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Auszug aus der jüngsten naO-Diskussion zum revolutionären Bruch

1. DGS_TaP sagt:

22. November 2012 um 02:16

Lieber Dieter,

”Die Vorliebe von DGS für abstrakte Formulierungen, die nicht nur allgemein auf Klassenverhältnisse, sondern auch ‘auf andere Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse übertragen werden kann’ (so DGS am 28.6.12), ist keine marxistische Vorliebe.”

falls das so ist, dann zeigt das nur, daß ‘der Marxismus’ nicht auf dem Stand der materialistischen (Gesellschafts)wissenschaften ist, die schon längst nicht mehr den partei-marxistischen Klassenzentrismus teilen.
Davon abgesehen — die von Dir kritisierte Passage vom 26.8. benennt ja sogar die Klassenverhältnisse in privilegierter Weise: ”Wir müssen uns darauf einstellen, daß jedenfalls herrschende Klassen in aller Regel nicht freiwillig auf die Vorteile, die sie aus der Ausübung ihrer Herrschaft ziehen, verzichten.”
Und dann kommt ein Nachsatz, der darstellt, was ”einige” im NaO-Prozeß außerdem für zutreffend halten: ”Zumindest einige von uns sind überzeugt, daß im Falle der herrschenden Rasse, der Weißen, und des herrschenden Geschlechts, der Männer, kaum mehr Anlaß zu Optimismus hinsichtlich freiwilligen Machtverzichts angeraten ist.”

Ich kann damit leben, daß auch klassenzentristische Kräfte am NaO-Prozeß beteiligt sind. Ich könnte aber nicht damit leben, falls Klassenzentrismus zum NaO-Konsens erklärt würde.
Du willst anscheinend nicht damit leben, daß es zu diesem Thema in einer evtl. künftigen NaO unterschiedliche Auffassungen gibt.

”DGS spricht abstrakt von den ‘Vorteilen’, auf die ‘die herrschenden Klassen’ nicht freiwillig verzichten. Das ist so vage, daß nicht einmal ein Bezug nur zur kapitalistischen Klassengesellschaft erkennbar ist.”

Ja, in der Tat! Das hier in Rede stehende gilt nicht nur für die herrschende Klasse der kapitalistischen Produktionsweise, sondern auch für die herrschenden Klassen vor-kapitalistischer Produktionsweisen. Und es gilt auch für herrschende Gruppen in anderen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnissen.
Dagegen, daß dies bspw. auch in Bezug auf das Patriarchat oder den Rassismus gilt, spricht weder die historischen (= bisherige) Evidenz noch irgendein bisher im NaO-Prozeß oder anderswo vorgebrachtes Argument.

”Gruppen von Menschen mit gleichartigen sexuellen Präferenzen und/oder gleichem Geschlecht i.S. des herrschenden Sprachgebrauchs sowie als Gruppen wahrgenommenen Menschen angeblich gleichartiger Hautfarbe mit den Grundklassen der kapitalistischen Gesellschaft gleichzusetzen, ist schlicht höherer Blödsinn.”

Ich weiß nicht, was Du mit ”gleichsetzen” meinst — denn auch ich behaupte nicht, daß Männer ‘das Gleiche’ wie die kapitalistische Klasse sind.
Und ich verstehe auch nicht, was Dein Argument gegen meine tatsächliche These, daß Männer genauso wenig freiwillig auf ihre Macht verzichten, wie dies die kapitalistische Klasse macht, ist.

”Das Proletariat ist keine homogene soziale und schon gar keine biologisch neutrale Masse.
Es gibt für Sozialistinnen und Sozialisten keinen Anlaß, Männer, Frauen, Alte, Kinder oder Menschen mit minoritär vertretenen sexuellen Präferenzen, unterschiedlichen kulturellen Prägungen oder irgendwelchen biologischen Eigenschaften aus der Arbeiterklasse auszubürgern.”

Und wofür ist das jetzt ein Argument?! Bzw.: Welche GenossInnen nehmen Deines Erachtens eine solche ‘Ausbürgerung’ vor???
Meine These ist ja nicht, daß es keine lohnabhängigen Frauen gibt. Vielmehr ist meine These, daß sich die gesellschaftliche Lage von lohnabhängigen Frauen nicht auf ihre Lohnabhängigkeit reduziert.

”Einen antagonistischen Widerspruch gibt es aber nur zwischen Proletariat und Bourgeoisie, nicht innerhalb der Arbeiterklasse. [...] Mich wundert [...] immer wieder, wie statisch die Sicht vieler Genossinnen und Genossen auf die Arbeiterklasse ist. Allen voran DGS. Natürlich ist die Arbeiterklasse bisher weitestgehend durch die herrschenden bürgerlichen und z.T. soziokulturell noch älteren Verhältnisse geprägt — sogar im Osten. Aber sicher ist, daß eine Intensivierung und Vertiefung der Klassenkämpfe zu einer subjektiven Selbstveränderung der an den kommenden Kämpfen teilnehmenden Teile der Klasse führen muß.”

