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Marxistische Initiative:

Die marxistische Antwort auf die Krise

- Enteignung und Sozialisierung des gesamten Bankensystems!

- Schaffung einer Vereinigten Staatsbank mit Kreditmonopol!

- Für ein Programm öffentlicher Arbeiten!

- Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich!

- Große Koalition bekämpfen!

- Kurs auf eine Arbeiterregierung nehmen!


Kapitalisten von der Krise überrascht

Finanzjongleure, Spekulanten aller Art, Bankfachleute, Spitzenmanager der Banken, Versicherungen, der Kapitalfonds und anderer Kapitalgesellschaften, fast alle seit Jahren tonangebenden Ideologen des Kapitalismus und die (neo-liberalen) Wirtschaftswissenschaftler stehen scheinbar fassungslos vor dem Debakel der Finanzkrise.

Dies, obwohl sich seit 2007 die Krisenanzeichen — nicht nur der Finanzwirtschaft — massiv häuften. Sie wollten und konnten die Zeichen der Zeit nicht erkennen. Vorausschauende Visionen sind ohnehin nicht die Stärke bürgerlicher Politiker. Sie behaupteten auch dann noch weiter, der Markt werde alles richten, als die internationale kapitalistische Wirtschaft zu Beginn des Jahres 2008 auf Talfahrt ging. Diese Talfahrt betraf erstmals seit 1945 alle wichtigen imperialistischen Länder gleichzeitig, in Südostasien, Europa und Nordamerika. Die Autoindustrie, traditioneller Konjunkturmotor, meldete weltweit einbrechende Absatzzahlen. Auch das stürmische Wachstum der chinesischen Wirtschaft schwächte sich ab und sank wieder unter 10 %. Die Talfahrt der Weltwirtschaft läutete den Zusammenbruch der spekulativen Blasen im Finanzmarkt ein. Erstaunlich ist nur, daß die Kapitalisten und ihre Ideologen geglaubt hatten, sie könnten den Ausbruch der Krise dauerhaft hinausschieben.

Selbst eine der seit Jahrzehnten größten wirtschaftspolitischen Autoritäten der westlichen Welt, Alan Greenspan, der ehemalige Präsident der US-Bundesbank, gab inzwischen zu, daß sich seine Weltsicht als fehlerhafterwiesen hat. Er erklärte jüngst, er sei schockiert. Er habe sich nicht vorstellen können, daß Banken ohne ausreichende Sicherheiten arbeiteten…

Die Mär von den Selbstheilungskräften der Marktwirtschaft

Merkel und Steinbrück erklärten noch im März 2008, es bedürfe keiner Staatseingriffe. Die deutsche Wirtschaft sei robust und die Marktwirtschaft habe ausreichend Selbstheilungskräfte. Merkel, Steinbrück und Co. standen damit nicht allein. Ihre Freunde, die Sarkozys, Bushs etc. taten es ihnen gleich. In Wirklichkeit haben alle bürgerlichen Staaten immer aktiv auf Seiten des Kapitals ins Wirtschaftsleben eingegriffen. So wie die Bundesregierung in der BRD betrieben sie mit der Zertrümmerung des sozialen Sicherungssystems (Hartz-Gesetze, Agenda 2010), durch eine restriktive Lohnpolitik und massiven Druck auf das Heer der Erwerbsarbeitslosen eine systematische Politik der Verarmung breiter Schichten der Lohnabhängigen. Die Umverteilung von unten nach oben reduzierte die Massenkaufkraft.

Die ideologische Rechtfertigung der Herrschenden für diese Politik war und ist die These, durch steigende Profite für das Kapital würden Neuinvestitionen in die produzierende Wirtschaft wieder angekurbelt werden. Viele in Neoliberale verwandelten Reformisten glauben auch an diese Behauptung und begründen damit ihre “Realpolitik”. Diese Erwartungen traf jedoch nicht ein, jedenfalls nicht im erhofften Umfang. Weil die Kaufkraft der Konsumenten nicht ausreichte, konnte der Warenabsatz nicht wesentlich gesteigert werden. Die Produktionskapazitäten blieben unausgelastet. Die industriellen Überkapazitäten bremsten für das Kapital den Anreiz, den Fall der Profitraten durch Innovationen und die mit ihnen verbundene Steigerung der Arbeitsproduktivität zu bekämpfen. Stattdessen standen nur die Intensivierung der Arbeit und die Verlängerung des Arbeitstages im Vordergrund.

Die Profite stiegen so zwar, aber die Investitionen blieben dennoch deutlich hinter der Neuproduktion von Kapital zurück. Auch die neuen Märkte in China, Brasilien und Indien, die dem Kapitalexport der imperialistischen Länder ein gewaltiges Anlagefeld bieten, reichten nicht, das Problem der Überproduktion von Kapital zu entschärfen. Die immanenten Widersprüche des Kapitalismus blieben explosiv. Wachstum und Stagnationstendenz zugleich schufen eine besonders parasitäre Form des Wachstums. Die Folgen: Das überschüssige, nach profitablen Anlagesphären suchende Kapital heizte den Konzentrationsprozeß des Kapitals massiv an und zugleich wurde eine Welle der Spekulation durch die nächste abgelöst.

Als Nebenprodukt wurde der Kapitalexport als das klassische Mittel intensiviert, dem tendenziellen Fall der Profitraten entgegenzuwirken. China, Indien und einige andere Länder wurden tiefer in den kapitalistischen Weltmarkt integriert. Erhebliche Teile der arbeitsintensiven Produktion wurden dorthin ausgelagert. Die Transportindustrie erlebte einen Boom ohnegleichen. Dieser Strukturwandel war von einer durchaus funktionalen Erleichterung des internationalen Kapitalverkehrs begleitet. Dieses Wachstum schuf aber auch neue Produktionskapazitäten, was wiederum die Stagnationstendenz (Überkapazitäten in der materiellen Produktionssphäre weltweit) verstärkte.

