Palästina

Artikel und Debatten zu Palästina, Israel und Zionismus

bds-Kampagne
Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen für Palästina
Übergangsforderungen

Artikel und Debatten zum kommunistischen Übergangsprogramm

Problemfall Sozialdemokratie

Marxisten und ihr Verhältnis zur Sozialdemokratie. Eine Auseinandersetzung mit der französischen Gruppe CRI.

W3C-Service

Valid XHTML 1.0 Strict

Inflation

Verhängnis, Schicksal oder kapitalistisches Krisensymptom?

Für die Arbeiterklasse sind die explodierenden Preise für Lebensmittel, Benzin-, Strom- und Heizkosten eine Katastrophe. Doch für die Werktätigen, Rentnerinnen und Rentner sowie von Sozialleistungen abhängige Arme sind diese Preissteigerungen nur die Spitze des Eisbergs. Gespart wird zuerst bei Kosmetik, Kleidung, Freizeitunternehmungen, Restaurantbesuchen und Reisen. Die Inflation erfaßt alle Lebensbereiche. Ihr Ende ist derzeit nicht absehbar.

Die Dienstleistungsbranchen, ohnehin von der zum Teil fragwürdigen Bekämpfung der Coronapandemie gebeutelt und in Existenznot gebracht, treibt weiter in den Abgrund. Doch Handel und Industrie wälzen die gestiegenen Kosten auf die Endverbraucher ab. Steigende Kosten für Rohstoffe, Energie und Transporte lassen die betriebswirtschaftlichen Macher der Großbetriebe und Konzerne nur darüber nachdenken, wie steigende Preise durchgesetzt und so die Profite gerettet werden können. Die Inflation wird als unabänderliches Schicksal hingenommen. Die kapitalistischen Praktiker sind hilflos, wenn es um die Erklärung der Ursachen der Inflation geht. Erfolgversprechende Konzepte zur Inflationsbekämpfung fehlen.

Der wirtschaftswissenschaftliche Mainstream bietet keine Hilfe.

Die vielbeschworene Theorie einer Lohn-Preis-Spirale hat sich angesichts einer seit Jahrzehnten andauernden Zurückhaltung der Gewerkschaften und blamabler Lohntarifabschlüsse bei gleichzeitigen massiven Gewinnsteigerungen des Kapitals längst desavouiert. Sie ist nur noch dazu gut, das Versagen der sozialdemokratischen Gewerkschaftsführungen notdürftig zu kaschieren. Ein bißchen Inflation kommt dem Kapital bei dem Ganzen recht. Die gesamtwirtschaftlichen Lohnkosten und die Kaufkraft von Löhnen, Renten und Sozialleistungen schmelzen ab, Kreditlasten verringern sich.

Aber ein sprunghafter Preisanstieg ist von Übel. Er beeinträchtigt die Sicherheit von Kalkulationen und erschwert jede betriebswirtschaftliche Planung. Was, außer der weiteren Einbindung der Gewerkschaften in die kapitalistische Rationalität bietet die Volkswirtschaftswissenschaft an?

Die These, daß die Aufblähung der Geldmenge die Nachfrage nach Gütern erhöht und dadurch Preissteigerungen bewirkt, verkennt die Realität. Die Zunahme der Geldmenge nach der Krise von 2007/8 hat weder die Produktion nennenswert erhöht noch zu massiven Preissteigerungen durch eine größere Nachfrage geführt. Befeuert wurde nur die weltweite Spekulation. Die herrschende volkswirtschaftliche Lehre konnte und wollte nicht verstehen, daß die erhöhte Geldmenge deshalb keine Produktionssteigerungen auslöste, weil Neuinvestitionen nicht genügend profitabel waren. Das Großkapital hat sich dank der Politik des "billigen Geldes" nur noch stärker bereichert und den Prozeß der Kapitalkonzentration verstärkt vorangetrieben.

Die Subventionen zur Abdämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie hatten ebenfalls die Nachfrage nicht gesteigert. Allenfalls wurde sie notdürftig stabilisiert. Auch der jetzige Inflationsschub wurde nicht durch eine zu hohe Geldmenge angetrieben. Maßgeblich war in den beiden letzteren Fällen die Verknappung des Angebots an Rohstoffen und notwendigen Vorprodukten für die entwickelte Warenproduktion als Resultat unterbrochener Lieferketten. Die monetaristische Antwort auf jedwede Inflation, die Geldmenge durch die Erhöhung des Leitzinses zu verkleinern, ist daher zum Scheitern verurteilt.

Die kapitalistische Wirtschaftspolitik versagt.

Sie reagierte schon auf die Störungen und Unterbrechungen der Lieferketten im Gefolge der Coronapandemie nur nach dem Motto "Augen zu und durch". Hier und da hieß es, man habe es mit der Globalisierung doch ein wenig zu weit getrieben. Aber das entscheidende Problem ist, daß für die Spitzentechnologien Rohstoffe und arbeitsteilig erstellte Materialien nicht ohne weiteres ersetzt werden können. Was bereits die Coronakrise deutlich gemacht hat, hat die Sanktionspolitik der NATO gegen Rußland vollends offengelegt.