Mich wundert dagegen, daß es im Jahre 2012 immer noch Genossen gibt, die patriarchale Verhältnisse aus ”bürgerlichen” oder ”soziokulturell noch älteren” Klassenverhältnissen ableiten — und nicht einsehen, daß das Geschlechterverhältnis ein von den Klassenverhältnissen relativ unabhängiges Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnis ist.
Und mich wundert daher auch, daß gehofft wird, daß sich aus einer ”Intensivierung und Vertiefung der Klassenkämpfe” (meine Hv.) eine Abmilderung oder gar Überwindung z.B. patriarchaler Verhältnisse ergeben könnte.

”DGS [...] versteigt sich zur Behauptung, eine Klassenorientierung heute würde nicht den revolutionären Bruch ‘erden’ sondern ‘ihn zur Disposition stellen!’ (DGS am 11.7.2012).”

Lieber Dieter,

wenn Du meine Position kritisieren möchtest, dann zitiere mich bitte zumindest korrekt! — Am 11.7. schrieb ich:

”Mit der ‘Klassenorientierung’ zu beginnen, heißt nicht den ‘revolutionären Bruch’ zu ‘erden’, sondern heißt, ihn zur Disposition zu stellen!”

Der ganze Satz stand damals in fett-Schrift, und das Wort ”beginnen” war schon damals kursiv hervorgehoben.
Ich habe nichts gegen Klassenorientierung. Ich habe etwas dagegen, ihr einen Vorrang gegenüber feministischer und antirassistischer Orientierung zuzubilligen.

”Zurück zu DGS.
Es geht beim ‘revolutionären Bruch’ nicht primär um die Frage, ob die herrschende Klasse bereit ist, freiwillig auf ‘Vorteile’ zu verzichten, die mit der Ausübung politischer Macht verbunden sind. Es geht vielmehr darum, daß jeder bürgerliche Staat — unabhängig von seiner Form — ein Machtapparat zum Schutz der kapitalistischen Produktionsverhältnisse ist. Die Aufhebung dieser entscheidenden Funktion jedes bürgerlichen Staates ist nicht ohne dessen Überwindung möglich. Deshalb haben Marx und Engels davon gesprochen, daß die Arbeiterklasse die bürgerlichen Staaten nicht einfach in Besitz nehmen können, sondern zerschlagen müssen.”

Und was hat das mit mir zu tun?!

Am 18. Juni schrieb ich gegen Manuel Kellner, der für eine Aufgabe des Zerschlagungs-Begriffs plädierte:
”Die Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates ist keine Dreingabe zum Bruch mit dem Kapitalismus, sondern (notwendige, aber nicht hinreichende) Bedingung für den Bruch mit dem Kapitalismus.”

Und auch in meinem Essential-Vorschlag heißt es:
”Beim revolutionären Bruch handelt es sich in Bezug auf die existierenden Klassenverhältnisse um den Bruch der Macht des Kapitals und die Zerschlagung seines wichtigsten Gewaltapparates — des bürgerlichen Staates — und deren Ersetzung durch Organe der Selbstverwaltung von unten (Räte).”

Lieber Dieter,

vielleicht nehme ich mir bei Gelegenheit die Zeit, auch auf den Rest Deines Artikels zu antworten. Aber mir scheint, das Wichtigste ist gesagt.

2. systemcrash sagt:

22. November 2012 um 19:13

“Wir sind uns einig, daß die Überwindung von Herrschaft nicht (nur) eine Demokratisierung, sondern ein Absterben des Staates, und daß eine Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise nicht nur eine Überwindung des Privateigentums an den Produktionsmitteln, sondern auch der Lohnarbeit …erfordert.” [DGS]

Da sind wir uns nicht einig. Das unmittelbare Ziel der sozialistischen Revolution ist nicht die “Demokratisierung des Staates”, sondern die Aufhebung bzw. Abschaffung des bürgerlichen Staates und seine Ersetzung durch einen Rätestaat. Die Formulierungen von DGS — hat die überhaupt jemand gelesen? — ignorieren die Notwendigkeit des revolutionären Bruchs und lesen sich als Konzept zur Inbesitznahme des bürgerlichen Staates. Dessen Demokratisierung beseitigt aber keineswegs die bürgerliche Klassenherrschaft. Und auch ein Rätestaat ist immer noch ein Organ zur Unterdrückung des Widerstands der alten herrschenden Klasse gegen den sozialistischen Aufbau. Entscheidend ist aber: Nur ein Rätestaat — die demokratische Selbstorganisation des zur neuen herrschenden Klasse transformierten Proletariats — kann absterben. Das reduziert politische Herrschaft zunehmend gegen Null, beseitigt sie aber nicht schlagartig. Der sozialistische Aufbau sorgt dann dafür, daß staatliche Funktionen überflüssig und in reine von den Produzenten ausgeübte Sachverwaltungsfunktionen verwandelt werden. Kein bürgerlicher Staat, und sei er noch so demokratisiert, kann absterben.

ich fürchte, lieber Dieter, hier sitzt du einem missverständnis auf.