Weltweiter Strukturwandel und die deutsche Exportweltmeisterschaft

Die jahrelange Offensive des deutschen Kapitals und seiner Regierungen gegen die Arbeiterklasse, d.h. der Klasse der Nichteigentümer von Produktionsmitteln, der unmittelbar Lohnabhängigen, der Arbeitslosen, einschließlich ihrer Kinder und der Rentner, war für die Bourgeoisie erfolgreich. Sie schuf Wachstum für das Kapital und baute via Exportweltmeisterschaft und erhöhte Beschäftigungszahlen sogar einen Teil des Arbeitslosenheeres ab. Aber sie bedeutete für die Arbeiterklasse den Abbau sozialstaatlicher Errungenschaften, Umverteilungspolitik zu ihren Lasten, die Schaffung prekärer Lebens- und Arbeitsverhältnisse, zunehmende Existenzunsicherheit und die Senkung des Lebensstandards,

Die andere Seite dieses Erfolges des deutschen Kapitals war neben der wiederholten Erringung des “Titels” eines Exportweltmeisters eine führende Rolle des deutschen Kapitals bei der Eroberung der neuen Märkte im Osten und der Versuch, eine Weltmachtstellung zu erringen, u.a. auch militärisch. Vor allem aber bedeutete die wachsende deutsche Rolle( in der für das Kapital zu langsam wachsenden Weltwirtschaft), daß die Konkurrenten des deutschen Kapitals stärker unter Druck gerieten. Die Weltmarktoffensive des deutschen Kapitals mußte die inneren Widersprüche des kapitalistischen Weltsystems verschärfen. Umgekehrt wurde der deutsche Kapitalismus in noch größerem Maße von der Entwicklung des kapitalistischen Weltsystems abhängig. Und diese Abhängigkeit betraf nicht nur die Exportindustrie sondern das Finanzkapital insgesamt, das sich vermittelst der Banken auf allen ökonomischen Feldern betätigte, auch auf dem stürmisch gewachsenen Gebiet der internationalen Spekulation.

Das Wachstum der Finanzwirtschaft

Der intensivierte globale Kapitalverkehr, eine notwendige Begleiterscheinung einer sich vertiefenden weltweiten Arbeitsteilung, eröffnete dem Finanzkapital zugleich neue Möglichkeiten der Spekulation. Die Finanzwirtschaft war dabei enorm innovativ. Sie entwickelte neue Anlageformen für das überschüssige Kapital und es gelang ihr, die damit verbundenen Risiken, scheinbar objektiv bewertet durch Ratingagenturen, zu international gehandelten globalen Spekulations-gegenständen zu machen. Die Spekulation selbst, die immer nur Mittel der Aneignung von in der materiellen Produktion tatsächlich produziertem Wert sein kann, gewann so den Schein einer neuen Quelle der Wertproduktion.

Welche Disproportionalitäten dadurch entstanden, läßt sich z.B. daran verdeutlichen, daß im Jahre 2004 im produzierenden Sektor der US-Wirtschaft Profite in Höhe von 534 Milliarden $ realisiert wurden und 300 Milliarden $ in der Finanzwirtschaft.. Vierzig Jahre zuvor hatte der Anteil der Profite, die in der Finanzwirtschaft realisiert wurden, nur bei 2 % gelegen. Diese Strukturveränderung verführte einige bürgerliche Ökonomen zu der unsinnigen Annahme, daß mit der Finanzwirtschaft und ihren “innovativen Produkten” tatsächlich eine neue Quelle der Wertproduktion geschaffen worden sei, allein durch die scheinbare Beherrschung verwalteter spekulativer Risiken.

Als 2001 die Spekulationsblase um die neuen Technologien platzte, versuchte die US-Regierung die US-Wirtschaft dadurch anzukurbeln, daß sie die Banken mit billigen Krediten versorgte. Die US-Bürger reagierten auf sinkende Realleinkommen, indem sie durch Kredite ihren Lebensstandard aufrechterhielten. Die Banken förderten das und erschlossen sich zusätzlich neue Kundenschichten.

Millionen von lohnabhängigen US-Bürgern wurden Hypothekenkredite zu niedrigen Zinssätzen angeboten. Die Ungewißheit, ob diese die Kredite zurückzahlen könnten, wurde durch den Aberglauben an dauerhaft steigende Grundstückspreise überspielt. Als klar wurde, daß dies im Falle steigender Zinssätze und sinkender Nachfrage nach Immobilien zu einem Zusammenbruch des Immobilienmarktes führen mußte, wurde der absehbare Kollaps der Spekulationsblase durch “innovative Finanzprodukte” hinausgezögert. Risikokredite wurden gebündelt verkauft, in der Hoffnung auf ein Anhalten des Booms weiterverkauft etc. Mit diesen Konstrukten wurden u.a. letztlich halbwegs verläßlich kalkulierte Investitionen durch schlichte Wetten auf die künftigen Kursentwicklungen ersetzt, d.h. durch Glückspiele. Diese “Finanzprodukte” ermöglichten es zugleich, die damit verbundenen Risiken zu globalisieren. Angezogen von der Aussicht auf hohe Renditen beteiligten sich die Banken fast aller Länder an dieser aufgeblähten Finanzwirtschaft. Das deutsche Finanzkapital machte dabei alles andere als eine Ausnahme.

Die sog. Realwirtschaft bringt die Spekulationsblase zum Platzen

Nachdem die Zinsen in den Jahren 2005/2006 wieder stiegen, zeigte die rückläufige Zahl begonnener Neubauten Im Verlauf des Jahres 2007 (Rückgang von Januar bis November 2007: 71 %) ebenso wie wieder steigende Arbeitslosenzahlen an, daß die USA in eine Rezession abglitten. Dies gefährdete nicht nur Millionen von Häuslebauern, die in Zahlungsschwierigkeiten gerieten. Der Sturzflug der Immobilienpreise sorgte auch dafür, daß die Banken bei Zwangsversteigerungen nicht einmal den Nominalwert ihrer Hypothekenkredite erzielen konnten. Den Hypothekenbanken und den Versicherern der Banken drohten damit gigantische Verluste. Da alle Akteure der Finanzwirtschaft die von ihnen eingegangenen Risiken systematisch verschleiern müssen, um das Spiel am Laufen zu halten, begannen die Banken als Kenner des Geschäfts selbst das Vertrauen ineinander zu verlieren, sobald sich die Krisensymptome häuften.

Im Januar 2008 warnte die US-Bank Goldman und Sachs unter Hinweis auf die schwächelnde Konjunktur in Japan und die akute Gefahr einer Rezession in den USA vor der Gefahr eines Dominoeffekts für die Weltwirtschaft. Experten der UNO sahen zu diesem Zeitpunkt bereits die Weltwirtschaft in eine globale Rezession abgleiten und das Wachstum der Weltwirtschaft zum Erliegen kommen. Um die Jahreswende 2007/2008 zeichnete sich ab, daß die Banken begannen, Kredite nur noch zögerlich zu vergeben. Die Unsicherheit in der sog. Finanzwirtschaft nahm zu. Die Verwertungskrise des Kapitals drohte zu einem Zusammenbruch des Bankensystems zu führen. Dennoch zog es die Bundesregierung vor, ebenso wie ihre internationalen Bündnispartner, so zu tun als gäbe es keinerlei Probleme: Als Josef Ackermann im März zaghaft andeutete, die Rolle des Staates bei einer möglichen Krisenbewältigung sei zu diskutieren, wurde er von der Bundesregierung eiligst zurückgepfiffen und erklärte der FAZ, er habe “nicht die geringsten Zweifel an der Stabilität des amerikanischen und internationalen Bankensystems”.

