Palästina

Artikel und Debatten zu Palästina, Israel und Zionismus

bds-Kampagne
Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen für Palästina
Übergangsforderungen

Artikel und Debatten zum kommunistischen Übergangsprogramm

Problemfall Sozialdemokratie

Marxisten und ihr Verhältnis zur Sozialdemokratie. Eine Auseinandersetzung mit der französischen Gruppe CRI.

W3C-Service

Valid XHTML 1.0 Strict



Dieter Elken und Peter Feist:

Der stalinistische Holz-Weg

zum omnipotenten Wesen

des verdinglichten "Antikommunismus"

Große historische Ereignisse, Revolutionen, aber auch katastrophale Niederlagen wie die Zerschlagung der deutschen Arbeiterbewegung 1933 als Folge des faschistischen Sieges oder der Zusammenbruch der Arbeiterstaaten 1989/90 erschüttern nicht nur unmittelbar die gesellschaftlichen Verhältnisse. Sie bringen auch die alten ideologischen Frontstellungen in Bewegung. Sie zwingen Parteien und Akteure, ihre Analysen, Einschätzungen und Programme zu überprüfen und zu erneuern. Das kann der Anstoß zu fruchtbaren Debatten und Erneuerungsprozessen sein, führt bei einigen Kräften aber leider immer wieder auch dazu, daß alte Fehler und Irrtümer nach einer kurzen Phase der Irritation sogar noch vertieft werden.

Die jüngste Kontroverse zwischen Christopher Jünke von der SOZ (Sozialistische Zeitung), Hans Heinz Holz (DKP), Manuel Kellner und anderen[1] illustriert das beispielhaft.

Gab es einen Epochenbruch?

Jünke eröffnete die Debatte[2] mit einer falschen Analyse. Er bewertet 1989/90 als "geschichtlichen Bruch epochalen Ausmaßes" und behauptet, es habe einen "Epochenbruch" gegeben, der zum anschließenden Durchbruch des Neoliberalismus geführt habe. Deshalb müsse ausgelotet werden, ob man zu einer neuen Linken kommen könne.

Hier offenbart sich eine Mischung aus Impressionismus und theoretischer Konfusion. Die imperialistische Epoche ist und bleibt die Niedergangsphase der kapitalistischen Gesellschaftsformation, die Epoche des Übergangs zum Sozialismus. Diese Epoche begann um die Jahrhundertwende vom achtzehnten zum neunzehnten Jahrhundert. Die Oktoberrevolution und die revolutionäre Welle am Ende des Ersten Weltkrieges illustrierte den Beginn der Überwindung des kapitalistischen Systems, sie war deren Ausdruck, aber sie eröffnete diese Epoche nicht. Der Zusammenbruch der Sowjetunion wie der Arbeiterstaaten Ost- und Mitteleuropas war eine Katastrophe ungeheuren Ausmaßes, aber kein Epochenbruch. Wir leben immer noch in der imperialistischen Phase des Kapitalismus. Dieser hat trotz seines Sieges im Kalten Krieg weder seine inneren Widersprüche noch seine grundlegende Krise überwunden. Im Gegenteil. Er bleibt Reaktion auf der ganzen Linie. Die Überwindung des Kapitalismus bleibt eine Notwendigkeit.

Die Erneuerung der sozialistischen Bewegung ist nicht deshalb erforderlich, weil wir in einer neuartigen Epoche leben, sondern weil der Zusammenbruch der Arbeiterstaaten eine historische Niederlage nicht nur der Stalinisten, sondern aller Linken ist und nicht zuletzt eine der internationalen Arbeiterklasse. Die Folge dieser Katastrophe ist eine tiefgreifende Desorientierung und Demoralisierung in der Arbeiterbewegung, die jetzt erst allmählich überwunden wird. Die notwendige Erneuerung der Arbeiterbewegung wird aber nicht ausgehend von Konzepten gelingen, die die Existenz einer neuen Epoche beschwören. Was für eine Epoche sollte das sein? Was wäre ihre neue, vom Imperialismus unterschiedene ökonomische Grundlage? Was sollten ihre gesellschaftlichen Charakteristika sein? Bereits diese Fragen lassen erahnen, daß die These vom Epochenbruch ins theoretische Nichts führt.

Hat sich das Problem des Stalinismus erledigt?