DG spricht hier nicht von der aufhebung der BÜRGERLICHEN KLASSENherrschaft, sondern von der überwindung von herrschaft ÜBERHAUPT. dass der bürgerliche staat zerschlagen werden muss, bestreitet auch DG nicht (eher im gegenteil ! )

für eine überwindung jeglicher herrschaft reiche aber die ”demokratisierung” des staates nicht aus (und auch ein rätestaat stellt ja eine ”demokratisierung” dar, allerdings auf ”proletarischer” grundlage), noch die beseitigung des privateigentums genüge, sondern die wertform selbst muss absterben.

ich kann an diesem satz nichts falsches erkennen. man könnte DG von einem orthodox-marxistischen standpunkt aus höchstens vorwerfen, dass er/sie einmal die klassenbasierung des übergangstaats nicht erwähnt, und zum andern klassenherrschaft mit der gender- und race frage vermischt/verbindet.

dass aber DG in der frage des ”revolutionären subjekts vs subjektE” einen anderen standpunkt vertritt, ist ja mittlerweile hinreichend bekannt. insofern — soweit würde ich dir entgegenkommen, lieber Dieter — könnte man diesen satz gerne als DISSENSpassage der postmodernen fraktion deklarieren. ich würde mich dann IN DIESEM punkt allerdings mit den pomos solidarisch erklären ! 

denn auch ich bin (als eher ein vertreter des ”traditionsflügel”) mir ziemlich sicher, dass die reduzierung von KLASSENherrschaft allein NICHT zu einer beseitung asymmetrischer [patriarchaler] geschlechterverhälnisse führen wird.

insofern täte dem ”marxismus” eine postmoderne frischzellenkur durchaus auch mal gut — soviel geistige flexibilität sollte man gestandenen marxisten doch zumuten können, oder?!! 

3. Hilton sagt:

23. November 2012 um 08:40

Lieber Dieter, liebe Diskussionsteilnehmerinnen,

1. Ich habe mich sehr über den Text von Dieter gefreut. Die Ausführungen zur Frage, was ist eigentlich das spezifisch revolutionäre an einem revolutionären Bruch mit dem Staat (nämlich die Abschaffung der Schutzfunktion der kapitalistischen Produktionsweise und nicht ein bestimmter Umgang mit zu erwartender Gewalt von Seiten des Staates) ist m.E. eine sehr wichtige Klarstellung. In einigen bisherigen Texten konnte es zumindest so interpretiert werden, dass es wesentlich um den Moment der Zuspitzung der Auseinandersetzung geht, auch wenn ich mir relativ sicher bin, dass das keiner so meint.

Immerhin hört und liest auch Richard (offenbar genau wie ich) bei ”Zerschlagen” die Härte, und darum kann und soll es ja nicht gehen. In den Diskussionen hier wird solche Kritik dann teilweise gedeutet als nicht ernst meinen mit der Abschaffung des bürgerliches Staates, aber das scheint mir gar kein richtiger Schluss. Sondern es müssen und sollen ja (das wird von allen hier so vertreten, wenn ich es richtig überblicke) andere Strukturen der Verwaltung und Planung der gemeinsamen Angelegenheiten geschaffen werden. Die Frage ist also vielmehr, welchen Teil man betont, und was diese Betonung mit dem eigenen Denken (und dem anderer Leute) macht.
(Und die Frage scheint mir wirklich noch eine offene Frage, denn mit dem Verweis auf die Härte ist es ja auch nicht getan. Die anderen wenden zu recht ein, dass auch die Idee ”der Staat taugt eigentlich als Mittel, wird nur schlecht benutzt” eine ist, die sich aus der Verwendung oder Nicht-Verwendung bestimmter Begriffe ergibt, und insistieren deswegen zurecht darauf, dass dieser Eindruck nicht entstehen soll.)

Sehr gefreut habe ich mich auch über Dieters Überlegung zur Ausdehnung der Wahrnehmung was abzulehnende Gewalt sei. Ich kenne es eher anders herum, dass gesagt wird, der Staat übt auch Gewalt aus, deswegen müsse man für die Akzeptanz von Gegengewalt streiten. Aber die ja sinnvolle Ablehnung von Gewalt auch auf die Ablehnung der monopolisierten staatlichen Gewalt auszudehnen, finde ich einen sehr gelungenen Move!

2. Zweitens war ich irritiert von dem aufgeregten, polemischen Stil des Textes von Dieter (auch wenn das hier üblicher Umgangston zu sein scheint). Einige Positionen (z.B. von DGS zum Absterben des Staates) werden im Text völlig verzerrt wiedergegeben und dann entschieden bekämpft. Das kann man optimistisch lesen als große Chance sich letztlich doch einig zu werden, weil keiner (zumindest nicht DGS) das von Dieter Bekämpfte vertritt. Es macht die Auseinandersetzung aber sehr kräftezehrend.

3. Habe ich Dieters Bemerkung, dass völlig unklar ist, was ein ”revolutionärer Bruch” mit Sexismus und Rassismus sein soll, nicht als Absage an eine Überwindung von Sexismus und Rassismus verstanden. Sondern die Frage, wie ich sie verstanden habe, ist was genau ”revolutionär” und erst recht ”Bruch” in dem Zusammenhang eigentlich heißen würde.