Damit war im September 2008 Schluß.

Als in den USA für nahezu unangreifbar gehaltene Großbanken im Hypothekengeschäft, Fanny Mae und Freddy Mac ins Straucheln gerieten, als der weltgrößte Versicherungskonzern AIG zusammenbrach und von der US-Regierung gerettet werden mußte, als die US-Regierung schließlich die US-Bank Lehman Brothers in die Insolvenz gehen ließ, brach Panik aus. Diese vergrößerte sich, als die Schönredner der Marktwirtschaft feststellten, daß die weltweite Marktintegration die Voraussetzung dafür geschaffen hatte, daß auch eine Vielzahl europäischer Banken in den Strudel der Krise geriet.

Gordon Brown verstaatlichte die Pleitebank Northern Rock, die Niederlande die Bank Fortis, Sarkozy rettete die Dexia etc etc. Spätestens der drohende Zusammenbruch der Münchener Hypo Real Estate Bank, die in der BRD allein 15 % der für das Refinanzierungssystem der Banken enorm wichtigen Pfandbriefe ausgegeben hatte, ließ hierzulande die Alarmglocken läuten.

Kopfloser Aktivismus der bürgerlichen Politik

Getragen von dem Glauben, daß die Weltwirtschaftskrise von 1929-1933 nicht zuletzt das Resultat einer fehlerhaften staatlichen Politik des knappen Geldes gewesen ist, beeilten sich selbst so hartnäckig neoliberale Politiker wie George Bush, sein Finanzminister Henry Paulson und der US-Bundesbankchef Ben Bernanke enorme Summen in die Finanzmärkte zu pumpen, um die krisengeschüttelten Banken zahlungsfähig zu halten. Doch die Bereitstellung von 700 Milliarden Dollar in den USA nützte nichts. Sie verpuffte zunächst ebenso, wie die Absenkung des Leitzinses, mit der die Refinanzierung der Banken erleichtert wurde. Da den Banken das ganze potentielle Ausmaß der spekulativen Blase der Hypothekenmärkte im sog. Sub-Prime-Bereich und anderer Finanzmarkt-innovationen klar war, vertrauen sie sich gegenseitig nicht mehr. Nach den Zusammenbrüchen von zuvor für unerschütterlich gehaltenen Großbanken scheuen sie das Risiko, sich gegenseitig zu Niedrigstzinsen mit Krediten auszuhelfen, um sich jeweils kurzfristig ausreichend zahlungsfähig zu halten. Eine der Folgen: Die Börsenkurse stürzten weiter ab.

Die Kursstürze bewirken nicht nur die massenhafte Vernichtung von Geldkapital, sie bringen, je länger die Krise der Finanzmärkte andauert, zugleich auch den Kapitalkreislauf ins Stocken und stürzen die gesamte kapitalistische Wirtschaft immer weiter in die Krise.

Solange Merkel und Steinbrück noch an die BRD als von einer vorgeblich robusten “Realwirtschaft” geprägten Insel der Seligen im Meer des US-geprägten Finanzkapitalismus glaubten, lehnten sie ein international koordiniertes Krisenmanagement der führenden kapitalistischen Staaten ab. Erst nach der Pleite der Hypo Real Estate Bank realisierten sie, daß die Bankenkrise eine globale Krise ist und schalteten auf den Kurs einer europäischen Koordination zur Bekämpfung der Finanzkrise. Erst sehr zögerlich und getrieben von immer neuen Horrorbotschaften aus der Wirtschaft rangen sie sich zu Staatsinterventionen durch. Jeden Schritt ihrer hilflosen Suche nach immer neuen Auswegen stellt die Regierung Merkel/Steinbrück unter den Jahrzehnte alten neoliberalen Leitspruch “Es gibt hierzu keine Alternative”…. Die führenden Politiker der deutschen Bourgeoisie beweisen so, daß sie sich noch nicht einmal auf dem Niveau ihrer internationalen Bündnispartner befinden.

Krisenlösungsrezepte, die keine sind

Fast alle bisher öffentlich gemachten Konzepte, die aktuelle Krise zu überwinden, gehen aus von einem vorgeblichen Gegensatz zwischen (böser, weil spekulativer) Finanzwirtschaft und (guter) “Realwirtschaft”. Dabei wird die Kleinigkeit übersehen, daß die Finanzwirtschaft trotz des Umstandes, daß wir es dort u.a. mit fiktivem Kapital im Marxschen Sinne zu tun haben, eine sehr reale und notwendige Existenz im Kapitalismus hat. Kapitalkreislauf ohne Geldwirtschaft ist undenkbar. Jedes Industrieunternehmen ist auf Handel angewiesen, der mit Geldkapital abgewickelt wird, legt eingenommenes Geldkapital kurzfristig im Geldmarkt an, um später erneut in die Produktion zu investieren etc. etc. Hinzu kommt, daß Kapitalisten ohnehin nur daran interessiert sind, ihr Kapital zu verwerten. Wie und was dabei produziert wird, ob mit ihrem Geldkapital überhaupt produziert wird oder ob sie sich mit ihrem Geldkapital nur einen Anteil der gesellschaftlichen Wertproduktion verschaffen, ist ihnen prinzipiell gleichgültig.

Die Spekulation ist integrierter Bestandteil des Kapitalismus; letztlich ist jede Investition eine Spekulation auf die künftige Marktentwicklung. Wer, wie z.B. der ehemalige IWF-Manager, ehemalige Wirtschaftsstaatssekretär und jetzige Bundespräsident Horst Köhler oder die aktuelle Führung des IWF die jetzige Krise mit der hemmungslosen Gier von Bankmanagern und Spekulanten erklärt, erklärt eben nicht, weshalb die Spekulationsblase geplatzt ist, sondern erklärt letztlich die Spekulation mit Spekulation.

Die bürgerlichen Ökonomen bleiben mithin der Oberfläche des kapitalistischen Systems verhaftet. Sie übersehen die grundlegenden Zusammenhänge des kapitalistischen Systems. Dementsprechend bleiben ihre ohnehin immer nur kurzfristig orientierten Lösungskonzepte an Symptomen orientiert und partiell. Der Großteil der bürgerlichen Politiker wird selbst zum Opfer des ideologischen Konstrukts einer völlig verselbständigten Finanzwirtschaft neben der “Realwirtschaft”. Deren akute und erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs tatsächlich globale Krise gerät aus dem Blickfeld. Das ist auch aus bürgerlicher Sicht stümperhaft.