Der durch den von der NATO begonnenen Wirtschaftskrieg verursachte enorme Inflationsschub wird hinsichtlich seiner Ursache als außerökonomisch angesehen. Der Wirtschaftskrieg wird weder vom wirtschaftswissenschaftlichen Mainstream, noch von den herrschenden Wirtschaftspolitikern und auch nicht von den Staats- und sonstigen bürgerlichen Medien in Frage gestellt. Stattdessen heißt es, der russische Angriffskrieg oder wahlweise Putin sei schuld. Die Sanktionspolitik sei angesichts dessen ein Gebot der menschlichen Moral und der völkerrechtlichen Gerechtigkeit. Tatsächlich geht es nicht um Moral. Die Zunahme der ökonomischen Probleme und die Verschärfung der politischen Spannungen zwischen allen Staaten auf diesem Globus sind untrennbar miteinander verbunden. Die Moral kommt daher als Vorwand ganz recht. Die NATO-Propaganda will hingegen glauben machen, es ginge nur um Moral und Völkerrecht.

Übersehen wird bei der Rechtfertigung des Wirtschaftskrieges der NATO, daß niemand die NATO zur Hüterin des Völkerrechts ernannt hat - das wäre angesichts zahlloser Angriffskriege von NATO-Staaten überaus skurril. Die Sanktionspolitik der NATO selbst ist ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot des Völkerrechts. Tatsache ist, daß NATO-Staaten, allen voran die USA als NATO-Führungsmacht, alle Staaten mit Sanktionen belegen, die eine eigenständige Politik betreiben (militärisch und wirtschaftlich) und den Interessen der USA und/oder der NATO in die Quere kommen. Sanktionen wurden z.B. unter wechselnden Vorwänden verhängt gegen China, den Iran, den Irak, Syrien, gegen Venezuela, Kuba, die UdSSR, Rußland, aber auch gegen sogenannte enge Freunde wie die Europäische Union und Deutschland. Sanktionspolitik ist Agressionspolitik.

Was treibt die USA als führenden Motor dieser Politik an?

Die USA waren nach dem zweiten Weltkrieg unangefochtene militärische und wirtschaftliche Führungsmacht der Welt. Aber der Kapitalismus war im Gefolge des Krieges global geschwächt. Die UdSSR hatte sich behauptet, ihre militärstrategische Einflußsphäre erweitert und die Revolutionen in Südostasien hatten den Weltmarkt geographisch erheblich verkleinert. Den USA und den geschwächten imperialistischen Mächten Europas und Asiens gelang es dennoch dank der gigantischen Kapitalvernichtung im Weltkrieg eine Phase der kapitalistischen Konsolidierung einzuleiten.

Erst in den siebziger Jahren wurde klar, daß der Nachkriegsboom der imperialistischen Wirtschaft zu Ende war. Die wiedererstarkten anderen kapitalistischen Mächte schmälerten den ökonomischen Einfluß der USA und wurden mehr und mehr zu wirtschaftlichen Konkurrenten. Auch der Zusammenbruch der UdSSR und die soziale Konterrevolution in China hielten den relativen ökonomischen Niedergang des US-Imperialismus nicht auf. Die Zerstückelung der UdSSR wurde - aus Sicht der US-Strategen - nicht zu Ende geführt. Rußland konsolidierte sich und wurde zu einem neuen Konkurrenten. China ist auf dem Weg, eine neue imperialistische Führungsmacht zu werden. China drängt bereits jetzt US-amerikanischen Einfluß in Südostasien zurück und hat sich zu einer militärischen Supermacht entwickelt.

Aus US-amerikanischer Sicht ist daher die Konfrontation mit China unausweichlich. Sie hat deshalb die NATO gedrängt, China als strategischen Hauptfeind zu benennen. Um die Konfrontation mit China für den Imperialismus aussichtsreich zu machen, muß China ökonomisch stranguliert werden. Ohne die Blockade jeder Energiezufuhr nach China und ohne die Absperrung seiner Handelswege wird das nicht möglich sein. Die Beherrschung Rußlands ist folglich das nächstliegende Ziel der USA und ihrer Bündnispartner. Die jetzige Sanktionspolitik gegen Rußland ist auf diesem Weg nur ein strategisches Etappenziel. Die Schwächung Rußlands ist der Hauptzweck, die Zerstörung der Ukraine ein Bauernopfer.

Der Wirtschaftskrieg der NATO dient keinen moralischen Geboten, er entspringt nicht der Solidarität mit einer nur in den westlichen Medien und den Propagandareden Selenskys existierenden ukrainischen Demokratie. Er soll Rußland schwächen und seine Zerschlagung vorbereiten. Alles, um die Hoffnungen der USA und der anderen imperialistischen Mächte auf eine Überwindung der kapitalistischen Stagnation zu nähren.

Der Wirtschaftskrieg der NATO gegen Rußland ist durch die Verschärfung der Inflation zugleich ein Wirtschaftskrieg gegen die abhängig beschäftigte Bevölkerung der NATO-Staaten und des Großteils der kapitalistischen Welt.

Notwendig ist daher ein entschlossener Widerstand gegen den Wirtschaftskrieg der NATO und seine militärische Komponente, die Verlängerung des Ukrainekrieges durch Waffenlieferungen an die Ukraine.

Dieter Elken, 28.07.2022