Diese Parallelsetzung verdunkelt m.E. den Inhalt des ”revolutionären Bruchs” mit dem Kapitalverhältnis. Beim Kapital geht es ganz konkret um die Abschaffung der Eigentumsordnung: Solange es Privateigentum an den Produktionsmitteln gibt, hat das notwendig bestimmte Konsequenzen die sich aus der Konkurrenz ergeben. Deswegen ist es nicht per Reform in kleinen Schritten zu überwinden (was nicht heißt, dass es nicht partiell abzumildern ist), sondern die Eigentumsordnung muss irgendwann mal abgeschafft werden, und das ist ein ziemlicher Bruch mit der bisherigen Verfassung der Gesellschaft. Bezogen auf das Geschlechterverhältnis sehe ich solche konkreten Bruchpunkte erst mal nicht. Die Abschaffung der Konkurrenz um Lebensbedingungen wird es auch erleichtern, ideologische Denkmuster in Frage zu stellen und sich auf einer gesellschaftlichen Ebene zu fragen, wie alle anfallende Arbeit organisiert und verteilt werden kann, so dass niemand systematisch benachteiligt ist. Aber die Überwindung des Geschlechterverhältnisses und von Rassismus scheint mir dennoch v.a. eine Frage eines veränderten Bewusstseins, und dafür ist kein Bruch notwendig (und mir fällt v.a. eben nicht mal ein, was ein ”Bruch” mit rassistischem Denken und Handeln sein könnte), sondern v.a. eine geistige Offenheit und eine Reflektion eigenen Denkens und Verhaltens.

Um das aber noch mal deutlich zu sagen und um nicht mißverstanden zu werden: Dass es in erster Linie eine Frage des Bewusstsein ist, also eine des individuellen Willens, heißt nicht, dass es deswegen weniger schlimm oder weniger dringlich wäre. Im Gegenteil: Genau weil man da in vielem erst mal gar nicht auf einen kollektiven Willen warten muss, ist es um so wichtiger, dass sofort anzugehen und damit nicht auf einen ”revolutionären Bruch” zu warten.

In einer Diskussion mit Postmodernen (falls das nicht auch teilweise eine Karikatur von deren Position ist) kommt es ja drauf an genau klar zu machen, dass es beim Kapital im Unterschied zu diesem Wandel des subjektiven Bewusstseins auch eine grundsätzliche Veränderung der objektiven Ordnung dieser Gesellschaft braucht. Da wird nur der Bogen von Marxisten teilweise überspannt, und statt auf die unterschiedlichen Mittel der Bekämpfung verschiedener Herrschaftsverhältnisse hinzuweisen, wird die Dringlichkeit des Ziels (Bekämpfung anderer Herrschaftsverhältnisse) heruntergespielt.
(So hatte ich Dieter aber erstmal nicht verstanden.)

Es grüßt proletarisch und freundlich
Hilton

4.Michael Schilwa sagt:

23. November 2012 um 16:26

Lieber Dieter,

deine Kritik an Kellner und unseren Dauerbrenner ”Wie hälst du es mit dem revolutionären Bruch” lasse ich mal außen vor und konzentriere mich auf die Geschlechterfrage.

Du wirfst DGS (nicht nur diesbzgl.) ”höheren Blödsinn” vor.
Deine Ausführungen hingegen fallen deutlich hinter den schon erreichten Stand in der
NAO-Diskussion zurück.
Ich stimme DGS ausdrücklich darin zu, dass ”das Geschlechterverhältnis ein vom Klassenverhältnis relativ unabhängiges Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnis” ist.
Deine These, einen ”antagonistischen Widerspruch gibt es nur zwischen Proletariat und Beourgeoisie” ist ”Haupt- / Nebenwiderspruchs — Denke” in Reinkultur und ignoriert komplett alle Versuche, den fruchtlosen Streit zwischen ”Haupt/Nebenwiderspruch” und ”Triple Oppression” im Sinne einer (Neu)formulierung eines Feministischen Marxismus oder marxistischen Feminismus zu überwinden.
Mit dem ”Verschränkungs-Ansatz” im ”Quietsche-Enten-Papier” der SIB waren wir da wie gesagt schon weiter, auch der Ansatz der ”Intersektionalität” (vertreten bei uns u.a. durch
Gabriele Winker) geht in diese Richtung.

Schön wäre es, wenn wir die tatsächlichen und nicht unterstellte Differenzen diskutieren würden.
KHS schreibt, ”gemäß seiner (= DGS, MS) Logik wäre es möglich, die Geschechterfrage auf kapitalistischer Grundlage für alle Frauen und Transgender zu lösen”.
Wo diese ”Logik” herkommen soll, bleibt das Geheimnis von Karl — in den bisherigen Diskussionen hat das niemand behauptet und ich kenne keine Stellungnahme, der mensch eine solche ”Logik” berechtigt unterstellen könnte.
Um meine Position (für DGS kann und will ich nicht sprechen) nochmal auf den Punkt zu bringen:
Den Kapitalismus kann nur die ArbeiterInnenklasse abschaffen, die Frauenunterdrückung können nur die Frauen abschaffen.
Spannend wäre doch, was das eine mit dem anderen zu tun hat.
Nicht weiterhelfen tun da Sätze von Karl wie:
”Bürgerliche Frauen (sind) durch (…) Profit, der ihnen auch von proletarischen Frauen erarbeitet wird, in der Lage, die sie betreffenden patriarchalen Strukturen durch individuelle Eskapaden (sic!) außer Funktion zu setzen.”
Erstens stimmt das nicht — auch bürgerliche Frauen können vergewaltigt werden (und werden es auch).
Zweitens bedeutet die Behauptung eines ”eigenständigen” Geschlechterwiderspruchs keineswegs die Negierung eines Klassenwiderspruchs zwischen z.B. Frau Springer und der
Springer-Arbeiterin.
Das sind alles rückwärts gerichtete Spiegelfechtereien.