Erst versuchten es die Notenbanken mit billigen Krediten für die Banken und pumpten Liquidität ins System. Das erwies sich als wirkungslos.

Dann sollte das Vertrauen der Banken in ihre wechselseitige Kreditwürdigkeit wiederhergestellt werden. Die Bereitstellung von 700 Milliarden $ in den USA, 500 Milliarden € in der BRD, 360 Milliarden € in Frankreich, 200 Milliarden in den Niederlanden, 85 Milliarden € im kleinen Österreich, 100 Millionen in Spanien und 20 Milliarden € in Portugal sowie über 300 Milliarden Pfund Sterling in Großbritannien haben das Bankensystem erst einmal stabilisiert. Die Wiederherstellung des Vertrauens in die Kreditwürdigkeit der Banken untereinander ist zwar geeignet, die unmittelbare drastische Vertiefung der Krise deutlich abzumildern, kann aber die Auswirkungen des Platzens der Kreditblasen und des sogenannten “Future”-Marktes (den Wetten auf künftige Kursentwicklungen von Waren oder Sicherheiten) nicht verhindern. Hinzu kommt, daß die Rettung gerade der führenden maroden Akteure der Finanzwirtschaft durch staatliche Garantien, Käufe von unsichersten “Sicherheiten” oder die “Teilverstaatlichung” von Banken durch staatliche Kapitalbeteiligungen, gerade die abenteuerlichsten Finanzmarktakteure saniert und für ihr ökonomisches Über- und Weiterleben sorgt. Damit verliert die Krise die klassische Funktion von Krisen, nämlich die, für eine Marktbereinigung zu sorgen und damit die Grundlage für einen neuen konjunkturellen Aufschwung zu sorgen.

Die Wiederherstellung des Vertrauens der Banken in die wechselseitige Kreditwürdigkeit läßt darüber hinaus die Auswirkungen der bereits vorhandenen Wirtschaftskrise auf die Kreditvergabepolitik außer Acht. Die Banken vergeben an den produzierenden, gewerblichen Mittelstand nur noch unter erschwerten Bedingungen Kredite. Ihre Risikobereitschaft hat sich vorläufig erschöpft. Sie sinkt ohnehin drastisch, je kleiner die auf dem Spiel stehenden Summen sind. Die restriktive Kreditpolitik der Banken gegenüber der produzierenden Wirtschaft läßt diese noch tiefer in die Krise rutschen.

Letzteres ist aber für die bürgerliche Politik (noch?) kein Thema. Sie konzentriert sich auf die böse Spekulation, prangert wie attac den Casino-Kapitalismus an und schimpft auf die gierigen Zocker. In Massenmedien, von bürgerlichen Politikern aller Couleur (einschließlich der durch den Kapitalismus düpierten Marktideologen ertönt deshalb weltweit der Ruf nach einer staatlichen Regulierung der Finanzmärkte, nicht aber der Kreditvergabe an die Wirtschaft. Sarkozy feiert die Forderung nach Regulierung der Finanzmärkte als großartige europäische Initiative zur Vorbeugung gegen künftige Krisen.

Was aber z.B. nahezu unbeirrbare neoliberale Politiker wie Biedenkopf oder Huber, die selbst für die Zockereien von Banken die Verantwortung trugen, dazu qualifiziert, die Finanzwirtschaft “sauberen” Kapitalismus zu lehren, wissen die Regulierer vermutlich nicht einmal selbst. Im übrigen kann die Regulierung immer nur bisher schon bekannte Finanzmarktprodukte betreffen. Das ganze Konzept übersieht, daß das Kapital in der gesamten Geschichte des Kapitalismus schon immer sehr findig war, sich staatlichen Kontrollen durch das Ausweichen auf neue Geschäftsfelder zu entziehen.

Bleibt das Modell Gordon Brown, mit dem Sarkozy ebenfalls sympathisiert. Die in der Stunde der höchsten Not der kapitalistischen Industrie nach dem Zweiten Weltkrieg von der britischen Labour Party unter viel sozialistischer Rhetorik für die eigene Wählerbasis verfügten, vorübergehenden Verstaatlichungen werden plötzlich zum akzeptierten kapitalistischen Modell: Verstaatlichungen, Sanierungen auf Kosten der Arbeiterklasse bzw. Vergesellschaftung der Verluste, Reprivatisierung in kapitalistischer Hand. Wenn der Kapitalismus anders nicht zu retten ist, akzeptieren die Kapitalisten selbst das. Hauptsache, das System insgesamt wird nicht angetastet und sie können sich auf die kapitalistische Zuverlässigkeit der Krisenmanager verlassen.

Der frühere Chef der Deutschen Bank, Hilmar Koppe äußerte dementsprechend in der Hannoverschen Zeitung: “Ich würde auch vor sehr unkonventionellen Schritten nicht zurückschrecken, selbst wenn am Ende eine kurzfristige Verstaatlichung von Instituten die einzige Möglichkeit ist, den Kollaps zu verhindern.”

Wiedergeburt des Neokeynesianismus
- die Partei “Die Linke” in bester Gesellschaft

Nachdem die Seismographen der Stimmungen der internationalen Bourgeoisien, die Börsen, den Tunnelblick der bürgerlichen Politiker auf die Krise der Finanzwirtschaft als ungenügend entlarvt haben, schlugen inzwischen auch die Vertreter der deutschen Industrie Alarm. Sie fordern ein staatliches Konjunkturprogramm gegen die Rezession. Großinvestitionen in den Straßenbau, Flughäfen und Kraftwerke, sollen der Wirtschaft Impulse geben. Jürgen Thumann, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) fordert die Erneuerung der Infrastruktur. Auch der Städte- und Gemeindebund ruft nach Finanzhilfen des Bundes, um auf kommunaler Ebene durch den Ausbau der Infrastruktur und damit Aufträge für die heimische Wirtschaft die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise bekämpfen zu können.

Auch die CDU, der anscheinend das Ausmaß der internationalen Krise zu dämmern beginnt, lehnt ein Konjunkturprogramm nicht mehr grundsätzlich ab. Sie beschwört aber nach wie vor, daß dafür nur wenig Geld vorhanden sei.

Sogar die SPD übt sich wieder in reformerischer Rhetorik. Müntefering fordert die Sicherung der Arbeitsplätze und will die Förderung von Bauvorhaben stärken. Andrea Nahles fordert die Bereitstellung von 25 Milliarden € zur Bekämpfung der Konjunkturkrise. SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier will u.a. mit verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen und KfW-Krediten für den Mittelstand Investitionen im Volumen von 60 Milliarden € anstoßen. Er betonte, es sei eine “neue Sozialpartnerschaft” zwischen Unternehmen und Beschäftigten zu schaffen. Tatsächlich bereitstellen für ein Konjunkturprogramm will die Regierung jedoch nur 5 Milliarden €, im Vergleich zu dem, was die Große Koalition für das Finanzkapital übrig hat, nur peanuts.