Jünke irrt auch, wenn er hofft, daß sich mit dem Zusammenbruch der Arbeiterstaaten das Problem des Stalinismus erledigt hat, weil damit der Fixstern des ideologischen und politischen Kosmos des Stalinismus in einem schwarzen Loch verschwunden sei. Seine stalinistischen Kritiker beweisen, daß es sich auch mit Fiktionen gut leben läßt. Daß Jünke meint, die alten Trennlinien zwischen Stalinisten und revolutionären Linken in der Arbeiterbewegung der Länder des Westens mit Hilfe eines Rückgriffs auf Überlegungen des jungen Peter von Oertzen darlegen zu müssen, offenbart eine gute Portion taktischer Naivität. Hans Heinz Holz hat diese Steilvorlage gern angenommen, um Jünkes Thesen mit dem klassischen stalinistischen Ausweichmanöver zu kontern, daß er sich die Auseinandersetzung mit Jünkes Argumenten dadurch erspart, daß er auf von Oertzens sozialdemokratische und damit antikommunistische Identität hinweist, frei nach dem (dummen) Motto "sage mir, wer Du bist und ich sage Dir, ob Deine Argumente beachtet werden müssen".

Die Parteifrage

Vollends unakzeptabel ist jedoch Jünkes These, den stalinistischen Substitutionismus als naturwüchsiges Ergebnis einer Verselbständigung des sozialistischen Bewußtseins darzustellen. Im Anschluß an Peter Cardorff sieht er dann "die Gefahr, die Partei zu einer A-Priori-Zentralinstanz der Vernunft zu verdinglichen, die das Bewußtsein als von außen wirkende Quelle in einen bewußtlosen Prozeß einführt und ihre funktionelle und programmatische Abhängigkeit von der realen Bewegung und dem Massenbewußtsein nicht mehr erkennt - eine Gefahr, die bei Lenin und Trotzki angelegt war, aber erst im Stalinismus voll durchbrach, d.h. zum herrschenden Prinzip wurde." Das hat tatsächlich wenig mit Marxismus zu tun. Statt materialistisch zu analysieren, werden abstrakte Klischees aneinandergereiht und suggeriert, daß jede sozialistische Organisierung auf den Stalinismus hinausläuft, bis hin zu der unterschwelligen These, daß Lenin und Trotzki mit ihrem Parteikonzept nützliche Idioten des Stalinismus waren.

Für Marxisten ist sozialistisches Bewußtsein keine den Klassenverhältnissen fremde oder äußerliche Angelegenheit. Der Marxismus bemüht sich um die materialistische Analyse und das Verständnis des realen historischen Prozesses. Das sozialistische Bewußtsein ist deshalb keine "von außen wirkende Quelle", sondern sozialistische Agitation und Propaganda zielt darauf ab, der Arbeiterklasse und ihren Bündnispartnern ihre eigenen historischen Erfahrungen zu verdolmetschen. Insofern ihr das gelingt, ist eine marxistische Partei Avantgarde und kann im Klassenkampf eine führende Rolle spielen. Eine verfassungsmäßig garantierte führende Rolle kann immer nur ein schlechter Witz sein und funktioniert im Ausnahmezustand noch nicht einmal.

Der Aufstieg des Stalinismus ist das Resultat der Fusion der KPdSU mit der russischen, nicht zuletzt der alten zaristischen Staatsbürokratie, der Ausschaltung und dann der physischen Vernichtung der großen Mehrheit der Kader, die 1917 und während des Bürgerkrieges Parteimitglieder waren und der politischen Zerstörung der Partei Lenins. Hierzu führt Manuel Kellner in seinem lesenswerten Diskussionsbeitrag[3] instruktive Tatsachen auf. Die Veränderung der sozialen Basis und Zusammensetzung führte zu einem grundlegenden Politikwandel der KPdSU. Kaum eines der grundlegenden politischen Konzepte Lenins, das unter Stalin nicht revidiert wurde. Es kommt nicht von ungefähr, daß die Inhalte der ersten vier Weltkongresse der Kommunistischen Internationale in der DDR nicht gedruckt zugänglich waren. Wer wie Jünke angesichts dieser historischen Bilanz meint, von logischen Strukturen anstatt von realen historischen Prozessen sprechen zu müssen, sollte sich auf Marx nicht berufen. Es ist übrigens erstaunlich, daß Manuel Kellner, der Hans Heinz Holz zu Recht vorwirft, den realen historischen Prozeß zu ignorieren, Jünkes idealistische Eskapaden nicht erwähnt.