Vorwärts gerichtet fand ich hingegen die Frage von Hilton, was denn nun ein ”revolutionärer Bruch mit Sexismus und Rassismus” konkret bedeutet.
Da ist was dran — Eigentumsverhältnisse können (relativ schnell und ”bruchhaft”) abgeschaft werden, Frauenunterdrückung wird (auch ”nach der Revolution”) wohl nur sukzessive zurück gedrängt werden können.
Die Voraussetzung, um bei der Beantwortung dieser Frage weiter zu kommen ist aber die Erkenntnis, dass sich die ”Geschlechterfrage” nicht automatisch mit dem Sturz des Kapitalismus löst.
Ich gebe zu, dass das wiederum auch keiner behauptet (auch nicht Dieter und KHS).
Aber diese Erkenntnis fließt nicht (oder zu selten) ein in unsere Analysen von kapitalistischer und patriarchaler Unterdrückung.

Systemcrash hat schon recht — der Marxismus (und nicht der Hardcore-Stalino-Marxismus!) braucht hier dringend eine ”Frischzellenkur”.
Aber auf keinen Fall eine ”postmoderne”!

Gleichwohl gibt es im Verhältnis von Männern zu Frauen soziale und politische Benachteiligung, Herrschaftsstrukturen und u.a. kapitalistische Überausbeutung. Dieser Widerspruch besteht, aber er ist kein antagonistischer. Rein und abstrakt theoretisch ist der Kapitalismus ohne Frauenunterdrückung denkbar. Praktisch nicht, weil die bürgerliche Klasse (Männer und Frauen) u.a. ein überragendes Interesse an der Überausbeutung von Frauen hat. Proletarische Frauen haben u.a. deshalb ein objektives Interesse daran, mit proletarischen Männern den sozialistischen Kampf gegen den Kapitalismus zu führen. Die massenhafte Beteiligung von Frauen am Klassenkampf wird —das beweist die Geschichte vieler Befreiungsbewegungen- die Emanzipation unterdrückter und überausgebeuteter Teile des Proletariats erheblich voranbringen. Selbst die DDR ist dafür ein Beispiel. Die Errichtung einer Räterepublik ist aber der einzig erfolgversprechende Weg, Frauen massenhaft in ihre eigenen sozialen und politischen Angelegenheiten einzubinden und ihre sozialen Interessen einzubinden. Dazu bedarf es dann aber keines neuen “revolutionären Bruchs”.

Der Fehler der “Haupt- und Nebenwiderspruchdenke” liegt nicht in der Feststellung, daß der Klassenkampf Vorrang haben muß, sondern darin, den Kampf gegen die Diskriminierung und besondere Unterdrückung von Frauen, Kindern und diversen Minderheiten der Klasse der Lohnabhängigen vom Klassenkampf zu trennen und auf irgendeine nebulöse Zukunft zu verschieben.. Der Klassenkampf ist aber nicht nur gewerkschaftlicher, sondern ebensosehr politischer Kampf. Es ist deshalb gar nicht so verwunderlich, daß auch fast alle Nur-Feministinnen und —Feministen zugleich “Ökonomisten” i.S. der Leninschen Terminologie sind. Und den Theorien von den neuen sozialen Bewegungen liegt übrigens regelmäßig derselbe Denkfehler zugrunde.

5. DGS_TaP sagt zu Hiltons Beitrag:

24. November 2012 um 00:14

Hier erst einmal zu 1. (und weiter unten dann zu 3.):

”Die Ausführungen zur Frage, was ist eigentlich das spezifisch revolutionäre an einem revolutionären Bruch mit dem Staat (nämlich die Abschaffung der Schutzfunktion der kapitalistischen Produktionsweise und nicht ein bestimmter Umgang mit zu erwartender Gewalt von Seiten des Staates) ist m.E. eine sehr wichtige Klarstellung.”

Aber die Schutzfunktion ist doch zu erheblichen Teilen eine bewaffnete…

”Sehr gefreut habe ich mich auch über Dieters Überlegung zur Ausdehnung der Wahrnehmung was abzulehnende Gewalt sei. Ich kenne es eher anders herum, dass gesagt wird, der Staat übt auch Gewalt aus, deswegen müsse man für die Akzeptanz von Gegengewalt streiten. Aber die ja sinnvolle Ablehung von Gewalt auch auf die Ablehung der monopolisierten staatlichen Gewalt auszudehnen, finde ich einen sehr gelungenen Move!”

