückte sie und machte sie mundtot. Mit der Losung vom "Sozialismus in einem Land" hatten Apparat und Stalinfraktion angesichts des Rückgangs weltrevolutionärer Erhebungen die scheinbar bessere, den russischen Nationalstolz ansprechende Losung.

Viertens waren eklatante Fehler und Uneinigkeit das Kennzeichen der Opposition. Zu Ersteren gehörten nicht nur Aussprüche und Schnitzer wie im Trotzki-Fall. Hierzu zählten vornehmlich Skrupel einem tückischen Feind in den eigenen Reihen gegenüber, das Eingeschworensein auf eine "Disziplin", die Appelle an Volk und Parteimitgliedschaft verbot und Kritik nur in Gremien erlaubte, in denen man sicher unterlag. Die Opposition trug eine Eisenkugel am Bein, indes ihr Gegner sich um Skrupel und Zweifel den Teufel scherte. Erst im September 1927 erkannte Trotzki: "Wenn einem Soldaten die Hände gebunden sind, so ist die Hauptgefahr nicht der Feind, sondern der Strick, der dem Soldaten die Hände bindet."(71) Ein weiteres Hemmnis war die ebenfalls besonders bei ihm entwickelte Unterschätzung Stalins. Dieser war zwar den Oppositionellen geistig unterlegen, übertraf sie aber an taktischem Geschick und Machtbefugnissen. Die Unterschätzung Stalins trug dazu bei, daß er anfangs bei Konflikten kaum beachtet wurde und statt seiner meist andere Gegner attackiert wurden - durch Trotzki erst Sinowjew und Kamenew, dann Bucharin. Umgekehrt sahen diese die Gefahr vorrangig in Trotzki. Es dauerte lange, bis Kamenew und Sinowjew mit ihm zusammengingen. Ein Zweckbündnis zur Wiederherstellung innerparteilicher Demokratie zwischen Trotzki und Bucharin, wie es Ersterer im Januar 1926 und Letzterer im Sommer 1928 anregte, kam nicht zustande. Zwar neigten die Führer dazu, nicht jedoch das Gros ihrer Anhänger.(72)

In diversen Aufsätzen, besonders aber in seinem 1936 fertiggestellten Buch "Verratene Revolution" hat sich Trotzki mit der Genese von Stalins Diktatur sowie deren Staatsform und Gesellschaftsordnung befaßt. Ein Beweggrund zum Buch war die Propagandathese des Generalsekretärs, in der Sowjetunion bestehe bereits Sozialismus. Demgegenüber urteilte Trotzki unter Berücksichtigung marxistischer Kriterien: "Die sowjetischen Eigentumsverhältnisse auf der Grundlage niedriger Arbeitsproduktivität: das ist lediglich ein Übergangsregime, dessen Schicksal die Geschichte noch nicht endgültig entschieden hat."(73) Der revolutionäre Staat müsse die Ungleichheit bekämpfen, die aus dem Mangel erwächst, sie aber andererseits aufrechterhalten, indem er Leistungsanreize für Techniker, Facharbeiter und Administratoren schafft. Beim Verteidigen des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln sei der Staat sozialistisch, bei der ungleichen Güterverteilung bürgerlich. Dementsprechend habe auch die Bürokratie, entstanden aus der Oberschicht des siegreichen Proletariats und Schichten der gestürzten Klassen, einen Doppelcharakter, weise sie fortschrittliche und reaktionäre Züge auf. Letztere nähmen zu. "Die Diktatur des Proletariats löst sich nicht in eine klassenlose Gesellschaft auf, sondern entartet zur Allmacht der Bürokratie über die Gesellschaft." Der Kampf zur Rettung der proletarischen Diktatur sei "vom Kampf gegen den Stalinismus untrennbar".(74)

Die Sowjetbürokratie, so der Autor, "hat nicht nur die Linke Opposition besiegt. Sie siegte über die bolschewistische Partei. Sie siegte über das Programm Lenins, der die Hauptgefahr in der Verwandlung der Staatsorgane von 'Dienern in Herren der Gesellschaft' sah. Sie siegte über all diese Feinde - die Opposition, die Partei und Lenin - nicht mit Ideen und Argumenten, sondern vermöge ihres eigenen sozialen Schwergewichts. Das bleierne Hinterteil der Bürokratie wog schwerer als der Kopf der Revolution."(75) "Das Regime wurde 'totalitär', Jahre ehe dieses Wort aus Deutschland herüberkam."(76) Trotzki war besonders über das Geschick der Jugend besorgt. Er schrieb, selbstbewußte Charaktere könnten sich ohne Kritik nicht entfalten. "Doch der Sowjetjugend werden die elementarsten Möglichkeiten verwehrt, Gedanken auszutauschen, sich zu irren, eigene und fremde Fehler zu überprüfen und zu korrigieren. Alle Fragen... werden über ihren Kopf hinweg entschieden. Sie hat nur auszuführen und zu lobsingen. Auf jedes Wort der Kritik antwortet die Bürokratie, indem sie dem Kritiker an die Gurgel fährt."(77) Gleichermaßen hart beurteilte er den Verrat, den die Bürokratie um ihrer Privilegien willen an der Weltrevolution übte, und den von ihr bewirkten Anschluß ans System des europäisch- asiatischen Status quo.(78) Im Ergebnis seiner Untersuchungen und der im Anschluß an Rakowski gewonnenen Erkenntnis, daß sich die Bürokratie nicht selbst reformieren kann,(79) zog der Verfasser den Schluß, allem Anschein nach sei eine zweite, politische Revolution gegen den bürokratischen Absolutismus unerläßlich. "Es handelt sich nicht darum, eine herrschende Clique durch eine andere zu ersetzen, sondern darum, die Methoden selbst zu ändern, nach denen Wirtschaft und Kultur geleitet werden. Das bürokratische Selbstherrschertum muß der Sowjetdemokratie Platz machen. Die Wiederherstellung des Rechts auf Kritik und wirklich freie Wahlen ist die notwendige Vorbedingung für die weitere Entwicklung des Landes. Das setzt voraus, daß den Sowjetparteien, angefangen mit der Partei der Bolschewiki, die Freiheit wiedergegeben wird und daß die Gewerkschaften wiederauferstehen. Auf die Wirtschaft übertragen, bedeutet die Demokratie die radikale Revision der Pläne im Interesse der Werktätigen. Die freie Diskussion der Wirtschaftsprobleme wird die aus bürokratischen Fehlern und Zickzacks resultierenden Kosten senken. Teures Spielzeug - Sowjetpaläste, neue Theater, protzige Untergrundbahnen - wird zurücktreten zugunsten von Arbeiterwohnungen. Die 'bürgerlichen Verteilungsnormen' werden auf das unbedingt Notwendige zurückgeführt werden, um in dem Maße, wie der gesellschaftliche Reichtum wächst, der sozialistischen Gleichheit Platz zu machen. Die Titel werden sofort abgeschafft, der Ordensplunder wird in den Schmelztiegel wandern. Die Jugend wird frei atmen, kritisieren, sich irren und reifen können. Wissenschaft und Kunst werden von ihren Ketten befreit. Schließlich wird die Außenpolitik zu den Traditionen des revolutionären Internationalismus zurückkehren."(80)

Trotzki ging hier über das hinaus, was er bisher propagiert hatte. Mit der Forderung freier Wahlen, eines sozialistischen Mehrparteiensystems und wiedererstehender Gewerkschaften sprang er über den eigenen Schatten. Bemerkenswert ist andererseits sein Schluß, daß Stalinismus und Faschismus trotz tiefer Unterschiede ihrer sozialen Grundlagen symmetrische Erscheinungen sind: "Die Erstickung der Sowjetdemokratie durch die allmächtige Bürokratie geht, ebenso wie die Zerschlagung der bürgerlichen Demokratie durch den Faschismus, auf ein und dieselbe Ursache zurück - die Verspätung des Weltproletariats bei der Lösung der ihm von der Geschichte gestellten Aufgabe."(81) Speziell in unseren Tagen ist Trotzkis Rußland-Prophezeiung interessant: "Der Sturz der... bürokratischen Diktatur wäre, wenn keine sozialistische Macht diese ersetzt, gleichbedeutend mit einer Rückkehr zu kapitalistischen Verhältnissen bei katastrophalem Rückgang von Wirtschaft und Kultur." Eine siegreiche bürgerliche Partei fände unter den Spitzen der jetzt privilegierten Schichten "nicht wenige willfährige Diener".(82) "Das Übergangsregime "könnte nur dem Kapitalismus weichen... Dies wäre... ein Kolonial- Kapitalismus mit einer Kompradoren-Bourgeoisie, dessen Widersprüche eine fortschrittliche Entwicklung ausschlössen."(83) "Das alles würde natürlich mit Gott und altslawischen Ligaturen verbrämt... Und die Herausbildung einer kapitalistischen Schicht würde eine Proletarisierung und Pauperisierung solchen Ausmaßes bedeuten, daß die Vorgänge, die zum Jahr 1917 führten, davor verblassen würden."(84)

Zur Verfolgung der Marxisten in seinem Land hatte Trotzki 1929 festgestellt: "Die bloße Proklamierung der Opposition zu einer konterrevolutionären Partei genügt nicht. Das nimmt niemand ernst. Ihm (Stalin) bleibt nur eins übrig: versuchen, zwischen der offiziellen Partei und der Opposition einen blutigen Strich zu ziehen. Er muß um jeden Preis die Opposition mit Attentaten, Vorbereitungen zum bewaffneten Aufstand usw. in Verbindung bringen."(85) Am 19. 8. 1936, zwei Wochen nach Abschluß der Arbeiten am Manuskript der "Verratenen Revolution", begann in Moskau ein Schauprozeß gegen das "trotzkistisch- sinowjewistische terroristische Zentrum", der erste in einer Reihe von Pseudogerichtsverfahren. Durch ein Geflecht ungeheuerlicher Lügen, sogenannte Geständnisse, die Experten der physischen und psychischen Folter aus wehrlosen Gefangenen herausgepreßt hatten, und deren jedes Maß übersteigende Verleumdung durch den Chefankläger wurde eine von Genickschüssen zäsurierte Hetzpropaganda ohnegleichen in Szene gesetzt. Hauptangeklagter war und blieb Leo Trotzki. Doch wagte Stalin nicht sein Angebot anzunehmen, sich unter den Bedingungen eines normalen Verfahrens der sowjetischen Justiz zu stellen. Die im Gerichtssaal Anwesenden sollten die UdSSR laut Anklage nur deshalb gegründet haben, um sie wieder zu zerstören; zwischendurch hätten sie die Vergiftung Stalins, Gorkis und der Bevölkerung ganzer Städte versucht, wirtschaftliche Sabotageakte verübt etc. Trotzki aber sollte als Agent Hitlers und des Mikado die Anschläge angeordnet haben. Vor allem sein Sohn Leo Sedow und er unternahmen ungeheure Anstrengungen, die Lügen der Anklage zu widerlegen. Sie schafften es, fanden aber in der damaligen Situation, die durch drohende Kriegsgefahr, scheinbar unüberwindliche Gegensätze zwischen der Sowjetunion und Hitlerdeutschland und das blinde Vertrauen zahlloser Antifaschisten in Josef Stalin gekennzeichnet war, weltweit kaum Gehör.(86)

Vor der Dewey-Kommission zur Überprüfung der Moskauer Prozesse und in Artikeln traf Trotzki Feststellungen, die aus seiner Sicht die ungeheure Durchschlagskraft der Stalinschen Lügenkampagne belegen. So konstatierte er, Millionen Menschen in der ganzen Welt identifizierten nunmehr die Oktoberrevolution mit der Bürokratie, die Sowjetunion mit Stalins Clique, die revolutionären Arbeiter mit dem Kominternapparat. "Die moralische Autorität der Führer der Bürokratie und vor allem Stalins hängt in hohem Maße von dem Babylonischen Turm von Verleumdungen und Fälschungen ab..."(87) "Niemand, Hitler inbegriffen, hat dem Sozialismus so tödliche Schläge versetzt wie Stalin... Hitler hat die Arbeiterorganisationen von außen attackiert, Stalin - von innen. Hitler attackiert den Marxismus, Stalin... prostituiert ihn auch... Selbst die Worte Sozialismus und Kommunismus sind grauenhaft kompromittiert, seit wildgewordene Gendarmen unter der Titulatur 'Kommunisten' ihr Gendarmenregime Sozialismus nennen."(88) "Der Stalinismus entwickelte sich nicht organisch aus dem Bolschewismus, sondern entstand als dessen blutige Negation... Der Stalinismus mußte die führenden Kader des Bolschewismus ausrotten, um das zu werden, was er jetzt ist: Apparat der Privilegierten, Hemmschuh des historischen Fortschritts und Agentur des Weltimperialismus. Der Stalinismus und der Bolschewismus sind Todfeinde."(89)

So treffend, bitter und nach vorn weisend Trotzkis Opposition war, ihr eignete längere Zeit auch eine falsche historische Parallele. Mitte der 20er Jahre hatte er, dem Robespierre vordem ein Greuel war, von länger gedienten Bolschewiki den Thermidor-Begriff als Synonym für die Konterrevolution übernommen. Außer- und innerhalb der Verbannung stritten linke Oppositionelle nun darüber, ob die eigene Niederlage der "Thermidor" gewesen sei oder nicht. Damit verbunden war die Frage, ob eine neue Partei gegründet werden sollte. Trotzki zählte zu den eifrigsten Verfechtern des "Noch nicht". Er meinte, Thermidor wäre erst mit dem Sieg des Kapitalismus, mindestens in Gestalt der Kulaken und NÖP-Leute, gegeben. Bestünde diese Gefahr, würde das stalinistische "Zentrum" den Anschluß an die Linke suchen. Ein Bündnis wäre deshalb mit diesem möglich, keinesfalls aber mit der Parteirechten. Zur falschen Geschichtsparallele gesellte sich hier eine katastrophale Fehleinschätzung der eigenen Stärke, die weit geringer als angenommen war, und der innerparteilichen Gegner. Der Satz von Deutscher, das erwecke den "Eindruck selbstmörderischer Torheit", trifft zu.(90)

Ein Jahr später revidierte Trotzki teilweise seinen Standpunkt. Er räumte ein, der französische Thermidor sei zwar ein reaktionärer Akt, aber einer "auf dem gesellschaftlichen Fundament der Revolution" gewesen; selbst Napoleons 18. Brumaire habe sich nicht gegen die bürgerliche Umwälzung gerichtet. Nichtsdestoweniger behielt Trotzki die bisherige Terminologie bei, nur daß er den Termidor in der Sowjetunion jetzt rückwirkend mit Stalins Triumph von 1924 ansetzte und das momentane UdSSR-Regime mit dem des Ersten Konsuls kurz vor Erwerb der Kaiserkrone in Frankreich verglich. Stalins Herrschaftsmechanismus sei bonapartistisch.(91) Deutscher verweist darauf, daß auch diese Parallele schief ist. Die Niederlage der Linken Opposition von 1923/24 entspreche eher der der linken Jakobiner vor dem Thermidor als diesem selbst. Eine russische Analogie zu ihm wäre ein erfolgreicher Putsch von Überresten der bucharinschen und trotzkistischen Opposition gegen Stalin nach den Moskauer Prozessen gewesen.(92)

Die Sowjetunion bewertete Trotzki inzwischen als bürokratisch deformierten Arbeiterstaat. Der Terminus ist für manche seiner wirklichen und vermeintlichen Nachfahren noch heute verbindlich. Dabei nehmen sich Äußerungen von der Art, das Proletariat sei in Rußland weiter die herrschende Klasse, bzw. eine gleichermaßen herrschende wie unterdrückte Klasse, schon in Trotzkis Munde putzig aus.(93) Zudem beharrte er lange Zeit darauf, daß zwar der Bürokratie der Staat und diesem die Produktionsmittel gehörten, sie aber dennoch keine Klasse, sondern lediglich eine Kaste sei. Schließlich müsse sie das Staatseinkommen als Quelle ihrer Macht verteidigen, ohne das Recht, den Staat auszubeuten, vererben zu können.(94) Wie von selbst stellt sich hier die Frage, warum die Sowjetbürokratie, um Ausbeuterklasse zu sein, unbedingt den Kapitalisten gleichen mußte. Sahen Stalins Apparatschiks nicht eher denen eines asiatischen Despoten ähnlich, die ebenfalls vom Staatseigentum zehrten, ohne Inhaber zu sein? Und hat nicht, um ein anderes Argument gegen den Klassencharakter der Bürokratie zu kontern, der von Stalin verehrte Zar Iwan der Schreckliche mit seiner Opritschnina genauso unter den Bojaren gewütet wie er gegen Teile des Apparats - beide Male, um Abteilungen der Mitregierenden im Zaum zu halten? Die Ähnlichkeit des Stalin-Regimes mit einer Despotie wird dadurch noch deutlicher, daß es im Ergebnis stalinistischer Umgestaltung weder eine mündige Arbeiterklasse, noch eine mündige Bauernschaft gab und Methoden bis zu massenhafter Sklavenarbeit gebräuchlich waren. Unter denen, die trotz eigener Teilerkenntnisse weiter an die Existenz eines zur Revolution fähigen Proletariats glaubten, befand sich mit in erster Linie Trotzki. Seine Verdienste um die Erforschung der Sowjetgesellschaft werden dadurch nicht geschmälert. Analogien zwischen Stalinismus und asiatischer Despotie sind allgemein erst nach seinem Tod zur Sprache gekommen.

Kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges publizierte 1939 ein früherer Anhänger Trotzkis, Bruno Rizzi, das Buch "La Bureaucratisation du Monde". Trotzki bestritt die darin enthaltene Gleichsetzung des "bürokratischen Kollektivismus" unter Stalin mit staatlicher Einflußnahme des Hitlerregimes resp. Roosevelts auf die deutsche und US- amerikanische Privatwirtschaft. Auch kennzeichnete er die Sowjetbürokratie weiter als "parasitäre Wucherung am Arbeiterstaat".(95) Wenngleich im Konjunktiv, räumte Trotzki jedoch erstmals ein, daß der inzwischen ausgebrochene Krieg keine Revolution im Westen hervorrufen müsse und dort eine bonapartistisch-faschistische bürokratische Ausbeuterklasse entstehen könnte. Oder das Proletariat würde die Macht erringen, sie aber nach sowjetischem Beispiel der Bürokratie überlassen. "Dann", so der Verfasser, "wären wir gezwungen einzugestehen, daß der Grund für den bürokratischen Rückfall nicht in der Rückständigkeit des Landes zu suchen ist, auch nicht in der imperialistischen Einkreisung, sondern in einer naturgegebenen Unfähigkeit des Proletariats, zur herrschenden Klasse zu werden. Dann müßte man rückblickend feststellen, daß die jetzige UdSSR in ihren Grundzügen Vorläufer eines neuen Ausbeuterregimes im internationalen Maßstab ist... Zu Ende gedacht, heißt die historische Alternative: entweder ist das Stalinsche Regime ein häßlicher Rückfall beim Umwandlungsprozeß der bürgerlichen Gesellschaft in eine sozialistische, oder es ist die erste Etappe einer neuen ausbeuterischen Gesellschaft. Wenn sich die zweite Prognose als richtig erweisen sollte, dann wird natürlich die Bürokratie zur neuen Ausbeuterklasse. Wie bedrückend auch immer diese zweite Perspektive sein mag, wenn das Weltproletariat wirklich unfähig ist, die Mission zu erfüllen, die ihm der Gang der Entwicklung auferlegt hat, so bleibt keine andere Möglichkeit, als offen einzugestehen, daß das sozialistische Programm... eine Utopie ist. Dann wäre offenbar ein neues 'minimales' Programm notwendig - zum Schutz der Interessen der Sklaven einer totalitären bürokratischen Gesellschaft"(96)

Die Größe dieses Revolutionärs erweist sich ebenso darin, daß er eine für jeden Sozialisten niederschmetternde, leider nicht irreale Variante weltgeschichtlicher Entwicklung in Erwägung zog, wie darin, daß er in dem Fall sofort Partei für die Sklaven ergriff.

Zu Faschismus, Geschichte, Kunst- und Kulturpolitik

Der Schluß des Referats sei Trotzkis Standpunkten zum deutschen Faschismus und zu den Notwendigkeiten antifaschistischen Kampfes, zur Geschichte sowie zur Kunst- und Kulturpolitik gewidmet. Zum ersten Punkt habe ich mich im "Hintergrund" II-94 geäußert.(97) Hier soll die Spezifik Trotzkischer Auffassungen von 1930/33 zusammengefaßt werden.

Mit wenigen anderen kommunistischen Führern, so Clara Zetkin und August Thalheimer, erkannte er rechtzeitig den ganzen blutigen Ernst der faschistischen Gefahr für die Arbeiterbewegung. Von parteikommunistischer und -sozialdemokratischer Seite verhöhnt und angefeindet, warnte er die deutschen Arbeiter und riet zur sofortigen Schaffung der Einheitsfront im Leninschen Sinn. Das dringende Erfordernis antifaschistischen Kampfes stand bei ihm im Kontext mit dem der proletarischen Revolution.

Den Faschismus begriff Trotzki als Mittel zur Befestigung der Kapitalherrschaft, zugleich aber als Bewegung von unten, die wesentlich das Kleinbürgertum zur sozialen Basis hatte. Die Bewegung brachte dessen Bestrebungen, sich gegen die ganze übrige Gesellschaft vom Konzernherrn bis zum Arbeiter zu behaupten, und die konterrevolutionäre Verzweiflung des unteren Mittelstands angesichts der schwersten Weltwirtschaftskrise zum Ausdruck. Unfähig zu selbständiger Politik, stellte das Kleinbürgertum mit seinem lumpenproletarischen Anhang "menschlichen Staub" dar, der von der Macht magnetisch angezogen wurde. Der deutsche wie der italienische Faschismus preßten diesen Staub zum Rammbock gegen Arbeiterklasse und Demokratie zusammen.(98) Kommt der Nazismus ans Regierungsruder, so Trotzki an die deutschen Arbeiter-Kommunisten, "wird er wie ein furchtbarer Tank über Eure Schädel und Wirbelsäulen hinweggehen. Rettung liegt nur im unbarmherzigen Kampf."(99)

An der Gegnerschaft zur Sozialdemokratie hielt er unvermindert fest. Zugleich polemisierte er mit aller gebotenen Schärfe wider die "Sozialfaschismus"-Theorie Stalins und der Komintern. Er begründete seine Auffassung u. a. so: "Die Sozialdemokratie, die heutige Hauptvertreterin des parlamentarisch-bürgerlichen Regimes, stützt sich auf die Arbeiter. Der Faschismus auf das Kleinbürgertum. Die Sozialdemokratie kann ohne Arbeiter-Massenorganisationen keinen Einfluß ausüben. Der Faschismus seine Macht nicht anders festigen als durch Zerschlagung der Arbeiterorganisationen. Hauptarena der Sozialdemokratie ist das Parlament. Das System des Faschismus beruht auf der Vernichtung des Parlamentarismus. Für die Bourgeoisie stellen parlamentarisches und faschistisches System bloß verschiedene Werkzeuge ihrer Herrschaft dar... Doch für die Sozialdemokratie wie für den Faschismus ist die Wahl des einen oder des anderen Werkzeuges von selbständiger Bedeutung, mehr noch, eine Frage ihres politischen Lebens oder Todes."(100)

Die SPD versprach damals ihren Anhängern eine Großoffensive gegen Hitler - dies aber erst dann, wenn er versuchen sollte, gewaltsam die Macht zu ergreifen. Die KPD kündigte durch Hermann Remmele die Arbeitereinheit für den Fall an, daß der Faschismus gesiegt habe.(101) Trotzki widersetzte sich solcher Kapitulationshaltung und forderte unverzügliche Aktionsbündnisse. Die kommunistische Taktik, erläuterte er, müsse in der nächsten Periode defensiv sein. Das bedeute eine "Politik der Annäherung an die Mehrheit der deutschen Arbeiterklasse und die Einheitsfront mit den sozialdemokratischen und parteilosen Arbeitermassen gegen die faschistische Gefahr. Diese Gefahr leugnen, verkleinern oder leichtsinnig behandeln, wäre das größte Verbrechen, das man jetzt an der proletarischen Revolution in Deutschland begehen kann."(102) "Man muß in der Tat eine vollständige Bereitschaft offenbaren, gegen die Faschisten einen Block mit den Sozialdemokraten zu schließen, in allen Fällen, wo sie auf einen Block zugehen. Den sozialdemokratischen Arbeitern zu sagen: 'Werft Eure Führer beiseite und schließt Euch unserer 'parteilosen' Einheitsfront" - also der KP-nahen Antifaschistischen Aktion - "an, heißt noch eine hohle Phrase zu tausend anderen hinzufügen."(103) "Man muß der Sozialdemokratie den Block gegen die Faschisten aufzwingen... Keine gemeinsame Plattform mit der Sozialdemokratie oder den Führern der deutschen Gewerkschaften, keine gemeinsamen Publikationen, Banner, Plakate! Getrennt marschieren, vereint schlagen! Sich nur darüber verständigen, wie zu schlagen, wann zu schlagen und wen zu schlagen! Darüber kann man sich mit dem Teufel selbst verständigen, mit seiner Großmutter und sogar mit Noske und Grzesinski."(104) Wegen solcher Appelle und der Ansicht, gegen die Sozialdemokratie könnten Kommunisten erst nach dem Sieg über den Faschismus wirksam vorgehen, warf KPD-Vorsitzender Thälmann Trotzki vor, "die Theorie eines völlig bankrotten Faschisten und Konterrevolutionärs" zu vertreten. "Das ist wirklich die schlimmste, die gefährlichste und die verbrecherischste Theorie, die Trotzki in den letzten Jahren seiner konterrevolutionären Propaganda aufgestellt hat."(105)

Entgegen jenem superradikalen Revoluzzertum, das stalintreue Parteien in ihrer damaligen ultralinken Phase an den Tag legten, erwiesen sie sich später in Zeiten der Volksfront, zuvor schon in der chinesischen Revolution, bürgerlichen und sozialdemokratischen Partnern gegenüber als unterwürfig. Trotzki hielt dagegen durchgehend an der Devise fest, kommunistische Parteien könnten ihre Mission allein bei Wahrung politischer und organisatorischer Unabhängigkeit erfüllen.(106) Als die Komintern nach Hitlers Machtübernahme in Deutschland der internationalen Sozialdemokratie für den Fall gemeinsamer Aktionen versprach, sich aller Angriffe auf sie zu enthalten, wandte Trotzki sich entschieden dagegen. Er forderte Kritikfreiheit gegenüber Verbündeten wie in der eigenen Partei.(107)

Die kampflose Aufgabe aller Positionen der deutschen Arbeiterbewegung auch durch die KPD bei Hitlers Machtantritt verglich Trotzki mit der sozialdemokratischen Kapitulation am 4. August 1914. Er verband dies mit der leider irrigen Prophetie, in Deutschland sei "das unheilvolle Lied der Stalinschen Bürokratie jedenfalls zu Ende".(108) Den zweiten Weltkrieg sagte er ab 1933 voraus und verquickte das mit der Erwartung siegreicher Revolutionen als Folge des Krieges. Ebenfalls schon 1933, als niemand sonst das wahrnahm, registrierte er erste Anzeichen einer Annäherung Stalin-Hitler.1938 sagte er nach der Preisgabe der Tschechoslowakei durch die Westmächte ein Übereinkommen beider Diktatoren voraus.(109) Im Juni 1939 errechnete er, ein Abkommen mit Hitlerdeutschland wäre für Moskau vorteilhafter als eines mit dem Westen, und stellte fest, Moskau würde in diesem Fall Berlin "volle Freiheit in jede Richtung geben, eine ausgenommen: die nach Osten".(110) Die Art der Teilung Polens durch Hitler und Stalin im September selben Jahres verurteilte Trotzki. Er begrüßte es aber, daß mit den Enteignungen in Ostpolen und der Anpassung der annektierten Gebiete an die UdSSR "die Hauptwünsche, die stets und in jedem Programm polnischer und ukrainischer Sozialisten und Kommunisten figurierten", erfüllt worden seien. Allerdings habe man die Arbeiter und Bauern politisch enteignet.(111) Als seine bisherigen Parteigänger Burnham und Shachtman den Hitler-Stalin-Pakt, die polnische Teilung und den Angriff auf Finnland als imperialistisch verurteilten, rechtfertigte Trotzki den Kurs der Sowjetunion und rief erneut zu ihrer Verteidigung auf.(112) Letzteres war angesichts der drohenden deutschen Aggression zweifellos richtig. Allerdings bescherten Sowjetarmee, NKWD und Stalin Ostpolen keinen Sozialismus, sondern eine neue Form der Staatssklaverei.

Keine Illusionen machte sich Trotzki über das Schicksal, das Europas Juden durch den Faschismus bevorstand. Im Dezember 1938 konstatierte er, die "nächste Entwicklung der weltweiten Reaktion" bedeute mit Gewißheit die physische Ausrottung der Juden. Das erkannten in der Welt nur wenige. Entgegen vormals von ihm geäußerten Ansichten, die auf der Linie fortschreitender Assimilation lagen, plädierte er seit 1937 für das Recht der Juden auf Eigenstaatlichkeit.(113)

Trotzkis Leistungen als Geschichtsschreiber sind wie die auf anderen Gebieten beachtlich. Er schrieb Aufsätze über die Revolution von 1905, während der Brester Verhandlungspausen 1918 eine Broschüre über die Oktoberrevolution, nach seiner Ausweisung aus der UdSSR die Autobiographie "Mein Leben", Fragmente einer Stalin- und einer Lenin-Biographie sowie die dreibändige "Geschichte der russischen Revolution". Daß Trotzki vornehmlich mit Letzterer "der einzige geniale Historiker (sei), den die marxistische Schule bis jetzt hervorgebracht" hat - so Isaac Deutscher -,(114) scheint mir übertrieben zu sein. Einer von ganz wenigen ist er sicher. Deutschers Urteil über die dreibändige Geschichte trifft sonst voll zu. Sie ist "sowohl hinsichtlich ihrer Dimension und Wucht als auch, was Trotzkis Ideen über die Revolution betrifft,... die Krönung seines Werkes. Als die Darstellung einer Revolution, die von einem ihrer Hauptakteure gegeben wird, steht das Werk einzig in der Weltliteratur da."(115) Insofern, als Deutscher Lenin den einzigen wirklichen Helden dieses Dreibänders nennt,(116) kann ich ihm nicht folgen. Hauptheld sind vielmehr die denkenden und handelnden Massen, die Trotzki mit sichtlicher Sympathie behandelt. "Nur auf Grund des Studiums der politischen Prozesse in den Massen selbst", urteilte er, "kann man die Rolle der Parteien und Führer begreifen... Sie bilden... ein sehr wichtiges Element des Prozesses. Ohne eine leitende Organisation würde die Energie der Massen verfliegen wie Dampf, der nicht in einen Kolbenzylinder eingeschlossen ist. Die Bewegung erzeugt indes weder der Zylinder noch der Kolben, sondern der Dampf."(117) Deutschers Ansicht, Trotzki sei Einzelpersonen vom Progressivsten bis zum größten Reaktionär gerecht geworden, stimmt. Der große Revolutionär hat stets der Wahrheit die Ehre gegeben und niemanden verleumdet. Schon deshalb sind seine Arbeiten den blutleeren und maßlos verlogenen Klitterungen der Stalinisten turmhoch überlegen.

In einem Absatz des Dreibänders geht der Autor auf die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung in den einzelnen Ländern ein, die "das allgemeinste Gesetz des historischen Prozesses" sei. Er meint, rückständige Länder wären unter der Knute äußerster Notwendigkeit zu Sprüngen gezwungen. Aus dem universellen Gesetz der Ungleichmäßigkeit ergebe sich daher "ein anderes Gesetz, das man mangels passenderer Bezeichnung das Gesetz der kombinierten Entwicklung nennen kann im Sinne der Annäherung verschiedener Wegetappen, Verquickung einzelner Stadien, des Amalgams archaischer und neuzeitiger Formen. Ohne dieses Gesetz", so Trotzki, "...vermag man die Geschichte Rußlands wie überhaupt aller Länder des zweiten, dritten und zehnten Kulturaufgebots nicht zu erfassen."(118) Auch Mandel legt auf das Gesetz großen Wert.(119) Nach dem, was wir mit dem angeblich überlegenen und siegesgewissen "Realsozialismus" erlebt haben, bin ich gesellschaftswissenschaftlichen Gesetzen gegenüber skeptisch und scheue davor zurück, von solchen zu reden. Zur Erklärung wichtiger Vorgänge in minder entwickelten Ländern eignet sich das, was Trotzki herausfand, allerdings schon.

Auf literaturkritischem Gebiet war der Autor Julijana Ranc zufolge ein Außenseiter. Die Ansicht der Mitherausgeberin des noch unveröffentlichten, diesem Gebiet gewidmeten Doppelbandes der Trotzki-Schriften(120) erscheint auf den ersten Blick verwunderlich. Immerhin gibt es seit den ersten Essays, die Trotzki 1900 als Verbannter schrieb, über 150 einschlägige Aufsätze von ihm. Darin äußerte er sich sachkundig zu zahlreichen Schriftstellern von Hauptmann, Ibsen und Nietzsche bis Gorki und Majakowski, ebenso zu diversen Kunstrichtungen. Im Rußland der 20er Jahre war er zeitweise der führende Literatur- und Kunstkritiker. Ungeachtet dessen trifft die Bezeichnung "Außenseiter" in einer Hinsicht zu: Er schwamm, genauso wie in anderen Bereichen, gegen den Strom.

Trotzkis Sicht auf Literatur und Literaten ähnelt der Franz Mehrings. Er nahm kein Blatt vor den Mund, wurde aber den Objekten seiner Kritik gerecht. Zur Sowjetzeit vertrat er den Standpunkt, es könne keine spezifisch proletarische Literatur und Kunst geben. Die Arbeiterklasse gehe aus der bürgerlichen Gesellschaft als kultureller Pauper hervor. Unter der Diktatur des Proletariats könnten nur Grundlagen für eine der späteren klassenlosen Gesellschaft entsprechende, wahrhaft universale sozialistische Kultur gelegt werden. Gleich Lenin und Lunatscharski lehnte Trotzki die von Anhängern des Proletkults bzw. den Futuristen erheischte künstlerische Alleinherrschaft ihrer jeweiligen Richtung ab. Über beide bolschewistischen Führer hinaus war er gegen jede derartige Hegemonie und wandte sich ausdrücklich auch gegen die Herrschaft der Partei über die Kunst. Er stellte fest, Kunst müsse "ihren eigenen Weg auf eigenen Füßen zurücklegen... Die Methoden des Marxismus sind nicht die Methoden der Kunst. Die Partei lenkt das Proletariat, nicht den historischen Prozeß... Auf dem Felde der Kunst ist die Partei nicht berufen zu kommandieren."(121) Es war nicht verwunderlich, daß sowohl die Anhänger literarischer Sekten, als auch Parteiapparatschiks mit Vorherrschaftsanspruch Trotzki als Schweifwedler vor der bourgeoisen Kultur und Ermutiger eines bürgerlichen Individualismus, ja eine Art Verächter der Arbeiterklasse attackierten. Sie eröffneten einen Feldzug gegen ihn, der jahrzehntelang fortgesetzt wurde. Mitte der 20er Jahre war Trotzkis Einfluß allerdings so groß, daß das Zentralkomitee der KPR zwar die "Hegemonie der proletarischen Schriftsteller" propagierte, sich gleichzeitig aber "für den freien Wettbewerb der literarischen Schulen und Strömungen" verwandte. "Jede andere Lösung der Probleme wäre formal und bürokratisch... Die Partei... kann keiner einzigen Gruppe, selbst der in ihren Ideen proletarischsten, eine Monopolstellung einräumen: Das würde in erster Linie bedeuten, die proletarische Literatur selbst zugrunde zu richten. Die Partei vertritt die Notwendigkeit, jeden Versuch einer selbstherrlichen und nicht kompeteten administrativen Einmischung in Angelegenheiten der Literatur mit der Wurzel auszurotten."(122)

Ab den späten 20er Jahren, etwa gleichzeitig mit Trotzkis Verbannung nach Alma Ata und seiner Ausweisung aus der UdSSR, übernahm die Administration die Regie. 1932 löste Stalin alle literarischen Vereinigungen auf und ordnete die Bildung eines einzigen Schriftstellerverbandes an. 1934 wurde unter Vorsitz des zum Sprachrohr gewandelten Maxim Gorki der "sozialistische Realismus" zur allgemeinverbindlichen Doktrin erklärt.

Trotzkis Contra schloß jedes Mißverständnis aus. Mit Blick auf den Stil der offiziellen Malerei, welcher dem der anderen Kunstgattungen glich, schrieb er, der Name dieses "Realismus" sei offensichtlich "von irgendeinem Direktor irgendeiner Künstlersektion" ersonnen worden. "Der Realismus besteht darin, die provinziellen Klischees des dritten Viertels des 19. Jahrhunderts nachzuäffen. Der 'sozialistische' Charakter kommt darin sichtbar zum Ausdruck, daß man durch gefälschte Fotos Ereignisse wiedergibt, die nie stattgefunden haben... Mit der Feder, dem Pinsel und dem Meißel bewaffnete Beamte huldigen unter Aufsicht von mit Mausern bewaffneten Beamten 'großen' und 'genialen' Führern, die in Wirklichkeit jeder Größe und Genialität bar sind."(123)

In der "Partisan Review" von August/September 1938 konstatierte Trotzki, eine wirklich revolutionäre Partei würde zu keiner Zeit die Kunst zu gängeln versuchen. "Eine solche Anmaßung existiert nur in dem Kopf einer unwissenden, schamlosen, machttrunkenen Bürokratie, die zur Antithese der proletarischen Revolution geworden ist. Die Kunst und die Wissenschaft suchen nicht nur keine Lenkung, sondern können von ihrem Wesen her keine dulden. Das künstlerische Schaffen gehorcht seinen eigenen Gesetzen selbst dann, wenn es sich bewußt in den Dienst einer sozialen Bewegung stellt. Echtes geistiges Schaffen ist unvereinbar mit Lüge, Heuchelei und Konformismus. Die Kunst kann nur insoweit ein großer Bundesgenosse der Revolution sein, als sie sich selbst treu bleibt."(124)

Im Juli 1938 hatten Trotzki und der Surrealist André Breton das Manifest "Für eine unabhängige revolutionäre Kunst" erarbeitet. Sie wollten damit eine internationale Vereinigung progressiver Künstler zum Kampf gegen Faschismus und Stalinismus inaugurieren. In dem Papier heißt es: "Denjenigen, die uns drängen... zuzulassen, daß die Kunst einer Disziplin unterworfen werde, die wir für radikal unvereinbar mit ihren Mitteln halten, stellen wir ein Machtwort entgegen,... indem wir uns an die Formel halten: In der Kunst ist alles erlaubt. Selbstverständlich erkennen wir dem revolutionären Staat das Recht zu, sich gegen die aggressive bourgeoise Reaktion zu verteidigen... Aber zwischen diesen aufgezwungenen und temporären Maßnahmen revolutionärer Selbstverteidigung und dem Anspruch, über das intellektuelle Schaffen der Gesellschaft Kommando zu führen, liegt ein Abgrund. Wenn die Revolution auch gehalten ist, zur Entwicklung produktiver materieller Kräfte ein sozialistisches Regime nach zentralem Plan aufzurichten, so muß sie doch von Anfang an für das intellektuelle Schaffen ein anarchistisches Regime individueller Freiheit etablieren und sichern."(125)

Von Breton und Trotzkis damaligem Gastgeber Diego Rivera unterschrieben und Anfang Oktober 1938 veröffentlicht, fand das Manifest so gut wie kein Echo. Das lag nicht nur, wie Ranc meint, am "Getöse des Kriegsausbruchs" ein Jahr später.(126) Es war vielmehr dem Stalinismus in Tateinheit mit bürgerlichen Elementen gelungen, Trotzki und den internationalistischen Marxismus in Grund und Boden zu verteufeln. Demokraten, Sozialisten und Kommunisten waren in ihrer übergroßen Mehrheit außerstande, die gleichzeitige Barbarei in beiden Weltsystemen zu erkennen und zu bekämpfen. Sie reagierten genauso wie später die meisten von uns. Das darf uns heute nicht hindern, Trotzki und seinen Gefährten rechtzugeben.

Alles in allem waren die Aktivitäten dieses gleichermaßen orthodoxen und kritischen Marxisten für die Emanzipation der Menschheit wesentlich. Bis in die ersten Jahre der Sowjetmacht hinein vermochte er in diesem Sinne Positives zu wirken. Danach äußerte er weiter anregende Gedanken, war aber in einer durch die Stalinbürokratie korrumpierten und verhetzten politischen Umwelt außerstande, seine Auffassungen durchzusetzen. Einem Tagebuch vertraute Trotzki an, er halte die Opposition gegen Stalin und die Gründung der Vierten Internationale für seine wichtigste Leistung, wichtiger als die Arbeit 1917, in der Zeit des Bürgerkrieges usw.(127) Das Letztere ist zweifellos falsch. Zwar läßt sich die Bedeutung seines antistalinistischen Kampfes mit der von Oktoberrevolution und Bürgerkrieg auf eine Stufe stellen - die Sache mit der Vierten Internationale aber ging im großen und ganzen schief. Es gibt noch immer einen Kern, mit dessen Hilfe vielleicht einmal, bei Zusammenschluß mit anderen marxistischen Gruppen und durch Zustrom neuer linker Kräfte, eine sozialistische Bewegung entstehen könnte. Jedoch ist der Kern sehr klein. Die meisten ehemaligen Anhänger und viele eingebildete Jünger Trotzkis sind mangels realer Wirkungsmöglichkeiten im Sektierertum versackt, wozu die zahlreichen Streitereien um Zweit- und Drittrangiges und daraus resultierende Spaltungen gehören. Andere einstige Trotzkisten wurden Propagandisten des Antikommunismus.

Obwohl der Trend ins Abseits sich noch zu Lebzeiten Trotzkis abzuzeichnen begann und seine Isolierung offenkundig war, hegte Josef Stalin weiter Furcht vor ihm. Er ließ sein Tun und Lassen durch Spitzel auskundschaften und sich die jeweils neuesten Schriften seines großen Gegners besorgen, die er zuweilen noch vor ihrer Drucklegung erhielt. Auf Stalins Geheiß geht die Entsendung dreier Mordkommandos nach Mexiko zurück. Sie sollten ihm vor Kriegseintritt der Sowjetunion den Mann endgültig vom Hals schaffen. Während eines der Kommandos in Reserve blieb, drang ein anderes unter dem Kommando des mexikanischen Malers und Obristen im spanischen Bürgerkrieg Siqueiros am 24. 5. 1940 in Trotzkis Anwesen ein und versuchte, allerdings vergeblich, ihn und seine Familienangehörigen mit MG-Feuer, Brandbomben und einer Sprengladung zu töten. Der Exekutor der dritten Gruppe, Ramon Mercader alias Jacson bzw. Mornard, verschaffte sich als angeblich Sympathisierender Zugang zu Trotzki. Am 20. 8. 1940 fügte er ihm, dem wichtigsten Begründer des Sowjetstaates nächst Lenin, mit der Spitzhacke tödliche Verletzungen zu.

Es ist nicht uninteressant, daß Mercader während seiner 20jährigen Haft in Mexiko rührend durch den NKWD umsorgt wurde. Gleich den anderen Gruppenmitgliedern ist er mit dem Orden "Roter Stern" geehrt worden. Nach seiner Entlassung erhielt er durch KGB- Chef Schelepin den Titel "Held der Sowjetunion". Unter Anführung des Titels, allerdings erneut unter falschem Namen, begrub man ihn 1978 auf dem Friedhof Kunzewo.(128) Darauf, daß die Ordens- und Titelvergaben an den Meuchelmörder selbstentlarvend für das stalinistische Regime und seine Nachfolger waren, kam offenbar niemand. Allerdings rechnete auch keiner damit, daß die Angelegenheit je über einen winzig kleinen Kreis hinaus bekannt werden würde. Die verbale Kampagne gegen Trotzki wurde fortgeführt. An ihr beteiligte sich auch der letzte führende Staatsmann der UdSSR, Michail Gorbatschow, der die meisten anderen Opfer Stalins rehabilitieren ließ.

Anmerkungen

1 Isaac Deutscher: Trotzki I. Der bewaffnete Prophet 1879-1921, Stuttgart 1962, S. 38.
2 Deutscher I, S. 37 f.
3 Deutscher I, S. 114 f.; Leo Trotzki: Drei Konzeptionen der russischen Revolution, Berlin 1975, S. 16.
4 Trotzki, Drei Konzeptionen, S. 18.
5 W. I. Lenin: Werke, Band 8, S. 284.
6 Leo Trotzki: Denkzettel. Politische Erfahrungen im Zeitalter der permanenten Revolution. Herausgegeben von Isaac Deutscher, George Nowack und Helmut Dahmer, Frankfurt a. M. 1981, S. 53 ff.
7 Ergebnisse und Perspektiven. Die treibenden Kräfte der Revolution, in Leo Trotzki: Die permanente Revolution. Ergebnisse und Perspektiven, Essen 1993, S. 224 f.
8 Ebenda, S. 232.
9 Ebenda, S. 236 f..
10 Ebenda, S. 275.
11 So in der Einleitung zum Buch von 1930, Die permanente Revolution. Siehe FN 7, S. 57 f.
12 Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Band 6, S. 166; Band 21, S. 21.
13 MEW, Band 7, S. 248; gleichartig S. 90.
14 MEW, Band 36, S. 307.
15 Deutscher I, S. 157.
16 W. I. Lenin: Werke, Band 9, S. 232.
17 Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki). Kurzer Lehrgang, Berlin 1945, S. 90.
18 Stéphane Courtois u. a.: Das Schwarzbuch des Kommunismus. Unterdrückung, Verbrechen und Terror, München 1998, S. 802.
19 Vgl. Leo Trotzki: Die Balkankriege 1912-13 und Ders.: Europa im Krieg, Essen 1995 bzw. 1998.
20 Der Krieg und die Internationale, in: Trotzki, Europa im Krieg, a. a. O., S. 382.
21 Ebenda, S. 401.
22 Ebenda, S. 453.
23 Lenin, Werke, Band 21, S. 4 f. und 19.
24 Das Zimmerwalder Manifest, in: Denkzettel, a. a. O., S. 86.
25 Deutscher I, S. 355,
26 Lenin, Werke, Band 27, S. 100 f.
27 Deutscher I, S. 370.
28 So z. B. J. K. Koblkajow: Von Brest bis Rapallo. Geschichtlicher Abriß der sowjetisch-deutschen Beziehungen von 1918 bis 1922, Berlin 1956, S. 34 f.
29 In meiner Darstellung folge ich wesentlich Deutscher I, S. 430 ff.
30 Ebenda, S. 443 ff.
31 Ebenda, S. 442 und 451 ff.; Ernest Mandel: Trotzki als Alternative, Berlin 1992, S. 189.
32 Deutscher I, S. 427 f.
33 Zit. nach Theodor Bergmann/Gert Schäfer (Hrsg.): Leo Trotzki - Kritiker und Verteidiger der Sowjetgesellschaft, Mainz 1993, S. 282.
34 Ebenda.
35 Isaac Deutscher: Trotzki II. Der unbewaffnete Prophet 1921-1929, Stuttgart 1962, S. 144 f.
36 Deutscher I, S. 442 ff.; Mandel, a. a. O., S. 193.
37 Leo Trotzki: Mein Leben. Versuch einer Autobiographie, Berlin 1990, S. 413 f.
38 Deutscher I, S. 457 und 460 ff.
39 Deutscher I, S. 468.
40 Ebenda, S. 469 f.; vergl. insbesondere Kapitel 8 in Leo Trotzki: Terrorismus und Kommunismus. Anti- Kautsky, Berlin 1990.
41 Deutscher I, S. 477.
42 Deutscher II, S. 55.
43 Ebenda, S. 108.
44 Mandel, a. a. O., S. 89.
45 Deutscher II, S. 209; Denkzettel, a. a. O., S. 152 ff.
46 Deutscher II, S. 236.
47 Ebenda, S. 232 ff.
48 Mandel, a. a. O., S. 94 ff.; Deutscher II, S. 268 ff.
49 J. W. Stalin: Werke, Band 8, S. 256.
50 Deutscher II, S. 427.
51 Stalin am 27. 12. 1929 in der "Prawda": "Zum Teufel mit der NÖP!"
52 Isaac Deutscher: Trotzki III. Der verstoßene Prophet 1929-1940, Stuttgart 1963, S. 98 ff.
53 Deutscher III, S. 108 ff.
54 Mandel, a. a. O., S. 98 f.
55 Verratene Revolution. Was ist die UdSSR und wohin treibt sie? in Leo Trotzki: Schriften. Sowjetgesellschaft und stalinistische Diktatur 1929-1936, Band 1.2, S. 976.
56 Deutscher III, S. 112 ff.
57 Bucharin Mitte der 20er Jahre zu Trotzki: "Wir haben keine Demokratie, weil wir uns vor Ihnen fürchten." (Trotzki, Mein Leben, a. a. O., S. 435)
58 Ebenda, S. 429.
59 Deutscher II, S. 115 ff. Trotzki am 26. 10. 1923 vor dem Plenum des ZK in einer bis vor kurzem unbekannten Rede; in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Berlin, Nr. 1/1992, S. 53 ff.; ferner Stalin, Werke, Band 8, S. 28 f.
60 Denkzettel, a. a. O., S. 159 ff.
61 Deutscher II, S. 142.
62 Stalin, Werke, Band 6, S. 203 f.
63 Deutscher II, S. 154 ff.
64 Deutscher II, S. 157 ff.; Trotzki, Mein Leben, a. a. O., S. 457 ff.; Stalin, Werke, Band 6. S. 290 ff. und 320 ff.
65 Stalin, Werke, Band 6. S. 331 und 353 f.
66 Im Bolschewik vom 1. 9. 1925 in einem Artikel, den kommunistische Zeitungen zahlreicher Länder ganz oder teilweise nachdruckten. Zitiert in Stalin, Werke, Band 10, S. 152 f.
67 Deutscher II, S. 248 ff., besonders S. 250.
68 Ebenda, S. 288.
69 Stalin, Werke, Band 10, S. 320.
70 Trotzki, Schriften, Band 1.2, Anhang, S. 1344 ff.
71 Deutscher II, S. 346.
72 Ebenda, S. 252, 422 ff. und 428 ff.
73 Trotzki, Verratene Revolution, S. 754.
74 Probleme des Sowjetregimes in: Ebenda, S. 455.
75 Verratene Revolution, a. a. O., S. 789.
76 Ebenda, S. 796.
77 Ebenda, S. 854.
78 Ebenda, S. 891 f.
79 Wohin führt die Stalin-Bürokratie die UdSSR? in: Leo Trotzki, Schriften. Sowjetgesellschaft und stalinistische Diktatur, Band 1. 1 (1929-1936), S. 578.
80 Verratene Revolution, a a. O., S. 987 f..
81 Ebenda, S. 979.
82 Ebenda, S. 955 f.
83 Thermidor und Bonapartismus, in: Schriften 1. 1, S. 227 f. 84 Kurs auf Kapitalismus oder Sozialismus, in: Schriften 1. 1, S. 176.
85 Fußnote 28 auf Seite 562 in Trotzki, Schriften 1. 1, S. 562.
86 Leo Sedow: Rotbuch über den Moskauer Prozeß 1936, Frankfurt/Main, 4. Aufl. 1988; Leo Trotzki: Stalins Verbrechen, Berlin 1990; charakteristisch für die blinde Gläubigkeit vieler Demokraten dem sowjetischen Diktator gegenüber Lion Feuchtwanger: Moskau 1937. Ein Reisebericht für meine Freunde, Berlin 1993.
87 Warum und wozu diese Prozesse? in: Trotzki, Schriften 1. 2, a. a. O., S. 1056.
88 Der Anfang vom Ende, in: Trotzki, Schriften 1. 2, a. a. O., S. 1100.
89 Das Zentralkomitee, seine Zusammensetzung und die Geschichte des Bolschewismus, in: Ebenda, S. 1204.
90 Deutscher II, S. 304.
91 Arbeiterstaat, Thermidor und Bonapartismus, in: Schriften 1. 1, S. 585, 591 und 601.
92 Deutscher III, S. 299.
93 Verratene Revolution, a. a. O., S. 953; Weder proletarischer noch bürgerlicher Staat? in: Schriften 1. 2, S. 1133.
94 Verratene Revolution, a. a. O., S. 952 ff.
95 Die UdSSR im Krieg, in: Schriften 1.2, S. 1278.
96 Ebenda, S. 1280 f.
97 Manfred Behrend: Mußte Hitler an die Macht kommen? Alternative Vorstellungen unorthodoxer Kommunisten und Sozialdemokraten über Faschismus und Antifaschismus, in: Hintergrund II/1994, S. 30 ff., speziell zu Trotzki S. 38-42.
98 Leo Trotzki: Porträt des Nationalsozialismus, in: Denkzettel, a. a. O., S. 210.
99 Ders.: Wie wird der Nationalsozialismus geschlagen? 8. 12. 1931, S. 10.
100 Ders.: Was nun? Schicksalsfragen des deutschen Proletariats, 27. 1. 1932, S. 79 f.
101 Remmele am 14. 10. 1931 im Deutschen Reichstag: Wenn die Faschisten "erst einmal an der Macht sind, wird die Einheitsfront des Proletariats zustandekommen und wird alles wegfegen (stürmisches Händeklatschen bei den Kommunisten)". Und: "Die faschistischen Herrschaften schaden uns nicht. Sie werden rascher abwirtschaften als jede andere Regierung."
102 Leo Trotzki: Die Wendung der Komintern und die Lage in Deutschland, 26. 9. 1930, S. 14.
103 Trotzki, Wie wird der Nationalsozialismus geschlagen? S. 7.
104 Ebenda, S. 7 f.
105 Deutscher III, S. 143.
106 Trotzki, Was nun? S. 90.
107 Die Tragödie des deutschen Proletariats, 14. 3. 1933, in Leo Trotzki: Schriften über Deutschland, Frankfurt/Main 1971, S. 283.
108 Ebenda, S. 289.
109 Trotzki, Schriften 1.2, S. 1156, 1214 f. und 1256 f.
110 Ders., Ebenda, S. 1214.
111 Deutscher III, S. 424 f.
112 Ebenda, S. 434 ff.
113 Zit. nach Enzo Traverso: Leo Trotzki - Der Lebensweg eines nicht-jüdischern Juden, in Bergmann/Schäfer (Hrsg.), Leo Trotzki, a. a. O., S. 302 f.
114 Deutscher III, S. 213.
115 Ebenda, S. 222.
116 Ebenda, S. 221.
117 Leo Trotzki: Geschichte der russischen Revolution. Band 1 Februarrevolution, Frankfurt/Main 1973, S. 8 f.
118 Ebenda, S. 15.
119 Mandel, a. a. O., S. 10.
120 Julijana Ranc: Trotzki und die Literaten. Literaturkritik eines Außenseiters, Stuttgart 1997.
121 Leo Trotzki: Literatur und Revolution, Essen 1994, S. 217.
122 Mandel, a. a. O., S. 228.
123 Ebenda, S. 231. Mandel zitiert hier die französische Ausgabe Littérature et Révolution, die mehr Arbeiten Trotzkis als die deutsche enthält.
124 Leo Trotzki: Literaturtheorie und Literaturkritik, München 1973, S. 153.
125 Trotzki, Literatur und Revolution, a. a. O., S. 507.
126 Ranc, a. a. O., S. 193.
127 Deutscher III, S. 237.
128 Hierzu Pawel Anatoljewitsch Sudoplatow/ Anatolij Sudoplatow: Der Handlanger der Macht. Enthüllungen eines KGB-Generals, Düsseldorf 1994. Darin S. 106 ff. das Kapitel "Die Ermordung Trotzkijs"; ferner die Artikel Wolfgang Kießlings und Christiane Barckhausen-Canales in Neues Deutschland, Berlin, 24. 5. bzw. 23./24. 9. 1995.

© Manfred Behrend, Berlin 24. 10. 1998