"Stalinismus-Keule"

Hans Heinz Holz reagiert auf Jünkes Referat und dessen Kritik am Kadavergehorsam der stalinistischen Parteien des Westens natürlich beleidigt[4]. Obwohl er in seiner Antwort den Namen Stalins als Symbol der Partei bezeichnet und dessen Rigorosität und unbeugsame Kampfbereitschaft im Kampf um die Erhaltung der Sowjetunion preist, und sich sogar dazu versteigt, den Stalin'schen Terror als historisch notwendig zu verteidigen, obwohl er den innerparteilichen Terror damit rechtfertigt, daß die innerparteilichen Auseinandersetzungen angeblich konterrevolutionären Charakter angenommen hatten, beklagt er sich darüber, daß Jünke die "Stalinismus-Keule" schwingt.

Jünke hat sich für Holz damit jedenfalls schon zumindest als Agent des Klassenfeindes entlarvt: "... mit einem raffinierten Dreh wird so das altbekannte, vom Klassenfeind mit allen propagandistischen Mitteln aufgebaute Feindbild wieder eingeführt. Der Tenor von Jünkes Aufsatz hält sich ganz und gar im Rahmen der uns vertrauten Schemata des Antikommunismus." Den Gegenstand der Kritik Jünkes und Oertzens am Stalinismus, daß die westlichen Kommunistischen Parteien jeden Schwenk der sowjetischen Außenpolitik bedingungslos und kritiklos mitvollzogen haben, daß sie (von Jünke nicht einmal explizit erwähnt) dabei soweit gingen, Revolutionen zu verraten, abzuwürgen und innerhalb der Arbeiterbewegung jedes solidarische Verhalten nicht nur aufkündigten, sondern sozialrevolutionäre Kräfte zu Konterrevolutionären erklärten, die sie zum Teil im Bündnis mit der Bourgeoisie bekämpften und ermordeten, verschweigt der Philosoph in diesem Zusammenhang.

Später in seinem Artikel rechtfertigt er den Verrat: "Welcher Kommunist war nicht von Zorn und Trauer erfüllt, als nach dem Zweiten Weltkrieg die griechische Revolution im Stich gelassen wurde. ... Wer will Thorez und Togliatti einen Vorwurf daraus machen, daß sie den bitteren Verzicht auf einen sozialistischen Umsturz in Frankreich und Italien in Kauf nahmen, weil sie die weltpolitischen Kräfteverhältnisse richtig einschätzten." Und, natürlich: "Nur ein Sozialdemokrat wie von Oertzen kann darin einen Verrat sehen". Ganz abgesehen davon, daß damals das weltpolitische Kräfteverhältnis wesentlich günstiger war als jemals davor oder danach im zwanzigsten Jahrhundert, daß der kalte Krieg zu dem Zweck begonnen werden mußte, die westlichen Länder wieder zu Bastionen im Kampf gegen die Sowjetunion zu machen, ist dies das klassische Argument schon des russischen Menschewismus gegen die Oktoberrevolution gewesen. Und damals war dieses Argument wesentlich plausibler.

Die Verteidigung der Sowjetunion

Die Verteidigung der Sowjetunion und der anderen Arbeiterstaaten ist, wie Willi Gerns (DKP) ehrlich behauptet, allen Kommunisten stets Herzenssache gewesen[5]. Herbert Münchow (DKP) zitiert sogleich Clara Zetkin, um auf die imperialistische Umkreisung der Sowjetunion und ihre extrem schwierigen Ausgangsbedingungen aufmerksam zu machen[6], die ohnehin jeder kennt. Da habe man die Reihen schließen müssen. Bedauerlicherweise zeigt auch er damit, daß ihm die Verteidigung der Sowjetunion nur Herzenssache und nicht so sehr eine Sache des Verstandes und schon gar nicht des analytischen Verstandes ist.