Ich finde, die Linke vollzog diesen move in den 1990er Jahren viel zu sehr. ”daß in zeiten allgemeiner ver-gewalt-ung aller lebensbereiche es keine revolutionäre gewalt geben könne, das ist die ebene der sogenannten ‘sozialpartnerschaft’.” (Feministische Kritik von 1992 an der damaligen ”neuen Politik” der RAF).

Dieter schreibt: ”Wir wissen alle, daß die Anwendung gewaltsamer Methoden auch bei Reformistinnen und Reformisten zum Alltag gehört. Das betrifft nicht nur die Handhabung des bürgerlichen Gewaltapparats gegen den Klassenkampf von unten, sondern auch Teile der Autonomen, die glauben, ihre Bereitschaft zur Militanz verleihe ihrem reformistischem, praktischen Reformminimalismus einen revolutionären Glorienschein. Auf jeden Fall sollten Revolutionäre wissen, daß Gewaltbereitschaft kein Gradmesser für revolutionäre Konsequenz ist. Die Anwendung offener Gewalt setzt eine sorgfältige Einschätzung je aktueller Kräfteverhältnisse voraus.”

— Das Eine ist der letzte Satz — dazu zumindest von meiner Seite kein Widerspruch.

— Eine zweite Sache ist der vorletzte Satz. Ja, Gewaltbereitschaft ist keine Garantie für ”revolutionäre Konsequenz”. Prinzipieller Gewaltverzicht aber der sichere Revolutionsverzicht.

— Und zum ersten Satz: Ja, aber darauf ist nicht mit pazifistischen Appellen, sondern mit Realismus zu antworten.

— Und zum zweiten Satz: Mir steht zumindest die (post)autonome Position der Antifa in Sachen”Gewalt”:

http://frankfurt.umsganze.de/index.php?option=com_content&view=article&id=365:16-190512-antikapitalistische-beteiligung-an-den-blockupy-aktionstagen
näher als die Position von Dieter:

”Grundsätzlich halte ich es für richtig, mit diesem Thema defensiv vorzugehen. [...]. Die herrschende Propaganda bemüht sich immer wieder, bereits jeden friedlichen Widerstand gegen ihre Politik der sozialen Drangsalierung der Lohnabhängigen als gewaltsam oder sogar terroristisch zu diffamieren. Die politische Klugheit gebietet es daher, dieser Propaganda nicht durch Individualakte Vorschub zu leisten.”

Das mit der Kritik an den ”Individualakten” war mal eine richtige Kritik am Anarchismus, aber mittlerweile ist das eine abgegriffene DistanziererInnenfloskel.
Längst werden dazu in der (post)autonome Szene viele genauere Diskussion geführt, die Du, Hilton, vermutlich kennst — von denen die meisten im NaO-Prozeß aber vermutlich nicht einmal gehört haben. -

Das ist leider alles auch eine Frage der Sprechposition und des diskursiven Kontextes.

6. Antwort auf den Beitrag des Genossen dgs vom 22.11.12:

Hallo DGS,

schade, daß Du auf den politischen Kern meiner Kritik nicht eingegangen bist.

Die von Dir geltend gemachten Punkte haben mich aber auch nicht überzeugen können.

Zur Frage der marxistischen Methode

Du berufst Dich auf die moderne materialistische Gesellschaftswissenschaft, die den “parteimarxistischen Klassenzentrismus” überwunden haben soll. Was soll das für ein Materialismus sein, der glaubt, bei der Analyse der kapitalistischen Produktionsweise auf die Klassenspaltung zwischen den Eigentümern der Produktionsmitteln und den Klasse der eigentumslosen Lohnabhängigen verzichten zu können? Das hieße, die Marxsche Analyse des Kapitalverhältnisses und der speziellen, historisch entwickelten Form der Produktion und der Verteilung des gesellschaftlichen Mehrprodukts aufzugeben. Ich fürchte, Du übersiehst, daß es Marxismus ohne Dialektik und historischen Materialismus gar nicht geben kann. Dabei kommt meist ganz gewöhnlicher akademischer Positivismus und Empirismus heraus.

Deine abfällige Bemerkung über den “Parteimarxismus” und seinen “Klassenzentrismus” (meinst Du Klassenzentriertheit?) liegt neben der Sache. Marxismus ohne Parteilichkeit für die reale proletarische Klasse wird und wurde von so manchem Theoretiker immer wieder versucht. Diese Sorte von vermeintlich über den Niederungen des Klassenkampfs schwebenden Theoretikern endete aber noch immer als Stichwortgeber des Kapitals.