In Sachen Nachfrageförderung betont “Die Linke”, daß sie als allererste ein massives Konjunkturförderungsprogramm gefordert hat, zu einem Zeitpunkt, als die Regierungsparteien noch nicht einmal gemerkt hatten, daß die Finanzkrise auch die deutsche Finanzwirtschaft erfaßt hatte. Trotz offizieller Ablehnung der (“unzureichenden”) Regierungspolitik im Bundestag unterstützte “Die Linke” faktisch die Maßnahmen der Bundesregierung (ihre Berliner Regierungslinken stimmten im Bundesrat dafür) und präsentierte als eine Art Ergänzungsmaßnahme ein “Sofortprogramm”, indem sie vorrangig die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes fordert, die Aufstockung des Regelsatzes des ALG II, 15 Milliarden € für ein Ganztagschulprogramm, ein 10-Milliarden-Programm zur Krankenhaus-sanierung und für den Ausbau des Schienenverkehrs. Oskar Lafontaine begründete dies: “Die Bundesregierung muß zu außergewöhnlichen Maßnahmen greifen, um ein weiteres Durchschlagen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft zu verhindern”. Bodo Ramelow sekundiert: “Niemand kann mehr begründen, wie der Staat in der schweren Krise, auf die Europa zusteuert, ohne eine spürbare Erhöhung der Neuverschuldung auskommen will.”

Die Theorie für diese nationalen Retter im Wartestand liefert der Wirtschaftsfachmann ihrer Bundestagfraktion, der auch vom DGB-Apparat hochgeschätzte Herbert Schui. Er behauptet, ihr Antikrisenprogramm würde die Lehre aus der Weltwirtschaftskrise von 1929-33 ziehen: “Die Weltwirtschaftskrise von 1929 wurde durch eine restriktive Geld- und Ausgabenpolitik verursacht. Diese Fehler dürfen in der aktuellen Krise nicht wiederholt werden.” Und: “Jetzt müssen die Staatsausgaben erhöht werden, um die Nachfrage zu stabilisieren. Er und “Die Linke” fordern, die Bundesregierung solle ein gemeinsames europäisches Vorgehen betreiben. Sie könne damit dazu beitragen, das Weltfinanzsystemhabe “auf solide Beine stellen”. Axel Troost sekundierte: “Wir brauchen Verkehrsregeln für die Finanzmärkte.

Die neokeynesianische Denkschule vertritt dementsprechend die These, bereits der New Deal Roosevelts habe zu einer Erholung der Weltwirtschaft geführt. Letzteres stimmt jedoch nur bedingt. Bereits 1937/38 geriet die US-Wirtschaft erneut in die Krise. Und die Weltwirtschaft überwand ihre Widersprüche nicht. Im Gegenteil versetzte der militaristische Keynesianismus der Nazis diese in die Lage, den Zweiten Weltkrieg zu beginnen. Erst dieser Krieg mit seinen gigantischen Zerstörungen schuf Raum für eine neue Wachstumsphase der imperialistischen Wirtschaft. Es kann in diesem Zusammenhang niemanden beruhigen, daß die NATO-Staaten bereits seit Jahren ihre Außenpolitik systematisch militarisieren und sich die EU-Staaten zur Aufrüstung verpflichtet haben.

Keynesianismus von links ist keine linke Politik

Die Arbeiterklasse ist angesichts des Absturzes der kapitalistischen Weltwirtschaft von Massenentlassungen und dem damit verbundenen Anstieg der Arbeitslosigkeit, von Kaufkraftverlusten durch Inflation und weiterer Verarmung bedroht. Wir beanstanden natürlich weder die Forderung nach sofortiger Einführung eines staatlichen Mindestlohns noch andere konkrete Forderungen zur Verteidigung der unmittelbaren Interessen der Arbeiterklasse.

Wir meinen, es ist richtig und notwendig, vom bürgerlichen Staat zu fordern, daß er die vorhandenen Arbeitsplätze sichert, daß Massenentlassungen verboten werden, daß Betriebe, die schließen wollen, ihre Geschäftsbücher offenlegen müssen und unter Arbeiterkontrolle weitergeführt werden. Leider finden sich diese Forderungen nicht im aktuellen Forderungspaket der Partei “Die Linke” für ein Konjunkturprogramm..

Es ist mehr als angebracht, daß alle Gewerkschaften und linken Organisationen die Organisierung eines staatlichen Arbeitsbeschaffungsprogramms zum Ausbau der sozialen Infrastruktur und für ökologische Maßnahmen sowie zur Entwicklung strukturschwacher Regionen fordern — mit einer Beschäftigung ausschließlich zu tariflichen Bedingungen. Die Gewerkschaften und Die Linke stehen aufgrund ihres Masseneinflusses in der Pflicht, für diese Forderungen zu mobilisieren und dafür Kampfaktionen zu organisieren.

Selbstverständlich befürworten Marxisten Investitionen in das Bildungs- und Gesundheitssystem. Nicht einsichtig sind jedoch Forderungen nach Aufträgen für die Industrie und die Bauwirtschaft und damit nach gesicherten Profiten für die kapitalistischen Auftragnehmer des Staates. Staatliche Bauten, ob Straßen, Brücken, Schulen, Krankenhäuser oder Renaturierungsmaßnahmen können ebensogut durch kommunale Planungsbüros, Bauhöfe, Garten- und Landschaftsbaubetriebe von Kommunen etc. realisiert werden. .

Die Subventionierung der kapitalistischen Wirtschaft durch steuerliche Anreize - Lafontaine will z.B. durch eine stark degressive Abschreibung Investitionen steuerlich begünstigen - ist keine notwendige Voraussetzung für die Befriedigung der Tagesbedürfnisse der von der Krise Betroffenen. Sozialisten bleiben daher in schärfster Opposition zu den bürgerlichen Krisenlösungen. Ihr Beitrag zum Kampf für die Tagesforderungen der Arbeiterklasse muß die gewerkschaftliche und politische Mobilisierung der von Krise Betroffenen sein und nicht die Unterstellung einer objektiven Interessengemeinschaft im Sinne einer “neuen Sozialpartnerschaft”.

Wir sind dabei nicht gegen eine Politik, die den Schulterschluß mit Kleinkapitalisten sucht. Im Gegenteil. Marxisten befürworten deshalb die Bereitstellung von Krediten für Kleinstunternehmer zu günstigen Konditionen. Auch der SPD-Vorschlag für eine verbesserte steuerliche Absetzbarkeit von Handwerkerrechnungen für Privathaushalte ist unterstützenswert. Aber hieraus ergibt sich noch lange keine Basis für eine Art sozialen Burgfriedens mit Teile der herrschenden Klasse.

Linke haben weder strategisch noch taktisch die Aufgabe, eine Interessengemeinschaft von nationalem Kapital und Arbeiterklasse zu suggerieren, auch nicht bei Tagesinteressen. Es gilt nicht, diese Krise des Kapitalismus zu überwinden, um wieder zum guten alten kapitalistischen Alltag zurückzukehren, sondern um die konsequente Interessenvertretung der Arbeiterklasse. Es geht um die Verknüpfung des Tageskampfes mit den sozialistischen Zielen.

Die Linke in der “Linken” — ein Trauerspiel

Wer von der Linken der Partei “Die Linke” etwas in diese Richtung erwartet, wird zumindest bei näherem Hinsehen enttäuscht: Michael Aggelidis und Christina Zett forderten zwar in der nordrhein-westfälischen Linken, die Bundesregierung sollte überschuldete Banken nur noch übernehmen, wenn dies zur Übernahme von Wertanteilen dieser Banken führen würde und der Staat die Möglichkeit habe, Aufsichtsfunktionen über diese wahrzunehmen. Sie betonten zugleich, dieses sei aber nur der erste Schritt. Nötig sei die “Vergesellschaftung und demokratische Kontrolle des Bankensektors”. Dies solle die “Möglichkeiten des Finanzkapitals auf Dauer einschränken, ihre Profite weiterhin auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung zu erzielen.” Wir haben hier ein Musterbeispiel für unnötige Politik. Was nicht nötig ist, die Sozialisierung der Verluste der Banken und eine Pseudokontrolle der betroffenen Banken, betreibt die Bundesregierung ohnehin. Was dringend nötig ist, nämlich die Enteignung und Vergesellschaftung der Banken insgesamt, wird auf eine unbestimmte Zukunft verschoben.

Wesentlich kühner ist der BundessprecherInnenrat der “Sozialistischen Linken”, der fordert, den “gesamten bisher privaten Bankensektor in öffentliche Kontrolle und Eigentum zu überführen. Dabei ist die eine demokratische Kontrolle und Ausrichtung der Geschäftspolitik der Banken auf die Erfordernisse der Bevölkerung und der Realwirtschaft von entscheidender Bedeutung.” Diese demokratische Kontrolle sei bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken schon verwirklicht. Ihm schwebt ein solcher “öffentlicher Bankensektor europaweit” vor. Dies soll Voraussetzung dafür sein, daß sich die kapitalistischen Unternehmen wieder “auf ein langfristig tragfähiges Wachstum” konzentrieren. Die “demokratische Kontrolle”, die hier ausgeübt werden soll, ist die von Kapitaleigentümern. Trotz der vordergründig sozialistischen Rhetorik werden die kapitalistischen Verhältnisse nicht in Frage gestellt, d.h. die öffentlich kontrollierten Banken sollen dauerhaft die Funktionen ausüben, die die kapitalistischen Privatbanken im Wirtschaftskreislauf heute auch wahrnehmen, nur besser. Letztlich läuft das darauf hinaus, den Kapitalismus durch die Verstaatlichungen der Banken vor seinem spekulativen Wesen zu schützen. Das ist genau die Version von Verstaatlichungen, mit der sich auch die Kapitalisten anfreunden können, wenn der Kapitalismus nicht anders zu retten ist.

Welche Art von Verstaatlichung streben Marxisten an?

Marxisten wissen demgegenüber, daß die Durchsetzung von Verstaatlichungen durch die Arbeiterklasse und die Durchsetzung einer Kreditpolitik, die soziale Interessen und die Bedürfnisse der Arbeiterklasse vor das Interesse an einer optimalen Kapitalverwertung setzt, zu sprunghaft verschärften Klassenkämpfen führen würde. Das würde aller Voraussicht nach eine Art friedliche Koexistenz eines staatlichen mit einem starken Privatsektor ausschließen. Die Durchsetzung einer Verstaatlichung, die sich als reale Enteignung und als Ausschluß der kapitalistischen Verfügungsgewalt über das gesamte Bankensystem darstellt, mithin als eine reale Vergesellschaftung durch die Arbeiterklasse, setzte eine radikale Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse voraus.

Die Veränderung der Kräfteverhältnisse verlangt nach einer umfassenden Politisierung und Mobilisierung der Arbeiterklasse, nach ihrer Fähigkeit, um die Macht zu kämpfen. Die dafür erforderliche Politisierung und kollektive Selbstbewußtwerdung dieser Klasse ist nur über erfolgreich geführte Abwehrkämpfe gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die Arbeiterklasse zu entwickeln. Der Kampf für die Enteignung und Vergesellschaftung des Bankensystems und die Durchsetzung einer fortschrittlichen Geschäftspolitik einer vereinigten Staatsbank und -versicherung sind deshalb untrennbar verbunden mit der Perspektive des Kampfes für eine Arbeiterregierung.

Die von der “Sozialistischen Linken” in der Partei “Die Linke” entworfene utopische Idylle eines sogar europäischen öffentlichen Bankensektors (neben Sparkassen und Genossenschaftsbanken) abstrahiert vom Klassenkampf. Sie ignoriert, daß die Bourgeoisie ihre Interessen mit allen Mitteln verteidigt. Sie übersieht, daß es für diese Perspektive jedenfalls momentan keine nennenswerten Bündnispartner gibt. Sie benennt keine Durchsetzungsperspektive, nicht einmal eine utopisch anmutende. Was noch schlimmer ist: Sie benennt für die Tagesinteressen der Arbeiterklasse nicht einmal ansatzweise einen Hauch von Durchsetzungsstrategie.

Wer über Durchsetzungsstrategien nachdenkt, kann an der Frage nach der Veränderung von Machtverhältnissen nicht vorbeigehen. Was passiert, wenn die jetzigen Machtverhältnisse für unveränderlich angesehen werden und sich die Frage nach der Verbindung des Kampfes für Tagesforderungen mit dem sozialistischen Ziel im Sinne einer Übergangsstrategie gar nicht mehr stellt, demonstriert Manfred Sohn. Er erklärt in einem weit verbreiteten Papier zur Krise, der “grundlegende Kernwiderspruch der ganzen kapitalistischen Produktionsweise” (der für ihn zwischen dem Drang des Kapitalismus, die Produktion auszuweiten und gleichzeitig den Massenkonsum zu begrenzen, besteht) “muß zunächst gemildert werden, indem den abhängig Beschäftigten, den Kleinrentnern, den Studenten, den Arbeitslosen das Geld in die Hand gegeben wird, das andere sinnlos in die Zirkulationssphäre pumpen wollen.”

Deshalb sei das Sofortprogramm der Partei “Die Linke” genial. Es sei gewissermaßen das Behandlungsprogramm, das dem kranken Kapitalismus auf der “Intensivstation” des Reformismus zu teil werden müsse. Um zu verhindern, daß “die Krise der Finanzmärkte zu einer Krise des Volkes wird”, müßte das Geld bei den Vermögenden und Großunternehmen ohne Zinsverlust und ohne Umweg durch höhere Steuern aufgetrieben werden. Sarah Wagenknecht fordert deshalb eine Millionärssteuer.

Die Frage, wie Kräfteverhältnisse zugunsten der Arbeiterklasse, das ist die Klasse der unmittelbar Lohnabhängigen, der Prekarisierten, der Erwerbsarbeitslosen, Rentner und der Jugend, verändert werden sollen, wenn deren Mobilisierungs-fähigkeit durch die Abmilderung kapitalistischer Systemwidersprüche verringert wird, stellen und beantworten beide nicht. Auch die Vorfrage, wie die dazu notwendige Umverteilung von oben nach unten bewerkstelligt werden kann, wird von Manfred Sohn nicht angerührt, ebensowenig die, wie er dies durchsetzen will, ohne den Klassenkampf von unten zu intensivieren.

Skurrilerweise meint der Landtagsabgeordnete Sohn das Bekenntnis zur Rolle des Arztes am Krankenbett des Kapitalismus nicht einmal ironisch. Bezeichnend ist dabei die klassische Rechtfertigung von Reformisten für die Bereitschaft zur Übernahme der Krisenverwaltung des Kapitalismus, nämlich, daß es gelte, für das Volk noch Schlimmeres abzuwenden. Tatsächlich ist der Kapitalismus nur in der Lage, den Ausbruch von Krisen aufzuschieben, indem er noch größere vorbereitet.

Die Arbeiterklasse vor einer neuen Offensive des Kapitals

Die Kapitalisten deuten schon an, in welche Richtung die Reise gehen soll. Wer die Verluste sozialisiert, muß die dafür notwenigen Mittel aus der Arbeiterklasse pressen.

Schon drängt der Präsident des Arbeitgeberverbandes, Dieter Hundt, die Regierung, sie möge ihre Lohnpolitik überdenken. Bei abkühlender Konjunktur brauche Deutschland keine neuen Hürden am Arbeitsmarkt. Der Deutsche Industrie- und Handelstag warnte, Mindestlöhne kosteten Arbeitsplätze.

Bei der Großen Koalition rennen diese Herrschaften offene Türen ein. Um die Inflation nicht weiter anzuheizen, riefen die Finanzminister der EU bei einem Treffen in Slowenien Anfang Oktober zu Lohnzurückhaltung auf. Der Chef der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet: “Lohnzurückhaltung bei den Lohnverhandlungen ist außerordentlich wichtig, um angesichts der beunruhigend hohen Inflation zur Preisstabilität zurückzukehren.” Steinbrück verbrämte seine Zustimmung bei dieser Gelegenheit mit dem Hinweis, daß Arbeitnehmer einen Anspruch auf Teilhabe hätten, “wo wir es mit einem wirtschaftlichen Aufschwung zu tun haben.” Der Haken ist nur, daß es seit vielen Jahren trotz Aufschwung keine adäquaten Lohnsteigerungen sondern Reallohnsenkungen gab und daß die BRD-Konjunktur immer tiefer in die Rezession rutscht.

Für den 5.November hat Merkel Minister, Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertreter zu einem Krisengespräch nach Berlin geladen. Der wirkliche Zweck dieser Runde liegt darin, die Gewerkschaftsführungen und damit die Gewerkschaften selbst, auf die selbst nach Ansicht der meisten bürgerlichen Kommentatoren völlig unzureichenden Krisensanierungspolitik der Großen Koalition einzuschwören. Mit anderen Worten: Sie will einen sozialen Burgfrieden, um die Lasten der Krise um so besser auf die Arbeiterklasse abwälzen zu können.

Dringend notwendige Reformen, so der Um- und Ausbau des Bildungssystems, werden auf die lange Bank geschoben. Merkels großangelegter Bildungsgipfel im Oktober dieses Jahres produzierte nichts als lauwarme Luft. Das Ausbildungssystem bleibt immer weiter sogar hinter den Anforderungen des Kapitals zurück und versperrt immer größeren Teilen der Jugend eine Zukunftsperspektive.

Und die Gewerkschaften?

In dieser Situation sind die Gewerkschaften gefordert. Doch außer immer hohler tönenden Absichtserklärungen, an den formulierten tarifpolitischen Zielen festzuhalten, gehen ihre Führer auf Tauchstation. Da ihre Führungen mit der Politik der Großen Koalition keine prinzipiellen Differenzen haben, hoffen sie, daß es der bürgerlichen Politik gelingt, die Krise abzumildern, zu verschieben, auf das Ausland abzuwälzen, damit alles so weitergehen kann, wie bisher. Im besten Falle werden sie, wie “Die Linke” versuchen, die Regierung zu mehr Keynesianismus zu drängen. Zu einer unabhängigen, allein den Interessen ihrer Mitgliedschaft verpflichteten Politik sind sie unter diesen Führungen nicht fähig. Der IG-Metall-Vorsitzende Huber hat schon angedeutet, daß er von der Lohnforderung der IG-Metall kräftige Abstriche machen wird.

Das Gebot der Stunde ist der Bruch mit der Politik der Unterordnung unter die Interessen des Kapitals. Es muß Schluß sein mit nichtöffentlichen Spitzengesprächen mit Kapital und Regierung. Die Politik der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Regierungen, die systematisch die letzten Überreste sozialer Errungenschaften Stück für Stück zerstören, muß beendet werden. In den Gewerkschaften gibt es zu viele Spitzenfunktionäre wie den vormaligen Transnet-Vorsitzenden Hansen, denen im Namen der Fiktion einer Sozialpartnerschaft die Interessen der Arbeitgeber näher sind, als die der Gewerkschaftsbasis. Nie war es dringender als jetzt, neue Gewerkschaftsführer zu wählen, die nur den Interessen der Gewerkschaftsmitglieder verpflichtet sind.

Widerstand gegen die Politik der Großen Koalition!
Für eine Arbeiterregierung!

Der völlig unzureichenden tariflichen Interessensvertretungspolitik der Gewerkschaftsführungen, die den Reallohnabbau der und die Verarmung großer Teile der Arbeiterklasse mitzuverantworten haben, entspricht ihre Doktrin der politischen Enthaltsamkeit der Gewerkschaften.

Die vordergründige politische Enthaltsamkeit der jetzigen Gewerkschaftsführungen darf nicht länger toleriert werden. Wer heute nicht energisch gegen die Zerstörung der Überreste des sozialen Sicherungssystems auch auf der politischen Ebene kämpft, wer darauf verzichtet, die Rentenschweinereien der Regierung beim Namen zu benennen, wer in der Passivität verharrt, wenn die Zukunftsinteressen der Jugend der Arbeiterklasse von den Herrschenden und den Kapitalisten verzockt werden, sollte in Gewerkschaftsvorständen nichts zu suchen haben.

Notwendig sind Gewerkschaftsführungen, die dem Klassenkampf von oben durch systematische und hartnäckige Mobilisierungen von unten bis hin zu politischen Streiks die gebührende Antwort erteilen. Das bedeutet den Bruch mit allen Formen der Sozialpartnerschaft und des gesellschaftlichen Status quo. Die Arbeiterklasse braucht Gewerkschaften, die sich für eine klassenkämpferische, für eine Arbeiterpolitik einsetzen. Wir meinen, daß die Gewerkschaften als Vertretungen der sozialen Interessen ihrer Mitglieder die Verpflichtung haben, auch gegen die Politik der Großen Koalition und gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die Arbeiterklasse Widerstand zu leisten. Sie müßten sich für eine Arbeiterregierung einsetzen.

Stattdessen üben sich Sommer und Co. in staatsmännischen Posen und helfen der Regierung Merkel/Steinbrück sich als sozial ausgewogen zu präsentieren. Zaghafte Kritik kann diesen Eindruck nicht verwischen. Es fehlt den DGB-Bürokraten an politischen Visionen im Interesse ihrer Basis, an Weitblick und Kampfbereitschaft. Sie reden auch dann noch von Kompromissen, wenn es um das Überleben geht und entschlossener Kampf angesagt ist..

“Die Linke” sucht an diesen Zuständen so gut wie nichts zu ändern. Sie organisiert keinen massenhaften außerparlamentarischen Widerstand gegen die erzbürgerliche Regierungspolitik. Sie sucht stattdessen das Bündnis mit den passiven, rat- und konzeptlosen Gewerkschaftsführungen. Sie ist damit Teil des Problems, nicht seiner Lösung.

Um die Gewerkschaften wieder zu kämpferischen Interessenvertretungen zu machen, bedarf es deshalb einer neuen, marxistischen Partei mit klaren Perspektiven. Es bedarf einer Partei, die entschlossen für die Interessen und Bedürfnisse der Arbeiterklasse kämpft und eine Regierungsbeteiligung nur im Rahmen einer Arbeiterregierung anstrebt, d.h. einer Regierung, die die Interessen der Arbeiterklasse durchsetzt. Am Aufbau dieser Partei wollen wir mitwirken.

Das marxistische Programm zur Krisenbekämpfung

Das marxistische Programm zur Krisenbekämpfung geht davon aus, daß eine krisenfreie wirtschaftliche Entwicklung nur in einer verstaatlichten, demokratisch von den Arbeitenden selbst verwalteten, sozialisierten Planwirtschaft möglich ist.

Die Arbeiterklasse hat kein Interesse daran, Verantwortung für die Sozialisierung der Verluste von Kapitalisten und damit die Abwälzung der Krisenlasten auf ihre Schultern zu übernehmen — gleichgültig, in welcher Form dies geschieht (Lohndrückerei, staatliche Umverteilungspolitik von unten nach oben, Abbau der letzten sozialstaatlichen Elemente oder Enteignung der Lohnabhängigen durch Inflation). Die Perspektive kann nur heißen: Aufbau einer breiten Abwehrfront gegen die kapitalistische Krisenbewältigung; denn diese läuft immer darauf hinaus, die Krisenlasten auf den Rücken der Arbeiterklasse abzuwälzen.

Die Durchsetzung dieser Perspektive setzt voraus, daß sich die Arbeiterklasse von der Bourgeoisie politisch unabhängig macht und sich vor der Illusion hütet, sie könne gemeinsam mit der Bourgeoisie ihre Interessen wahren.

  • Für ein Programm öffentlicher Arbeiten!
  • Für ein Verbot aller Privatisierungen von öffentlichem Eigentum!
  • Wir fordern ein Verbot von Entlassungen,
  • die Verteilung der Arbeit auf alle Lohnabhängigen durch Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich,
  • ein Vetorecht von Belegschaften im Falle von Firmenaufkäufen und Fusionen.
  • Wir fordern bei die Offenlegung der Geschäftsbücher
  • sowie einen effektiven Schutz vor der Inflation: Automatische Anpassung der Löhne, Renten, Arbeitsersatzeinkommen und Stipendien an die Geldentwertung (gleitende Lohnskala).

Weil die herrschende Klasse und ihre Parteien die Lösung der aktuellen Krise nur auf Kosten der Arbeiterklasse durchsetzen will und ihre Politik nur neue und noch größere Krisen vorbereitet, kämpfen wir für eine Arbeiterregierung.

Diese wird durchsetzen, wozu die herrschenden Parteien nicht fähig sind:

  • Bereits 1848 verkündeten Marx, Engels und der Bund der Kommunisten im Manifest der Kommunistischen Partei als eine der wesentlichen Aufgaben einer Arbeiterregierung die “Zentralisierung des Kredits in den Händen des Staats durch eine Nationalbank mit Staatskapital und ausschließlichem Monopol”.
  • Diese Forderung ist aktueller denn je. Ihre Durchsetzung ist die grundlegende Voraussetzung, um die Abwälzung der Lasten der sich abzeichnenden Weltkrise des kapitalistischen Systems auf die Arbeiterklasse, die Mittelschichten sowie die Kleineigentümer zu verhindern.
  • Wir treten daher ein für die sofortige Verstaatlichung der Banken und Versicherungen unter Arbeiterkontrolle, für die Schaffung einer einzigen Staatsbank, die die Kreditwirtschaft zentralisiert.
  • Diese Maßnahme gewährleistet die Versorgung auch der kleinen und mittleren Betriebe mit Krediten. Sie allein erlaubt die Kontrolle des gesamten Zahlungsverkehrs und das Unterbinden unverantwortlicher Spekulationsgeschäfte. Sie ermöglicht es, die Wirtschaft durch die Kontrolle von Investitionen planmäßig zu entwickeln.

Anders als die von Kapitalvertretern befürworteten Beteiligungen des Staates an den kapitalistischen Privatbanken zielen diese Maßnahmen nicht nur auf die Sozialisierung der Verluste und die anschließende Reprivatisierung der Finanzwirtschaft, sondern auf eine reale Sozialisierung.

12.11.2008