In der Stunde der Gefahr, d.h. während der gesamten Zeit der von Anfang an vom Imperialismus bedrohten Existenz der Arbeiterstaaten, sahen die Stalinisten, ganz anders als Lenin, in jeder Parteidiskussion, in jeder Meinungsverschiedenheit unter Kommunisten eine "konterrevolutionäre Tendenz" (O-Ton Hans Heinz Holz). Sie haben deshalb im Stalin'schen Terror immer nur eine notwendige "revolutionäre Härte" gesehen. Die Phase des Terrors sei zwar eine Phase der Krise gewesen, aber der Terror sei immer auch ein Mittel zur "Stabilisierung des gesellschaftlichen Umsturzes" gewesen. Holz und mit ihm die DKP sieht das immer noch so. Die entscheidende Frage, wo der notwendige revolutionäre Terror der Revolutionsphase zur Unterdrückung des Widerstands der gestürzten Ausbeuter endete und wo die Verbrechen Stalins begannen, wird nicht gesehen geschweige denn gestellt.

Stattdessen faselt Holz davon, daß Unrecht immer nur einem Individuum zugefügt werden kann, daß die kategoriale Ebene der Moralität immer eine Kategorie des Individuellen und der Privatheit bleibt. Messerscharf schlußfolgert er, daß diese Individualisierung des Moralischen seine Relativierung einschließe. Das erfordere zuweilen die Beschränkung, ja das Opfer des Einzelnen. Geschichtliche Prozesse ausschließlich nach Normen der Moralität zu beurteilen, sei die Sicht des Kleinbürgers.

Schon mit seiner pseudophilosophischen Grundthese befindet sich Holz auf dem Holzweg. Der Mord an vielen Millionen Juden und an Romas durch die deutschen Faschisten war ein kollektives Unrecht und nicht nur ein moralisches Problem. Ebenso ist die massenhafte Ausübung von Terror innerhalb der breiten Volksmassen durch den Stalinismus in erster Linie kein moralisches, sondern ein politisches Problem. Schon der revolutionäre Terror hatte begonnen, die durch den Bürgerkrieg nach der Oktoberrevolution geschwächte revolutionäre Arbeiterbewegung von den Massen zu isolieren und dazu beigetragen, die Bürokratisierung der KPdSU zu ermöglichen. Der spätere stalinistische Terror innerhalb der Arbeiterklasse und dann gegen die Mehrheit der Arbeiterklasse hat danach die Massen innerhalb wie außerhalb der Arbeiterstaaten dem Sozialismus zunehmend entfremdet, sie für die bürgerliche, antikommunistische Propaganda empfänglich gemacht (diesen Zusammenhang ignorieren alle Stalinisten ausnahmslos). Damit wurde der Konterrevolution letztlich der Weg bereitet. Der Stalin'sche Terror repräsentierte deshalb von Anfang an nur die erste Phase der Konterrevolution.

Dieser Terror war mithin keine Summierung von in Kauf zu nehmenden Einzelverbrechen, er war ein politisches und damit kollektives Verbrechen an der Revolution, an der Arbeiterklasse und am Sozialismus. Was das mit kleinbürgerlicher Moral zu tun hat, bleibt das Geheimnis der Holz'schen Philosophie. Wer den Lauf der Welt nur mit dem idealistischen Konstrukt des zum omnipotenten Wesen verdinglichten "Antikommunismus" erklären kann, wird nie begreifen, daß die stalinistischen Methoden der Verteidigung der Sowjetunion den Sozialismus in der Weltarbeiterklasse diskreditiert hat. Damit hatte der Imperialismus in seinen Metropolen die Hände frei, um den Druck auf die Arbeiterstaaten zu steigern. Diese Art von Verteidigung hat die Arbeiterstaaten in den Untergang geführt.

Holz und mit ihm die stalinistische Bewegung verschließen seit Jahrzehnten die Augen davor, daß es in der revolutionären Politik eine Zweck-Mittel-Relation gibt. Anders als von den Imperialisten einschließlich der Faschisten gepredigt, heiligt der für gut befundene Zweck eben nicht jedes Mittel. Der Weg zum Kommunismus führte auch historisch nicht über den GULAG. Hierüber gibt es auch nichts mehr zu diskutieren, weil Tatsachen Tatsachen sind. Der Weg über den GULAG hat (!) zum Zusammenbruch der Sowjetunion und der anderen Arbeiterstaaten geführt, d.h. zur kapitalistischen Konterrevolution. Und, was noch schlimmer ist, er hat die Machtzentren des Stalinismus, die Politbüros, selbst reif gemacht, die soziale Konterrevolution zu organisieren.