Klassenzentriertheit

Dein Hinweis darauf, daß Du die Klassenverhältnisse angeblich privilegiert berücksichtigst, ist unzutreffend. Du hattest im Zusammenhang mit der Staatsfrage und dem revolutionären Bruch erklärt, daß herrschende Klassen “ihre Vorteile” aus der Ausübung ihrer Herrschaft beziehen. Wärest Du an diese Frage historisch-materialistisch herangegangen, hättest Du erkennen können, daß sich der Kapitalismus in den Poren der alten Feudalgesellschaft entwickelte , als es noch keinen bürgerlichen Staat gab. Folglich war die sich entwickelnde und kapitalistisch entfaltende Warenproduktion die entscheidende Quelle der “Vorteile” der bürgerlichen Klasse . Das war und ist immer noch so. Für gewöhnlich haben es die wichtigsten Teile der herrschenden bürgerlichen Klasse nicht einmal nötig, selbst und unmittelbar die bürgerlichen Staatsapparate zu besetzen... . Reichtum, Vorteile oder Privilegien sowie der Status als herrschende Klasse sind in verschiedenen Gesellschaftsformationen eben nicht strukturell gleichzusetzen, sondern sie ändern ihre Form und (!) ihren gesellschaftlichen Inhalt. Während z.B. der Luxuskonsum und die Schatzbildnerei im späten Feudalismus Selbstzweck sind, spielt die kapitalistische Profitmaximierung und das Kapital als sich selbst verwertender Wert eine ganz andere gesellschaftliche Rolle.

Ausbeutung und Herrschaft

Damit im Zusammenhang offenbarst Du eine bemerkenswerte Unfähigkeit, zwischen kapitalistischer Ausbeutung (als Resultat des Kapitalverhältnisses) und sozialen sowie politischen Privilegien (als Resultat eines speziellen Verhältnisses zur ökonomisch dominanten Klasse und ihren Institutionen zu unterscheiden.

Und weil Du Herrschaft als Quelle von Ausbeutung schlechthin siehst und die jeweils historisch gewordenen sozioökonomischen Grundlagen jeder politischen Herrschaft ignorierst, kommst Du —Deiner Logik folgend- zur grotesken These, daß das Geschlechterverhältnis ein “von den Klassenverhältnissen relativ, unabhängiges Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnis ist. Jede sozioökonomische Gesellschaftsformation seit der Auflösung der Urgesellschaften hat spezifische Formen der Ausbeutung entwickelt. Sklavenarbeit, Frondienste und freie Lohnarbeit über einen Kamm zu scheren und jede Aneignung von gesellschaftlichem Mehrprodukt als Ausbeutung zu bezeichnen, macht keinerlei Sinn. Das wird besonders für die Zeit nach einer sozialen Revolution deutlich, in der das Proletariat ja zunächst einmal ebenfalls über die Verwendung eines Mehrprodukts entscheiden muß.

Ich leite übrigens patriarchale Verhältnisse keineswegs aus vorbürgerlichen oder noch älteren “Klassenverhältnissen” ab. Meine These, daß die heutige Arbeiterklasse auch noch von vorbürgerlichen und teils noch älteren gesellschaftlichen Verhältnissen geprägt ist, hat mit Deiner Unterstellung wenig zu tun. Bezüglich patriarchalischer Verhältnisse halte ich es vielmehr für nötig, deren Entwicklung und Veränderung im Zusammenhang mit der sozioökonomischen Entwicklung der menschlichen Gesellschaft zu analysieren. Das ist etwas anderes als “ableiten”. Eine historische Analyse ist jedenfalls unabdingbar. Davon sehe ich bei Deinen Thesen leider keine Spur.

Deine These, es sei auch nach einer sozialistischen Revolution die Organisierung eines “revolutionären Bruchs” zur Befreiung der Frauen und anderen sozialen Gruppen von Herrschaft und Ausbeutung notwendig, setzt auch nach einer sozialen Revolution der Arbeiterklasse logisch die Existenz eines Staates (nur in diesem Zusammenhang machen Deine Ausführungen überhaupt irgendeinen Sinn!)voraus, den antipatriarchale Kräfte zerbrechen müßten. Ebenfalls nach Deiner Logik müßten diese Brüche gewaltsam herbeigeführt werden. Ich gehe dagegen davon aus, daß gegen einen nachrevolutionärer Rätestaat, der die kapitalistische Ausbeutung abschafft und in dem Männer und Frauen gemeinsam demokratische Entscheidungen über die Verwendung des Mehrprodukts und den Umbau der gesellschaftlichen Produktion treffen, keine Revolution organisiert werden muß. Schon die Idee halte ich für absurd. Revolutionsstrategisch setzt Du alle möglichen gesellschaftlichen Gruppen mit der Arbeiterklasse gleich.

Klassenorientierung

Das Proletariat ist keine gleichförmige Masse, sondern schon durch die kapitalistische Arbeitsteilung gegliedert, sowie durch geografische, sprachliche, ideologische, kulturelle und religiöse sowie politische Traditionen zergliedert. Der Kapitalismus hat jede Verschiedenheit, auch biologische und sexuelle Verschiedenheit, ausgenutzt, um in der Klasse der Lohnabhängigen Gegensätze jeder Art zu schüren. Er pflegt die Verschiedenheiten auszunutzen, um Extraprofite zu erzielen und zu diesem Zweck auch besondere Unterdrückungsmechanismen zu schaffen. Wie sollen Revolutionäre damit umgehen?

Die Antwort von Marx und Engels war, die gemeinsamen und zukunftsweisenden Interessen des Proletariats hervorzuheben und zur Geltung zu bringen. Das wurde von rechten Sozialdemokraten und Stalinisten häufig dahingehend mißverstanden, die besonders unterdrückten und ausgebeuteten Teile des Proletariats bezüglich ihrer spezifischen Betroffenheit im Namen der Einheit auf die Zeit nach der Revolution zu vertrösten. Einige ML-Gruppen sprachen von Nebenwidersprüchen. Faktisch bedeutete das, diesen Teilen der Arbeiterklasse die notwendige Solidarität bezüglich ihrer Tagesprobleme zu verweigern. Die Folge war, daß diese Teile der Klasse aufgrund derartiger Erfahrungen oft sogar besonders schwer mobilisierbar waren.

