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Linke Szene - geschlossene Gesellschaft?

Wie können wir Linke gemeinsam wieder zu einer gesellschaftlich relevanten Kraft werden?

Liebe Genossinnen und Genossen,

Wenn wir überhaupt von dem Umstand sprechen, dass es eine linke Szene gibt und sie eigentlich einer geschlossenen Gesellschaft ähnelt, müssen wir erst mal einige Bemerkungen darüber machen, warum wir uns heute im diesem Stadium befinden. Ich hoffe, dass ich in einem 10-minütigen Referat mindestens ein paar Hinweise auf die Problematik und Lösungen geben kann.

Beginnen wir erst mal mit den Räumlichkeiten (Cafe Marat), in denen wir uns jetzt aufhalten, weil es ein allgemeines Symptom für viele Orte und Gruppen in Deutschland ist. Dieses Café ist meist ein Zufluchtsort der Jugendlichen vor den Auseinandersetzungen mit den Menschen in dieser Gesellschaft. Man ist hier unter sich. Das hat bestimmt Vorteile, die uns allen hier Anwesenden zugute kommt. Aber gleichzeitig Nachteile. Hier lassen sich meist die Leute treffen, die gleich denken und sich gleich anziehen. Die Mehrheit der Gesellschaft bleibt einfach draußen. Die Arbeiterinnen, Arbeiter, Rentner, Lehrerin, Ärztinnen, Migranten und Migrantinnen usw. sind hier entweder sehr stark unterrepräsentiert oder gar nicht. Das muss grundsätzlich geändert werden.

Auch das Beispiel des Münchener Kommtreff ist nicht besser. In diesen Räumlichkeiten treffen sich die DKP, SDAJ und RSB. Für interne Zwecke der Gruppen wird dieser Raum benutzt. Die Menschen von außen bleiben draußen, wenn auch dies nicht von den Gruppen so erwünscht ist.

Es kommt nicht darauf an, sich als eine Gruppe aus der Gesellschaft zu radikalisieren, sondern die Gesellschaft umzuwälzen. Das Ziel ist, wenn die Versuche öfter scheitern sollten, die Gesellschaft in die revolutionäre Politik einzuführen und umgekehrt. Das erfordert, dass wir einige Schritte gemeinsam mit der Gesellschaft laufen müssen, ohne unsere Politik aufzugeben.

Die strukturelle Problematik, die als Ursache der genannten Problematik in die Frage kommt, warum die Linke eine geschlossene Gesellschaft geworden ist, ist eigentlich nicht die Hauptursache. Die eigentliche Ursache ist die ideologische Schwäche der Linken. Diese fördert eben die strukturelle Problematik.

Falsche ideologische Herangehensweise an die gesellschaftliche Problematik beschwört unausweichlich mit der Zeit herauf, entweder von der Arbeiterklasse oder von den revolutionären Ideen endgültig Abschied zu nehmen. Der kleinbürgerliche Ansatz, die Einbeziehung der Arbeiterklasse durch radikale Aktionen einzelner Gruppen zu ersetzen, endet mit dem Ergebnis, dass zwischen Polizei und linken Gruppen kleine Kriege geführt werden - ohne die Arbeiterklasse.

Ein weiteres Beispiel ist der existierende Reformismus unter Linken. Da die Arbeiterklasse nicht auf dem Gipfelpunkt seiner politischen Geschichte, sondern eher politisch unter dem Einfluss der rechten und linken Sozialdemokratie steht, gibt diese Tatsache den Reformisten noch mehr Mut zu behaupten, dass die Revolution eine Geschichte sei, die irgendwo möglicherweise in der Zukunft liegt. Sozialismus ist für sie nicht mehr als eine Sonntagsrede. Deshalb muss die Arbeiterklasse sich um die Alltagsforderungen kümmern und schauen zu retten, was zu retten sei. Dafür akzeptieren sie auch, dass die Reformisten nicht versuchen, den Rahmen des Kapitalismus zu sprengen. Dieser Reformismus erwürgt jegliche Initiative in der Arbeiterklasse, bevor sie stark genug wird. Der Sozialismus wird in den Schriften einiger Gruppen und Autoren gelegentlich erwähnt, ohne zu zeigen, wie der Sozialismus zu erreichen ist. Dann wird erst klar, dass der Reformismus im Spiel ist.

Ein anderes Beispiel ist, dass man den Sozialismus sofort fordert, ohne zu akzeptieren, dass die Arbeiterklasse eigene Erfahrungen braucht. Sozialismus ist ein Phänomen, dass durch die gesellschaftliche Umwälzung zustande kommt. Diese Umwälzung kann nur das Verdienst der Arbeiterklasse sein, die ein historisches und gesellschaftliches Interesse an der Aufhebung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse hat.

Der Sozialismus wird nicht von uns erreicht, sondern von der Arbeiterklasse. Wer das erkannt hat, wird nicht darauf abzielen, eine geschlossene Gesellschaft zu bleiben. Die Dynamik des Klassenkampfes wird in ihrer Entwicklung die Isolierung der revolutionären Partei aufheben, die verstanden hat, dass die revolutionäre Ideologie und die Arbeiterklasse zusammengehören.

Vor einem Jahr haben wir als Marxistische Initiative auf der Veranstaltung des Roten Wochenende erklärt, dass die Aufgabe der Marxisten in Deutschland der Aufbau der revolutionären Arbeiterpartei ist. Die Erfahrungen im letzten Jahr haben uns bestätigt. Trotz der Krise bleibt der revolutionäre Aufschwung der Massen sehr schwach. Die Spontaneität der Massen sollte mit der erfahrenen revolutionären Partei ergänzt werden. Wir sind vor einer wichtigen Wendung der Geschichte, entweder schaffen wir es, mit der Arbeiterklasse die Herrschaft der Räte zu errichten, oder wir und die Arbeiterklasse erleiden eine historische Niederlage.

Aus unserem Flugblatt gegen die Systemkrise des Kapitalismus zitiere ich:

"Ohne organisierten Druck von links, innerhalb wie außerhalb der Gewerkschaften, ohne Druck von unten, ohne daß die Gewerkschaftsbasis ihre Gewerkschaften demokratisiert und erneuert, wird es jedoch keinen breiten Abwehrkampf gegen das Kapital und seine Regierung geben! Wer den Kampf auf eine breitere gesellschaftliche Grundlage stellen will, darf zur Sabotage der Mobilisierungen durch vorgebliche Sozialreformer und die Reformisten nicht schweigen.
Wir, die Marxistische Initiative, schlagen vor, hierüber eine breite Debatte innerhalb der Linken zu führen und gemeinsam über neue Bündnisse nachzudenken.
- Verstaatlichung der Banken unter Arbeiterkontrolle!
- Zwingt die Gewerkschaften zur Mobilisierung für einen Generalstreik!
- Gegen Militarismus und Krieg!
- Kurs auf eine Arbeiterregierung nehmen!"

Das Rote Wochenende ist ein Ansatz, gemeinsam trotz Differenzen gegen den Kapitalismus zu kämpfen. Lobenswert ist auch der Aufruf der Münchener Gewerkschaftslinke, ein Bündnis am 27.Mai ins Leben zu rufen, um gemeinsam gegen die kapitalistische Krise zu kämpfen.

Suphi Toprak, Vortrag gehalten auf dem Münchner Roten Wochenende 8.-10. Mai 2009

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