Holz und seine stalinistischen Freunde haben jahrzehntelang jede Kritik am Stalinismus als konterrevolutionär abgestempelt und damit die Verbrechen ihrer Bewegung an Vertretern anderer Strömungen der Arbeiterbewegung verteidigt. Am vehementesten haben sie die Verfolgung von Trotzkisten betrieben, die bei aller Kritik am Stalinismus immer die Notwendigkeit der Verteidigung der Sowjetunion gegen den Imperialismus in Theorie und Praxis betont haben. Das alles im Namen der Verteidigung der Sowjetunion. Zum Haß der Stalinisten auf die Trotzkisten hat sicher beigetragen, daß die Trotzkisten seit den dreißiger Jahren erklärt haben, daß die Sowjetunion gegen den Stalinismus, d.h. das im Namen des Sozialismus etablierte bürokratische Herrschaftssystem verteidigt werden muß.

Die Geschichte hat diese Kontroverse entschieden. Es waren, wie von Trotzki für den Fall des Mißerfolgs der trotzkistischen Politik der Verteidigung der Sowjetunion auch gegen den Stalinismus vorausgesagt, die stalinistischen Parteien selbst, die von der Elbe bis Wladiwostok an der Spitze der sozialen Konterrevolution standen.

Zur historischen Bilanz gehört auch, daß die vielen subjektiv ehrlichen Kommunisten in den stalinistischen Parteien aufgrund ihrer ideologischen Konfusion und Verblendung nicht in der Lage waren, irgendeine Hand zur Verteidigung der Arbeiterstaaten zu erheben. Diese "ehrlichen" Stalinisten - unter ihnen Hans Heinz Holz - waren wie gelähmt, unfähig zu verstehen, was passierte, verständnislos hinsichtlich der innergesellschaftlichen Widersprüche, die zum Zusammenbruch des Stalinismus und zum Übergang der Mehrheit der stalinistischen Parteiführungen auf die Seite der Konterrevolution geführt hatten. Daran hat sich nichts geändert.

Über Willi Gerns Bemerkung, daß die Westkommunisten bei den Treffen der Kommunistischen Weltbewegung vielleicht doch den Mut hätten aufbringen sollen, diese oder jene Fehlentwicklung anzusprechen, kann man bei aller Anerkennung des sichtbar guten Willens ob seiner Ratlosigkeit nur den Kopf schütteln. Ehrlichkeit, die wie bei Holz sowohl mit politischer Lernunfähigkeit als auch ideologischer Aggressivität gepaart ist, ist nicht zu tolerieren.

Statt materialistischer Analyse bieten die übriggebliebenen Ideologen des Stalinismus ihren Anhängern Verschwörungstheorien auf nur noch bemitleidenswertem Niveau an. Sie können es allem Anschein nach nicht ertragen, mit den eigenen Lebenslügen aufzuräumen. Sie müßten sich dann der Erkenntnis stellen, daß sie in der Stunde der akutesten Gefahr für die Sowjetunion und in Deutschland für die DDR, während ihres Sturzes, auf der ganzen Linie versagt haben, so sehr versagt, daß sie z.T. noch nicht einmal erkannt hatten, von wem die Konterrevolution geführt wurde, nämlich von den eigenen Politbüros.

Jämmerlicher kann man nicht scheitern!

Trotzdem hält sich der altgläubige Stalinist Holz als großer Held und Verteidiger der Sowjetunion für berufen mitzuteilen, wen er für einen echten revolutionären Sozialisten hält und wen nicht. Das ist schon intellektuelle Umweltverschmutzung und schlicht unakzeptabel.

Dieter Elken und Peter Feist, 10.06.2004

Arbeitskreis Marxistische Theorie und Politik

[1]Die bisher in der jungen welt veröffentlichten Beiträge dieser Debatte finden sich in den Ausgaben vom 12.5., 13.5., 21.5., 26.5., 2.6., 11.6., 18.6. und 24.6.2004.
[2]Christoph Jünke: Alte Brüche, jw vom 12/13.5.2004
[3]Manuel Kellner: Materialismus statt Idealismus, jw vom 2.6.2004
[4]Hans Heinz Holz: "Linkssozialismus" oder Kommunismus? jw vom 21.5.2004
[5]Willi Gerns: "Kadavergehorsam" gegenüber Moskau? jw vom 26.5.2004
[6]Herbert Münchow: Es geht um die Diktatur des Proletariats, jw vom 5./6./7.6.2004