Die richtige Politik kann für Revolutionäre nur darin bestehen, den Kampf gegen besondere Unterdrückungsmechanismen und Überausbeutung , aber auch gegen die Diskriminierung dieser Teile der Klasse durch andere Teile derselben Klasse von Anfang an zu praktizieren. Klassensolidarität muß heißen, sich zuallererst mit den unterdrücktesten und ausgebeuteten Teilen des Proletariats zu solidarisieren. Nur so läßt sich wirklich eine Klassenfront gegen die Bourgeoisie schaffen.

Die Erfahrung praktizierter Solidarität und die gemeinsamen Kampferfahrungen sowie die Agitation und Propaganda der Revolutionäre bewirken einen Wandel der Einstellungen und Überzeugungen. Jede kritische Selbstreflexion belegt das. Und in diesem Sinne führt die Teilnahme an Klassenkämpfen aller Art zur subjektiven Selbstveränderung des Proletariats. Nicht zuletzt dies ist einer der konkretisierten Inhalte der Marxschen Thesen zu Feuerbach. Wie kann man sich darüber wundern?

Strausberg, 25.11.12

Nachtrag:

Du fühlst Dich falsch zitiert, weil ich Dir unterstelle, zwischen Klassenorientierung und feministischer und antirassistischer Orientierung zu unterscheiden. Aber genau das tust Du. Du verstehst offenkundig nicht, daß eine revolutionäre Klassenorientierung keineswegs mit der Absage an einen Kampf gegen Rassismus und Sexismus zu tun hat. Umgekehrt. Du unterstellst Genossinnen und Genossen, die eine Klassenorientierung verfolgen, daß sie den Kampf gegen besondere Unterdrückung, Diskriminierung und Überausbeutung hintanstellen wollen.

26.11.2012

7. Zu Systemcrashs Beitrag vom 22.11.2012:

Sorry systemcrash, Dein Einwurf zieht nicht. Ich habe natürlich gesehen, daß die von mir kritisierte Formulierung “Demokratisierung” im Zusammenhang von Herrschaftsfreiheit und dem Absterben des Staates benutzt wird. Die Begrifflichkeit “Demokratisierung” bezieht sich jedoch nicht auf ein Rätesystem, sondern nur auf bürgerliche Staaten. Nur dort macht sie Sinn.

Machen wir uns nichts vor: Die von mir kritisierte Passage versäumt es zu erwähnen, daß ein Absterben des Staates nur dort stattfinden kann, wo es zuvor einen “Bruch” gegeben hat. Ich weiß, daß DGS auf Nachfrage dies auch so sieht. Das macht den Hinweis darauf, daß der von kritisierte Satz dazu im Widerspruch steht, nicht entbehrlich. Über die Auffassung zum “revolutionären Bruch” sollte Klarheit herrschen. Das erfordert auch eine konsistente Terminologie.

8. Antwort auf Michael Schilwas Beitrag vom am 23.11.2012:

Die “These, einen ”antagonistischen Widerspruch gibt es nur zwischen Proletariat und Beourgeoisie” ist ”Haupt- / Nebenwiderspruchs — Denke” in Reinkultur.”

Deiner Behauptung kann ich weder methodisch noch tatsächlich folgen. Was ist methodisch betrachtet ein “antagonistischer Widerspruch? Z.B. bei Buhr, Manfred, Klaus, Georg, Philosophisches Wörterbuch Band 2, Berlin 1970, S.593, heißt es:

“Die antagonistischen Widersprüche der Klassengesellschaft entwickeln sich zwangsläufig zu Konflikten, deren Austragung mit dem Sieg der einen Klasse und dem Untergang der anderen endet.”

Auf den Widerspuch zwischen Bourgeoisie und Proletariat trifft das zu.

Was ist dagegen ein sonstiger gesellschaftlicher Widerspruch bzw. Konflikt?

“Eine beliebige Konfliktsituation erfordert stets eine Entscheidung für eine der beiden gegensätzlichen Verhaltensweisen, für eines der anzustrebenden gegensätzlichen Ziele usw. Konflikte im gesellschaftlichen Bereich können sowohl zwischen ganzen Gesellschaftsklassen als auch zwischen einzelnen Menschen oder beim Individuum entstehen. Konflikte zwischen Gesellschaftsklassen beruhen auf dem Gegensatz der entsprechenden Klasseninteressen, also auf antagonistischen Widersprüchen” (a.a.O.).

Interessenkonflikte bzw. Gegensätze zwischen Männern und Frauen offensichtlich nicht. Sie werden nicht gelöst durch die Aufhebung des Geschlechtergegensatzes. Es gibt hier kein staatlich gefaßtes sozioökonomisches Männersystem und nirgendwo ist eine Nur-Frauen-Revolution eine Perspektive.

Querverweise: